Читать книгу 350 Gramm - Don Kitty - Страница 7

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Mir wurde heiß. Ich schaute nach draußen, wo mein Kumpel mit laufendem Motor wartete, überlegte kurz und tat dann ganz erstaunt: „Zeigen Sie mal her.“ Ich hielt mir die Karte prüfend kurz vor die Nase, rieb mit dem Daumen über die Vorderseite und brummte unzufrieden vor mich hin. „So ein Mist – wie letztens!“ Ich gab dem Kassierer die Karte zurück und bat ihn, es noch mal zu versuchen. Er probierte es tatsächlich ein zweites Mal – natürlich wieder nichts. Ich tat fassungslos und schrie: „Scheiß Karte! Nigelnagelneu und funktioniert ständig nicht. Geben Sie her, ich kläre das!“

Tatsächlich gab der Typ mir die Karte zurück – eigentlich hätte er sie einziehen müssen. Ich lies Whiskey und Zigaretten wo sie waren und stiefelte aus dem Laden. Als ich ohne Beute in den Wagen stieg, sah mein Kumpel mich fragend an. Ich sagte nur: „Schnauze! Fahr los!“ Unterwegs wurde mir dann langsam klar, wie knapp das gerade war. Der Kassierer hätte merken müssen, dass was nicht stimmt – so schweißgebadet und nervös wie ich war, obwohl ich den Überheblichen gespielt hatte.

Für diesen Tag hatte ich auf jeden Fall erst Mal die Schnauze voll. Aber nur für diesen Tag. In den nächsten Wochen räumten wir dann weiter ab und nutzten unsere freie Zeit für ausgedehnte Benzin-, Zigaretten- und Goldkettenkäufe. So sammelten sich im Laufe der Zeit dreihundert Stangen Kippen und rund 40 Goldketten an. Den größten Teil der Zigaretten verkaufte ich an einen Typen, den ich zwar nicht leiden konnte, der aber ausreichend Bares auf den Tisch legte.

Ditsch hatte sich in der Zwischenzeit entschlossen, seine Haftstrafe anzutreten und abzusitzen. Ich bot ihm an, ihn während der Haft mit Kohle zu versorgen und zwei Tage später stellte er sich. Irgendwie hatte ich dabei ein flaues Gefühl in der Magengegend. Und ich sollte recht behalten: Es dauerte nicht lange und mir flatterte eine Vorladung ins Haus. Ich wurde des Kreditkartenbetruges verdächtigt. Der abgefuckte Drecksack hatte eine Lebensbeichte abgelegt. Und hatte gesungen wie eine Nachtigall: was wir wo und wann gekauft hatten. Das volle Programm. So ist er halt, der Wichser Dietmar Bettendorf.

Ich nahm die Vorladung ernst und erschien pünktlich und ordentlich auf dem Betrugsdezernat. Die Beamten kamen direkt zum Punkt und erklärten mir ohne große Umschweife, was der Arsch alles ausgepackt hatte. Wirklich alles. Bis ins kleinste Detail. Ich tat ganz locker und leugnete alles. Sie legten mir zwei Bilder einer Überwachungskamera vor und fragten mich, ob ich den Typen vor der Tankstelle und dem Juwelierladen auf den Bildern kenne. Ich war super getroffen, aber versuchte die coole Nummer und sagte: „Hübscher Kerl, aber leider kenn’ ich ihn nicht.“

Der eine Bulle war nicht für Spielchen aufgelegt und schrie mich direkt an: „Das sind Sie!!“ Er bekam einen hochroten Kopf und kurz dachte ich, er würde keine Luft mehr bekommen. Aber den Gefallen tat er mir leider nicht. Gerade als er Luft holte, um mich weiter anzuschreien, fiel ich ihm ins Wort. ‘Ja gut, wenn Sie mich nur anschreien wollen, dann muss ich wohl nichts mehr sagen, oder?“

Sein Kollege wiegelte ab. Ich hatte die Schnauze allerdings voll, machte ihnen höflich klar, dass sie mich mal könnten, verlangte nach meinem Anwalt und bat darum, in meine Zelle abgeführt zu werden. „Falls ich allerdings nicht hierbleiben muss, dann würde ich jetzt gehen.“

Ich wusste nicht warum, aber sie ließen mich tatsächlich laufen. „Wir sehen uns bei der Verhandlung“, bekam ich noch mit auf den Weg und ich war ziemlich sauer, als ich mich auf den Heimweg machte.

