Читать книгу Arminuta - Donatella Di Pietrantonio - Страница 10

4

Оглавление

Gegen Abend kamen die größeren Jungen heim, einer begrüßte mich mit einem Pfiff, ein anderer bemerkte mich gar nicht. Schubsend stürmten sie in die Küche, um einen Platz am Tisch zu ergattern, wo die Mutter das Abendessen auftrug. Mit Sugo spritzend füllten sie sich die Teller, an meiner Ecke kam nur ein schwammiges Fleischklößchen mit etwas Soße an. Innen war es hell, bestand aus eingeweichtem, alten Brot und wenigen Fleischkrümeln. Wir aßen Brotklößchen und dazu noch mehr in die Soße getunktes Brot, damit der Magen etwas zu tun hatte. Einige Tage später würde ich beim Kampf um das Essen mithalten und auf meinen Teller aufpassen können, um ihn gegen die Luftangriffe fremder Gabeln zu verteidigen. Aber an jenem Tag verlor ich das bisschen, das die Hand der Mutter zu meiner kargen Ration hinzugefügt hatte.

Erst nach dem Abendessen fiel meinen ersten Eltern ein, dass es in der Wohnung gar kein Bett für mich gab.

»Heut Nacht schläfst du bei deiner Schwester, ihr seid ja dünn genug«, sagte der Vater. »Morgen schaun wir mal.«

»Damit wir beide reinpassen, müssen wir verkehrt rum liegen«, erklärte mir Adriana, »der Kopf der einen an den Füßen der anderen. Aber vorher waschen wir sie uns«, beruhigte sie mich.

Wir tauchten sie in dieselbe Schüssel, sie schrubbte ewig, um den Schmutz zwischen den Zehen zu entfernen.

»Pah, ist das Wasser schwarz«, lachte sie, »das waren meine Füße, deine waren eh sauber.«

Sie beschaffte mir ein Kissen, dann gingen wir ins Kinderzimmer, ohne das Licht anzuknipsen, die Jungen atmeten schon wie Schlafende, und der Schweißgeruch war penetrant. Flüsternd legten wir uns Kopf an Füße zurecht. Die mit Schafwolle gefüllte Matratze war weich und vom Gebrauch verformt, ich sank zur Mitte hin ein. Sie roch nach Ammoniak von dem vielen Pipi, das sie durchtränkt hatte, ein für mich neuer, abstoßender Geruch. Die Schnaken suchten nach Blut, und ich wollte mich besser zudecken mit dem Laken, doch Adriana zog in die entgegengesetzte Richtung.

Ein plötzliches Zucken ihres Körpers, vielleicht träumte sie herauszufallen. Vorsichtig nahm ich einen Fuß von ihr und legte meine Wange an die frisch mit billiger Seife gewaschene Sohle. Fast die ganze Nacht schmiegte ich mich an die raue Haut, passte mich den Beinbewegungen an. Ich spürte an meinen Fingern die unregelmäßigen Ränder ihrer gesplitterten Zehennägel. Mein Gepäck enthielt auch ein Nagelscherchen, das konnte ich ihr am nächsten Morgen geben.

Das letzte Viertel des Mondes erschien im offenen Fenster und zog vorbei. Zurück blieb die Sternenspur und das winzige Glück, auf dieser Seite einen nicht von Häusern verstellten Himmel zu haben.

Morgen schaun wir mal, hatte der Vater gesagt, doch dann vergaß er es. Adriana und ich fragten nicht nach. Jeden Abend lieh sie mir eine Fußsohle, um sie an meine Wange zu halten. Sonst hatte ich nichts, in dieser von Atem bevölkerten Dunkelheit.

Arminuta

Подняться наверх