Читать книгу Und immer geschieht das Gegenteil - Dominik Rüchardt - Страница 8
Unendlichkeit rettet vor der Banalität
ОглавлениеAus dem Paradox der Logik gibt es einen sehr einfachen Ausweg. Einen Ausweg allerdings, der schwerwiegende Folgen für die Logik selbst hat. Der auch vielen Menschen schwerfällt, weil er zunächst so schwer vorstellbar erscheint.
Es ist die Unendlichkeit.
Oder, einfacher gesagt, das offene System.
Und das ist gar nicht mehr schwer vorstellbar.
Fangen wir mit der Unendlichkeit an.
Das Universum geht vom Urknall bis …
wissen wir nicht.
Wie viele Atome es enthält, wissen wir auch nicht. Sie sind schwer zu zählen. Allerdings wäre es naheliegend, zu vermuten, dass man, würde man sehr viel Zeit haben und die Atome zählen, irgendwann alle beisammen hätte.
Und damit eine Zahl. Eine endliche Zahl.
Doch was ist dann?
Was ist mit den Atomen vor dem Urknall?
Und dem Raum hinter dem letzten Atom? Ist er leer?
Wie weit ist er leer?
Und: gibt es vielleicht nicht auch noch ganz andere Universen? Mit anderen Regeln, anderen Atomen, anderen Entscheidungen?
Diese Gedanken spiegeln aufs Neue den möglicherweise enorm großen Unterschied zwischen Wahrnehmung und Wahrheit.
Wir können nur drei Dimensionen erkennen. Höhe, Breite, Tiefe. Wieso sollte es nicht noch andere geben, die wir nur nicht sehen? Wohnen da vielleicht die Gespenster, die ab und zu auftauchen? Oder die Engel?
Spekulationen. Möglichkeiten.
Eine der wissenschaftlichen Fortsetzunger derartiger Ideen, die sich die Menschheit in ihrer Kulturgeschichte geschaffen hat, ist die Theorie der Multiversen. Sie ist in der theoretischen Physik und auch der Philosophie weit verbreitet. Sie besagt, dass jede mögliche Entscheidung ein Universum in zwei neue teilt, in dem einen gilt die eine Möglichkeit, im anderen die andere. Ein Wesen, das von einer Entscheidung zur nächsten stolpert, existiert demnach jeweils in zwei unterschiedlichen Universen weiter. Das Ich aber, das Selbst, das wir wahrnehmen, ist jeweils nur eines der beiden weiterexistierenden Wesen und es existiert nur in seinem eigenen Universum. Dem, das wir in unserer Wahrnehmung für das Einzige halten.
Warum muss das stimmen? Es muss nicht stimmen. Allerdings wären andernfalls das Universum und sein Zustand nach jeder Entscheidung eindeutig - und das ist angesichts der unendlichen Möglichkeiten des Seins jenseits unserer Wahrnehmung extrem unwahrscheinlich. Natürlich gilt das anthropische Prinzip: ‚die Welt ist, wie sie ist, weil wir sie, wie wir sind, nicht anders wahrnehmen können. In diesem einen Universum, in dem unser Ich sich befindet.‘ Es geht also nicht um das Sein der Welt, sondern um unser eigenes Sein in der Welt. Und wenn es dann jeweils nur die eine Möglichkeit gäbe, wäre das ganze Leben aller wahrnehmenden Wesen nur eine einzige, bis ins letzte Detail durchgeplante Geschichte und jede Entscheidung wäre richtig. Doch dann stellt sich die Frage, wer sich diese Geschichte ausgedacht hätte.
Wir könnten jetzt sagen, das war Gott. Damit wäre das Thema beendet. Die Verantwortung wäre abgegeben, jede weitere Frage hätte sich erübrigt. Das ist allerdings gegen die Spielregel der Erkenntnis.
Jede sich wahrnehmende Persönlichkeit hätte damit ihr eigenes Universum mit seinen eigenen Regeln, Wahrnehmungen, Wahrheiten. Es wäre naheliegend, dass sich diese Universen in großen Teilen überlappen und gerade diese Eigenschaft würde erklären, warum wir uns in vielen Dingen als Wesen einig sind und in anderen gar nicht, warum wir Träumen können und warum wir gelegentlich Dinge sehen, die es nicht gibt.
Und warum wir überhaupt Entscheidungen fällen können.
Die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, ist zumindest bereits der Beweis, dass es ein absolutes Maß von Richtig und Falsch nicht gibt.
Die Erkenntnis daraus ist, dass es den geschlossenen Raum mit einer vollständig definierten Logik ebenfalls nicht gibt. Jeder Raum, in dem Leben stattfindet, ist nicht nur ein offener Raum, sondern ein Raum, in dem unendlich viele Dinge aufeinandertreffen, die aus unterschiedlichsten Wahrheiten stammen können.