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Lecker Gurkensalat

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Einige Wochen später. Vielleicht waren es auch Monate. Schnell lebte ich mich ein, kannte die Nachbarschaft und ihre Geräusche; kenne ihre Sorgen und Sehnsüchte.

Gestern hatte ich Geburtstag. Ich wollte für Charlotte kochen. Nur für uns. Das soll nicht heißen, dass ich menschenscheu bin. Im Gegenteil. Ich mache mir nur nichts aus großen Feiern. Das ist wie bunte Luftballons in die Luft steigen lassen: Kann schön sein, muss man aber mögen.

Bin dabei das Abendmahl zuzubereiten, habe eine Rotweinflasche entkorkt und kräftig probiert. Auch viel eingekauft. Zuerst soll es warmen Schafskäse mit Honig geben, dazu süßen Malvasia und danach klassischen Gurkensalat mit weißem Bordeaux.

Schenke mir Wein nach, fühle mich wie ein Ritter der Tafelrunde. Das Leben? Einfach großartig. Bin gesund und lächle zufrieden wie ein Vagabund. Die grüne Zeppelinfrucht sträubt sich, aus ihrem durchsichtigen Einteiler zu kommen. Normalerweise ist mindestens eine Seite der Schweißnaht so billig und schlecht zusammengebrutzelt, dass man dran reißen kann.

Natürlich bin ich zu stolz, um ein Messer zur Hilfe zu nehmen; das ist, als wenn mir jemand den Tankdeckel am Auto zeigen will. Mit der Salatgurke ist es genauso. Ich weiß ja, wie sie aus dem Rock kommt. Darin bin ich nicht ungeübt. Hin und wieder ist es nun mal schwer den Reißverschluss zu finden. Wenn er zu flach anliegt, oder von den Kanten zu stark eingefasst ist; manchmal braucht es Geduld.

Endlich reiße ich die Gurke aus der engen Plastikfolie; nehme ich einen weiteren Schluck Wein. Düstere Elektromusik läuft gerade aus meinem Smartphone. Passt gut, denke ich, wo ich die Gurke zerhacken, ihr den Garaus machen, sie mit einer Guillotine köpfen will.

Gerade bin ich richtig in Stimmung, als die Nachbarin anfängt zu schreien. Sofort bin ich nervös, kralle meine Zehen in den Fußboden. Mit Hysterie kann ich nicht gut umgehen. Jetzt schreit sie schon wieder; diesmal anhaltender, zum Ende schwächer, etwas klagender, als wenn Schweres auf ihr liegt, als ob man Luft aus dem Brustkorb oder Creme aus einer Zahnpastatube drückt.

Elektronische Bässe und Flächen wabern durch die große Küche, wummern in Boden und Möbel. Die Musik wird noch düsterer. Wunderbar. Dressing ist bei Gurkensalat das Wichtigste. Man kann schlechte oder angeschimmelte Gurken nehmen; scheintote; sie können weich und elastisch sein, oder komisch riechen; ist alles egal, solange man gutes Dressing hat.

Lautes Rumpeln nebenan. Der Nachbar hat seine Küche direkt neben unserer. Er ist ein unauffälliger Typ; hält Frauen Türen auf; arbeitet viel; verbringt die meiste Zeit in seiner Wohnung; Single, keine Haustiere. Vielleicht Anfang Vierzig, so wie ich. Jetzt schmeißt er den Staubsauger an. Von den Nachbarn haben sich schon viele über seinen Reinlichkeitswahn lustig gemacht.

Es gab mal eine Zeit ohne Dampfbügeleisen. Damals hatte Tupperware eine hellblaue Plastikflasche im Programm, mit einer gelöcherten, austauschbaren Kappe im Kopf. Die Höhe der Flasche maß ungefähr etwas über 20 Zentimeter, vielleicht sechs Zentimeter unten am Boden, oben sieben oder acht. Irgendwann kaufte der Nachbar ein Dampfbügeleisen. Die Plastikflasche? Ausgedient.

Dann kam ihm eine Idee: Er schnitt den Flaschenboden auf und freute sich, dass die Öffnung für die löchrige Kappe genau in den Staubsaugerschlauch passte. Er wollte was ausprobieren und experimentierte herum.

Wie lang und dicht hielt so eine Flasche das Vakuum? Wieviel Luft muss am Schaft nachfließen? Er forschte viel und gründlich. Bald fand er raus, wann seine Gurke krumm und dunkelviolett vor sich hinzuckte. Hin und wieder liefen sogar Tränen. Wenn der Staubsauger die Drehzahl rhythmisch veränderte, besorgte er sich den Rest. Dann trampelte er mit den Füßen und schnaubte und grunzte wie ein alter Eber, dem ein Stock quer im Hals hängt.

Gerade wasche ich meine Gurke, fange an, sie über die Guillotine zu jagen, als ich im gleichen Moment den Staubsauger höre. Ich lege die Gurke beiseite, stecke mir eine Zigarette an und lausche. Ich kann mich mit der Vorstellung nicht anfreunden, dass er seine Violette krummsaugen lässt, während ich meine Grüne festhalte. Ein paar Minuten kann ich ja wohl warten, ändere die Reihenfolge und mache mit Dressing weiter.

Während der Schneebesen rattert, entgeht mir das runterfallende Staubsaugerrohr. Endlich habe ich das Dressing fertig. Kurze atemlose Stille. Stelle den Hobel ein, sehe mit den Augenwinkeln zur blitzenden Klinge. Neuer Song. Die Musik wird ruhiger, schlägt sanftere Töne an. Ich fange an zu raspeln.

Tschick-Tschick-Tschick. Glattgeschnittene Scheiben fallen locker und leicht wie Neuschnee. Ich wechsle den Griff; mag keine ovalen Scheiben; ein letztes Mal umgreifen, gibt sonst Druckstellen.

Tschick-Tschick-Tschick. Die Musik schlägt zu. Jetzt wieder Elektro satt. Zackig rattere ich die Gurke durch, denke an Charlotte; Hauptgericht Entrecôte; Süßkartoffeln dazu; pur, gekocht, längs aufgeschnitten; als Nachtisch Crème Brûlée; dann Käse; freue mich, koche gerne für sie; horche in die Stille, während ich ein Jucken in der Hand spüre.

Tschuck-Tschuck-Tschuck. Munter rattere ich die Gurke durch. Habe ein großes Exemplar erwischt. Es dauert länger als sonst. Sehe nebenbei aus dem Fenster. Progressive Elektro gibt den Takt; erhöhe die Schlagzahl, will fertig werden.

Tschuk-Tschuk-Tschuk; sehe die Rotweinflasche, werfe einen Blick in die Plastikschüssel; der Burgundertopf wird hervorragend; das Jucken wird stärker. Burgundertopf? Jucken?

Ein Stromschlag donnert mir durch den Körper; sehe die dunkelrote Suppe in der Plastikschüssel; Haut und Fingernägel schwimmen wie Treibholz umher; Fingerkuppen hüpfen weißleuchtend im Sud, lächeln mich schreiend an; Fingerteile schwimmen herum; manche stupsen Gurkenscheiben an; blicke auf meine runtergeraspelten Finger; dann geht das Licht aus.

Schieße hoch. Es ist stockdunkel. Mein Herz pumpt wie ein alter Traktor. Setze mich auf. Schweiß läuft mir den Rücken runter. Wo bin ich? Drehe mich vorsichtig um. Liege im Bett. Komme langsam runter. Leise Worte bringen mich zur Ruhe.

„Alles Gute zum Geburtstag!“





Brennende Krokodile löscht man nicht

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