Читать книгу Eine Falle für Null - Джек Марс - Страница 13
KAPITEL SECHS
Оглавление„Maya, schau.” Sara stach ihre ältere Schwester in den Arm und zeigte aus dem Fenster, als das Flugzeug durch eine Wolke auf dem Anflug zum Flughafen Zürich flog. Der Himmel öffnete sich und die weiß bedeckten Kämme der Schweizer Alpen wurden in der Entfernung sichtbar.
„Ganz schön cool, oder?” sagte Maya mit einem Lächeln. Reid, der auf Gangplatz saß, konnte kaum seinen Augen trauen - ein kleines Lächeln leuchtete auch in Saras Gesicht auf.
In den drei Tagen, seitdem er die Reise vorgeschlagen hatte, stimmte Sara zwar zu, aber schien sich kaum zu freuen. Sie hatte die meiste Zeit des achtstündigen Flugs geschlafen und in den Momenten, in denen sie wach war, fast nicht gesprochen. Doch als sie den Landeflug begannen und Sara die zackigen Kuppen der Alpen und die ausgedehnte Stadt Zürich unter ihnen sehen konnte, schien ein wenig Leben in sie zurückzukehren. Sie trug ein Lächeln auf dem Gesicht und ihre Wangen hatten das erste Mal seit geraumer Zeit etwas Farbe. Reid hätte nicht glücklicher sein können.
Nachdem sie ausgestiegen und durch den Zoll gegangen waren, warteten sie neben dem Gepäckband auf ihre Koffer. Reid fühlte, wie Saras Hand seine nahm. Er war überrascht, doch versuchte, es nicht zu zeigen.
Können wir heute Skifahren?” fragte sie.
„Ja, natürlich”, sagte er ihr. „Wir können tun, was immer du willst, Liebling.”
Sie nickte ernst, als ob der Gedanke schwer auf ihr gelastet hätte. Ihre Finger drückten seine, als ihr Gepäck langsam auf sie zufuhr.
Von Zürich aus nahmen sie einen Zug Richtung Süden. Es dauerte weniger als zwei Stunden, um die Alpenstadt Engelberg zu erreichen.
Es gab nicht weniger als sechsundzwanzig Hotels und Skihütten auf dem nahegelegenen Berg Titlis, dem größten Gipfel der Urner Alpen, der mehr als neunhundert Meter über dem Meeresspiegel lag.
Natürlich teilte Reid all dies seinen Mädchen mit.
„...Und außerdem auch die Heimat der ersten Luftseilbahn der Welt”, erklärte er ihnen, als sie vom Bahnhof zu ihrer Skihütte liefen. „Oh, und das Kloster Engelberg stammt aus dem zwölften Jahrhundert. Es ist eines der ältesten schweizer Kloster, die noch existieren...”
„Wow”, unterbrach ihn Maya. „Ist es das?”
Reid hatte eine der rustikaleren Hütten für ihre Unterkunft gewählt. Sie war sicherlich ein bisschen veraltet, doch charmant und gemütlich, nicht so wie einige der größeren Hotels im amerikanischen Stil, die während der letzten Jahre gebaut wurden. Sie checkten ein und gingen in ihr Zimmer, das zwei Betten, einen Kamin mit zwei Sesseln davor und eine atemberaubende Sicht auf die Südseite des Titlis hatte.
„Hey, ähm, es gibt da noch was, das ich sagen möchte, bevor wir rausgehen”, sagte Reid, während sie auspackten und sich für die Skipisten bereitmachten. „Ich möchte nicht, dass ihr Zwei einfach alleine loszieht.”
„Papa...” Maya rollte mit den Augen.
„Es geht nicht darum”, fügte er schnell hinzu. „Diese Reise machen wir, damit wir Zeit zusammen verbringen und ein bisschen Spaß haben, und das bedeutet, dass wir zusammenbleiben. OK?”
Sara nickte.
„Ja, in Ordnung”, stimmte Maya zu.
„Gut. Dann ziehen wir uns um.” Es war keine Lüge, nicht wirklich. Er wollte, dass sie sich zusammen amüsierten, und er wollte nicht, dass sie alleine herumwanderten. Dabei ging es um Sicherheitsgründe, die nichts mit dem Vorfall zu tun hatten. Zumindest sagte er sich das selbst.
Er hatte immer noch keine Ahnung , wie er seine andere Aufgabe bewältigen würde, der versteckte Grund, aus dem sie in die Schweiz geflogen waren und in der Nähe von Zürich blieben. Doch er hatte Zeit, um den Teil zu organisieren.
