Читать книгу Absprachen im Strafprozess - Dirk Sauer - Страница 46
3. Kein durchgängiger Widerspruch zwischen Konflikt und Konsens
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Die beiden Ansätze schließen sich dabei im Übrigen nicht aus. Es ist sehr gut vorstellbar und in der Praxis auch häufig unproblematisch, im Grundsatz den „Strafprozess von 1877“[58] durchzuführen, dabei aber zu Einzelpunkten, oft schon während des Ermittlungsverfahrens, insbesondere mit der Staatsanwaltschaft Gespräche zu führen und einvernehmliche Ergebnisse herbeizuführen.[59] Es kommt auch keineswegs selten vor, dass nach jahrelangen, mit allen von der StPO vorgesehenen Mitteln der Konfrontation geführten Auseinandersetzungen am Ende eines Ermittlungsverfahrens oder einer Hauptverhandlung doch noch eine Verständigung steht. Mit anderen Worten: Auch aus der hier grundsätzlich für richtig gehaltenen Auffassung, wonach Verständigungen im deutschen Strafverfahren einen legalen und legitimen Platz einnehmen können, folgt nicht, dass sich nun kurzschlüssig einfach eine lange Liste mit möglichen Verfahrenssituationen und dem jeweils dazugehörigen Tipp, wie sich diese im Gespräch mit den anderen Verfahrensbeteiligten optimal lösen lassen, erstellen ließe. Vielmehr muss gerade derjenige Verteidiger, der verständigungsfähig sein will, das hergebrachte Arsenal strafprozessualer Instrumentarien besonders gut beherrschen. Er muss selbstverständlich auch – aufgrund seiner Gestaltungsaufgabe vielleicht sogar in besonderem Maße – in der Lage sein, umfangreiches Aktenmaterial adäquat und in vertretbarer Zeit zu erfassen sowie die teils durchaus anspruchsvollen materiell-rechtlichen Prüfungen durchzuführen, von denen die zutreffende Einschätzung der Rechtslage abhängt. Erst auf einer solchen, soliden Basis kann überhaupt, je nach Verfahrenssituation, entschieden werden, ob, inwieweit, zu welchen Zeitpunkten und in welcher Form mit anderen Verfahrensbeteiligten Möglichkeiten einvernehmlicher Verfahrensweisen erörtert werden sollen.