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IV. 1994 – Trunkenheit im Straßenverkehr

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Es wurde eine Zeit lang etwas ruhiger um mich und es dauerte etwas, bis wieder etwas Interessantes passierte. 1994 lag ich mit einem Mittelhandbruch im Krankenhaus. Wie mit allem in meinem Leben war es etwas komplizierter. Zwei Drahtstifte wurden in meiner Hand fixiert und blieben dort bis zu einer weiteren Operation. Mir war auf jeden Fall totlangweilig. Nachmittags kam mich regelmäßig ein Freund abholen und wir gingen bis in die frühen Morgenstunden auf Kneipentour durch die City. Total besoffen schmuggelte ich mich dann zurück ins Krankenbett, verschlief das Frühstück und trieb meine Zimmernachbarn mit meinem Geschnarche in den Wahnsinn. Der scheiß Gips juckte, ich war genervt.

Eines Mittags schlenderte ich etwas benebelt nur in Unterhose, Badelatschen und mit Handtuch über der Schulter Richtung Badezimmer, um mal wieder einen Duschversuch zu starten. Auf einmal riss mich eine angenehme Stimme aus meinen Gedanken.

„Hallo, kann ich vielleicht helfen?“, säuselte es.

„Nein, ich ... ”, antwortete ich im Umdrehen und verstummte beim Anblick einer brutal hübschen Schwester. Sie sah mich etwas verdutzt an. „Nicht schlecht“, dachte ich. Lange schwarze Haare, samtbraune Haut. Sie hieß Carmen. Ich lächelte halb verlegen, halb frech und sie lächelte zurück. Mit dem Gips sei das Duschen leider etwas schwierig, erklärte ich ihr. Und ich sei schon die ganze Zeit auf der Such nach professioneller Hilfe. Mitleidsvoll sah sie mich an und ich wusste, dass sie wusste, dass ich log. Auf jeden Fall begleitete sie mich in die Dusche, befreite mich ruckzuck von meiner Unterhose und wusch mich mal so richtig sauber durch. Nur gewaschen. Mehr nicht. Für gelogene Bumsabenteuer sind andere Hengste zuständig. Nicht ich. Eine schöne Abwechslung im tristen Krankenhausalltag war es aber allemal.

Ich war noch nicht richtig trocken, da stand auch schon mein Kollege in der Tür, eine grandiose Nachricht im Gepäck. Er hatte sich ein Auto gekauft. Ich machte mich ausgehfein und wir trabten los, damit ich mir das Prachtstück mal aus der Nähe ansehen konnte. Ein D-Kadett. Und Prachtstück war mehr als übertrieben. Es war eine erbärmliche Möhre. So weit entfernt vom TÜV wie der Papst vom Puff und die Farbe war auch beschissen: rostbraun mit einem Hauch Kacke. Fahrbereit war er allerdings. Und ein rotes Kennzeichen war auch drangeschraubt. Das musste reichen. Ich hatte die Ehre, die Gurke zu steuern, denn mein Kumpel hatte keinen Führerschein für sein Traumauto.

Zufälligerweise lud mich eine nette Freundin am gleichen Tag auf eine spontane Party ein. Da die Feier ein paar Kilometer außerhalb der City stieg, war das erste Fahrziel schnell ausgemacht.

Wir waren schon einige Zeit unterwegs, als wir an einem parkenden Auto vorbeidüsten. Plötzlich riss der Trottel auf seiner Fahrerseite die Tür auf – ganz offensichtlich, ohne sich um den fließenden Verkehr zu kümmern. Ich konnte gerade noch ausweichen. Mir schwoll mächtig der Kamm und die nächsten Kilometer moserte ich ziemlich rum, bevor ich mich wieder beruhigte. Außerdem war es gar nicht so einfach, das Auto mit dem eingegipsten Arm zu steuern. Mein Kumpel unterstützte mich, wo er konnte, indem er ab und an die Gänge einlegte und ich nur die Kupplung treten musste.