Der Verhandlungstag kam recht bald und die Beweislast war erdrückend. Allerdings hatte ich Glück, den gleichen Jugendrichter wie bei der Hollandreise zu erwischen. Niemand fragte mich nach Mittätern und ich gab alles zu, was man mir nachweisen konnte. Das Urteil war recht milde: zehn Tage Jugendstrafe und eine saftige Geldstrafe wegen der Steuerhinterziehung mit den Waren aus Luxemburg. Außerdem wies der Richter mich darauf hin, dass ich mich mit der Bank auseinandersetzen müsse, die die Kreditkarte ausgestellt hatte. Die wollten natürlich ihre Kohle zurück. Selbstverständlich war bei der Verhandlung auch ein Banker anwesend und sprach mich nach der Urteilsverkündung auf dem Flur an. Was ich denn im Monat so verdiene, wollte er wissen. 400 Mark. Er schmunzelte, fummelte an seinem Koffer herum und schaute mich nicht einmal an. „Wie lange wollen Sie denn daran abbezahlen? Jahrelang wollen wir auch nicht auf unser Geld warten!“ Und dann kam der Hammer: Ohne eine Miene zu verziehen sagte er: „Also, was uns angeht, ist der Haupttäter nie gefasst worden. Deshalb wird die Versicherung den Schaden übernehmen.“

Ich war perplex, reichte ihm artig meine Pfote und dankte ihm für die hervorragende Zusammenarbeit. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht verließ ich das Gericht.

Irgendwann war es dann so weit. Ich musste meine zehn Tage absitzen. Ich nahm Urlaub und fuhr mit dem Zug in ein 200 Kilometer entferntes kleines Städtchen. In dem kleinen Gefängnis konnte man nur Kurzzeitstrafen absitzen und es saßen ausschließlich Jugendliche ein, die maximal einen Monat aufgebrummt bekommen hatten. Mit mir zusammen waren es 36 Insassen auf Erholungsurlaub. Ein Typ namens Nick und ich waren die einzigen Deutschen. Damals hatte ich noch ein etwas verbogenes Weltbild und verallgemeinerte alles. Hatte eine äußerst intolerante Einstellung – fast allem und allen gegenüber. Im Arrest fühlte ich mich mal wieder vollkommen in meiner Auffassung bestätigt. Direkt am ersten Tag wurde ich für den Küchendienst eingeteilt. Alle Insassen aßen gemeinsam in einem großen Speisesaal. Nick, der Hausarbeiter war, und ich sollten gemeinsam die Tische decken und nach dem Essen wieder abräumen. Außerdem mussten wir abwaschen und das Essen entgegennehmen, das aus einer anderen Haftanstalt zu uns geliefert wurde. Mädchen für alles halt. Dafür waren unsere Zellentüren allerdings länger auf. Die Bevorteilung hatten wir einem der Beamten zu verdanken, der uns durch die Blume zu verstehen gab, dass er Ausländer auch nicht gerade gerne mochte.

Irgendwann kam es dazu, dass mich zwei Türken bedrohten und Tabak von mir forderten, damit sie mich in Ruhe lassen würden. Mein Tabak in Türkenhand? Niemals! Ich schlug ihnen vor, ihnen statt des Tabaks gerne ein oder auch zwei auf’s Maul zu geben und wollte gerade mit der Auslieferung beginnen, als der Beamte auftauchte und dazwischenging. Er drohte mir mit Trennung und damit, mich vom Küchendienst abzuziehen, falls ich so eine Nummer abziehen würde. Das wollte ich allerdings nicht.

