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Holzschuhe im Winter

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Die kurzen Hosen tragen sie auch im Winter, aber mit Woll­strümpfen, die kratzen, und Holzschuhen. Die Strümp­fe sind mit je zwei Bändern und Knöpfen an der Unterhose befestigt und ziehen diese nach unten, man muss sie immer wieder hochziehen, das ist lästig. Zwischen Strumpf und Hosenbein klafft eine Lücke, da beisst die Kälte in die nackte Haut. Trotzdem sind die Kinder auch winters draussen auf ihren Streifzügen, frierend halt.

Die Holzschuhe klappern laut auf dem Pflaster. Sie sind an der Spitze und am Absatz mit Eisenplättchen versehen, damit sie sich nicht so schnell abnützen. Mit diesen kann man Funken schlagen, wenn man den Schuh hart gegen die Pflastersteine stösst. Allerdings brauchen sich die Eisen schnell ab, dann müssen neue her. Päuli geht zum Schuhmacher an der Hammerstrasse. Der zieht die Augenbrauen hoch: «Schon wieder?», und nagelt dann gutmütig neue Eisen auf, ohne etwas dafür zu verlangen.

Beim Güterbahnhof treiben sie sich gern herum. Dort riecht es von der Thomi-Franck-Fabrik herüber so heimelig nach Kaffeezusatz. Päuli kennt das dunkelbraune Pulver, das man auf dem Küchentisch auf einer offenen Zeitung unter den gemahlenen Kaffee mischt, um ihn zu strecken. Auf den Abstellgleisen stehen oft offene, mit Kohle beladene Güterwagen. Manchmal kullern Kohlestücke herunter. Was unten an der Böschung liegt, darf man einsammeln, arme Leute, von denen es im Kleinbasel viele gibt, wissen das. Auch Theo und Päuli stopfen sich die Hosensäcke voll. Viel hat nicht Platz darin, aber der Vater freut sich und lobt sie dafür. Wenn gar wenig zu finden ist, helfen sie dem Glück nach. Sie klettern über den Zaun und blicken sich um, ob die Luft rein ist. Dann klettern sie flink wie Äffchen auf einen der offe­nen Wagen und schieben mit den nackten Füssen Kohle hinunter. Nicht mit den Händen, das wäre gestohlen. So viel können sie nicht in den Hosensäcken verstauen. Wenn sie abends dem Vater von ihrer Heldentat erzählen, reibt er sich erfreut die Hände, und zusammen gehen sie in der Dunkelheit mit einem Sack die Kohlen einsammeln.

Auch altes Bauholz schleppen sie nach Hause. Das zersägt der Papa im Keller, und Päuli hilft ihm, indem er das Holz festhält. Er mag den Geruch von Holz, und er mag den Gesang der Säge und singt mit.

Einmal hat Päuli eine Scheibe zerbrochen und muss den Fensterrahmen festhalten, während der Vater mit einem Messer den Kitt aus den Sprossen kratzt. Das Messer rutscht aus und fährt in Päulis Daumen, der heftig blutet. Vater heisst ihn, die Hand unter dem Wasserhahn abzuspülen, und wickelt einen notdürftigen Verband da­rum. So regelt man das unter Männern. Die Narbe sieht man heute noch, Paul zeigt sie nicht ohne Stolz.

Das Beste am Winter ist das Zwanzgerli. Immer am Sonntagnachmittag werden im Kirchgemeindehaus bei der Josephskirche Kinderfilme gezeigt, Charlie Chap­lin und Dick und Doof. Der Saal ist immer voller Kinder, es ist laut und lärmig – und warm ist es auch, man muss für eine oder zwei Stunden nicht frieren. Der Eintritt kostet zwanzig Rappen, das ist ein Problem. Die Buben probieren es zuerst beim Vater, aber sie haben nicht immer Glück. Mal ist der Papa nicht zu Hause, mal will er einfach nicht. – Aber Päuli hat noch ein paar von den erbettelten Kupfermünzen. Dem Pfarrer, der am Eingang Kontrolle macht, gibt er nie alles. Ich habe nur das, sagt er, und natürlich lässt der Pfarrer ihn ein, manchmal auch gratis, er kennt doch die beiden Brüder. Aber nicht zu oft, der andern Kinder wegen. Wenn auch das nicht geht, gibt es noch die Möglichkeit, dass man einen Kollegen bittet, von innen den Notausgang zu öffnen. Auf gar keinen Fall lassen sich Päuli und Theo das Zwanzgerli entgehen.

Aus dir wird nie etwas!

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