Dreißig Minuten später waren die drei auf einem Skilift und fuhren eine der dutzenden von Pisten hoch, die Titlis durchkreuzten. Reid hatte eine Anfängerpiste gewählt, um zu beginnen. Keiner von ihnen war seit Jahren Ski gefahren, seit der Familienreise nach Vermont.
Schuldgefühle stachen in Reids Brust, wenn er an diesen Urlaub dachte. Kate war damals noch am Leben. Die Reise hatte sich perfekt angefühlt, als ob nichts Schlimmes jemals zwischen ihnen geschehen könnte. Er wünschte, er könnte die Zeit zurückdrehen, den Urlaub erneut genießen, vielleicht sogar sein Ich der Vergangenheit davor warnen, was ihm bevorstünde - oder das Ergebnis verändern, damit es niemals geschehen wäre.
Er schüttelte den Gedanken aus seinem Kopf. Es hatte keinen Sinn, sich weiter damit zu beschäftigen. Es war geschehen und jetzt musste er für seine Töchter da sein und sicherstellen, dass die Vergangenheit sich nicht wiederholte.
An der Spitze der einfachen Piste gab ihnen ein bärtiger Skilehrer ein paar Auffrischungstipps darüber, wie man langsamer fuhr, wie man stoppte und wie man lenkte. Die Mädchen nahmen sich Zeit, standen unsicher in ihren Skistiefeln, die an den Fersen eingeklickt waren.
Doch sobald Reid sich mit den Stöcken abschob und begann, über das Pulver zu rutschen, reagierte sein Körper, als hätte er es tausende Male getan. Die einzige Erinnerung, die er über das Skifahren hatte, war die Familienreise vor fünf Jahren, doch die Art, wie er einfach wusste, wie er sich zu bewegen hatte, ohne darüber nachzudenken, wie seine Beine und sein Körper sich subtil anpassten, um nach links und rechts zu schwingen, sagte ihm, dass er dies viel öfter als nur einmal getan hatte. Nachdem er die erste Piste bewältigt hatte, war er sich ziemlich sicher, dass er eine schwarze Diamant Piste problemlos bezwingen könnte.
Dennoch gab er sich Mühe, das zu verstecken und passte sich dem Rhythmus der Mädchen an. Sie schienen sich prächtig zu amüsieren, Maya lachte bei jedem Wackeln und Beinahe-Sturz und Sara hörte gar nicht mehr auf zu Lächeln.
Bei ihrer dritten Fahrt die Anfängerpiste hinunter, fuhr Reid zwischen die beiden. Dann beugte er ein wenig seine Beine, lehnte sich nach vorn und steckte die Stöcke unter seine Arme. „Der Letzte hat verloren!” rief er, während er begann, schneller zu fahren.
„Ich krieg dich, alter Mann!” lachte Maya hinter ihm.
„Alter Mann? Wart’s ab... wer zuletzt lacht, lacht am besten...” Reid blickte gerade rechtzeitig über seine Schulter, um zu sehen, wie Saras linker Ski auf einen kleinen Absatz mit festgefahrenem Schnee stieß. Er schlüpfte unter ihr heraus und beide Arme schlugen um sich, als sie mit dem Gesicht zuerst in den Hang fiel.
„Sara!” Reid stoppte. Er löste die Stiefel augenblicklich aus der Halterung und rannte durch den Pulverschnee zu ihr. „Sara, alles in Ordnung?” Sie war gerade den Gips losgeworden, das Letzte, was sie bräuchte, wäre eine weitere Verletzung, um ihren Urlaub zu ruinieren.
Er kniete nieder und drehte sie um. Ihr Gesicht war rot und es standen ihr Tränen in den Augen - doch sie lachte.
„Alles in Ordnung?” fragte er noch einmal.
„Ja”, antwortete sie zwischen Kichern. „Mir geht’s gut.”
Er half ihr auf die Beine und sie wischte sich die Tränen von den Augen. Er war mehr als nur erleichtert, dass es ihr gutging - das Geräusch ihres Lachens klang wie Musik in seiner Seele.
„Bist du dir sicher, dass alles OK ist?” fragte er ein drittes Mal.
„Ja, Papa.” Sie seufzte glücklich und stellte sich auf die Ski. „Ich verspreche dir, mir geht’s gut. Nichts gebrochen. Übrigens...” Sie drückte sich mit beiden Stöcken ab und sauste den Abhang hinunter. „Wir machen immer noch ein Rennen, oder?”
