Читать книгу Chronik von Eden - Ben B. Black, D.J. Franzen - Страница 12

Kapitel IX - Die Kinder

Оглавление

Die Kinder gingen in einer Reihe durch die Kirche. Nach wie vor hielten sie sich an den Händen. Rosi, die jetzt an der Spitze der Kette ging, hatte die Augen weit aufgerissen, während die anderen ihre in tiefer Konzentration geschlossen hielten. Die Finger der Kinder waren mit solcher Intensität ineinander verkrallt, dass die kleinen Knöchel wie weiße Spitzen aus ihren Handrücken hervortraten. Die Zeit in der Kirche schien stillzustehen, während unbekannte Kräfte dunkel um die kleine Gruppe aus Flüchtlingen waberten.

Rosi war ihr Fokus, Rosi war Augen und Ohren für sie.

Ein unglaublicher Kraftaufwand, der seine Spuren an dem kleinen Mädchen hinterließ. Ihr dunkles Haar bekam allmählich weiße Strähnen und aus ihren Augenwinkeln flossen blutige Tränen. Hinter den Kindern lagen verdrehte und zerschmetterte Körper vor dem Altar und über den Bänken. Vor ihnen standen mehrere Zombies, die zwischen Gier und Unbehagen wankten.

»Lasst uns passieren«, sagte Rosi mit einer Stimme, die wie ein atonaler Chor aus mehreren Kinderstimmen klang. Die Zombies reagierten nicht, neigten nur wie fragend ihre Köpfe zur Seite.

»Lasst uns passieren«, wiederholte Rosi mit der merkwürdigen Stimme ihren Befehl. Die Zombies wichen zurück. Langsam. Dann schwang die Tür des Gotteshauses auf. Ein Zombie in der Kampfuniform der Einsatzkräfte stand dort. Sein Gesicht war zu einem zähnefletschenden Grinsen verzerrt. Rosi zuckte zurück, als Gerhards Geist in der Kette ihrer verbundenen Bewusstseine aufschreckte. Sie konnte die gebündelte Energie ihrer Freunde einen Sekundenbruchteil lang nicht halten. Blitze zuckten durch das Gotteshaus, Bänke klapperten auf dem harten Boden. Die zurückweichenden Zombies wurden von unsichtbaren Fäusten weggeschleudert, zerdrückt, zerrissen. Blut spritzte grausige Muster an die Wände und auf den Boden. Knochensplitter rasten als schreckliche Schrapnells durch die Kirche. Aufstöhnend sank Rosi in die Knie, ließ unbewusst Gerhards Hand los, um den Sturz abzufangen. Die Kette der Energie zerriss. Haltlos fielen die Kinder nacheinander stöhnend zu Boden. Die Anstrengung war zu groß gewesen, forderte ihren Tribut.

Langsam kam das, was das Virus aus Gerhards Vater gemacht hatte, in die Kirche. Speichel lief sein zähnefletschendes Grinsen herab.

*

Franks Beinmuskeln waren glühende Stacheldrähte, seine Lungen fühlten sich trotz der Kälte des Regens so trocken an, dass er befürchtete, sie könnten sich mit jedem nächsten Atemzug selbst entzünden. In seinen Ohren klingelte es. Ob es durch das Heulen der Sirenen oder durch die ungewohnte Anstrengung verursacht wurde, wusste er nicht. Sie waren weiter am Rheinufer entlanggelaufen, hatten die verwaisten Schiffs-Anlegestellen der Köln-Düsseldorfer passiert, waren an der Frankenwerft vorbeigelaufen und standen nun vor einem Hotel direkt am Rhein. Linker Hand würde es zu der Kirche gehen, in der die Kinder sich versteckt hielten. Sandra hatte eine kurze Pause befohlen, da sie mit Widerstand rechnen mussten. Die Hände auf die Knie gestützt und nach Luft ringend, glitt sein Blick den Weg entlang, den sie zurückgelegt hatten.

Sie waren immer noch da.

