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HIER IST WAS LOS – DAS MIKROBIOM

Guck mal in den Spiegel. Wen siehst du? Dich selbst natürlich. Was du allerdings nicht siehst, ist, wer alles noch in und auf dir lebt. Und das sind ziemlich viele … Deine Mitbewohner sind für das bloße Auge zwar unsichtbar, für dich und deine Gesundheit aber unverzichtbar. In deinem Darm, aber auch auf der Haut und in anderen Körpergegenden wohnen Milliarden von Mikroorganismen – Kleinstlebewesen –, so nennt man Bakterien, Viren und Pilze.

Experten nennen diese Riesenlebensgemeinschaft das Mikrobiom. Es ist das heiße Forschungsobjekt der letzten Jahre, weltweit fließen Milliarden von Euros und Dollars in seine Entschlüsselung. Seit elf Jahren wird es intensiv untersucht, mittlerweile gibt es über 60 000 Publikationen zum Thema. Ein solchen Hype gab es weder bei Krebs noch bei HIV in den letzten 30 Jahren. Trotzdem wissen Forschende noch weniger als ein Prozent über die komplexen Zusammenhänge, wie der Regensburger Mikrobiomforscher Prof. Dr. Dr. André Gessner betont. Wissenschaftlich gesicherte individuelle Therapieempfehlungen sind bis auf einige wenige Ausnahmen daher noch nicht möglich.

Das Superorgan

Das Darmmikrobiom, oft auch Darmflora oder einfach Mikrobiom genannt, wird heute auch als eigenständiges »Superorgan« verstanden. Den weitaus größten Anteil daran haben die Bakterienarten Bacteroides spp. (Bacteroides und Prevotella) sowie Firmicutes spp. (vor allem Ruminococcus-, Lactobacillus- und Clostridiumarten). Molekularbiologische Analyseverfahren zur Unterscheidung der verschiedenen Arten und der genetischen Vielfalt zeichnen ein immer deutlicheres Bild, trotzdem sind noch viele Fragen offen. Der Einfluss der Mikroorganismen, so viel lässt sich jetzt schon sagen, ist jedenfalls gigantisch. Warum? Ein Bakterium ist im Vergleich zu einer menschlichen Körperzelle mit sehr, sehr vielen Genen ausgestattet. Während in menschlichen Zellkernen circa 23 000 Gene stecken, stehen die Mikroorganismen über ganze 3,3 Millionen Gene nicht nur miteinander in Kontakt, sondern kommunizieren auch mit den menschlichen Zellen.

So persönlich wie ein Fingerabdruck

Diese Ansammlung von Mikroorganismen ist bei keinem Menschen gleich wie bei jemand anderem. Wie sie sich zusammensetzt, hängt davon ab, wie fit deine körpereigene Abwehr ist – also deine Immunkompetenz –, davon, was du isst und trinkst und welche Medikamente du einnimmst. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Art und Weise, wie sich eine Darmflora beim Kind in seinen ersten drei bis vier Lebensjahren entwickelt, wesentlich zur Ausbildung seiner Körperabwehr beiträgt. So haben Forscherinnen und Forscher beispielsweise festgestellt, dass Mäuse, die ganz ohne Bakterienflora im Darm groß werden und damit komplett keimfrei sind, später Infekten und Parasiten ausgeliefert sind.

Jeder Mensch hat ein individuelles Mikrobiom, vergleichbar mit einem Fingerabdruck. Vom Erbgut her unterscheiden wir uns gerade mal um 0,1 Prozent voneinander, vom Mikrobiom her sind es 60 bis 70 Prozent. Das Mikrobiom bleibt bis ins hohe Alter zum größten Teil stabil, sofern wir nichts an unserem Lebensstil ändern.

