Читать книгу Eine Falle für Null - Джек Марс - Страница 11
KAPITEL VIER
ОглавлениеReid sträubte sich. Er war sich sicher, dass er richtig gehört hatte, doch die Kombination von Worten, die ihrem Mund entsprang, ergab für ihn nur wenig Sinn.
Die will mich provozieren, dachte er. Sie erwartete einen Streit und ich habe mich im Zaum gehalten. Das war nur jugendliche Existenzangst. Musste es sein.
„Du... willst eine CIA Agentin werden”, sagte er langsam.
„Ja”, antwortete Maya. Genauer gesagt will ich an der nationalen Geheimdienst-Universität in Bethesda studieren. Doch um das zu erreichen, muss ich zuerst ein Mitglied der Streitkräfte werden. Anstatt mich zum Militärdienst zu verpflichten, werde ich nach West Point gehen,wo ich als zweiter Lieutenant abschließen kann und somit an der Geheimdienst-Uni in Bethesda studieren kann. Dort kann ich einen Master in strategischem Geheimdienst erlangen. Zu diesem Zeitpunkt wäre ich dann schon über einundzwanzig und könnte mich beim Einsatz-Trainingsprogramm der Agentur anmelden.”
Reids Beine fühlten sich taub an. Nicht nur war es ihr ganz offensichtlich ernst damit, doch sie hatte sich auch schon reichlich darüber informiert, wie sie am besten vorginge und welche Bildung sie bräuchte.
Doch er ließe es niemals zu, dass seine Tochter diesen Weg wählte.
„Nein”, sagte er schlichtweg. Alle anderen Worte schienen ihm auszubleiben. „Nein. Auf keinen Fall. Daraus wird nichts.”
Mayas Augenbrauen schossen gleichzeitig hoch. „Wie bitte?” sagte sie scharf.
Reid atmete tief ein. Sie war willensstark, weshalb er es ihr vorsichtiger verbieten müsste. Doch seine Antwort war klar und deutlich ,nein’. Nicht nach all dem, was er gesehen und getan hatte.
„Es ist noch nicht so viel Zeit vergangen... seit dem... dem Vorfall”, erklärte er. „Das ist noch alles frisch in deiner Erinnerung. Bevor du eine solche Entscheidung schließt, solltest du alle Standpunkte betrachten. Beende deine Kurse, die High School. Bewerbe dich bei Colleges. Und wir können das alles später noch mal besprechen.” Er lächelte so freundlich, wie er es konnte.
Das tat Maya nicht. „Du hast kein Recht, mein Leben so zu bestimmen”, antwortete sie erhitzt.
„Doch das habe ich”, gab Reid zurück. Er wurde jetzt selbst schnell ärgerlich. „Du bist immer noch minderjährig.”
„Nicht mehr lange”, schoss sie zurück. „Lass mich dir erklären, was geschehen wird. Ich gehe nicht wieder zu den Kursen an die Uni Georgetown. Ich gehe nicht wieder zur Schule bis September. Ich werde durch mein Frühjahrssemester durchfallen und muss diese Kurse dann neu belegen. Nächsten Monat werde ich siebzehn, was bedeutet, dass ich achtzehn bin, bis ich die Schule beende. Und dann kannst du mir nicht mehr vorschreiben, wo ich hin kann oder was ich studiere.” Sie verschränkte ihre Arme, um ihren Standpunkt zu festigen.
Reid drückte sich mit den Fingern auf den Nasenrücken. „Du kannst nicht einfach drei Monate Schule ausfallen lassen. Und was ist mit den ganzen Lernsessions, die du gemacht hast? Die ganze Zeit wäre dann vergeudet.”
„Ich bin nicht zu den Lernsessions gegangen”, gab sie zu.
Er sah sie scharf an. „Du hast mich also angelogen? Nach allem, was geschehen ist?” Er schnaubte verärgert. „Und wo bist du hin?”
