Читать книгу DER ÜBERHEBLICHE - Dr. Friedrich Bude - Страница 13
Оглавление6. Rauch in der Knopfstadt
Die DDR-Volkskammer beschließt die Schaffung einer Nationalen Volksarmee. Willi Stoph wird erster Verteidigungsminister.
Panzereinheiten der Sowjets rollen in Budapest ein.
Der Aufstand in Ungarn mit dem Versuch sich politisch aus dem Ostblock zu lösen, wird blutig niedergeschlagen.
DDR-Jahresrückblick 1956
Donath, sein Freund, „Der Lange“, war für den Sohn des verstorbenen Tischlermeisters ohne Erbe, eine gesellschaftliche Erhöhung. Der „Lange“, er war wirklich groß, zählte zu den Nachkommen der Urheber des wirtschaftlichen Aufschwungs der Stadt Schmölln in den Gründerjahren nach dem deutsch-französischen Krieg 1871/72.
1864 fuhr dessen Ur-Urgroßvater, der Knopfarbeiter Valentin Donath, auf Veranlassung seines Bruders Herrmann nach Berlin, um für die Knopfherstellung den Rohstoff Steinnuss kennen zu lernen. Steinnüsse sehen aus wie kleine braune Kartoffeln, wurden im 18. Jahrhundert in südamerikanischen Häfen von den Segelschiffen als Ballast aufgenommen, in deutschen Hafenstädten als unbrauchbares Material verschleudert. Hart, oval, ließen diese sich zu Scheiben schneiden, besser sägen, hervorragend zu Knöpfen verarbeiten.
Nach der Rückkehr aus Berlin richtete sein Bruder Hermann einige Handdrehbänke zur Verarbeitung dieser Steinnüsse ein.
Die Nutzung der Dampfkraft ab dem Jahre 1871 führte zur Vervollkommnung der Steinnussknopfherstellung. Valentin gründete 1872 die erste Fabrik, 1875 folgten diesem Beispiel seine Brüder Friedrich Melchior und Julius. Bis 1909 wurden weitere 12 Fabriken in der Stadt gegründet. Die Hälfte der Erwerbstätigen arbeitete in den Knopffabriken. Schmölln nannte sich jetzt Knopfstadt.
Nach dem 2.Weltkrieg hatte sich die Steinnussknopfherstellung weitestgehend überlebt. Durch die Ost-West-Trennung war auch der Absatz für solcherart bajuwarische Lederhosenverschlüsse zusammengebrochen. Knöpfe wurden aus Kunststoff hergestellt.
In den Resten der nicht mehr benötigten, in großen schweren Säcken angelieferten Steinnussmengen, welche als mächtiger Berg in Donaths stattlichen Garten unter einem runden großen überdachten Pavillon lagerten - früher wurden dort hochherrschaftliche Feste gefeiert - konnten die Jungen spielen, klettern, Verstecke bauen.
An der Technik der Knopfmaschinen hatte sich bei Donaths viel geändert. Aber die Dampfmaschine war noch die gleiche. Faszinierend, wie über deren riesiges Schwungrad die Kräfte über lange Treibriemen in mehrere Stockwerke an die unter den Fabrikdecken reihenweise angebrachten langen Wellen übertragen wurden. In einer dieser Hallen stand eine Tischtennisplatte inmitten circa dreißig Knopfmaschinen. Zu jeder führte von der Decke ein dicker breiter Treibriemen.
Es war ein beängstigender Anblick und Ton, wenn so viele Lederbänder sich spannten, quietschten, peitschten - dazwischen ohrenbetäubendes Knallen und Knacken, wenn die gegenläufigen oberen und unteren Antriebsriemen aneinander klatschten.
Für Edub ein unvergessliches, tröstendes Geräusch, wenn die Riemen ganz langsam seufzend ausliefen - dann war Stille!
Das tägliche Tischtennis begann.