Am Ziel angekommen, rauchten wir erst Mal eine. Wir quatschten über die anstehende Party, als wie aus dem Nichts plötzlich ein Kerl auftauchte. Blonde Haare, Mittelscheitel, Schlips, etwa 30. Er war noch etwas außer Atem und schien seinen ganzen Mut zusammenzunehmen als er sagte: „Ihr habt mich eben fast umgefahren!“

Ich musterte ihn in aller Ruhe von oben bis unten und entgegnete:

„Ja, und du warst zu strack, um die Autotür aufzumachen ohne dich dabei fast selbst umzubringen. Pass mal lieber auf, sonst hast du irgendwann einen Kühler am Kopf und einen Liegeplatz auf dem Friedhof, du Witzfigur.“

Dann ließ er eine kleine Bombe platzen und behauptete, er sei Polizeibeamter und da sei man immer im Dienst. Auch jetzt. Ich fragte nach seinem Dienstausweis. Er wurde etwas unsicher, kramte erst in seiner Hose, dann in seinem Geldbeutel. Mir war von Anfang an klar, dass der Heini kein Cop war. Ich ließ ihn genüsslich weitersuchen. Den Spaß ließ ich mir nicht entgehen. Langsam wurden auch ein paar Leute um uns rum auf uns aufmerksam und dem Typ stand der Schweiß auf der Stirn. Plötzlich meinte er, sein Ausweis sei sicher in seinem Wagen. Seine Karre stand in unmittelbarer Nähe und ich folgte ihm dorthin. Hatte er wohl nicht mit gerechnet. Er fing an, in allen Ecken des Autos panisch rumzusuchen und hatte mit einem Mal den Zündschlüssel in der Hand, steckte ihn ins Schloss und wollte sich vom Acker machen. Leider sprang sein Auto nicht an. Ich verpasste ihm zum Abschied einen satten Fausthieb, dann startete seine Karre und er brauste mit offener Fahrertür davon – rückwärts, rammte drei andere Autos und ohne sich zu kümmern, machte er sich vom Acker. Alle lachten sich schief – was für ein Vollidiot.

Auf der Party war die Stimmung sofort besser. Wir feierten ausgelassen und nach ungefähr zehn Bierchen erklärte ich, dass es Zeit für mich sei, zurück in Krankenhaus zu fahren. Mein Kumpel wollte aber noch bleiben und bot mir an, sein Auto zu nehmen und ihn am nächsten Tag einfach wieder abzuholen. Gesagt, getan. Ich machte mich alleine auf den Rückweg und als ich die Stadt schon wieder erreicht hatte, bemerkte ich ein Fahrzeug, das ziemlich hartnäckig an mir klebte. Ich dachte angestrengt nach – denn schnell war mir klar, dass ich die Bullen am Arsch hatte. Ein typisches Zivilbullenauto – Kadett Kombi mit getönten Scheiben hinten. Ich grübelte noch so vor mich hin, als um mich herum auf einmal die blaue Disco startete. Wie aus dem Nichts tauchten zwei Streifenwagen vor mir auf, ein weiterer im Rückspiegel. Sie stoppten mich und aus dem hinteren Auto kamen zwei Grüne mit gezogener Knarre auf mich zu. Mir fielen alle meine Sünden auf einmal ein, aber ich war mir sicher: Das muss eine Verwechslung sein. Die können unmöglich mich meinen!