„Nachdem du mich absetzt, gehe ich ins Freizeitzentrum”, erklärte sie ihm nüchtern. „Dort gibt es ein paar Mal pro Woche Selbstverteidigungsunterricht. Der wird von einem ehemaligen Marine gegeben. Außerdem habe ich auch über Spionageabwehr und Spionagetaktiken nachgelesen.”
Er schüttelte seinen Kopf. „Ich kann es nicht fassen. Ich dachte, es gäbe keine Geheimnisse mehr zwischen uns.” Sobald er es gesagt hatte, schoss ihm eine schmerzhafte Erinnerung durch das Gedächtnis - Kates Mord, die Wahrheit über ihre Mutter. Er hatte es ihnen immer noch nicht mitgeteilt, trotz des Versprechens, das er sich selbst gegeben hatte, dass er mit dem Lügen und der List aufhören würde. Es brachte ihn um, ihnen dies zu enthalten. Doch nach dem Vorfall war noch nicht genug Zeit vergangen, um etwas so Fürchterliches so bald schon zu enthüllen. Jetzt, vier Wochen später, hatte er Angst, dass es schon zu spät war und dass sie wütend auf ihn wären, dass er die Wahrheit so lange geheimgehalten hatte.
„Ich wusste, dass du so reagieren würdest”, sagte Maya. „Deshalb habe ich dir nicht die Wahrheit gesagt. Doch jetzt rücke ich damit raus. Das ist es, was ich machen will. Was ich machen werde.”
„Als du sieben warst, wolltest du Balletttänzerin werden”, erklärte ihr Reid. „Erinnerst du dich daran? Als du zehn warst, da wolltest du Tierärztin werden. Mit dreizehn wolltest du Rechtsanwältin werden, nur weil du einen Film über einen Mordprozess geschaut hattest -”
„Bevormunde mich nicht!” Maya sprang von ihrem Stuhl auf, stand vor ihm, zeigte mit einem warnenden Finger auf ihn und hatte einen zornigen Ausdruck auf dem Gesicht.
Reid lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, schockiert von ihrem Ausbruch. Er war so überrascht von dem Ausmaß ihrer Reaktion, dass er kaum ärgerlich auf sie sein konnte.
„Das ist nicht der Traum eines kleinen Mädchens”, sagte sie schnell, ihre Stimme gedämpft. „Ich will das. Ich weiß das jetzt. Genauso wie ich weiß, warum Sara nachts nicht schlafen kann. Sie hat Alpträume über ihre Erfahrung, über das, was sie mitgemacht hat. Was sie überlebt hat. Doch das traumatisiert mich nicht. Ich kann nachts nicht schlafen, weil ich weiß, dass es immer noch vor sich geht. Was ich gesehen habe und mitgemacht habe, ist das Leben einer anderen Person. Während ich in meinem warmen Bett liege, Pizza esse oder zur Schule gehe, gibt es da draußen Frauen und Kinder, die jeden Tag so leben - bis sie sterben.”
Maya stellte einen Fuß auf den Stuhl und riss das Bein ihrer Schlafanzughosen bis zum Knie hoch. Auf ihrer Wade waren dünne, bräunliche Narben, die drei Worte ergaben. ROT. 23. POLE. Es war die Nachricht, die sie in ihr eigenes Bein geritzt hatte, nur Augenblicke bevor die Drogen der Menschenhändler sich ihrer bemächtigten. Die Nachricht, die einen Hinweis darauf bildete, wo sie Sara hingebracht hatten.
„Du kannst so tun, als sei das nur eine Phase, wenn du willst”, fuhr Maya fort. „Doch diese Narben gehen nicht mehr weg. Ich werde sie für den Rest meines Lebens haben. Jedes Mal, wenn ich sie ansehe, werde ich daran erinnert, dass das, was mir geschah, immer noch anderen geschieht. Ich bin mir nur darüber klargeworden, dass ich am besten zu den Menschen gehöre, die versuchen, es aufzuhalten, wenn ich dem ein Ende setzen möchte.” Sie zog wieder das Schlafanzughosenbein herunter.