Sie waren noch mehr, als zu Beginn ihrer Hatz.

Sie mussten sich nicht beeilen, denn sie brauchten keine Pausen.

Niemals.

Und das schienen sie zu wissen.

»Es ist wie ein Rennen zwischen dem Hasen und dem Igel«, keuchte er zwischen zwei Atemzügen. »Je schneller wir laufen, umso mehr Atempausen benötigen wir, und sie können wieder aufholen. Immer weiter und weiter, bis wir irgendwann nicht mehr können.«

»Es ist nicht mehr weit«, sagte Sandra, die nun ebenfalls schwer atmete. Sie spähte durch den Regen und beobachtete die Zombies. »Ich schätze, die sind noch ungefähr achthundert Meter entfernt. Bis wir in der Kirche sind, die Kinder gefunden und rausgeschafft haben, werden sie ebenfalls da sein.«

»Also eine Belagerung?«, fragte Stark.

»Ja, das befürchte ich.«

Kaum hatte Sandra ausgesprochen, als weitere Düsenjäger über sie hinweg schossen. Stark spähte zur anderen Rheinseite, wo die Jäger hergekommen waren.

»Was ist das?«, fragte er, und deutete in den Himmel. Kleine Schatten an Fallschirmen segelten auf der anderen Rheinseite zu Boden.

»Keine Ahnung«, sagte Frank. »Das könnte ...«

Die Ersten der kleinen Objekte verschwanden in grellen Lichtblitzen. Flammen ergossen sich aus dem Himmel über die Straßen und Häuser, wälzten sich wie feurige Schlangen durch Gassen und Straßen und leckten gierig an der Uferpromenade der anderen Rheinseite. Scheiben zerplatzten unter der Hitze und den Druckwellen, Autos explodierten. Rauchpilze stiegen wie dunkle Fäuste in den verregneten Himmel. Scherben, Unrat und Untote wurden in das plötzlich entstandene Vakuum der Explosionszonen gezogen, wo sie innerhalb von Sekunden zu Asche verbrannten.

»So endete einst Sodom und Gomorrha«, hauchte Stark. Frank riss sich von dem schrecklichen Anblick los. Er zog den Rucksack von seinen Schultern und drückte ihn gegen die Brust des Pfarrers. Stark sah ihn verständnislos an.

»Den müssen Sie jetzt eine Weile tragen, Vater.«

Sandra runzelte die Stirn.

»Was hast du vor?«

»So haben sie auch Paris und München versucht zu desinfizieren. Dort waren es aber größere Kaliber, wenn ich die wenigen Bilder aus dem Fernsehen noch richtig im Kopf habe. Das sind thermobare Sprengsätze. Nicht radioaktiv, aber am Ground Zero fast genauso heiß wie eine kleine, taktische Atombombe. Entweder gehen die Vorräte zur Neige oder sie wollen so viele wie möglich zu einem ganz bestimmten Punkt treiben. Deswegen wohl auch die Sirenen.«

»Und was hast du jetzt vor?«

Frank sah zu der Armee der Untoten, die etwas langsamer geworden war und das Schauspiel auf der anderen Rheinseite mit dumpfer Fassungslosigkeit beobachtete. Sie waren noch etwa sechshundert Meter entfernt.

»Ein Versprechen einlösen. Lauft. Holt die Kinder, und dann lauft weiter. Das da drüben ist bestimmt erst der Anfang.«

»Aber …«, setzte Sandra an. Frank schnitt ihr das Wort mit einem Kuss ab.

»Und ich kann doch spontan sein«, sagte er mit einem schiefen Lächeln. »Pass auf die Kinder auf, hörst du? Wir treffen uns in Weiden. Immer die Aachener runter. Vor dem Einkaufszentrum.«

Frank strich Sandra zärtlich eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht.

»Frank, du … das schaffst du nicht!«

Frank zwinkerte ihr zu.

