Читать книгу Akupressur in Pflege und Betreuung - Dorothee Wellens-Mücher - Страница 22
2.2 Punkte finden
Оглавление»Fidschis finden
Anfang der sechziger Jahre wollte ich von Tahiti zu den Fidschiinseln fliegen. Als ich mit meinem Taxi von meinem Hotel in Papeete zum Flughafen fuhr und am Hafen vorbeikam, lag da ein kleines Frachtschiff. Ich fragte den Taxifahrer: ›Wo fahren solche Frachtschiffe hin?‹ Darauf der Fahrer: ›Ich glaube, der fährt immer zu den Fidschis.‹ Ich bat den Taxifahrer umzukehren und zum Hafen zurückzufahren. Der Kapitän, als ich ihn fragte, meinte: ›Wir nehmen nie Passagiere mit‹, und nahm mich mit. Tagelang stand ich neben ihm auf der Kapitänsbrücke. Der Kompass war zugedeckt. Radar gab es zwar, aber es wurde kein einziges Mal eingeschaltet, das Funkgerät erst benutzt, als die erste Fidschiinsel in Sicht kam. Ich fragte den Kapitän: ›Wie machst du es, dass du die Fidschis findest?‹ Ich setze seine Antwort in Englisch hierher: ›I aim the Fiji`s and I`ll get there‹. Ich ziele auf die Fidschis. Ich stelle mich auf sie ein und dann komme ich hin« (Berendt 2001, S. 19).
»Anatomie« der Punkte
Alle Punktlokalisationen sind in Bezug auf anatomische Landmarken beschrieben. Sie sind vergleichbar mit dem Aufbau des Saturns, der in der Ebene seines Äquators von einem dichten Schwarm von Eis- und Staubteilchen umkreist wird, die sich in Form von Ringen anordnen. Dies entspricht bei den Punkten dem flüchtigeren Nebelaspekt von qi, bevor qi sich zu einem als Festigkeit spürbaren Bereich verdichtet.
Diese sind allerdings nur ein Aspekt dessen, was einen Punkt ausmacht. Ein anderer Aspekt sind die Empfindungen, die bei der achtsam tastenden Annäherung an den Punkt spürbar sind. Dieser Prozess lässt sich bildhaft vergleichen mit der Annäherung an den Planeten Saturn. Dabei stößt man zunächst auf den dichten Schwarm von Eis- und Staubteilchen, der ihn in der Ebene seines Äquators umgibt. Dieser entspricht in dem Bild des Saturns einer flüchtigen, nebelhaften Empfindung von qi, die wahrnehmbar ist, bevor mit dem Finger die Oberfläche des Punktes erreicht wird, wo sich das qi zu einem als Festigkeit spürbaren Bereich verdichtet.
Abb. 2.3: Auf dem Punkt landen
Schrittweises Vorgehen bei der Punktlokalisation
Zum Auffinden der Punkte gibt es eine Vorgehensweise, mit deren Hilfe sie mit großer Sicherheit gefunden werden können.
• Zum Auffinden der Punkte sind die Hände weich, »horchend«, rezeptiv – wie die Hand auf dem Bauch der Schwangeren –, um so die »Anatomie« des Punktes zu erspüren.
• Anhand der anatomischen Landmarken wird die Gegend des Punktes aufgesucht und der Kontakt langsam und behutsam aufgenommen. Dabei wird die Fingerkuppe mit einem sehr leichten Druck aufgelegt, sodass der Patient die Berührung spürt.
• Der Druck wird ein wenig gesteigert und die Fingerkuppe bewegt sich sehr langsam schiebend oder kreisend, bis sie eine Art Bewegung in Form von Kribbeln, Schaukeln, Strömen oder Pulsieren spürt. Es kann aber auch ein Gefühl von Wärme oder Kühle auftreten. Bereiche, in denen diese Empfindungen wahrgenommen werden, entsprechen dem »Nebel«, dem äußeren Bereich des Punktes. Der Kontakt mit diesem Bereich geschieht mit einer inneren Haltung, in der man »sich auf den Punkt einstellt«, horcht, sich »von dem Punkt finden lässt«. Die Patienten beschreiben, dass »da etwas ist«, das sich in der Regel angenehm anfühlt.
• Der Druck wird sehr langsam gesteigert, bis in dieser »Bewegung« eine Festigkeit, etwas Stabileres auftaucht. Dies entspricht dem Bereich, wo langsam die Verdichtung oder der strukturelle Anteil des Punktes spürbar wird. Um im Bild mit dem Bauch der Schwangeren zu bleiben, ist das der Moment, wo deutlich wird, welches Körperteil des Babys unter der Hand liegt. Die Empfindung des Patienten wird deutlicher, das Gefühl ist immer noch angenehm. Wenn es überhaupt zu einer Schmerzwahrnehmung kommt, dann nur in Form eines sogenannten »Wohl-Wehschmerzes«. Viel deutlicher sind die oben beschriebenen Phänomene von Ziehen, Kribbeln etc. Sie werden als deqi, das »Erlangen des qi« bezeichnet. Damit hat man die angestrebte Druckstärke erreicht. Mit einem anderen Bild ausgedrückt, kann dieser Prozess der Punktlokalisation auch mit dem Anlegemanöver eines Bootes verglichen werden. Mit sehr langsamer Geschwindigkeit wird das Boot in Richtung Anleger gesteuert, bis es einen leichten Ruck gibt, wenn die Fender und der Anleger zusammenstoßen. Das Boot schaukelt weiter im Wasser.
