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Im Hinterhof

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Am Abend schauen sie manchmal ins «Amerbach» hinein. Ist der Papa da? Männerstimmen, Lachen und Zigarettenrauch füllen die Gaststube, Päuli kann zuerst gar nichts erkennen.

«Karli, schau, dein Kleiner sucht dich!», sagt einer.

Päuli klettert auf Vaters Schoss, hört den Grossen zu und schaut stolz in die Runde. Der Wirt mag den Päuli, stellt ihm manchmal einen Sirup hin oder an einem glücklichen Tag sogar ein Glas Vivi Kola.


Papa Karl Richener, zirka 1951.

Ist der Vater nicht da, schauen sie im Hinterhof nach. Hier ist er zwar auch nicht, aber es gibt die Kegelbahn im Säli hinter der Wirtschaft, die sich grosser Beliebtheit erfreut. Die beiden Knirpse halten den Atem an, wenn die schwere Holzkugel sanft über die Bahn rauscht, um dann mit Wucht in die Kegel zu fahren, und sie jubeln mit den Spielern über den wüsten Haufen, den ein Treffer hinterlässt. Das sieht so einfach aus, aber sie schaffen es gerade mal, die schwere Kugel in die Holzrinne zu stemmen, auf der sie zurück zu den Spielern kullert. Dann stellen sie eilig die Kegel auf. Das gibt wieder ein paar Räppler oder ein Glas Vivi Kola.

Auch einen Schwingkeller gibt es dort. Es riecht nach Schweiss, die Männer ächzen und stöhnen, die Köpfe werden rot, die Halsadern quellen hervor, zum Fürchten. Päuli und Theo machen es ihnen nach, aber es wird eher eine Katzenbalgerei daraus.

Im Hinterhof hausen auch die Italiener, in einer Holzbaracke mit winzigen Zimmerchen, die über eine Veranda zugänglich sind. Nur im hintersten wohnt eine alte Frau, sie kocht für die Männer Spaghetti oder Minestrone.

Daneben liegt die Waschküche. Am Morgen wird im grossen Waschhafen eingeheizt, warme Dampfschwaden dringen durch die Türöffnung, in der keine Türe hängt. Es duftet nach Seife.

Am Abend ist niemand mehr da. Dann klettert Päuli in die wasserbetriebene Zentrifuge. «Theo, anstellen!» Theo dreht den Hahn auf, und das Karussell setzt sich langsam in Bewegung, dreht sich immer schneller, bis Päuli zu schreien beginnt. Theo dreht den Hahn zu und Päuli gibt sich genüsslich dem ausklingenden Schwung hin. «Noch einmal!», verlangt er.

Manchmal bleiben sie auch viel länger weg von zu Hause, treiben sich noch im Rheinhafen herum, wenn die andern Kinder längst heimgegangen sind. Sie klettern auf den Hausbooten herum, die verlassen an der Mauer vertäut liegen, bis es dunkel wird. Sie kennen sich zwar gut aus im Quartier, aber bei Nacht sehen alle Strassen gleich und fremd aus, sie sind todmüde und verloren. Zwei Polizisten auf ihrem Rundgang wundern sich, um diese Zeit noch Kinder anzutreffen. Doch, diese beiden sind ihnen bekannt. Sie nehmen sie mit auf den Horburgposten, gar nicht weit von der elterlichen Wohnung. Da riecht es einladend nach Suppe, Polizisten im Nachtdienst brauchen auch etwas Warmes. So bekommen die hungrigen, frierenden Kinder einen Teller Suppe, bevor der eine, der Tschudi, sie heimbringt.

Dort sind sie nicht vermisst worden.

Aus dir wird nie etwas!

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