Es ging immer um „een Fuffzscher!“
Edub verlor meist, konnte aber, wie süchtig, nicht aufhören sein Taschengeld zu verspielen. Die wenigen Gewinne nährten über Jahre die Hoffnung, es würde mal anders kommen. Aber der Lange wehrte geduldig jede Attacke ab. Während sein Gegner beim Schmettern, wie die Angriffsschläge heißen, sich fast den Arm ausriss, postierte sein Gegenüber sich weit hinter dem grünen Tisch. Den weißen Zelluloidball ließ der einfach vom Noppenbelag seiner Kelle zurückprallen.
Bevor das „Fuffzscher“ spenden starten konnte, musste die Hürde Mutter Donath genommen werden. Schon, wenn Edub mit seinem Schläger in der Hand den langen Gang vom Fabrikhof zur Vortreppe der Villa schritt, konnte man ihn aus den Fenstern beobachten, Madam Donath entscheiden, ob er bleiben oder wieder abziehen durfte.
Meist dauerte es nach dem Klingeln recht lange, bis sich die Tür öffnete. Die bildschöne Dame Donath - es war eine wirklich attraktive Frau - lächelte, reichte ihm zur Begrüßung meist den vorgestreckten rechten kleinen Finger, nur den einen Finger! - den er demutsvoll ergriff!
Nur einmal erhöhte sie ihn, beehrte den Oberschüler mit einem vertraulichen Wunsch. Er hätte doch so gute Noten, solle deshalb auf ihren Sohn positiv einwirken, dass der fleißiger die Schularbeiten mache.
Es war eine bemerkenswerte Frau, die sich der Fabrikbesitzer Dr.- Ing. Donath Ende der 30er Jahre, in der Sommerfrische am Tegernsee flanierend, auserkoren hatte. Die schöne Tochter eines Lotsen der Nordseeküste hatte ihn erhört, sich ihm hingegeben und in das kleine Städtchen entführen lassen. So deren Kommentar im hohen Alter.
Der Sohn wollte auch Lotse werden.
Späte Abendbrotzeit, nach dem Tischtennistraining stolpern beide die vielen Zickzack-Treppen des Felsengeländes vom Pfefferberg in die Stadt.
Es ist dunkel. Am südlichen Himmel grüßt ein Papierdrachen ähnliches Sternenbild. Es ist immer da beim Nachhauseweg. Die obere rechte Drachenseite bilden drei helle Sterne auf einer Linie, der mittlere ist größer, leuchtet aber schwächer. Sind das etwa mehrere, faszinierend. Das Himmelsgeschehen hat Edub damals sehr beeindruckt. Utopische Literatur, wie „Jan Mayen“ und „Sun Koh“ mit den Erlebnissen im Weltraum haben Ebub schon damals fasziniert. Letzterer, ein Prinz des versunkenen Atlantis, dessen Aufgabe das Wiederauftauchen des sagenhaften Kontinents vorzubereiten war. Da gibt es Hypnose- und Todesstrahlen, Tarnkappen, Gedankensender, Energiestrahler und Raketen. Gespenstige Feinde trachteten ihm nach dem Leben, versuchten wertvolle Artefakte, rätselhafte übernatürliche Gegenstände der Vergangenheit zu stehlen und strebten nach der Weltherrschaft. Diese Abenteurerhefte waren Edubs Vorzugsliteratur, die konnte man für ´nen Groschen in der Bücherei Emmermann ausborgen. Sehr abgewetzt und zerfleddert, müssen hundertfach gelesen worden sein. Sie waren der Grundstock seiner Jagd nach den Rätseln der Vergangenheit im hohen Alter.
Vor ihnen schimmern die Dächer der langen Fabrikgebäude, dahinter Donaths Garten. In der Mühlgasse führt der Fußweg direkt an der Stirnseite der Fabrik vorbei. An dem großen Tor hört man manchmal das donnernde Schäppern des Schwungrades für den Riemenantrieb der Maschinen. Wie immer lauscht Edub. Es ist Ruhe! - aber es riecht, es stinkt nach Rauch, Qualm dringt aus den Ritzen, mit scheußlichem Geruch, wie verbranntes Holz.