Reids Kehle fühlte sich trocken an. Er konnte ihrem Argument genauso wenig widersprechen, wie er es befürworten konnte. Etwas, das Maria ihm einst gesagt hatte, blitzte durch sein Gedächtnis: Du kannst nicht alle retten. Doch er könnte seine Tochter vor der Art von Leben bewahren, in das er gestoßen wurde. „Es tut mir leid”, schloss er. „Es ist egal, wie edel deine Absichten sind, ich kann das nicht unterstützen. Ich werde es nicht unterstützen.”
„Ich brauche deine Unterstützung nicht”, verkündete Maya. „Ich dachte nur, dass du die Wahrheit erfahren solltest.” Sie stürmte aus dem Esszimmer und ihre nackten Füße stampften die Treppe hinauf. Einen Augenblick später schlug eine Tür zu.
Reid fiel auf seinem Stuhl zurück und seufzte. Die Pizza war kalt. Eine Tochter war still vor Horror und die andere war entschlossen, es mit der Unterwelt aufzunehmen. Die Psychologin, Dr. Branson, hatte ihm gesagt, er müsse Geduld mit Sara haben. Sie sagte ihm, dass die Zeit alles heilte, doch stattdessen hatte er gedrängt und alles noch schlimmer gemacht. Und Mayas Vorhaben, der CIA beizutreten, war das Letzte, was er erwartet hatte, zu hören.
Auf seltsame Weise bewunderte er ihre Fähigkeit, das Trauma, das sie erlebt hatte, zu einem guten Zweck zu kanalisieren. Doch er konnte einfach nicht den Mitteln zustimmen, die sie gewählt hatte. Seine Gedanken schweiften zurück zu allem, was er gesehen hatte und den Verletzungen, die er erlitten hatte. Die Dinge, die er hatte tun müssen und die Bedrohungen, die er stoppen musste. Die Menschen, denen er geholfen hatte und all diejenigen, die er dabei zerbrochen oder tot zurückgelassen hatte.
Reid bemerkte plötzlich, dass er keine Ahnung hatte, was ihn dazu inspirierte, überhaupt der CIA beizutreten. Seine eigenen Motive waren schon seit langem verloren, durch den Gedächtnishemmer in die dunkelsten Winkel seines Gehirns verdrängt. Es war möglich, dass er sich nie wieder daran erinnerte, warum er der CIA Agent Kent Steele wurde.
Du weißt, dass das nicht stimmt, sagte er sich. Es könnte einen Weg geben.
*
Reids Büro war im zweiten Stockwerk des Hauses. Er hatte das kleinste Schlafzimmer mit seinem Schreibtisch, Regalen und einer beeindruckenden Buchsammlung ausgestattet. Er hätte eigentlich seine Vorlesung für Montag über die protestantische Reformation und den dreißigjährigen Krieg vorbereiten sollen. Als Lehrbeauftragter für europäische Geschichte an der Georgetown Universität war Reids Beschäftigung kaum mehr als Teilzeit, doch er sehnte sich dennoch nach dem Hörsaal. Er bedeutete eine Rückkehr zur Normalität, was er sich auch für seine Mädchen wünschte. Doch diese Aufgabe konnte warten.
Stattdessen legte Reid ehrfürchtig eine dunkle Platte auf den alten Phonographen in der Ecke und senkte die Nadel. Er schloss seine Augen, als Mozarts Piano Konzert Nr. 21 begann, langsam und melodisch, wie der Frühlingstau nach dem Frost eines langen Winters. Er lächelte. Die Maschine war schon über fünfundzwanzig Jahre alt, doch funktionierte perfekt. Kate hatte sie ihm zum fünften Jahrestag ihrer Hochzeit geschenkt. Sie hatte den maroden Phonographen auf einem Flohmarkt für sechs Dollar gefunden und dann über zweihundert weitere Dollar investiert, um ihn fast zu seinem vorherigen Glanz restaurieren zu lassen.