»Wetten? Ich habe noch ein paar Asse im Ärmel. Und jetzt lauft, holt die Kinder und dann lauft weiter. Wenn ihr irgendwo ein Fahrzeug ans Laufen bekommt, nehmt es. Geschwindigkeit ist alles. Ich habe keine Ahnung, wann die nächsten Bomber kommen.«

Die Masse der Zombies wandte sich ihnen langsam wieder zu. Bevor Sandra oder Stark reagieren konnten, lief Frank den Zombies entgegen und wedelte mit den Armen.

»He, ihr Penner! Habt ihr Hunger? Dann kommt her! Na los, macht schon, ihr lahmen Enten! Hier gibt es fangfrischen Frank zu verkosten!«

»FRAAANK!«, rief Sandra, aber er drehte sich nicht mehr um, lief immer weiter auf die Zombies zu und rief seine Schmähungen.

»Wir sollten los, damit seine Tat nicht umsonst ist«, sagte Stark. Sandra schluckte.

»Ja, Sie haben recht.«

Nach einem letzten Blick auf Frank, der jetzt etwa hundert Meter vor den Zombies nach rechts in Richtung Innenstadt abbog, wandte sie sich um und lief los. Der Regen kaschierte ihre Tränen, das Heulen der Sirenen übertönte …

*

… ihr leises Weinen.

Weinen?

Rosi weinte?

Jonas öffnete die Augen, blickte sich orientierungslos um und sah IHN.

Gerhards Vater.

Er war noch etwa fünf Schritte von Rosi entfernt, hatte schon seine Hände gierig nach ihrem zarten Fleisch ausgestreckt, während aus seinen Mundwinkeln Speichelfäden herabhingen. Die Muskeln seiner Arme hingen als blutige Fetzen von den Knochen, die erschreckend weiß aus dem roten und grünen Durcheinander von Fleisch, Muskeln und den Resten seiner Uniform baumelten.

»NEEEEIIIIIN!«

Jonas Schrei hallte durch die Kirche. Der Zombie hielt inne, erzitterte, seine Wangen schlugen plötzlich Wellen, so als würden sich unter seiner Gesichtshaut dicke Würmer durch das Fleisch fressen. Jonas schrie weiter, ohne Atempause. Das Kreuz über dem Altar wackelte, die Wellen unter der Gesichtshaut des Zombies wurden stärker. Er zuckte wie unter schweren Krämpfen und taumelte einige Schritte rückwärts. Rauch stieg aus seinen Augen.

Jonas Schrei endete abrupt.

*

Sandra erreichte den Haupteingang der Kirche, als sie den Schrei eines Kindes hörte. Sie hastete durch das Halbdunkel des Portals, sah einen Zombie, der zuckte, als würde er unter Strom stehen, bemerkte vor dem Zombie eine Gruppe Kinder, die bewusstlos am Boden lagen. Sie zog im Laufen ihre Pistole, bremste ab, um eine ruhige Schusshand zu haben, als der Schrei abrupt abbrach.

Bevor sie reagieren konnte wurde sie von einem Regen aus Hirnmasse, halb getrocknetem Blut und Knochensplittern überschüttet. Erschrocken sprang sie einen Schritt zurück. Als sich ihr Blick wieder klärte, sah sie den Torso des Zombies auf den Boden sacken, wie eine Vogelscheuche, der man den Ständer weggezogen hatte.

Fassungslos starrte sie auf einen Jungen, der zwischen den anderen Kindern aufrecht saß. Sie fasste sich, suchte mit vorgehaltener Waffe die Kirche nach dem Schützen ab, der mit einer schallgedämpften Waffe hier irgendwo sitzen musste.

»Wir sind Lebende! Nicht schießen!«, rief sie.

»Das war ich.«

Die Stimme des Jungen klang heiser und kläglich. Sandra sah ihn stirnrunzelnd an, entdeckte aber keine Waffe in der Hand des Jungen.

»Du bist Sandra, stimmt´s?«

Sandra nickte. Stark drängte sich an ihr vorbei und beugte sich zu Rosi hinunter.

