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Gefährlich ist die Nacht

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Hochsommer. Ein Uhr nachts. Wir treffen uns vor diesem Club. Hamburg, östliche City. Lange quälend benutzt ist es hier wie überall: Schmuddelig und schäbig. Ich steige aus dem Taxi, rieche das sich zusammenbrauende fürchterliche Schwarz. Teuflisch, töricht, grausam, wunderschön. Metallische, teigig-matte Luft. Ölig-schwül, staubig, durchbohrt von Schüssen des jungen Morgens. Blinzelnde Lichtstrahlen und Scheinwerfer. Neonröhren flackern neurotisch herum, gefangen von weit entfernt stehenden Betonklötzen.

Rauch ausblasend starre ich in den Rachen der kalten Stadt. Gebleckte Zähne fletschen ein scheußliches Lächeln zurück. Verängstigt blicke ich der Nacht in ihre grausamen Pupillen, die mich tiefschwarz gefangen halten, ausgebaggertes Unheil verheißend. Von tief unten höre ich wummernde Bässe; die aufstehende Stahltür lässt ihn hemmungslos herausdonnern.

Vor ihr ein Türsteher, angedeuteter Seitenscheitel. Rundherum kurzgeschoren. Jeanshose, Jeanshemd, alles eng. Sorgfältig getrimmt bewacht ein Schnurrbart den hervorstechenden Adamsapfel. Wir gehen die Treppe runter, nicken ihm zu. Die Mädels lässt er durch. Charlotte, dann Alessandra und Vanessa. Mich hält er an der Schulter fest.

„Willst du da wirklich rein?“, lächelt er in meine unsicheren Augen.

Die Hand verschwindet, als ich nicke. Drinnen ist es neblig, eng und feucht. Wilde halbausgezogene Menschen zucken im Stroboskopblitz. Es ist mörderisch warm. Mein Herz bekommt Angst, schlägt schneller und stärker, immer stärker. Dieser schlimme Bass. Grollend, trocken, tief.

Zischende Höhen bohren sich in mein Gehirn. Leuchtendes Schwarz überall, verziert von Riffel-Alu. Nackte Latzhosen hier und da. Silberne, hautenge Overalls krümmen sich, zucken unter psychedelisch rotierenden Neonröhren. Schwarzlicht. Trocken staunt mein Schlund die wabernde Masse an.

Bumm-Bumm-Bumm. Zss-Zss-Zss.

Hin und wieder kreischen Sirenen aus Lautsprechern, die sich wie blutige Kettensägen Wege bahnen. Nackenhaare stellen sich auf. Trockeneis nebelt alles ein. Meine Mädels sind weg, aufgesogen von der schwammigen Masse. Quadratischer Raum. In jeder Ecke hängt eine Box und schießt ihr hemmungsloses Gewitter auf die Tanzfläche.

Schweiß, Muskeln, lüsterne Leiber reiben sich aneinander. Eine feuchte Wand lässt auf ihrer Haut schizophren-wechselnde Bilder projizieren. Morsche Bäume, alte Menschengesichter. Viele Männer. Sehe weg, wieder hin. Schließe erschrocken die Augen. Öffne sie langsam. Schüchtern.

Geschlechtsteile, saftige Feigen mit und ohne Moos; schlaffe Säcke, spritzende Schwänze. Sehe hektisch hechelnd weg. Körper und Fleisch lächeln. Schnell pochendes Herz, schnell, immer schneller. Körper bäumen sich ekstatisch auf. Meiner auch. Farbspritzer schießen durch den dunklen Morgen. Ich sehe wieder an die Wand: Tierkadaver lächeln mich im Wahn an, wechseln sich mit abgeschnittenen Menschenköpfen ab.

Bumm-Bumm-Bumm-Bumm.

Elektrische Luft. Wasser läuft an mir runter. Gehe runter zur Bar, bestelle Gin-Tonic. Blutjunge Jungs und Mädchen hinterm Tresen. Eines mit abstehenden Zöpfen. Kreischen, Schreien, Lachen. Pippi-Langstrumpf reicht mir lautlose Worte keuchend das Glas rüber. Volle, obszön-glänzende Lippen, Sommersprossen, freier Bauchnabel. Falle gleich in Ohnmacht. Blut läuft aus meinem Kopf, pochende Adern wecken die wachsende Frucht auf. Trinke gierig aus dem blauleuchtenden Glas.

Zitternde Hände stecken mir eine Zigarette an. Gedränge. Fleisch reibt hungrig aufeinander. Überall keuchender Atem, besonders auf Toiletten. Der Tresen reicht mir ein weiteres Blau-Glas. Ich traue mich nicht zur Tanzfläche. Schlimme Bilder lösen Schlimmeres aus. Stroboskopblitze lassen Hemmungen und Hüllen fallen. Rotierende Neonröhren bringen mich um den Verstand, kreisen ihn ein, immer enger und enger. Nebel, warm, trocken, grau umzingelt mich. Kein Morgen mehr.

Bumm-Bumm-Bumm-Bumm.

Schwebe, spüre den Boden nicht mehr. Trinke immer schneller. Körper und Stammhirn verhindern alle Kontrolle. Schweiß läuft meine Arme herunter; verschütteter Gin-Tonic ist dabei. Keuchender Atem beschlägt mein immer schneller leerer werdendes Glas. Innen und außen. Stehe in der pochend-tanzenden Mitte. Kreisende Arme, geschlossene Augen. Alles ist möglich. Alles soll passieren. Musik führt mich an unbekannte Orte. Folge ihr blind vertrauend wie ein Kind.

Löschpapier zwischen meinen Fingern. Lecke es ab. Gin-Tonic immer dabei. Joints auch. Nasse Leiber umkreisen mich, sehe nicht, wer sie sind. Kommen näher, greifen meine Arme. Andere schlingen sich um mich. Lasse alles zu. Dunkel, weich, frei. Keine Grenzen. Spüre wachsweiche Bässe in meinen Körper perlen. Cremig-schönes Licht schraubt sich Wege in meine Synapsen. Gierige Lippen auf meinen, dann auf meinen Wangen. Am Hals. Meinem Nacken. Zungen im Hals. Zähne beißen meine Wangen. Hände streichen über Brust und Bauch, fahren mir in die Hose, erst hinten, dann vorne.

Bumm-Bumm-Bumm-Bumm.

Lasse los. Alles. Farben und Töne mischen sich. Schnappe nach Luft. Herzrasen. Werde gehalten, von Leibern, Händen, Lippen, Zungen, süßer Nässe. Zuckendes Licht, beißende Gier. Blitzgewitter. Dunkelheit.

Öffne die Augen. Mir ist kalt. Liege vor meiner Wohnung; meine Kleidung ist nass, voller Flecken. Öffne zitternd die Tür. Krieche ins Bett. Schließe die Augen. Gähnende Leere. Keine Erinnerung. Will nichts wissen. Dunkelheit. Stille. Aus.

Brennende Krokodile löscht man nicht

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