Kate. Sein Lächeln verzog sich zu einer Grimasse.
Du bist in dem geheimen Gefängnis in Marokko, das sie Hölle-Sechs nennen. Du vernimmst einen bekannten Terroristen.
Da ist ein Anruf für dich. Es ist Deputy Direktor Cartwright. Dein Chef.
Der verdreht nicht die Worte. Deine Frau, Kate, wurde getötet.
Es geschah, als sie ihre Arbeit verließ, zu ihrem Auto ging. Kate wurde eine starke Dosis Tetrodotoxin gegeben. Man nennt es auch TTX, es ist ein potentes Gift, das eine plötzliche Lähmung des Zwerchfells auslöst. Sie erstickte auf der Straße und war in weniger als einer Minute tot.
In den Wochen seit Osteuropa hatte Reid diese Erinnerung vielmals wieder aufleben lassen - oder vielmehr lebte die Erinnerung in ihm auf, drängte sich nach vorn in seinem Gehirn, wenn er es am wenigsten erwartete. Alles erinnerte ihn an Kate, von den Möbeln im Wohnzimmer bis zum Duft, der irgendwie immer noch in seinem Kissen nachklang. Von der Farbe von Saras Augen bis zu Mayas kantigem Kinn. Sie war überall... genauso wie die Lüge, die er seinen Töchtern vorenthielt.
Er hatte mehrmals versucht, sich an mehr zu erinnern, doch er war sich nicht sicher, ob er überhaupt mehr wusste. Nach dem Mord an seiner Frau hatte Kent Steele einen gefährlichen Amoklauf durch Europa und den Nahen Osten betrieben. Dabei brachte er Dutzende um, die mit der Terroristenorganisation Amun in Verbindung gebracht wurden. Danach kam der Gedächtnishemmer und die folgenden zwei Jahre von seltsam glückseliger Ignoranz.
Reid ging zum Schrank in der hinteren Ecke des Zimmers. Darin war ein kleiner schwarzer Seesack, den die CIA Agenten eine Einsatztasche nannten. In ihr war alles, was ein Agent bräuchte, um für eine unbestimmt lange Zeit unterzutauchen, sollte die Situation danach verlangen. Diese bestimmte Tasche hatte seinem ehemalig besten Freund gehört, dem jetzt verstorbenen Agenten Alan Reidigger. Reid hatte nur wenige Erinnerungen an den Mann, doch er wusste genug, um zu verstehen, dass Reidigger ihm in einer Notlage geholfen hatte - und dafür mit seinem Leben bezahlte.
Hallo Null, begann der Brief prophetisch. Wenn du das hier liest, dann bin ich wahrscheinlich tot.
Er übersprang ein paar Absätze.
Die CIA wollte dich zurückholen, doch du hörtest nicht zu. Es ging dabei nicht nur um deinen Amoklauf. Da gab es noch etwas und du standst kurz davor, es herauszufinden - du warst zu nah dran. Ich kann dir nicht sagen, worum es geht, denn ich weiß es selbst nicht. Du wolltest es mir nicht sagen, also muss es was ziemlich Ernstes gewesen sein.
Reid glaubte zu wissen, worüber Reidigger schrieb - die Verschwörung. Ein kurzes Aufblitzen einer Erinnerung, das ihn überkam, während er Imam Khalil und den Pockenvirus jagte, hatte ihm gezeigt, dass er etwas wusste, bevor der Gedächtnishemmer in seinen Kopf implantiert wurde.