Schon blaffte es: „Aussteigen! Hände zeigen! Aber ganz langsam.“

Ich gehorchte brav. Meine Hände mussten aufs Autodach und schneller als ich fragen konnte, was hier überhaupt los sei, hatte ich die Acht an der linken Hand. Als die Herren Wachtmeister allerdings merkten, dass das Ding nicht um meine eingegipste Rechte passte, schienen sie etwas überfordert. „Sie müssen mich schon richtig fesseln, so ein Gips tut weh, wenn ich damit zuschlage“, feixte ich und landete sofort unsanft auf der Motorhaube. Bullen verstehen selten Spaß. Ich wurde in einen Bullen-Bulli geführt und musste in einen Alko-Tester blasen. Ich tat wie geheißen und schaffte ganze 1,2 Promille. „Sie kommen sofort mit zur Wache!“, herrschte mich ein unförmiger Schutzmann an. Was denn mit meinem Wagen passiere fragte ich. Der stand nämlich noch vor der Ampel und mitten auf der Straße. Fahren durfte ich ja nicht mehr und so mussten die Herren Beamten die Schrottkiste von der Straße schieben. Auf die Aufforderung zu helfen, reagierte ich mit einem wehleidigen Winken meines eingegipsten Arms und einem freundlichen Grinsen.

Auf der Wache wurde eine Blutentnahme angeordnet und ein Arzt wurde bestellt. Ich nutzte die Zeit und sah mich ausgiebig auf der Wache um. Bald entdeckte ich den Typ von heute Mittag in einem der Büros. Er hatte mittlerweile ein ordentliches blaues Auge und sah ziemlich ramponiert aus. Ich war verwirrt. Was wollte der Möchtegernbulle hier? Und was hatte ihn so zugerichtet, dass sogar noch Blut auf dem Boden zu sehen war? Ich grübelte noch, als einer der Polizisten kam, um mich schlau zu befragen. Er erklärte mir, das Häufchen Elend im Nachbarzimmer habe mich angezeigt – ich würde mein Werk ja sicher wiedererkennen. Mir fiel fast der Kitt aus der Brille – so viel Dreistigkeit auf einem Haufen! Ich machte den Beamten erst mal darauf aufmerksam, dass er vergessen hatte, mich zu belehren und ich unter Alkoholeinfluss ohnehin keine Aussage machen dürfe - was ich aber auch nüchtern nicht tun würde. Und zu guter Letzt versicherte ich ihm, dass ich Polizisten aus Prinzip nicht so zurichten würde!

„Was? Welcher Polizist?“, herrschte er mich an. „Es geht nicht um einen Kollegen.“

„Na der verbeulte Kollege da nebenan“, entgegnete ich.

„Das ist kein Beamter, sondern der Herr, der Sie eben wegen Körperverletzung, Nötigung und Sachbeschädigung angezeigt hat“, schnaubte das grüne Dickerchen.

„Kein Polizist?“, fragte ich entgeistert. „Da frag ich mich aber doch, warum er mich verfolgt, angehalten und sich dann als Polizist ausgegeben hat. Bevor er mit seinem Auto in drei andere Fahrzeuge gerast ist und dann Fahrerflucht begangen hat.“

Plötzlich war es totenstill. Niemand im Raum sagte etwas und der dicke Polizist schaute ziemlich dumm aus der Uniform – erst zu mir, dann zu seinem Kollegen und wieder zu mir. Ich unterbrach die Stille und fragte, wie es denn nun weiterginge? Ich durfte gehen.

Am nächsten Tag kam ich zurück auf die Wache, um den Möchtegernbullen meinerseits anzuzeigen. Der diensthabende Officer erklärte mir, dass alle Anzeigen gegen mich zurückgezogen wurden. Anscheinend war der Wochenend-Cop sich seiner Sache nicht mehr so sicher. Ich fragte, ob eine der Anzeigen denn trotzdem weiterverfolgt würde – die Antwort war nein. Nur wegen Trunkenheit am Steuer würde ich mich wohl verantworten müssen. Aber das war mir eh klar. Auch die Beamten, die mich am Vorabend festgenommen hatten, sahen von einer Anzeige gegen mich ab. Irgendwann später erfuhr ich, dass der Möchtegernbulle nach seiner Flucht von der Party von irgendwelchen Wilden kräftig paar auf die Fresse bekommen hatte – und seine Karre direkt mit. Kommt davon.

Trotzdem war ich mächtig sauer, weil mein Führerschein erst mal futsch war. Mit 1,0 Promille mindestens 9 Monate. Von dem Tausi Geldstrafe ganz zu schweigen.

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