Читать книгу Vieles scheint unmöglich, bis du es schaffst! - Dirk Leonhardt - Страница 6

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Prolog

Ich bin ein Blatt.

Ich bin ein Blatt und treibe übers Wasser.

Ich treibe über die Wellen und muss nichts tun. Auf und ab, immer den Wellen des Wassers folgend.

Vielleicht sinke ich irgendwann auf den Boden des Sees, aber momentan treibe ich noch oben.

Alles ist gut…

Moment. Was war das? Mit einem Mal registrierte ich, dass ich halluzinierte. Verwirrt blickte ich mich um, und schlagartig wurde mir klar, dass ich mich mitten im Silvaplanersee in der Schweiz befand. Ich wollte schwimmen, spürte auch, dass ich irgendwie schwamm, realisierte jedoch gleichzeitig, dass ich kaum noch vom Fleck kam. Eine extreme Kälte schoss mir durch alle Glieder. Ich wusste: Je länger ich im Wasser blieb, desto stärker würde ich auskühlen. Und das würde meine Lage keinesfalls verbessern. Wenn ich jedoch das andere Ende des Sees erreichen würde, dann könnte ich mich bei der nächsten Laufetappe sicher wieder etwas aufwärmen, und alles wäre gut. Ich schaute nach vorne. Es gab nur einen winzigen Haken: Bis ans gegenüberliegende Ufer war es noch ein unendlich weiter Weg. Das muss ich schaffen, dachte ich hochmotiviert. Viel zu anstrengend, schoss es mir im nächsten Moment durch den Kopf. Viel lieber würde ich mich einfach nur hier im Wasser treiben lassen… Wie ein Blatt… Wie ein Blatt auf den Wellen…

Neben mir schwamm Thomas. Besorgt blickte er zu mir rüber und begriff sofort, was in mir vorging. Vor einigen Stunden waren wir gemeinsam beim 1. Engadin Swimrun unweit von St. Moritz gestartet und wollten laufend und schwimmend im Wechsel unseren ersten Wettkampf dieser Art absolvieren. 30 Kilometer mit über 1.100 Höhenmetern hatten wir bereits zu Fuß zurückgelegt und waren mit unseren Laufschuhen und in ein Neopren-Shorty gehüllt auf fünf Schwimm-Etappen insgesamt etwa 2,6 Kilometer geschwommen. Doch nun ging plötzlich gar nichts mehr, und es lagen immerhin noch 10 Kilometer Laufen und über 3 Kilometer Schwimmen vor uns. Doch ich war mit meinen Kräften total am Ende. Jetzt weiterzumachen, wäre unverantwortlich gewesen, das begriff auch Thomas unverzüglich, als er mich in meinem Zustand sah und diesen sofort richtig einschätzen konnte. So gab es auch keinerlei Diskussion, dass wir das Rennen aus Sicherheitsgründen an dieser Stelle beendeten. Plötzlich ergab auch die Vorgabe des Veranstalters, dass nur in Zweier-Teams gestartet und gelaufen werden durfte, sehr viel Sinn.

Das also war mein erstes DNF. Mein ganz persönliches Did Not Finish. Von 94 Teams hatten bereits 40 schon vor uns aufgegeben, aber das tröstete mich wenig. Ich musste akzeptieren, dass ich den kalten Bergseen mit Temperaturen im einstelligen Bereich einfach nicht gewachsen und das Training am Feldberg im Taunus am Ende doch nicht so wettkampftauglich war, wie erhofft. Ich brauchte Stunden, um mich von meiner Unterkühlung zu erholen und noch einiges mehr an Zeit, um diesen Rückschlag mental zu verarbeiten – auch wenn mir klar war, dass mein Zustand im Wasser lebensbedrohlich hätte werden können.

Jetzt, ziemlich genau sechs Jahre später, hatte ich dieses Gefühl von damals erneut. Nicht das Gefühl, wie es ist, ein Rennen vor dem Erreichen der Ziellinie beenden zu müssen, sondern vielmehr das Gefühl, dem Wasser vollständig unterlegen zu sein – und eher zu treiben, anstatt zu schwimmen. Ich war bereits den dritten Tag in Folge im Wasser. Nicht in einem kalten Bergsee, sondern in einem südhessischen Badesee. Doch all die Gefühle von damals schossen in gleicher Intensität wieder in mir hoch, wie ein böser Geist, den man nicht vertreiben kann. Die Unterlegenheit, ja Chancenlosigkeit gegen das Wasser, das den ganzen Körper umschließt. Die Gedanken ans Aufgeben. Die Kraftlosigkeit. Dieses böse Omen für das Scheitern war nun bei mir, in mir und komplett um mich herum. Doch wie war ich eigentlich in diese Lage gekommen? Und warum das Ganze?

Einen Weltrekord im Triathlon zu schaffen, war für mich keine Obsession. Er war kein Wunsch, auf den ich jahrelang hingearbeitet hatte. Vielmehr war er eher ein Zufall, eine Art Fügung – vielleicht könnte man es auch einen „Unfall“ nennen. Auf jeden Fall aber war es Schicksal, dass ich mich dafür entschied, den längsten Triathlon der Welt in Angriff zu nehmen.

Die Frage nach dem Warum steht über allem. Zu verrückt wirkt das Projekt auf Außenstehende, als dass man es einfach so hinnehmen oder wortlos akzeptieren könnte. Das verstehe ich absolut. 200 Kilometer Schwimmen, 5.400 Kilometer auf dem Rad und danach noch mehr als 31 Marathons laufen, nonstop, ohne die nötige Zeit zur Regeneration dazwischen – und das alles in etwa 45 Tagen – klingt doch sehr wagemutig. Alltäglich sieht irgendwie anders aus.

Aber was trieb mich dazu, dieses Projekt in Angriff zu nehmen? Für mich persönlich war der Hauptgrund die Suche nach einem Abenteuer. Es ist meine kindliche Neugier, die bewirkt, dass ich ein solches Projekt spannend finde. Kann ich es wirklich schaffen? Was ist mein Körper zu leisten imstande? Wie stark ist mein Kopf? Das waren die Fragen, die ich vor allem mir selbst beantworten wollte. Dass es weh tun würde, war keine Frage. Dass es unzählige Tiefs geben würde, keine Überraschung. Dass noch kein Mensch vor mir eine solche Leistung vollbracht hatte, war ein weiterer Reiz, dieses Projekt zu realisieren. Dass ich damit einen Weltrekord holen könnte, ein toller Bonus. Dass ich generell dazu in der Lage sein würde zu finishen, davon war ich von Anfang an überzeugt.

Es gibt unzählige Motivationssprüche. Einer blieb mir besonders im Gedächtnis: „If you can dream it, you can do it.“ Wenn du es dir vorstellen kannst, dann kannst du es auch schaffen. Dieses Buch wird erzählen, wie der bis dato weltweit längste Nonstop-Triathlon ablief, und mit welchen Höhen und ganz vielen Tiefen ich dabei zu kämpfen hatte. Aber es wird auch erklären, warum ich diese Extremleistung schaffen konnte, obwohl ich sportlich eher unterdurchschnittlich auf diese Herausforderung vorbereitet war.

Die zentrale Botschaft lautet: Auch du kannst herausragende und besondere Leistungen schaffen, denn Erfolg beginnt immer im Kopf!


Dirk Leonhardt

Bruchköbel, Juli 2021

Vieles scheint unmöglich, bis du es schaffst!

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