Читать книгу Aus dir wird nie etwas! - Dorothee Degen-Zimmermann - Страница 4
Prolog
Оглавление«Der Rhein. Ich mag den Geruch des Wassers nicht.»
Paul Richener vergräbt die Hände in den Hosentaschen. Ein trüber Oktobertag, wir stehen am Flussufer unterhalb der Autobahnbrücke und schauen auf das träge fliessende Wasser.
Der Geruch ist süsslich und etwas faulig, kaum wahrnehmbar. Bei tiefem Wasserstand vertrocknen die Algen an der Luft. In den 1960er-Jahren war er intensiv, zuweilen stank es. Damals erreichte die Gewässerverschmutzung ihren Höhepunkt, der Rhein nahm die ungeklärten Abwässer des gesamten Mittellandes auf.
Drüben im unteren Kleinbasel hat Paul seine ersten Lebensjahre verbracht, im Basler Arbeiterquartier und Armenhaus mit hohem Ausländeranteil. Das war seine Welt – nicht gerade «in Ordnung», aber vertraut und offen. Mit der Freiheit war es vorbei, als er im Grossbasel lebte, einige Hundert Meter flussabwärts von unserem Standort aus.
«Ich habe die Gegend hier lange gemieden. Wegen des Geruchs.»
Paul Richener, der Polizist, dessen Einsatzgebiet die ganze Stadt war, macht einen Bogen um das Rheinufer, das nach Kinderelend riecht, nach Verlassenheit, nach Zwängen und Hoffnungslosigkeit.
Heute werden kaum noch ungeklärte Abwässer in die Flüsse geleitet, und man kann beim Schwimmen im Rhein wieder die Steine auf dem Grund des Flusses sehen. Aber auch der Restgeruch erinnert Paul an Zwangsmassnahmen und Beamtenwillkür, an seine geraubte Kindheit. Das lässt sich nicht so einfach beseitigen.