„Du, Langer, da drinnen brennt`s!“ Der stutzt, rennt um die Ecke, will seinen Vater alarmieren. Edub wacht vor dem Tor. Minuten vergehen bis hinter dem Tor Geräusche zu hören sind, das Tor aufgerissen wird. Rauchschwaden füllen den Eingang. Der Vater spritzt mit einem Wasserschlauch behutsam auf einen großen Kohleberg, welcher verdächtig dampft. Mein Freund darf den Schlauch richten.
„Geh du mal nach Hause!“ schickt der Fabrikbesitzer den Entdecker des Unheils fort. Natürlich ist der sauer. Auf dem Heimweg ist alles ruhig, kein Tatütata der Feuerwehr. Auch später wird nicht darüber gesprochen, „Der Lange“ hatte wohl Sprechverbot verordnet bekommen.
Wahrscheinlich wusste der Unternehmer um die Gefährlichkeit der Situation.
Es ist Zufall, dass Edub ausgerechnet als studierter Wärmetechniker später in Großkraftwerken mit ähnlichen Problemen konfrontiert wurde. So, bei einer Kohlenstaubhavarie im Großkraftwerk Boxberg. Durch unvollständige Verbrennung hatten sich Reste von Kohlenstaub nach dem Ende des Verbrennungsweges abgelagert. Es genügte eine Rutschung, Aufwirbelung mit unverbrannten Gasen und Luftzufuhr durch Undichtigkeiten, dass durch die Hitze das Gemisch sich explosionsartig entzündete. Ein riesiger Elektro-Filter zur Entstaubung wurde zerstört, ein Teil des Großkraftwerkes stillgelegt.
Diese Gefahr bestand auch bei Donaths rauchendem Kohlehaufen, in dessen Inneren sich durch lange Lagerung Glutherde gebildet hatten, deren Gas die Halle verpesteten. Der Ingenieur Donath hat vorausschauend nur sparsam Wasser auf die Kohle rieseln lassen, um diese beim Löschen nicht aufzuwirbeln. Hätte er die Feuerwehr alarmiert, wären nachträglich aufwändige Schutzmaßnahmen deren Folge, welche so vermieden wurden. Tage später steckte er dem Brandentdecker ein Geschenk zu – war das „Schweigegeld“?
Die Firma wurde 1972 enteignet. Anfangs durfte der vormalige Eigner noch die Produktion des auf Kunststoffknöpfe umgestellten Betriebes leiten. Später wurde das Werk mit einer weiteren Schmöllner Kunststofffabrik zusammengelegt, der frühere Besitzer erneut degradiert.
Mit der politischen Wende 1990 erfolgte im Zuge der Treuhandtätigkeit, welche die in Volkseigentum übergegangenen Altlasten des Ostens verwaltete und marktwirtschaftlich bewertete, die komplette Stilllegung der Fabriken.
Edubs Freund, „Der Lange“, war zu Kinderzeiten entsprechend der sozialistischen Klassifizierung echter „Kapitalistensohn“, durfte nicht studieren. Hat sich jahrelang in der „Produktion bewährt und Armeedienst geleistet“, sich das Medizinstudium redlich verdient.
Als späterer hochangesehener Chefarzt für die Medizinische Akademie Magdeburg in Osterwieck, volksnah dort Karnevalspräsident, war er natürlich kein Freund des Sozialismus, hatte sich widerwillig arrangiert. Bis seine kleine Tochter im ersten Schuljahr „Landesverteidigung“ spielen musste. „Wer beim Schießen auf die vorgetäuschten Angreifer auf einen vergrabenen Luftballon tritt, ist tot, muss sich auf den Boden werfen“. So geschehen, heulend berichtet, brachte das Fass zum Überlaufen. Die Familie stellte einen Ausreiseantrag. Vieles zurücklassend, durfte er in Schimpf und Schande, vom Dienst entlassen, nach Monaten an die Küste zur mütterlichen Lotsenfamilie „emigrieren“.
Der andere Freund, Zahnarztsohn mit Spitznamen „Paulus“, hätte als „Bürgerliche Intelligenz“ des Doktor-Vaters natürlich auch keinen Studienplatz bekommen, das war vorprogrammiert. Studieren in der DDR war ein Privileg, das der Staat von Anfang an gezielt vergab: Soziale Herkunft, gesellschaftliches Engagement, Religionszugehörigkeit, Bekenntnis zum Sozialismus waren wichtiger als die intellektuelle Eignung zum Studium. Mit der Auswahl der Studenten sollte jeglicher „bürgerlicher“ Einfluss ausschaltet und akademische Eliten der sogenannten „Arbeiter- und Bauernklasse„ etabliert werden.