»Wo ist Frank?«

Sandra schluckte und ging ebenfalls zu den Kindern. Sie versuchte, alle Ecken gleichzeitig im Auge zu behalten. Auf Höhe des Altars bemerkte sie etliche Reanimierte, die mit verdrehten Gliedmaßen, eingedrückten Gesichtern und Brustkörben wie achtlos weggeworfene Puppen eines Riesen herumlagen ... aber keiner der endgültig toten Untoten wies Schussverletzungen auf.

»Wir treffen uns später.«

Stark hatte die Kinder inzwischen flüchtig untersucht.

»Sie sind bewusstlos. Wahrscheinlich unterernährt und fast ausgetrocknet. Wir werden es nicht zu Fuß schaffen.« Er sah sich um und bekreuzigte sich. Mit einem zitternden Finger deutete er auf Rosi. »Ich weiß nicht, was mit ihr geschehen ist. Aber sie atmet gleichmäßig und ihr Puls scheint ebenfalls in Ordnung zu sein. Herr im Himmel, was für ein Inferno hat hier gewütet?«

»Hinter der Kirche steht ein Armeelaster«, sagte Jonas.

»Ein Armeelaster?«

»Ja. Die Schlüssel hat … der da.« Der Finger des Jungen zeigte auf den kopflosen Zombie in Armeeuniform. Sandra ging zu der Leiche und griff in eine Hosentasche. Sie zog einen großen Schlüsselbund heraus.

»Ich sehe nach dem Laster, Vater. Versuchen sie die Kinder halbwegs auf die Beine zu bekommen. Wir können sie nicht in den Laster tragen.«

Ohne auf eine Antwort zu warten rannte Sandra hinaus. Vielleicht würden sie es damit sogar schaffen, unterwegs Frank unverletzt wieder einzusammeln!

Frank hatte die Orientierung verloren. Er suchte einen ganz bestimmten Ort, war aber irgendwann falsch abgebogen. Egal, solange er die Zombies lange genug von Sandra und den Kindern ablenken konnte, lief alles nach Plan. Er hatte keineswegs Todessehnsucht, auch wenn Sandra das vielleicht so gesehen haben mochte. Er spielte auch nicht den großen Helden. Nein, Frank hatte noch ein paar Asse im Ärmel.

Drei, um genau zu sein.

Und er hatte vor, sie möglichst effektiv einzusetzen.

Ein Blick über die Schulter. So wie es aussah, ging sein Plan auf. Hausmeister Krause und seine Kumpane waren ihm ganz nah auf den Fersen. Jetzt fielen sie sogar in einen leichten Trab, statt einfach nur zu marschieren. Frank erhöhte sein Lauftempo und hoffte und betete, dass seine Beine und seine Lunge ihn jetzt nicht im Stich lassen würden.

Dann entdeckte er ein Straßenschild.

Perfekt!

Er wusste wieder, wo er war.

*

Das Gebiet rund um die Kirche schien tatsächlich eine zombiefreie Zone zu sein. Sandra fand den Lastwagen. Vorsichtig öffnete sie die hintere Plane. Keine Zombies, aber dafür jede Menge Kisten mit Aufschriften, die sie im Halbdunkel der Ladefläche nicht entziffern konnte. Und genug Platz für die Kinder. Sie lief um den Laster herum, riss mit vorgehaltener Waffe die Fahrertür auf.

Die Kabine war leer. Hoffentlich traf das nicht auch auf den Tank zu! Sie warf ihren Rucksack auf den Beifahrersitz, stieg ein, zog die Tür hinter sich zu und durchsuchte den Schlüsselbund.

Verdammt! Der Fahrer des Wagens musste in seiner Freizeit Schließer im Kölner Klingelpütz gewesen sein, so viele Schlüssel, wie der mit sich herumgetragen hatte. Dann fand sie den Richtigen. Schlüssel ins Schloss, umdrehen, warten … der Tank war noch zu drei Viertel voll. Mit einem Stoßgebet an den lieben Gott drehte sie den Schlüssel im Zündschloß ganz herum ...

