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Der Tag danach

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Am nächsten Morgen reiste meine Familie ab. Ich hatte mich schon am Abend zuvor kurz von ihnen verabschiedet, wusste aber nicht, dass meine Mutter noch einmal mit mir hätte sprechen wollen, dass sie am Tag der Abreise mit einer schlimmen Migräne erwachte und Sr. Ottilie sie unbarmherzig zum Aufbruch drängte. Wie hätte ich das auch erfahren sollen? Meine Mutter erzählte es mir erst Jahre später, nach meinem Austritt.

Für mich begann der Tag nach dem Eintritt mit dem gewohnten Programm: um 6.00 Morgengebet, 6.15 Messe, 7.00 Lesehore und Laudes, danach das typische spartanische Frühstück mit dünnem Kaffee, Milch, vom Bäcker geschenkten alten Brötchen, Butter und Marmelade. So bescheiden das auch war, es machte mich glücklich. Jeder Ton, jeder Geruch, jeder Augenblick dieses Klosterlebens war mein neues Leben, zu dem Gott mich gerufen hatte. Alles wurde zu einem Zeichen seiner Liebe zu mir.

Nach dem Frühstück wurde ich mit Sr. Kerstin zum Autoputzen eingeteilt. Das Kloster hatte einen Fuhrpark, der aus einigen mehr oder weniger bescheidenen Autos bestand. Wir putzten an diesem Vormittag zwei von ihnen gründlich, wobei ich versuchte, mein Bestes zu geben. Denn das hatte ich schon verstanden: dass Schwestern beim Putzen sehr viel schärfere Maßstäbe anlegen als gewöhnliche Menschen. Ich putzte also viel gründlicher, als ich es für nötig gehalten hätte, und schien damit richtig zu liegen. Wir sprachen wenig miteinander und ich fragte mich, was nun auf mich zukommen würde. Ich war eingetreten, aber wie würde es nun weitergehen? Bisher hatte niemand mit mir darüber gesprochen, und was ich wusste, war wenig. Ich wusste, dass ich eine Art Ausbildungszeit durchlaufen würde, in der es irgendwann ein Noviziat und ein »Heiliges Bündnis« gab und dass ich eine Verantwortliche haben würde, die mich »ins Charisma einführt« und begleitet. Aber konkret hatte noch niemand mit mir darüber gesprochen. Was würde ich morgen tun? Und wann würde ich einen festen Auftrag bekommen? Vor allem aber: wer würde meine Verantwortliche sein? Und ob ich wohl in ein anderes Zentrum versetzt werden würde, vielleicht nach Rom? Das wagte ich gar nicht zu hoffen. Eines aber stand für mich ohnehin fest, was auch immer kommen würde, es würde der Wille Gottes sein, und ich war fest entschlossen, es anzunehmen und mit all meinen Kräften zu erfüllen.

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