In der Nähe lachte auch Maya und fuhr hinter ihrer Schwester her.
„Nicht fair!” rief Reid hinter ihnen, als er zurück zu seinen Skiern eilte.
Nachdem sie drei Stunden lang die Abhänge hinuntergefahren waren, kehrten sie zur Skihütte zurück und setzten sich auf ein Sofa des großen Gemeinschaftsraums, in dem ein Kamin brannte, der groß genug war, um ein Motorrad darin zu parken. Reid bestellte drei Becher heißer, schweizer Schokolade und sie nippten zufrieden vor dem Kaminfeuer an ihr.
„Morgen will ich eine blaue Piste ausprobieren”, kündigte Sara an.
„Bist du dir sicher, Mäuschen? Du hast gerade erst den Gips vom Arm”, neckte sie Maya.
„Vielleicht können wir uns am Nachmittag die Stadt anschauen”, bot Reid an. „Einen Ort fürs Abendessen finden?”
„Das klingt gut”, stimmte Sara zu.
„Das sagst du jetzt”, warnte Maya, „doch du weißt schon, dass er uns in das Kloster schleppen wird.”
„Hey, es ist wichtig, sich über die Geschichte eines Ortes zu informieren”, erklärte Reid. „Das Kloster war der Beginn dieser Stadt. Naja, bis in die 1850er, als es ein Urlaubsort für Touristen wurde, die wegen der sogenannten ,Frischluftheilung’ hierher kamen. Seht ihr, damals...”
Maya lehnte sich auf dem Sofa zurück und gab vor, laut zu schnarchen.
„Ha-ha”, spottete Reid. „In Ordnung, ich höre schon auf mit der Vorlesung. Wer möchte noch eine Portion? Ich komme gleich wieder.” Er nahm die drei Becher und ging damit auf die Theke zu.
Während er wartete, konnte er nicht anders, als sich selbst in Gedanken auf die Schulter zu klopfen. Das erste Mal seit einer langen Zeit, vielleicht sogar seitdem der Gedächtnishemmer eingesetzt wurde, fühlte er, dass er seine Töchter richtig behandelt hatte. Sie hatten alle Spaß, die Ereignisse des letzten Monats schienen eine weit entfernte Erinnerung zu werden. Er hoffte, dass dies nicht nur vorübergehend war, und dass das Erschaffen neuer, glücklicher Erinnerungen, die Angst und Qual dessen, was geschehen war, ersetzte.
Natürlich war er nicht so naiv zu glauben, dass die Mädchen einfach den Vorfall vergäßen. Es war wichtig, nicht zu vergessen. Genau wie in der Geschichte, wollte er nicht, dass sich so etwas noch einmal wiederholen könnte. Doch wenn es Sara aus ihrer Melancholie riss und Maya wieder in Richtung Schule und Zukunft brächte, dann hätte er das Gefühl, dass er seine Arbeit als Elternteil erfüllte.
Er kam zurück zum Sofa und sah, wie Maya auf ihrem Handy tippte und Saras Platz leer war.
„Ist auf die Toilette gegangen”, erklärte Maya, bevor er noch fragen konnte.
„Ich hätte nicht gefragt”, gab er so unbekümmert wie er konnte zurück, und stellte die drei Becher auf den Tisch.
„Ja klar”, stichelte Maya.
Reid richtete sich auf und schaute sich trotzdem um. Natürlich hätte er gefragt. Wenn es nach ihm ginge, dann verließe keines der Mädchen sein Blickfeld. Her blickte um sich, an den anderen Touristen und Skifahrern vorbei, die Anwohner, die ein heißes Getränk genossen, die Angestellten, die Gäste bedienten...
Ein Knoten voll Panik zog sich in seinem Magen zusammen, als er Saras blonden Hinterkopf auf der anderen Seite des Gemeinschaftsraumes erblickte. Hinter ihr war ein Mann mit einem schwarzen Parka, der ihr folgte - oder sie vielleicht wegführte.
Er schritt schnell hinüber, die Hände ballten sich zu Fäusten an seinen Seiten. Sein erster Gedanke galt sofort den slowakischen Menschenhändlern. Die haben uns gefunden. Seine angespannten Muskeln waren bereit zu kämpfen, bereit, diesen Mann vor allen anderen auseinanderzunehmen. Die haben uns irgendwie gefunden, mitten in den Bergen.
„Sara”, sagte er scharf.
