Читать книгу Island - Gefundene Einsamkeit, pures Abenteuer & ein Neuanfang - Dirk Haas - Страница 7
ОглавлениеKapitel 2 – Eine Seefahrt, die ist lustig…
Die Norröna
21.04
Der Handywecker schmiss mich schon um 7 Uhr aus den Federn. Da der Check-in erst ab 14 Uhr stattfand, wollte ich das Wohnmobil nochmal durchputzen. Und aus Angst, es könnte in Island keine Tankstellen geben, war mein nächster Gedanke: nochmals volltanken! Die Überraschung war groß: Die angezeigten Preise an den Zapfsäulen verstanden sich sozusagen ohne Mehrwertsteuer und beliefen sich letztendlich auf 1,66 Euro pro Liter Diesel, welche erst auf dem Beleg komplett sichtbar wurden. Teure Sache dachte ich, was kommt da noch in Island auf mich zu...?
Nun gut, eine Stunde vor Check-in reihte ich mich in die Schlange auf die Norröna von Smyril Line ein. Mächtiges Schiff, war mein erster Gedanke... Sorgen machte mir aber eher die Einfahrt auf das Schiff selbst, da ich mit meinem Heckträger samt Mopedbeladung recht hecklastig war. Rampen und ihre Auswirkungen kannte ich bis dato nur aus Forenbeiträgen im Internet. Zugesichert wurde mir telefonisch eine ebene Einfahrt, was sich aber als falsch herausstellen sollte. Unsicher fuhr ich dann gezwungener Weise gegen 14 Uhr über eine steile Rampe in das Schiffsinnere - trotz zugesicherter, ebener Auffahrt- von Ebene 3 auf Ebene 4. Dabei setzte ich mit meinem Heckträger leicht auf. Die Kratzer waren marginal, aber dennoch sorgten mich diese Begebenheiten. Als penibler und umsichtiger Schwabe machten mir solche Vorfälle halt ein wenig Bauchschmerzen. Wie auch immer, es schien am Womo alles in Ordnung zu sein. Außer diesen kleinen Kratzern auf der Unterseite des Lastenträgers war augenscheinlich nichts passiert und das Schiff legte mit 2 stündiger Verspätung dann um 17 Uhr ab. Die Schiffszeit wurde um eine Stunde auf Färöerzeit zurückgestellt.
Mein Außenbordzimmer war sensationell! Mit Meerblick und kompletter Hotelausstattung, in gefühlter 3-4 Sterne-Qualität, fehlte es an rein gar nichts: Ein bequemes Bett, TV, Dusche & Kühlschrank, alles war vorhanden. Die Überfahrt konnte also beginnen...
18 Uhr: Buffet war angesagt. All-Inclusive! Im Gesamtpreis enthalten war auch die Verpflegung der Smyril Line. Das war, wie sich herausstellte, ein Highlight dieser Schiffsfahrt. Das Buffet erfüllte fast jeden Wunsch. Man konnte in mehreren Gängen die unterschiedlichsten Spezialitäten von den Färöer, Island und Dänemark verköstigen. Auf dem Speiseplan standen deshalb viele kalte wie auch warme Fischspezialitäten, natürlich auch Rind, Schwein und wer hätte es vermisst: Lamm. Da dies nicht meinen Geschmacksvorstellungen entsprach, ebenso wenig Walfettstücke in Transoße oder Trockenfisch, machte ich nach kurzen Geschmackstests konsequent einen Bogen um diese „Spezialitäten“. Ungeachtet der Kalorien genoss ich das Morgen- u. Abend-Buffet täglich, vor allem die süßen Leckereien hatten es mir angetan. Die abendlichen Getränkepreise allerdings waren heftig und schlugen mit beispielsweise 5 Euro für ein 0,33l Bier zu Buche.