Und nichts geschah!

*

Frank rannte eine schmale Gasse entlang. Wenn er an Einmündungen vorbeikam, sah er aus dem Augenwinkeln, dass sich die Zombies aufgeteilt hatten und die Straßen und Wege parallel zu seinem Weg benutzten.

Sie wurden schneller.

Und cleverer.

Und Frank verließen allmählich seine Kräfte. Er bog rechts in eine der Seitenstraßen ein, schlug an der nächsten Möglichkeit einen Haken nach links. Dann sah er sein Ziel.

Eine Tiefgarage mit Tankstelle.

Er mobilisierte seine letzten Reserven und sprintete auf das Gebäude zu.

*

Sandra suchte hektisch das Armaturenbrett ab. Hatte sie etwas übersehen? Tankanzeige voll, Dieselmotor vorgeglüht … Der Startknopf! Dieser LKW wurde per Startknopf gestartet! Sie presste ihren Finger auf den Knopf, der Motor röhrte stotternd auf und lief dann laut nagelnd rund. Sie beobachtete den Druckanzeiger für die Luftbremsen. Quälend langsam wanderte die Nadel in den grünen Bereich. Wo war hier das Schaltschema des Fahrzeugs? Mehr als fünf Gänge kannte sie nicht.

Keines zu sehen.

Egal, es würde auch so gehen. Auch ein LKW mit mehr Gängen als ein normaler Wagen würde dem typischen H-Schema für die Schaltung folgen. Sie trat die Kupplung, rammte den Schalthebel in die am weitesten links oben mögliche Stellung und ließ die Kupplung kommen.

Ruckelnd wie ein bockiges Kamel fuhr der LKW an.

*

Frank erreichte die Abfahrt der Tiefgarage. Schwer atmend blieb er vor den Zapfsäulen stehen. Super war wieder enorm teuer geworden. Typisch für einen Freitag. Zum Wochenende hin zogen die Spritpreise immer an.

Er schüttelte über seinen albernen Gedanken den Kopf. Er musste konzentriert bleiben, wenn er überleben wollte. Mit hektischen Fingern angelte er zwei der Handgranaten aus dem provisorischen Beutel an seiner Hüfte. Wie ging das doch gleich? Bügel an die Granate pressen, Splint abziehen und beten. Die erste Granate war relativ leicht scharf zu machen. Bei der Zweiten gestaltete sich das schon schwieriger. Den Bügel der einen fest umklammert, versuchte er mit dem Zeigefinger den Sicherungssplint der Zweiten abzuziehen. In Filmen sah das immer so leicht aus, wenn der Held die Splinte mit den Zähnen abzog. Im wahren Leben ein Ding der Unmöglichkeit, selbst wenn man noch im Besitz seiner eigenen, unverkronten Zähne war. Aus Sicherheitsgründen saßen die Stifte auch bei gedrücktem Sicherungshebel ziemlich fest, damit sie sich nicht unbeabsichtigt lösen konnten. Der zweite Splint fiel nach einiger Mühe mit einem leisen Klirren auf den Betonboden.

Stöhnen und Schritte hinter ihm.

Frank drehte sich um.

Sie kamen.

Wie er erwartet hatte, strömten sie aus beinahe allen Ecken auf ihn zu. Die Zombies liefen inzwischen so gut sie es mit ihren verrottenden Körpern noch vermochten, statt zu gehen. Seinen Freund Hausmeister Krause konnte er nirgends entdecken. Also hatte sich die Armee aufgelöst. Hoffentlich waren sie auch alle schön brav hinter ihm her.

Frank atmete tief durch, legte die Granaten auf zwei Zapfsäulen, griff sich die Dritte aus seinem Beutel, zog den Splint, warf sie den Zombies entgegen und rannte auf die einzige Straße zu, aus der keine Zombies kamen.