Sie hielt an und drehte sich um, ihre Augen geweitet aufgrund seines befehlenden Tonfalls.
„Alles in Ordnung?” Sein Blick wanderte von ihr zu dem Mann, der ihr folgte. Er hatte dunkle Augen, war unrasiert, eine Skibrille balancierte auf seiner Stirn. Er sah nicht slowakisch aus, doch Reid ginge keine Risiken ein.
„Alles OK, Papa. Dieser Mann hat mich gefragt, wo die Toiletten sind”, erklärte ihm Sara.
Der Mann hielt beide Hände abwehrend hoch, die Handinnenflächen nach vorn. „Es tut mir sehr leid”, sagte er, sein Akzent klang deutsch. „Ich meinte nichts Böses -”
„Hätten Sie keinen Erwachsenen fragen können?” erwiderte Reid nachdrücklich, starrte den Mann dabei an.
„Ich habe die erste Person gefragt, die ich sah”, verteidigte sich der Mann.
„Und das war ein vierzehnjähriges Mädchen?” Reid schüttelte seinen Kopf. „Mit wem sind sie hier?”
„Mit wem?” fragte der Mann fassungslos. „Ich... ich bin mit meiner Familie hier.”
„Ach ja? Wer sind sie? Zeigen Sie auf sie”, verlangte Reid.
„Ich-ich will keine Probleme.”
„Papa.” Reid fühlte, wie ein Arm an seinem zog. „Das reicht jetzt, Papa.” Maya zog erneut an ihm. „Das ist nur ein Tourist.”
Reids Augen verengten sich zu Schlitzen. „Sie halten sich besser von meinen Mädchen fern”, warnte er, „oder sonst wird es Probleme geben.” Er drehte sich von dem verängstigten Mann weg, während Sara verwirrt zum Sofa zurückging.
Doch Maya stellte sich ihm, mit ihren Händen auf ihre Hüften gestützt, in den Weg. „Was zum Teufel war das?”
Er legte die Stirn in Falten. „Maya, gib Acht, wie du sprichst -”
„Nein, gib du besser Acht, wie du sprichst”, schoss sie zurück. „Papa, du hast gerade deutsch geredet.”
Reid blinzelte vor Überraschung. „Habe ich?” Er hatte es nicht mal bemerkt, doch der Mann in dem schwarzen Parka hatte sich auf Deutsch entschuldigt - und Reid fuhr einfach in derselben Sprache fort, ohne darüber nachzudenken.
„Du verängstigst Sara einfach nur wieder mit solchen Sachen”, beschuldigte ihn Maya.
Seine Schultern fielen nach vorn. „Du hast recht. Es tut mir leid. Ich dachte nur...” Du dachtest, die slowakischen Menschenhändler wären dir und deinen Mädchen in die Schweiz gefolgt. Plötzlich bemerkte er, wir lächerlich das klang.
Es war offensichtlich, dass Maya und Sara nicht die einzigen waren, die sich von der geteilten Erfahrung erholen mussten. Vielleicht sollte ich ein paar Sitzungen mit Dr. Branson buchen, dachte er, als er sich wieder zu seinen Töchtern setzte.
„Es tut mir leid, was da passiert ist”, erklärte er Sara. „Ich glaube, ich bin einfach ein bisschen zu beschützerisch im Moment.”
Sie antwortete nicht, doch starrte auf den Boden mit dem weit entfernten Blick in ihren Augen. Beide Hände hielten den Kakaobecher, der kalt wurde.
Er wurde sich darüber klar, dass seine Reaktion und wie er wütend den Mann auf deutsch angebrüllt hatte, sie an den Vorfall erinnerten und wie wenig sie über ihren eigenen Vater wusste.
Großartig, dachte er bitter. Nicht mal ein Tag und ich habe schon alles kaputt gemacht. Wie kann ich das nur wieder gutmachen? Er setzte sich zwischen die Mädchen und versuchte verzweifelt, an etwas etwas zu denken, was er sagen oder tun könnte, um die fröhliche Atmosphäre, die nur ein paar Augenblicke zuvor geherrscht hatte, wieder herzustellen.
Doch bevor er überhaupt die Möglichkeit hatte, sprach Sara. Ihr Blick erhob sich, um ihn anzusehen, als sie etwas murmelte, dass Reid trotz der Gespräche um sie ganz klar hören konnte.
„Ich will es wissen”, sagte seine jüngste Tochter. „Ich will die Wahrheit wissen.”