Читать книгу Arminuta - Donatella Di Pietrantonio - Страница 8
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ОглавлениеDie Frau, die mich geboren hatte, stand nicht von ihrem Stuhl auf. Das Kind, das sie im Arm hielt, kaute auf einer Seite des Mundes am Daumen, vielleicht bekam es gerade einen Zahn. Beide sahen mich an, und das Baby unterbrach sein eintöniges Gewimmer. Ich wusste nicht, dass ich so einen kleinen Bruder hatte.
»Da bist du ja«, sagte sie. »Stell dein Zeug ruhig ab.« Ich schlug die Augen nieder bei dem Geruch nach Schuhen, der aus der Tasche drang, auch wenn ich sie kaum bewegte. Aus dem hinteren Zimmer, dessen Tür angelehnt war, kam ein angespanntes, lautes Schnarchen. Das Kind fing wieder an zu wimmern und drehte sich zum Busen hin, sein Speichel tropfte auf die schweißnassen Blumen des verwaschenen Baumwollkleids.
»Mach zu, worauf wartest du?«, herrschte die Mutter das kleine Mädchen an, das reglos stehen geblieben war.
»Kommen die, die sie hergebracht haben, nicht rauf?«, wandte die Kleine ein, indem sie mit ihrem spitzen Kinn auf mich deutete.
In dem Moment kam der Onkel, ich musste lernen, ihn so zu nennen, vom Treppensteigen außer Atem zur Tür her ein. In der Hitze des Sommernachmittags hielt er mit zwei Fingern den Kleiderbügel mit einem Mantel in meiner Größe hoch.
»Ist deine Frau nicht mitgekommen?«, fragte meine erste Mutter und hob die Stimme, um das Weinen zu übertönen, das in ihren Armen zunahm.
»Sie rührt sich nicht aus dem Bett weg«, erwiderte er mit einer unwilligen Kopfbewegung. »Gestern bin dann ich losgegangen, um was zu kaufen, auch für den Winter.« Er zeigte ihr das Etikett mit der Marke meines Mantels.
Ich trat ans offene Fenster und stellte mein Gepäck ab. In der Ferne rasselndes Getöse, wie von Steinen, die von einem Lastwagen gekippt werden.
Die Hausherrin beschloss, dem Gast einen Kaffee anzubieten, sicher würde der Duft auch ihren Mann wecken, sagte sie. Nachdem sie das weinende Baby in die Krabbelbox gesetzt hatte, ging sie vom kahlen Esszimmer in die Küche. Das Baby klammerte sich auf der Höhe eines grob mit Schnur geflickten Lochs an das Netz und versuchte, sich aufzurichten. Als ich mich näherte, brüllte es verärgert lauter. Die Alltagsschwester hob es mit einer Anstrengung heraus und setzte es auf den Graniglia-Fliesen ab. Auf allen vieren krabbelte es in Richtung der Stimmen in der Küche. Der Blick meiner Schwester wanderte von dem kleinen Bruder zu mir, blieb aber gesenkt. Brachte die vergoldeten Schnallen meiner neuen Schuhe zum Glühen, stieg an den blauen Falten meines fabrikneuen, noch steifen Kleids empor. Hinter ihr summte auf halber Höhe eine Schmeißfliege und prallte ab und zu gegen die Wand bei dem Versuch, eine Öffnung ins Freie zu finden.
»Hat der da dir auch das Kleid gekauft?«, fragte sie leise.
»Ja, gestern, extra für den Umzug hierher.«
»Aber was ist der eigentlich für dich?«, erkundigte sie sich neugierig.
»Ein entfernter Onkel. Bis heute habe ich bei ihm und seiner Frau gewohnt.«
»Und welche ist dann deine Mama?«, fragte sie entmutigt.
»Ich habe zwei. Eine ist deine Mutter.«
»Manchmal hat sie von einer größeren Schwester geredet, aber der glaub ich wenig.«
Plötzlich fasste sie mich mit gierigen Fingern am Kleiderärmel.
»Das passt dir nicht mehr lang. Nächstes Jahr kannst du’s an mich weitergeben, pass auf, dass du’s mir nicht kaputt machst.«
Barfuß und gähnend kam der Vater aus dem Schlafzimmer. Mit nacktem Oberkörper. Während er dem Kaffeeduft nachging, sah er mich.
»Da bist du ja«, sagte er, genau wie seine Frau.