Paulus hat sicherheitshalber nicht mal sein Abiturzeugnis mitgenommen, war vorsichtshalber sofort „nach dem Westen abgehauen“, durfte dort studieren, nachdem das über die Grenze geschmuggelte Zeugnis angekommen. Sein Vater folgte ihm.
Als gestandener Ingenieur hat Paulus später einer Investitionsabteilung der DEUTSCHEN BAHN vorgestanden, die Leipziger Messe besucht, welche halbjährlich den Besuch im Osten vereinfachte, regelmäßig für Treffen mit einem weiteren Schulfreund genutzt.
Eine tiefe innige Liebe zwischen dessen Frau Manuela und dem Westfreund Paulus entstand, die Scheidung unumgänglich. Die beiden Verliebten trafen sich danach mehrfach in Berlin, Prag und Leipzig, zuletzt 1977 im schönen Ungarn.
Es war so ein wundervolles Erlebnis, dass die entflammte Manuela, jugendliche und unternehmungslustige mit 5-jährigem Sohn sich spontan entschied: „Ich will mit dir leben, ich hau mit meinem Torsten ab – jetzt, sofort - die Grenze ist so nahe, das wird schon klappen!“ Paulus zögert. Sie einigen sich, dass der Fluchhelfer nach Eisenstadt, zehn Kilometer jenseits der ungarischen Grenze in Österreich, auf beide wartet.
„Wir sind einfach losgegangen ohne irgendwas mitzunehmen, durch hohes Gras und Gestrüpp gestolpert, immer der Nachmittagssonne nach. Plötzlich tauchen vor mir fünf Drähte auf, im Abstand von cirka 30 cm zwischen Pfosten gespannt. Ich versuche die Drähte zum Durchkriechen auseinander zu biegen, da sehe ich aus den Augenwinkeln ein riesiges Monster hinter uns. Stehen da etwa verkleidete Grenzer? Nein, ein furchterregender Schädel mit glänzenden Glubschaugen, groß, wie Kaffeetassen, und meterbreitem Geweih glotzt mich an, weniger als einen Meter entfernt! Starr vor Angst, wie gelähmt hat mir der teuflische Kollos allen Mut verscheucht. Schützend werfe ich mich auf meinen Sohn, mit dem Gesicht zum Boden. Der gruslige Anblick des Ungeheuers, so groß wie ein Pferd, welches dort über uns thront, ohne sich zu bewegen, raubt mir jeglichen Verstand. Bei dem Schreck bin ich mit dem einen an den anderen Draht gestoßen. Hatte ich da einen Kontakt ausgelöst? Eine gefühlte Ewigkeit liegen wir dort, verängstigt, dass Bewacher der Grenze auf uns schießen, Dann kommt ein Jeep mit den Grenzsoldaten, nimmt uns mit. Da ist das Untier schon längst weg.“ Es ist kaum zu glauben, wie der Zufall die Flucht verhinderte. Und das ausgerechnet an einem 13. August, dem Jahrestag des Mauerbaus. Ohne die Schrecken des Elchs wären beide durch die Drähte gekrochen und rechtzeitig auf westlichem Boden angekommen.
In Budapest wurden die Flüchtlinge der DDR-Staatssicherheit übergeben. Von dort mit einer zufällig zurückfliegenden Regierungsmaschine ausgeflogen.
„Die Regierungsmaschine auf ihrem Rückflug war leer. Ich hockte allein mit den Stasi-Leuten im Samtsessel mit Handschellen gefesselt vor einem Clubtisch mit schachbrettartiger Intarsienverzierung, bekam nicht mal was zu trinken bis nach Berlin. Ich saß in der Stasi-Behörde, dann im Untersuchungsgefängnis von Leipzig ein.“
Paulus hatte sofort nach dem gescheiterten Fluchtversuch über den allseits bekannten DDR-Unterhändler für den Häftlingsfreikauf, Wolfgang Vogel, durch die Vermittlung des Ostbeauftragten der Bundesregierung Hans Otto Bräutigam die Auslieferung eingefädelt, viel Geld gelöhnt. Dadurch wurde der Ablauf der zwangsverordneten Wartezeit des „Auswanderungsverfahrens“ von anderthalb Jahren durch die Stasi gesteuert.