Siebzehn meiner Haftgenossen waren Muslime und bekamen deshalb anderes Essen. Statt Schweinefleisch bekamen sie Rind, Geflügel und ab und zu auch Lamm. Und damit kam eines Tages auch der Tag meiner Rache. Für uns gab es Schweinebauch, für die Muslime Cordon bleu vom Rind. Einsfixdrei tauschte ich zwei der Cordon bleu gegen Schweinebauch und gab ordentlich Soße oben drauf. Ich war gut. Sie merkten nichts. Ich genoss den Anblick, wie sie kauend und schmatzend das Schweinefleisch hinunterschlangen. Als alles verputzt war, konnte ich mir nicht verkneifen, den Jungs von meinem Irrtum zu berichten. Eins meiner Opfer sprang mich sofort an und wollte mich mit seiner Gabel aufspießen, aber ich konnte ihm geistesgegenwärtig einen Teller entgegenwerfen. Der andere würgte mich und eröffnete mir, ich sei so gut wie tot. Die Jungs waren mal gut auf 180 – ich war begeistert. Drei Beamte waren nötig, um die rasenden Türken auf ihre Zellen zu befördern. Wie nicht anders zu erwarten, wurden sie in Zukunft strikt von mir getrennt und durften sogar auf ihren Zellen speisen.

Es gab allerdings noch mehr religiöse Fanatiker, die von meinem Späßchen relativ angepisst waren. Es dauerte zwei Tage, dann wurde ich auf dem Flur beim Putzen angegriffen. Ich bekam einen Schlag von hinten halb ins Genick, halb an den Hals. Reflexartig riss ich den Schrubber hoch und zog meinen Angreifern das Wischgerät über. Einen traf ich ungeplant mitten auf den Kehlkopf und er sank japsend zu Boden. Seine Mitstreiter standen wie Ölgötzen daneben und rührten kein Schnurrbarthaar. Ich schrie sie freundlich an, sie mögen ihrem Kumpan doch auf die Beine helfen. Aber da kam nichts. So musste ich das Arschloch wieder auf die Füße stellen und lehnte ihn an die Wand. Als der Gute wieder richtig zu sich kam, wollte ich ihm klarmachen, dass die Kehlkopfaktion eher Zufall und nicht beabsichtigt war und ich einfach nur meine Ruhe haben wolle. Er zischte mir etwas Unverständliches entgegen und verschwand mit seinen Helferlein. Ich verstand zwar kein Türkisch, aber soviel konnte ich mir dann doch zusammenreimen: Ab jetzt musste ich die Augen immer schön offenhalten.

An einem Tag stand ich gerade so rum, als die Essenslieferung kam und zwei riesengroße Säcke tiefgefrorener Fritten eintrudelten. Ein Schließer fragte mich, ob ich es schaffen würde, die Pommes zu frittieren? Logo. In der Küche stand eine alte Fritteuse, die schon längere Zeit nicht mehr in Benutzung gewesen zu sein schien. Das nötige Frittier-Fett war mitsamt den Pommes geliefert worden. Nick half mir die ganzen Köstlichkeiten in die Küche zu schleppen. Schon bei der Frage des Schließers war mir eine – davon war ich überzeugt – geniale Idee gekommen. Ich schärfte Nick ein, auf keinen Fall und unter keinen Umständen von den Pommes zu essen. Keine Pommes, Nick! Er fragte mich, was das solle und war etwas stinkig, da er sich schon auf eine Portion Fritten gefreut hatte. „Erklär ich Dir später!“ sagte ich nur.

Dann verdünnisierte er sich und ich war allein. Ich tat wie mir geheißen. Fritte heiß, Pommes rein, schön knusprig backen und raus damit in ein riesiges Sieb in Wäschekorbform. Als die letzten Pommes im Korb lagen, packte ich meinen Schwanz aus und pinkelte ausgiebig und schön gleichmäßig über meine persönliche, extragroße Portion Pommes Spezial. Ordentlich Salz drüber für den guten Geschmack und dann ab damit zur Essensausgabe.

Außer mir und Nick schaufelten alle schön die Fritten in sich rein und ich genoss grinsend das Festmahl der Übrigen. So vergingen die zehn Tage wie im Flug. Man musste nur wissen, wie man sich die Zeit vertreiben konnte.

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