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Kapitel 6 - Urlaubsplanung

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Ihre Begeisterung, noch rund eine Stunde in dem Vortragssaal ausharren zu müssen, hielt sich zwar in engen Grenzen, aber Annegret hatte sich schließlich, wenn auch versehentlich, eine halbe Stunde zu früh auf den Weg in den Vortragssaal gemacht, um Dr. Anastrop zum Thema ‚Klassische Entscheidungsinstrumente‘ zu hören. Sie hatte inzwischen zwei dicke Wollknäuel auf ihrem Tisch platziert und zu stricken begonnen. Aus ihrer Sicht konnte es losgehen, sie war bereit.

Ein paar Minuten später betrat Dr. Anastrop von den meisten unbemerkt den Raum, ging auf die Bühne und begann fast im gleichen Moment mit seinem Vortrag. Mit kaum erhobener Stimme und ohne jede Modulation begann ein monotoner Redefluss, der erst nach exakt fünfundvierzig Minuten wieder zum Versiegen kam. Dass er zunächst aufgrund des noch allgegenwärtigen Stimmengewirrs so gut wie nicht zu verstehen war, schien ihn völlig unbeeindruckt zu lassen. Als es allmählich leiser wurde, war Dr. Anastrop dann auch in den hinteren Bereichen des Saales zu verstehen. Annegrets neue Wollsocken waren schon einige Zentimeter gewachsen, als sie plötzlich bemerkte, dass der Vortrag längst begonnen hatte.

„Stellen Sie sich vor, Sie möchten mit Ihrer Familie im Sommer in den Urlaub fahren“, hörte sie ihn sagen, „aber Sie können sich nicht auf ein Reiseziel einigen. Hier, in diesem Beispiel aus dem privaten Bereich, können Sie mit Hilfe eines Punktbewertungsverfahrens eine gute, objektivierte Entscheidung treffen. Nehmen wir an, nach einigen Diskussionen stehen als Alternativen ein Urlaub in den Bergen, einer an der Ostsee und eine Flugreise auf die Kanarischen Inseln in der engeren Wahl. Sie ermitteln nun die Kriterien, anhand derer Sie die einzelnen Alternativen bewerten wollen, zum Beispiel ‚Erholungsfaktor‘, ‚Kosten‘, ‚Sportmöglichkeiten‘, et cetera.“

Dr. Anastrop begann das Ganze in Tabellenform auf den Overhead-Projektor zu skizzieren. „Wenn Sie die Kriterien ermittelt und sich auf eine Gewichtung geeinigt haben, werden die Alternativen A1 bis A4 hinsichtlich der Kriterien auf einer Punkteskala von zum Beispiel null bis zehn bewertet, die vergebenen Punkte jeweils mit dem Gewichtungsfaktor pro Kriterium multipliziert und anschließend zeilenweise addiert. So ergeben sich pro Alternative die in der Spalte ‚Ergebnis‘ angegebenen Gesamtpunktzahlen.“

Dr. Anastrop war in seinem Element. Seine Tabelle füllte sich immer mehr mit Zahlen, gleichzeitig redete er immer weiter.

„Der Urlaub an der Ostsee schneidet nach dieser Analyse mit 192 Punkten am besten ab. Es gibt einen eindeutigen Sieger, das Verfahren ist transparent und nachvollziehbar, selbst nicht monetär quantifizierbare Kriterien können berücksichtigt werden, und die Anzahl sowohl der berücksichtigbaren Kriterien als auch der Alternativen ist prinzipiell beliebig.“

Dr. Anastrop war offensichtlich sehr zufrieden. Annegret war auch überzeugt. Nämlich davon, dass ein Verfahren, das einen Ostseeurlaub als Ergebnis ausspuckt, ganz sicher nichts taugt. „Nicht dass ich alles verstanden hätte“, dachte sie immerhin selbstkritisch, „aber Beurteilungskriterien, Gewichtungsfaktoren – was immer das auch sein soll –, Bewertungen – auf all das einigen sich die Familienmitglieder also, damit dann irgendwas damit gerechnet werden kann. Aber gleich auf ein Urlaubsziel können sie sich nicht einigen. Merkwürdige Familie … Ob es solche Familien wirklich gibt? Falls Mathematiker alle so ticken, kommen die als Väter meiner zukünftigen Kinder schon mal nicht in Frage. Und in der Wirtschaft wird so gearbeitet? Gut, nicht mein Thema.“

Die Pilotenkonferenz

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