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3. Entstehung des Prostatakarzinoms

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Die Tumorentwicklung wird klassischerweise in drei Abschnitte gegliedert: die Initiation, in der einzelne Zellen entarten, die Promotion, während der sich die veränderte Zelle stark vermehrt, und die Progression, in der der Tumor bösartig wird und schließlich Metastasen bildet. Da das Prostatakarzinom ein typischer, fast immer hormonabhängiger Alterskrebs ist, spielt für das individuelle Risiko vor allem die Tumorpromotion eine entscheidende Rolle. Der Hormon- und Rezeptorstatus des Tumorgewebes sowie die Belastung und Belastbarkeit durch oxidativen Stress und Entzündungsprozesse beeinflussen dabei maßgeblich das Schicksal des Patienten. Die individuelle Situation wird sowohl durch die genetische Disposition (familiäre Vorbelastung) als auch durch die Ernährungs- und Lebensweise bedingt.

Welche Rolle spielen Krebsstammzellen?

Krebszellen sind nicht alle gleich. Besonders aggressiv und überlebenstüchtig sind Krebsstammzellen. Stammzellen haben allgemein noch keine spezifische Ausprägung und Funktion, d. h. sie sind undifferenziert und können sich zu verschiedenen Zelltypen entwickeln. Stammzellen können sich vermehren und Tochterzellen mit den gleichen oder schon genauer differenzierten Eigenschaften bilden. Im Gegensatz zu embryonalen Stammzellen haben gesunde adulte Stammzellen (ab dem Zeitpunkt der Geburt) ein geringeres Selbsterneuerungsvermögen und ein eingeschränktes Potential zu Differenzierung.

Krebsstammzellen können sich jedoch sehr schnell und unbegrenzt vermehren, viele verschiedene Zelltypen hervorbringen und haben eine potentiell unbegrenzte Lebensdauer. Krebsstammzellen spielen daher bei der Tumorentstehung und bei der Metastasierung eine zentrale Rolle. Bei einer Strahlen- oder Chemotherapie werden Krebsstammzellen häufig nicht abgetötet, weshalb es zu einem aggressiven Rezidiv („Rückfall“) kommen kann. Um den Krebs dauerhaft zu bekämpfen und zu heilen, müssen auch und insbesondere die Tumorstammzellen zerstört oder „resozialisiert“ werden.

Bei der Entstehung von Krebsstammzellen aus regulären Stammzellen spielen Entzündungsprozesse eine wichtige Rolle. Dabei wird der nukleäre Faktor kappaB (NF-kappaB) aktiviert, was zur Hemmung der Apoptose (programmierter Zelltod) und somit zur „Unsterblichkeit“ der Zellen führt.

Krebsfördernd können alle Stoffe wirken, die die Erbinformation verändern oder auch die Signalwege der Zelle stören, z. B. Entzündungsfaktoren, freie Radikale, Schadstoffe, chronische Infektionen (Viren, Bakterien, Parasiten) oder Strahlung. Auch psychische Aspekte und Stress sind hier von Bedeutung. Im Laufe des Lebens können sich zudem beträchtliche Mengen an exogenen Kanzerogenen in der Prostata ansammeln, die von außen zugeführt wurden. Hierzu zählen klassische Kanzerogene wie z. B. heterozyklische Amine und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, die bei der Zubereitung von Fleisch auftreten, Alkohol, Kanzerogene aus Tabakrauch sowie vor allem exogene östrogen wirksame Substanzen (Endocrine Disrupting Chemicals) (s. u.). Letztere wirken einerseits direkt kanzerogen, andererseits fördern sie die Zellteilung durch ihre östrogene Wirkung. Auch Metalle wie Kupfer, Nickel und Eisen wirken entzündungsfördernd, prooxidativ und so prokanzerogen.

Entscheidend bei der Tumorentwicklung ist die Tumornische

Durch ihre Fähigkeit der unbegrenzten Selbsterneuerung und Apoptoseresistenz, wodurch sie praktisch unsterblich sind, kommt Krebsstammzellen bei der Tumorentwicklung eine zentrale Rolle zu. Die Nische („microenvironment“), d. h. das umliegende Milieu und der Zellverband (Matrix), beschreibt die „Lebensbedingungen“ für Stammzellen in unserem Körper und nimmt daher entscheidenden Einfluss auf die Krebsentwicklung.

