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b) Schuldschwere und öffentliches Interesse an der Strafverfolgung
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Sowohl § 153 wie § 153a knüpfen die Einstellungsmöglichkeit weiterhin an ein bestimmtes Maß der Schuld sowie im Ergebnis auch daran, dass ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung die vollständige Durchführung des Strafverfahrens nicht gebietet. Dies geschieht allerdings bei beiden Vorschriften in unterschiedlicher Weise:
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§ 153 spricht von einer Schuld, die „als gering anzusehen wäre“ sowie vom Fehlen eines öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung. Im Einzelnen:
– | Für das Verfahren bis zur Prüfung der Einstellungsvoraussetzungen bedeutet ersteres zunächst, dass der Tatvorwurf gerade, aber auch nur so weit aufgeklärt werden muss, bis dieses hypothetische Urteil möglich ist.[6] Ein Schuldnachweis ist nicht erforderlich; umgekehrt ist jedoch die Anwendung gegenüber einem erwiesenermaßen Unschuldigen ebenso wenig zulässig wie eine Einstellung nach § 153 erfolgen kann, wenn aus Rechtsgründen Zweifel an der Strafbarkeit der verfahrensgegenständlichen Handlung(en) bestehen[7]. Endet dieser Prüfungsschritt positiv, ist anschließend über Entgegenstehen oder Nicht-Entgegenstehen des öffentlichen Interesses zu befinden. |
– | Inhaltlich sind beide Kriterien, also geringe Schuld sowie öffentliches Interesse, nach wie vor schwer fassbar. Auch Nr. 93 RiStBV gibt über die Handhabung durch die Staatsanwaltschaften keinen näheren Aufschluss. Eine gängige Faustformel zu ersterem lautet, die Schuld des Beschuldigten müsse (hypothetisch) deutlich unter dem Durchschnitt liegen. Nach h.M.[8] kann das Schuldmaß, dies als grobe Leitlinie, nach den auch sonst anwendbaren Strafzumessungsgesichtspunkten des § 46 Abs. 2 StGB bestimmt werden. In der Konsequenz der Rechtsprechung des BGH zur Verletzung des Menschenrechts auf Behandlung der Sache in angemessener Zeit[9] liegt es, dass der BGH ein Abnehmen des Schuldmaßes mit zunehmender Verfahrensdauer in Fällen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung annimmt, so dass in aufwändigen und langwierigen Verfahren die Anwendung des § 153 möglich werden kann, auch wenn sie zu Anfang ausgeschlossen erschien.[10] |
– | Ist die Schuld „als gering anzusehen“, nimmt das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung ebenfalls ab. Es kann aber in bestimmten Fällen, insbesondere wegen besonderer präventiver Bedürfnisse, aber auch spezifischer Interessen der Allgemeinheit an der Tatverfolgung trotz Bejahens der mutmaßlich „geringen Schuld“ vorliegen und somit der Verfahrenseinstellung entgegenstehen. Ob schon eine besonders hervorgehobene Stellung des Beschuldigten (oder Verletzten) im öffentlichen Leben oder ein starkes öffentliches Interesse an dem Verfahren für sich genommen ein „öffentliches Interesse“ in diesem Sinne begründen kann, ist umstritten, nach zutreffender h.M. aber abzulehnen.[11] |
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§ 153a formuliert anders: Hier kommt es darauf an, dass „die Schwere der Schuld nicht entgegensteht“ und dass der Beschuldigte eine Leistung erbringt, durch die das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung beseitigt werden kann.
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Begrifflich gilt dabei zwar sowohl für die Beurteilung der Schuld wie auch des öffentlichen Interesses prinzipiell das Gleiche wie bei § 153. Die sich bei § 153 insoweit stellenden Fragen sind mithin grundsätzlich auch hier relevant. Im Hinblick auf die im Einzelnen anzulegenden Maßstäbe weicht § 153a jedoch mehrfach von § 153 ab:
– | Ein erheblicher Unterschied liegt darin, dass bei § 153a – anders als bei § 153 – vorausgesetzt ist, dass „an sich“ ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung vorliegt. Zu fragen ist aber, ob dies weitere Strafverfolgung erforderlich macht, oder ob es durch eine Weisung oder Auflage nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 aus der Welt geschafft („beseitigt“) werden kann. |
– | Sodann ist die Schwelle der Schuldschwere, bis zu der eine Verfahrenseinstellung erfolgen kann, bei § 153a höher angesiedelt als bei § 153. Das geht schon aus dem von § 153 abweichenden Wortlaut der Vorschrift hervor. Dazu, was man sich unter einer „nicht entgegenstehenden“ Schuldschwere genau vorzustellen hat, ist in der Literatur verbreitet von einer „Schuld im mittleren Bereich“[12] oder einem als „mittlerem Schuldausmaß[13] die Rede. |
– | Schließlich fehlt im Gesetz bei § 153a im Zusammenhang mit dem Merkmal der nicht entgegenstehenden Schwere der Schuld das auf ein hypothetisches Urteil verweisende Wort „wäre“. U.a. daraus leitet die h.M. ab, dass die Einstellung nach § 153a einen Ermittlungsstand voraussetzt, der einen hinreichenden Tatverdacht, also die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung bei Durchführung des „streitigen“ Verfahrens ergeben hat. Die Einstellung nach § 153a ist demzufolge nur zulässig, wenn die Staatsanwaltschaft ansonsten Anklage erheben (und das Gericht verurteilen) würde, wobei die Rechtsfragen ohnehin wie bei § 153 in jedem Fall geklärt werden müssen[14]. Aus der h.M. zur Erforderlichkeit eines hinreichenden Tatverdachts kann allerdings nicht gefolgert werden, dass auch der Verteidiger oder gar der Beschuldigte selbst von der Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung ausgehen müsste: Es ist dem Gesetz nicht zu entnehmen und führte auch das Zustimmungserfordernis (dazu näher sogleich) ad absurdum, wenn der Beschuldigte und sein Verteidiger bei dieser Art der Verfahrenserledigung nur mitwirken dürften, sofern sie ebenso wie die Staatsanwaltschaft von einem hinreichenden Tatverdacht ausgingen. |
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Soviel zur Theorie. Was die Merkmale (von vornherein fehlendes oder beseitigtes) „öffentliches Interesse“ sowie „geringe“ bzw. „nicht entgegenstehende Schuld“ in der Praxis bedeuten, ist bei beiden Vorschriften eher von den tatsächlichen Gepflogenheiten und im jeweiligen Bezirk bzw. dem jeweiligen Bundesland herrschenden politischen oder moralischen Grundauffassungen abhängig als rationaler rechtlicher Prüfung unterworfen. So existieren beispielsweise nicht selten Weisungen von Generalstaatsanwaltschaften zur Handhabung des § 153a bei bestimmten Tatbeständen, in denen – rechtlich sehr fragwürdig – teilweise sogar ganz schematisch und ohne Rücksicht auf den Einzelfall präsumtive Schadens- oder Hinterziehungsbeträge genannt werden, bei deren Überschreitung die Anwendung des § 153 oder des § 153a nicht mehr erfolgen darf.[15] Die gesetzlichen Voraussetzungen speziell des § 153a ermöglichen fraglos bei einer großen Zahl von Verfahren eine Einstellung nach dieser Vorschrift.