Er schloss seine Augen und kehrte zu der Erinnerung zurück:
Das geheime Gefängnis der CIA in Marokko. Offizielle Bezeichnung H-6, genannt Hölle-Sechs. Eine Vernehmung. Du ziehst die Fingernägel eines arabischen Mannes, um Informationen über den Standort eines Bombenherstellers zu bekommen.
Zwischen Schreien und Wimmern und Beschwörungen, dass er es nicht weiß, kommt etwas anderes heraus - ein bevorstehender Krieg. Etwas Großes, das sich annähert. Eine Verschwörung, die von der US Regierung konzipiert wurde.
Du glaubst ihm nicht. Nicht zu Beginn. Doch du konntest es nicht einfach vergessen.
Er wusste damals etwas. Er hatte angefangen, es wie ein Puzzle zusammenzufügen. Dann geschah Amun. Kate wurde ermordet. Er wurde abgelenkt und während er schwor, dazu zurückzukehren, hatte er niemals die Möglichkeit.
Er las den Rest von Alans Brief:
Was auch immer es war, es ist immer noch da, irgendwo in deinem Gehirn verschlossen. Wenn du es jemals brauchen solltest, so gibt es einen Weg. Der Neurochirurg, der das Implantat installierte, nennt sich Dr. Guyer. Zuletzt arbeitete er in Zürich. Er könnte alles wiederbringen, wenn du dich dazu entscheidest. Oder er könnte alle Erinnerungen erneut unterdrücken, solltest du das wollen. Die Wahl liegt an dir. Möge Gott dich behüten, Null. - Alan
Reid konnte sich nicht daran erinnern, wie oft er vor dem Computer oder seinem Telefon gesessen war und versuchte, seine Finger dazu zu motivieren, Dr. Guyers Namen in eine Suchleiste einzugeben. Sein Verlangen danach, seine Erinnerung zurückzubekommen - nein, sein Bedürfnis, sie wiederzuerlangen, wurde jede Woche intensiver. Er war an dem Punkt angelangt, an dem es sich dringend anfühlte, auch nur zu wissen, wie viel er nicht wusste. Er musste dazu fähig sein, sich an seine eigene Vergangenheit zu erinnern.
Doch ich kann die Mädchen nicht alleine lassen. Nach dem Vorfall war es ganz unmöglich, einfach so in die Schweiz zu reisen. Er wäre durch und durch neurotisch um ihre Sicherheit besorgt, selbst mit den Ortungsimplantaten. Selbst wenn Agent Strickland sie bewachte. Was dächten sie außerdem von ihm? Maya glaubte ihm niemals, dass es aufgrund eines medizinischen Verfahrens war. Sie dächte, dass er wieder im Einsatz wäre.
Dann nimm sie mit. Der Gedanke sprang ihm so einfach in den Kopf, dass er sich fast dafür auslachte, nicht zuvor daran gedacht zu haben. Doch er schloss ihn genauso schnell wieder aus. Was wäre mit seinem Job? Was wäre mit Saras Therapie? Hatte er nicht gerade versucht, Maya zu überreden, wieder zur Schule zu gehen?
Denk nicht zu viel darüber nach, sagte er sich selbst. War die einfachste Lösung für gewöhnlich nicht die beste? Nichts hatte bisher gefruchtet, um Sara aus ihrem Trauma zu locken und Maya schien fest entschlossen zu sein, wie gewöhnlich ihren Dickkopf durchzusetzen.
Reid drückte Reidiggers Ausfalltasche zurück in den Schrank und stellte sich auf die Beine. Bevor er sich selbst davon überzeugen könnte, seine Meinung zu ändern, schritt er den Flur entlang zu Mayas Zimmer und klopfte schnell an ihre Tür.
Sie öffnete sie und verschränkte ihre Arme, war offensichtlich immer noch verärgert über ihn. „Was?”
„Lass uns verreisen.”
Sie blinzelte ihn an. „Was?”