„Nach sechs Wochen haben die mich ohne einen Pfennig Geld entlassen. Einen Kioskbesitzer habe ich um das Straßenbahngeld angebettelt. Dann musste ich mich im Fleischkombinat vorstellen, ausgerechnet beim obersten SED-Parteisekretär - paradox, was? Als der mich fragt, was ich verbrochen habe, habe ich dem reinen Wein eingeschenkt: Ich bin in Ungarn aufgegriffener Westflüchtling! – Der ist fast aus dem Jackett gesprungen, mit wehendem Arbeitskittel zur Kaderleitung gestürmt, protestiert, dass ihm als oberste politische Autorität ein rebellierendes Weib ins Büro gesetzt wird. Wahrscheinlich war er meine Aufsicht, sollte mich bekehren? Wir waren beide arbeitsscheu, haben uns anderthalb Jahre arrangiert. Dann kam Halsüberkopf ein Anruf gegen 14 Uhr auf Arbeit, dass ich in einer Stunde am Bahnhof sein müsse. Mein Sohn wäre dann schon dort.“
Ausschlaggebend für die relativ problemlose Auslieferung soll gewesen sein, dass von ungarischer Seite an die DDR-Stasi keine Auskünfte zum Fluchtgeschehen mitgeteilt wurden.
Das spätere Ehepaar hat sich dann in Westberlin bei Hans Otto Bräutigam, dem Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR in Ost-Berlin, persönlich bedankt.
Kurz vor dem Mauerfall haben sich die Jugendfreunde der „Lange“, „Paulus“ und „Edub“ erstmals wieder getroffen. Vorher hatte Edub über seinen Bruder Albrecht sein väterliches Erbe, die goldene wertvolle Glashütte-Uhr, nach dem Westen geschmuggelt und für mehrere Tausender versteigen lassen. So konnte er sich mit dem für Ostbürger illegal beschafftem Westgeld bei seinem ersten Westbesuch anlässlich des 60. Geburtstags vom Bruder ordentlich bei Peek & Cloppenburg einkleiden, um seinen Freunden auf gleicher Augenhöhe gegenüber treten zu können.
Weitere zehn Jahre später trafen sich die Drei in der Heimat. Es kostete dem „enteigneten Kapitalistensohn“, dem Langen, Nachkommen der Gründerfamilie des Wirtschaftsaufschwungs zur Knopfstadt Schmölln, große Überwindung dorthin zurückzukehren. Die demütigenden Erinnerungen waren so stark, dass er beim Hickhack zwischen der mehr als zehnköpfigen Erbengemeinschaft und der Treuhand auf die wahrscheinlich verhältnismäßig kärgliche Wiedergutmachungszahlung sogar verzichten wollte.
Eindringlich musste Edub ihn überreden, das stillgelegte Fabrikgelände trotzdem zu besichtigten. Die Kindheitserinnerungen, das Streunen durch die Hallen, Tischtennisspielen, klettern über Dächer, alles erzeugte nur Wehmut angesichts der verwahrlosten Ruinen, des mannshohen Gestrüpps, der zugewachsenen Straßen und Wege.
Nach vielen Jahren des ruinösen Tiefschlafes wurde alles dem Erdboden gleichgemacht. Seit 2004 steht dort ein wunderschönes Seniorenheim mitten im Grünen, benachbart zum Flüsschen Sprotte und mitten in der Stadt. Ein Schmuckkästchen der nach der politischen Wende aufblühenden Stadt. Helmut Kohls „blühende Landschaften“ sind dort Wirklichkeit geworden.
„Der Lange“ ist tot, wollte, wie seine mütterliche Verwandtschaft, immer Lotse werden, erfüllt wurde nur sein letzter Wunsch - die Seebestattung.