Читать книгу Der lange Weg in die Freiheit! Deckname "Walpurgis" - Dr. Helmut Bode - Страница 7

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1. Prolog

Wir, das sind Rosemarie und ich, sowie unsere Tochter und unser Sohn, wohnten zu der Zeit, in der sich Nachfolgendes ereignete, in einer Vier-Zimmer-Wohnung eines zehngeschossigen Wohnblocks, welcher sich zwischen dem Neustädter See und dem Magdeburger Zoo befindet.

Wenn es sich einrichten ließ, denn Rosemarie hatte als Apothekerin von Zeit zu Zeit auch an den Wochenenden Dienst, und das Wetter entsprechend war, verbrachten wir unsere Freizeit auf unserem 16 Kilometer entfernten Wochenendgrundstück am Rande eines Kiefernwaldes in Wahlitz.

Im Frühjahr des Jahres 1984 war es aber anders, wir fanden nicht die richtige Ruhe, wir konnten einfach nicht entspannen. Immer wieder erfuhren wir von Menschen die die DDR verlassen wollten oder sie gerade verlassen hatten. Ließen wir unser gemeinsames Leben Revue passieren, so mussten wir uns sagen, materielle Gründe die DDR zu verlassen, haben wir eigentlich nicht, denn wir beide verdienten für DDR-Verhältnisse gut. Wir hatten eine ausreichende Wohnung, einen Telefonanschluss, ein Wochenendgrundstück, einen PKW „Wartburg“ und sogar eine Garage dazu. Das alles aufzugeben war für viele DDR-Bürger unvorstellbar, für uns aber eben nicht, denn was uns fehlte war die Freiheit über uns und über die Zukunft unserer Kinder selber entscheiden zu können, wie z.B. welche Schul- oder Berufsausbildung ihren Neigungen und Interessen entsprechend sie einschlagen, mit wem wir brieflichen, telefonischen und persönlichen Kontakt halten, wo auch immer sie wohnten und wo wir unsere Urlaube verbringen.

Wir wollten uns in unseren Berufen voll und ganz den dort anstehenden fachlichen Aufgaben widmen. Wir wollten aber nicht durch völlig unwesentliche, überflüssige und somit auch lästige Tätigkeiten, wie Gewerkschaftsversammlungen, politische Schulungen, Zeitungsschauen, Gestalten von Wandzeitungen und Brigadetagebüchern, Aufstellen von Programmen für die Erlangung des Titels „Kollektiv der sozialistischen Arbeit“ usw., unsere kostbare Arbeitszeit vergeuden bzw. sie uns stehlen lassen. Wir hatten es längst aufgegeben zu glauben, dass sich die Verhältnisse in der DDR jemals im Sinne unserer Vorstellungen von einem Leben in Recht und Freiheit entwickeln würden.

Eine Klicke von Menschen, die sich Partei- und Staatsführung nannte und die sich als Machtinstrument eine Partei geschaffen hatte, welche von sich behauptete, dass sie immer Recht hat, konnte für uns kein Vorbild sein. In solch einem Staat wollten wir nicht leben, auch wollten wir nicht, dass unsere Kinder von solchen Leuten indoktriniert werden, wie man es immer wieder mit uns versucht hat.

Wir wussten, dass es ein Deutschland gibt, in dem viele unserer Vorstellungen vom Leben eine Selbstverständlichkeit sind, da wollten wir mit unseren Kindern leben.

Wir hörten immer nur von den Zahlen, die in Gießen als Übersiedler angekommen waren! „Wer sind diese Menschen, wie macht man das?“ war immer wieder unsere Frage. Bald lernten wir sie kennen, diese „Ausreisewilligen“. Erst waren es Bekannte die einen Ausreiseantrag gestellt hatten, dann deren Bekannte und wiederum deren Bekannte, immer so weiter, es war eine Kette ohne Ende. Plötzlich waren wir Teil dieser Kette, denn am 6. Juni 1984 stellten wir den Antrag auf ständige Ausreise aus der DDR beim Rat der Stadt Magdeburg, Abteilung Inneres!

Es begann das Warten und die Ungewissheit, wie wird die so um uns besorgte Staatsmacht zuschlagen. Sie schlug zu, zunächst schickte sie erst einmal ihre linientreuen Genossinnen und Genossen in unseren Arbeitsstellen vor. Die uns aus tiefster Überzeugung einreden wollten, dass wir zu solch einem Schritt, d.h. von Deutschland nach Deutschland zu fahren, was sie selbst nun seit dem Fall der Mauer ohne Bedenken und innere Skrupel ganz sicher gemacht haben, kein Recht hätten.

Die in der kommenden Zeit uns gegenüber immer wieder geäußerten Redewendungen waren: „Sie haben kein Recht dazu!“; „Sie verraten die Sache des Sozialismus!“; „Ihr Verhalten unserem sozialistischen Staat und seinen Bürgern gegenüber ist unwürdig!“; „Ihre Gründe sind absurd!“ usw.

Wir werden sehen, wozu Menschen fähig sind, die heute noch immer die Meinung vertreten, sie hätten nur ihre Pflicht getan, obwohl das Experiment „Sozialismus“, zu dessen Versuchstieren wir gehörten, jämmerlich gescheitert ist!

Hier nun das, was wir in den nächsten eintausendsiebenhuntertundfünfzig Tagen und einer Nacht erlebt haben. Vieles lässt sich nicht mit Worten ausdrücken, nur das Fassbare habe ich versucht wiederzugeben.

Der lange Weg in die Freiheit! Deckname

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