21 Uhr: Nach einer Ruhepause in meinem Außenbordzimmer, sattelte ich nochmals meine Kamera und ging aufs äußere Oberdeck, um dem mittlerweile einsetzenden Regen zu trotzen. Frische Meeresluft, wie ich sie liebe..., aber auch ganz schön kalt. Brrr…
Es war ohnehin ein eigenartiges Gefühl, allein ohne Frau & Kids auf dem Weg nach Island zu sein, mit einem viereinhalbtonnen schweren Wohnmobil und meiner „gesegneten“ Kameraausrüstung. Diese privilegierte Situation durfte mir auf meiner ganzen Reise rund um den 66 Breitengrad nicht in Vergessenheit geraten. Mein exklusiver Ausstieg, dem System der Rastlosigkeit zu entkommen und auf Abenteuertour zu gehen. Das war das Ziel und immer schon mein Traum gewesen. Raus aus den Normen und Werten dieser Hamsterradlauf-Gesellschaft, die den Überblick schon lange verloren hat und in sklavenähnlicher Abhängigkeit lebt. Über den Tellerrand zu schauen und dabei neue Ziele zu entdecken, in diesen Genuss kommen leider nur sehr wenige. Insgeheim überwiegte deshalb eine positive Aufbruchsstimmung, eine unbeschreibliche Neugier auf Neues, die größer war als alles andere und dem genetisch veranlagten Nomadentrieb mal wieder die richtige Aufmerksamkeit zuteil kommen ließ.
Zurück auf meinem Zimmer, machte ich mich erstmals an eine konkretere Routenplanung. Genau genommen markierte ich mir alle wichtigen Punkte auf einer Islandkarte und verglich diese mit einem der Reiseführer auf Wohnmobiltauglichkeit. Da taten sich schon die ersten Fragen auf: Welche der Ziele sind zur jetzigen Zeit überhaupt erreichbar? Sind die Straßen dorthin schon freigegeben? Vor allem sah ich bei einigen Zielen fast kein Durchkommen, ohne Allradantrieb auf Schotterpisten oder durch Furten. Das konnte und wollte ich meinem Wohnmobil der gehobenen Preisklasse eigentlich so gut wie gar nicht zumuten. Daher entstand auch schon vor der Reise die Idee mit dem Moped, mit welchem ich auch Schotterpisten fahren könnte, um so abgelegene Ziele zu erreichen. Mit offenen Fragen und einer Landkarte mit vielen Kreuzchen legte ich mich dann ziemlich geschafft schlafen. Der Blick aus dem Fenster verriet mir den Kurs an der norwegischen Küsten entlang. Entsprechend ruhig war der Seegang, was mir zu einer sehr erholsamen Nacht verhalf.
Abbildung 2, Check-Inn auf die Norrönna in Hirtshals
Abbildung 3, Außenbordkabine mit "Meerblick"
Die Färöer-Inseln
22.04
Erstmal ausschlafen, dachte ich.... Was sich dann aber als Nachteil beim Frühstück herausstellte. Um 10 Uhr war das Buffet schon abgebaut. Ein klärendes Gespräch mit einer Bediensteten verhalf mir dennoch zu einem Afterhour-Frühstück aus der Bordküche, welches ich dankend annahm. Tatsächlich hatte ich aber keinen großen Hunger, denn mein Magen war auf Achterbahnfahrt... Zunehmend verschlechterte sich der Seegang, denn wir erreichten nun das offene Meer. Der Wellengang wurde immer intensiver und auch die Schaukelbewegungen des Schiffes nahmen fortwährend zu. Ich versuchte mich im Buchlesen, was mit leerem Magen noch ganz gut gelang. Nachdem wir aber am Abend hinzukommend auf eine Schlechtwetterfront stießen, war der Wellengang sensationell. Saß man nun auf einer Seite des Schiffes und schaute auf die gegenüberliegende Fensterreihe, so verschwand der Horizont vollständig über dem Fenster um bei der Retourbewegung dann wieder fensterfüllend aufzutauchen. Ich suchte nach Ablenkung und fand diese in einem Vortrag über die Färöer-Inseln, mit der Möglichkeit diese am Tag darauf zu besuchen. Dankbar über die Abwechslung und darüber, das Schiff verlassen zu können, meldete ich mich für die Tour an. Die Halbtagestour schlug mit umgerechnet 100 Euro zu Buche und die Wettervorhersage versprach einen schönen, abwechslungsreichen Tag.