„Lass uns verreisen, uns drei”, wiederholte er und drängte sich an ihr vorbei in ihr Schlafzimmer. „Schau mal, es war falsch von mir, den Vorfall zu erwähnen. Ich kann das jetzt verstehen. Sara muss nicht daran erinnert werden, ganz im Gegenteil.” Er sprach schnell, gestikulierte mit den Händen, doch fuhr fort: „Den ganzen letzten Monat über hat sie nur rumgelegen und darüber nachgedacht, was geschehen ist. Vielleicht braucht sie eine Ablenkung. Vielleicht muss sie nur ein paar schöne Erlebnisse haben, um sich daran zu erinnern, wie gut das Leben sein kann.”
Maya legte die Stirn in Falten, als ob es ihr schwerfiele, seiner Logik zu folgen. „Also willst du auf Reisen gehen. Wohin?”
„Lasst uns Skifahren”, antwortete er. „Erinnerst du dich daran, als wir nach Vermont fuhren, vor vier oder fünf Jahren? Weiß du noch, wie sehr Sara den Hasenhügel liebte?”
„Ich erinnere mich”, entgegnete Maya, „aber Papa, es ist April. Die Skisaison ist vorbei.”
„Nicht in den Alpen!”
Sie starrte ihn an, als hätte er den Verstand verloren. „Du willst in die Alpen reisen?”
„Ja. In die Schweiz, um es genau zu nehmen. Und ich weiß, dass du das für verrückt hältst, aber ich denke ganz klar darüber. Wir tun uns keinen Gefallen damit, hier herumzuhängen. Wir brauchen einen Tapetenwechsel - besonders Sara.”
„Aber... was ist mit deiner Arbeit?”
Reid zuckte mit den Schulter. „Ich mache blau.”
„Das sagt man nicht mehr so.”
„Ich kümmere mich darum, was ich der Uni erzähle”, sagte er. Und der Agentur. „Die Familie kommt zuerst dran.” Reid war sich fast sicher, dass die CIA ihn nicht dafür feuern würde, weil er etwas freie Zeit mit seinen Mädchen bräuchte. Er war sich ziemlich sicher, dass sie ihn nicht kündigen ließen, selbst wenn er es wollte. „Saras Gips wird morgen abgenommen. Wir können diese Woche fahren. Was sagst du?”
Maya spitzte ihren Mund. Er kannte diesen Ausdruck, sie gab ihr bestes, um ein Grinsen zurückzuhalten. Sie war immer noch nicht gerade glücklich darüber, wie er ihre Nachrichten zuvor aufgenommen hatte. Doch sie nickte. „OK, es macht Sinn. Ja, lass uns verreisen.”
„Super.” Reid ergriff sie an den Schultern und küsste ihre Stirn, bevor sich seine Tochter ihm entwinden konnte. Als er ihr Schlafzimmer verließ, blickte er zurück und ertappte sie definitiv beim Lächeln.
Er schlich in Saras Zimmer und sah, wie sie auf dem Rücken lag und die Decke anstarrte. Sie sah ihn nicht an, als er hereinkam und neben ihrem Bett kniete.
„Hey”, flüsterte er fast. „Es tut mir leid, was vorhin beim Essen geschehen ist. Doch ich habe eine Idee. Was hältst du davon, wenn wir ein wenig verreisen? Nur du und ich und Maya, und wir fahren an einen schönen Ort, weit weg. Würde dir das gefallen?”
Sara drehte ihren Kopf zu ihm, gerade genug, damit ihr Blick den seinen traf. Dann nickte sie leicht.
„Ja? Gut. Dann machen wir das.” Er reichte herüber und nahm ihre Hand in seine. Er war sich fast sicher, dass ihre Finger ein wenig zudrückten.
Das wird funktionieren, sagte er sich. Das erste Mal in einer langen Weile fühlte sich etwas gut für ihn an.
Und die Mädchen mussten nichts von seinem tieferen Beweggrund wissen.