Früher sah’s im Darm besser aus

Forschende der Harvard Universität untersuchten 1000 bis 2000 Jahre alte, versteinerte Ausscheidungsprodukte von Menschen aus dem Südwesten der USA und Mexikos. Deren Darmbakterien verglichen sie mit denen moderner Städter. Es stellte sich heraus, dass die Ururahnen in Sachen vielfältiges Mikrobiom eindeutig vorne lagen. Der Grund ist klar: Wildfleisch und Heuschrecken, Wildpflanzen, Beeren und Nüsse sorgen für eine gesündere Zusammensetzung der Darmflora als Fertiggerichte, Süßes und Co. Leider hat sich die Vielfalt unserer Vorfahren nicht erhalten. Knapp 40 Prozent der damaligen Bakterienarten waren in den Stuhlproben der heutigen Menschen gar nicht mehr auffindbar. Außerdem waren die Mikroben in den fossilen Proben offenbar viel besser in der Lage, flexibel auf neue, unbekannte Nahrungsmittel zu reagieren – ein Überlebensvorteil. Unser Mikrobiom ist dagegen deutlich schwächer aufgestellt. Den Verlusten, die wir dabei gemacht haben, konnte sich unser Körper noch nicht anpassen. So steht uns zwar heute eine viel größere Fülle an Nahrungsmitteln zur Verfügung, nur ist unser Mikrobiom so eingeschränkt, dass es damit nicht gut klarkommt. Die Forscher und Forscherinnen vermuten, dass sich damit die zunehmenden Autoimmunerkrankungen des Darms erklären lassen können.

ENTDECKER DES SUPERORGANS

Den Begriff »Mikrobiom« prägte der Medizin-Nobelpreisträger des Jahres 1958 Joshua Lederberg in Anlehnung an das sogenannte Humangenomprojekt. In erster Linie gehören dazu die Bakterien des Darms, aber auch von Haut, Urogenitaltrakt, Mund, Rachen und Nase. Der US-Molekularbiologe erkannte, dass die Mikroflora ein Teil des menschlichen Stoffwechselsystems ist.

Der Feind in meinem Darm

Normalerweise, wenn alles gut läuft, ist unser Mikrobiom vielfältig und lebt mit uns in einer friedlichen Koexistenz: Es geht uns rundum gut. Problematisch wird’s, wenn sich Krankheitserreger breitmachen. Das ist der Fall, wenn das Mikrobiom durch innere oder äußere Faktoren gestört wird. Starkes Übergewicht (Adipositas), Typ-2-Diabetes und entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa bringen das Gleichgewicht im Darm durcheinander oder entstehen selbst infolge einer Störung. Untersucht ein Mediziner die Darmflora, kann er feststellen, wie es um die Gesundheit seines Patienten bestellt ist.

Ein äußerer Faktor, der die Darmflora lahmlegt, sind Antibiotika. Diese bewährten Arzneimittel töten krank machende Bakterien ab – was gut ist, keine Frage –, aber leider nehmen sie dabei auf die guten Mikrobiombewohner keine Rücksicht und auch sie müssen zum Teil dran glauben. Nach einer Behandlung mit Antibiotika muss sich das Mikrobiom also jedes Mal neu aufstellen. Das ist eine enorme Aufgabe, denn die Darmflora ist ein hochkomplexes Gebilde, was sie eben auch anfällig für Störungen macht. So lässt sich zum Beispiel an der Zusammensetzung deines Mikrobioms ablesen, ob du Süßstoff konsumierst, rauchst, Alkohol trinkst sowie jede Änderung deiner Ernährungsgewohnheiten.

WAS WIR SICHER WISSEN

 Je vielfältiger dein Mikrobiom ist, desto gesünder bist du.

 Eine vielseitige Ernährung mit reichlich pflanzlichen Fasern wirkt sich positiv auf die Darmflora aus.

 Selbst eine kurze Antibiotikabehandlung kann das Mikrobiom nachhaltig verändern.

Die Herausforderung für die Mikrobiomforschung besteht darin, noch mehr zu verstehen, Zusammenhänge zu erkennen und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Körper zu entschlüsseln. Noch sind nicht alle Mikroorganismen bekannt, wir wissen noch nicht, welche Funktion jede einzelne Art hat oder was sie zum Überleben braucht. Die Forschenden sind sich allerdings sicher, dass mit dem wachsenden Verständnis neue Medikamente oder Therapieformen gefunden werden können, mit denen sich Infektionskrankheiten, aber auch Tumorerkrankungen, Depressionen und Übergewicht, die jedes Jahr Millionen Menschenleben kosten, behandeln oder sogar verhindern lassen.

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