[Die Färöer liegen auf 62° nördlicher Breite und 7° westlicher Länge im Nordatlantik zwischen Schottland, Norwegen im Osten und Island im Nordwesten. Weiter nördlich befindet sich die norwegische Insel Jan Mayen im Polarmeer. Der Archipel mit seinen 18 Inseln, 11 Holmen und 750 Schären (zusammen 779 Inseln, bildet eine Fläche von 1395,74 km². Die zerklüftete und oft senkrecht aus dem Meer ragende Küstenlinie erstreckt sich über 1.289 Kilometer. Kein Punkt auf den Färöern ist mehr als fünf Kilometer vom Meer entfernt. Fast alle Orte der Färöer liegen an geschützten natürlichen Häfen, in Fjorden und Buchten.] Quelle Wikipedia
Thorshaven – Hauptstadt der Färöer
23.04
Sehr schlecht geschlafen! Um 3 Uhr wachte ich durch den hohen Wellengang immer wieder auf. Das Bett glich einer Schiffschaukel ohne Anschlag. Mit Schlafen war nun nichts mehr. Mein Mageninhalt nahm als einziger noch die Gravitationskraft in Anspruch, alle anderen Körperteile folgten den Schaukelbewegungen des Schiffes. Ich stand daher sehr früh auf und schaute mir die Gravitation meines Brausestrahls in der Dusche genauer an. Da wir schon um 6 Uhr in Thorshaven anlegten, war auch das Frühstück etwas vorverlegt worden. An Weiterschlafen war sowieso nicht mehr zu denken, weshalb ich dann ab 5 Uhr 30 die Gelegenheit wahrnahm und abermals ausgezeichnet verköstigt wurde. Nach dem Anlegen inspizierte ich kurz mein Fahrzeug im Laderaum und stellte fest, dass das Womo sowie auch alle anderen Fahrzeuge die Schaukeltour ohne Probleme überstanden hatten.
6 Uhr 30 war Abfahrt im sogenannten Busterminal, welches mit dem Schiffsterminal eine Einheit bildete.
Das Wetter war alles andere als vorhergesagt und tatsächlich wie sich herausstellte bei 300 von 365 Tagen im Jahr: regnerisch und unbeständig. Der dazugehörige Wind knackte die gefühlte -10° Gradmarke und hätte eigentlich Schnee vom Himmel fallen lassen müssen. Stattdessen nieselte es immer wieder, mit Windpeitschen die es in sich hatten. Mir war der Ausflug zu Dänisch. Auf der nicht wie versprochen in Englisch geführten Tour wurde nur auf Dänisch erklärt und erzählt, weshalb mich nach dem zweiten verregneten Busstopp die verlorene Nacht wieder einholte und ich im warmen Bus einschlief. Stunden später weckte mich meine Sitznachbarin, da ich zu laut schnarchte. Nun gab es das versprochene Mittagessen. Als ich auf die Uhr schaute musste ich feststellen, dass es aber erst 10 Uhr morgens war. Widerwillig ging ich in eine Art Hafenkantine und wurde mit Fish & Chips versorgt. Na gut, dachte ich, bezahlt ist bezahlt, und nachdem es vielleicht das einzige Highlight einer 100 Euro teuren Floptour werden könnte, habe ich mir auch dieses nicht entgehen lassen.
Fish & Chips am frühen Morgen sei Dank, blockierte ich danach die einzige Hafentoilette, was sich in den Gesichtern der anderen Leidensgenossen widerspiegelte, die mir nach dem Öffnen der Toilettentür entgegensahen. Zurück auf dem Schiff legte ich mich erst einmal erschöpft schlafen, und hatte somit auch nichts vom Ankerlichten mitbekommen. Das Abend-Buffet war wieder vorzüglich, der Wellengang hatte sich beruhigt, daher stand einer ruhigen Nacht nichts im Wege.
Abbildung 4, Torshaven, die Hauptstadt der Inselgruppe