Mit einer Bremsung, die sie fast aus dem Sitz hob, brachte Sandra den Laster am Hauptportal der Kirche zum Stehen. Der Motor ruckelte protestierend. Sandra trat die Kupplung und gab ordentlich Gas. Stark stand schon am Portal mit den Kindern bereit. Er trug ein kleines Mädchen auf den Armen. Kaum stand der Laster, als er mit den Kindern im Schlepptau zur Ladefläche lief. Sandra kurbelte die Scheibe herunter.

»Sagen sie Bescheid, wenn alle drin sind«, rief sie über das Orgeln des Lasters und das Heulen der Sirenen hinweg. Im Seitenspiegel sah sie Stark, der zum Zeichen des Verstehens eine Hand hob.

Ein Düsenjäger schoss heulend über den Himmel.

Und irgendwo in der Nähe ballte sich die feurige Faust einer Explosion in den Himmel.

*

Frank lief.

Er lief, wie er noch nie in seinem Leben gelaufen war.

Die dritte Granate explodierte mitten in einer Gruppe Zombies, die versucht hatten, den Schlenker ihres vermeintlich sicheren Opfers mitzumachen. Gliedmaßen, halb geronnenes Blut, Knochen und Betonsplitter zischten wie bösartige Wespen auf einer gehörigen Portion Speed hinter ihm her. Ein Hut, wie er so klischeehaft typisch für deutsche Hausmeister war, segelte durch die Luft, aber das sah Frank nicht. Er duckte sich, holte noch mehr aus seinem erschöpften Körper heraus, als hinter ihm die beiden Granaten auf den Zapfsäulen explodierten.

Auf ihr ohrenbetäubendes Doppelknallen folgte ein nahezu lässig wirkendes FAWUUUP. Frank fühlte sich von einer glühenden Hand angeschoben, seine Füße verloren den Kontakt zum Boden und für einen verrückten Moment glaubte er, er könne fliegen. Glas klirrte, als die Druckwelle der ersten Explosion die Fensterscheiben der Häuser zerbersten ließ. Nur Sekundenbruchteile später folgte das nächste, beinahe sanfte Schnaufen, als auch die Tanks unter den Zapfsäulen explodierten. Frank geriet auf seinem Flug ins Trudeln. Er prallte gegen die Ecke einer Hauswand, änderte seine Flugrichtung wie eine Flipperkugel und landete auf hartem Kopfsteinpflaster. Der Schwung ließ ihn noch einige Meter weit rutschen, bevor ein Laternenpfahl ihn unsanft bremste.

Frank sah verschwommen eine Feuerwalze durch die Straße rollen. Ein Teil dieser feurigen Schlange zweigte sich vom Hauptkörper ab und raste auf ihn zu.

Alles versengende Hitze.

Dann Dunkelheit.

*

Sandra starrte durch die Windschutzscheibe auf den Rauchpilz. Tränen rannen ihr über die Wangen.

Frank.

Er hatte die Granaten benutzt, mit denen sie die Gänge in der zur Notstation umfunktionierten Schule gesichert hatte.

Es schien ihr eine Ewigkeit her zu sein, dass sie ihn dort getroffen und so unwirsch behandelt hatte. Sie schämte sich für ihre Worte und ihr Verhalten ihm gegenüber, als sie noch drüben auf der anderen Rheinseite gewesen waren und den Schuhladen nach Rucksäcken durchsucht hatten. Ein Klopfen an die Rückwand der Fahrerkabine holte sie zurück.

»Alles klar da hinten?«, rief sie so laut sie konnte.

»Ja, alles klar. Kann losgehen«, hallte es dumpf zurück. Sandra wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

»Machs gut Frank, du unspontaner Dippel-Inch«, murmelte sie leise. Sie legte den ersten Gang ein und ließ die Kupplung kommen.

»Festhalten da hinten«, rief sie. »Könnte ein holpriger Ritt werden. Ich habe meinen Lappen nämlich erst vor Kurzem abgeben müssen.«

Sandra grinste über ihren eigenen Spruch.

Frank hätte ihn zu schätzen gewusst.

Chronik von Eden

Подняться наверх