Druckstärke
Dieses schrittweise Vorgehen ist sehr wichtig, da sonst schnell der Druck zu stark wird, in der Tiefe des festen Anteils des Punktes landet oder sogar den Punkt »erdrückt«. Die Patienten sagen dann »ja, da ist etwas«, aber das Gefühl ist nicht mehr so angenehm. Dieses eher unangenehme Gefühl ist den Patienten aber durchaus vertraut – z. B. aus der Massage oder anderen Verfahren, bei denen die Muskulatur der Adressat ist – und wird dadurch als »richtig« empfunden. Wird aber das qi angesprochen, so geschieht dies, indem der Druck so leicht bleibt, dass er die Fingerkuppe in die Überganszone zwischen »Nebel« und Struktur führt. Für Patienten und Ausführende fühlt sich dies auf eine charakteristische Weise an, die ihnen aber oft fremd erscheint. Die Wirkung entfaltet sich auf der Ebene des qi und darüber kommt es zu Regulationsvorgängen im Menschen, die weit über den Ort des Punktes hinaus wirksam werden. Dies ist vergleichbar mit einer Reihe aufgestellter Dominosteine. Wird der erste Stein leicht angestoßen, fällt er gegen den nächsten, und so fällt die ganze Reihe von Steinen, einer nach dem anderen. Ist der Anstoß aber sehr heftig, fallen die Steine chaotisch durcheinander.
Werden die Punkte bei einem Patienten mit den oben beschriebenen unterschiedlichen Druckstärken behandelt, so hat dies auch unterschiedliche Wirkungen auf seine Regulation, die sich gut mit der sogenannten Arndt-Schulz-Regel beschreiben lassen. Diese wurde 1899 von dem Psychologen Rudolf Arndt und dem Pharmakologen Hugo Paul Friedrich Schulz formuliert und lautet: »Schwache Reize fachen die Lebenstätigkeit an, mittelstarke Reize fördern sie, starke hemmen sie, stärkste heben sie auf« (Pschyrembel 2007, S. 131).
Zusammenfassung
Die einzelnen Schritte in der Zusammenfassung
1. Leichtes Auflegen der Fingerkuppen auf den Bereich, wo der Punkt anatomisch lokalisiert ist.
2. Ausüben von leichtem Druck und damit verbunden eine langsame Bewegung, um den Punkt zu treffen.
3. Langsame Drucksteigerung bis eine gewisse Festigkeit spürbar wird.
4. Fingerkuppe ruhen lassen.
Es ist sinnvoll, sich dieses schrittweise Vorgehen zum Auffinden der Punkte zu verdeutlichen. Bei dem konkreten Aufsuchen der Punkte laufen diese Schritte aber nur noch im Hintergrund mit. Ein Verhaften ist dann eher hinderlich, verleitet zum »machen«. Die Aufmerksamkeit sollte im Spüren, »Horchen« liegen.
»Tatsache ist«, sagt Kaninchen, »daß wir irgendwie vom Weg abgekommen sind.« Sie hielten gerade Rast in einer Sandkuhle im Wald. Puh war diese Sandkuhle schon ziemlich leid. Er hatte den Verdacht, daß sie ihnen überallhin folgte, denn wohin sie sich auch wandten, endeten sie doch immer wieder darin; …
»Nun«, fing Kaninchen nach langem Schweigen wieder an, da ihm keiner für den netten gemeinsamen Spaziergang dankte, »wir gehen wohl besser weiter, denke ich. Welchen Weg wollen wir jetzt probieren?«
»Wie wäre es«, sagte Puh bedächtig, »wenn wir diese Kuhle wiederzufinden versuchen, sobald sie außer Sicht ist?«
»Was hat das für einen Wert?« fragte Kaninchen.
»Na ja«, ließ Puh verlauten, »wir suchen doch die ganze Zeit den Weg nach Hause und finden ihn nicht, und da dachte ich, wenn wir nach dieser Kuhle suchen würden, könnten wir sie bestimmt auch nicht finden, und das hätte Wert, denn wir könnten ja etwas finden, wonach wir gar nicht suchen und was vielleicht genau das ist, wonach wir eigentlich suchen.«
»Darin sehe ich keinen Sinn«, sagte Kaninchen . . .
»Wenn ich von dieser Kuhle weggehe und dann wieder darauf zugehe, finde ich sie doch bestimmt wieder!«
»Na ja, ich dachte, vielleicht auch nicht«, äußerte Puh, »ich meine ja bloß so.«
»Mach einen Versuch«, sagte Ferkel plötzlich zu Kaninchen, »wir warten hier auf dich.«
Kaninchen lachte auf, um zu zeigen, wie dumm es Ferkel fand, und verschwand im Nebel. Als es hundert Schritte gegangen war, kehrte es um und ging wieder zurück . . . und nachdem Puh und Ferkel zwanzig Minuten auf Kaninchen gewartet hatten, stand Puh auf.
»Ich habe eben nachgedacht«, sagte er. »Also dann, laß uns heimgehen, Ferkel.«
»Aber Puh«, rief Ferkel ganz aufgeregt, »weißt Du denn den Weg?«
»Nein«, erwiderte Puh. »Aber in meinem Küchenschrank stehen zwölf Töpfe mit Honig, und die schreien seit Stunden nach mir. Ich konnte sie vorher nicht richtig hören, weil Kaninchen in einem fort geredet hat; wenn jedoch niemand außer den zwölf Töpfen etwas sagt, glaube ich doch, Ferkel, daß ich erkenne, woher sie rufen. Also los.«
Aus: B. Hoff, Tao Te Puh 1987, S. 24