Die „Seed and Soil-“ (Saatgut-und-Boden-)Hypothese zur Krebsentstehung ist schon sehr alt. Die Hypothese besagt, dass Tumorzellen nur dann wachsen können, wenn sie von einem geeigneten „Tumormilieu“ umgeben sind (Paget, 1889). Demnach können einzelne Krebszellen sich nur dort vermehren und abgesiedelte Tumorzellen nur dort Metastasen bilden, wo ihnen das Milieu eines Gewebes ideale Wachstumsbedingungen bietet. Auch heute noch ist diese Hypothese weitgehend gültig, vor allem für Knochenmetastasen, die bei Prostatakrebs eine besonders große Rolle spielen.

In Studien entwickelten sich Tumorstammzellen in einer gesunden Nische nicht zu einem Tumor. Jedoch kann aus gesunden Zellen in einer stark kanzerogenen Nische ein Tumor hervorgehen. Das Tumormilieu ist daher entscheidender als die Erbinformation der Zelle. Je nach Beschaffenheit kann es sowohl stark krebsfördernd als auch krebshemmend wirken.


Abb. 4: Einflussfaktoren auf die Entstehung eines für die Tumorentwicklung günstigen Milieus

Mit einfachen Worten ausgedrückt: Die Tumorsaat entsteht immer und in jedem Körper, weil Zellen unter dem Einfluss körpereigener (endogener) und von außen einwirkender (exogener) Karzinogene permanent entarten. Entscheidend für die Entstehung eines tödlichen Tumors ist daher der Nährboden, in dem sich die Tumorsaat entwickelt. Hierbei spielt die Ernährung eine zentrale Rolle, weil sie nicht nur wesentlichen Einfluss auf unseren Hormonhaushalt (Geschlechtshormone, Stoffwechselhormone wie Insulin und Wachstumsfaktoren), unser Körpergewicht und unser Körpermilieu nimmt, sondern auch spezifische Schutz- und Schadstoffe mit sich bringt.

Insbesondere das metabolische Syndrom, in dessen Kern vermehrtes Bauch- und Leberfett mit Insulinresistenz steht, schafft einen wachstumsfördernden Nährboden. Dieser fördert zunächst eine gutartige Prostatavergrößerung (BPH) und ein damit einhergehendes chronisches Entzündungsgeschehen mit erhöhtem oxidativem und nitrosativem Stress. Unter diesem proentzündlichen, prooxidativen Einfluss, durch hormonelle Veränderungen im Alter und durch Kanzerogene entstehen meist deutlich verzögert bösartige Entartungen, deren Aggressivität wiederum von den Milieubedingungen der Tumornische abhängt und daher stark variiert.

Das Gleichgewicht aus Hormonen und Rezeptoren

Die Prostata ist aus verschiedenen Zelltypen aufgebaut, die für die Funktion der Prostata notwendig sind. Für die Differenzierungsvorgänge zu diesen verschiedenen Zelltypen ist ein hormonelles Gleichgewicht zwischen Androgenen und Östrogenen und deren Rezeptoren entscheidend.

Prostatakrebs ist in den meisten Fällen hormonabhängig, im Speziellen androgenabhängig. Doch auch die Östrogene haben einen starken Einfluss auf die Krebsentstehung. Er tritt vor allem im Alter auf, wenn sich das Gleichgewicht von Androgenen und Östrogenen in Richtung Östrogene verschoben hat.

Dihydrotestosteron (DHT) ist auf genetischer Ebene das am stärksten wirksame Testosteron und wirkt potentiell krebsfördernd. DHT wird durch das Enzym 5-alpha-Reduktase aus Testosteron gebildet, weshalb eine hohe Enzymtätigkeit der 5-alpha-Reduktase das Prostatakrebsrisiko erhöht.

Doch nicht nur die Konzentration bestimmter Hormone beeinflusst das Krebsrisiko: Ebenso wichtig wie die Hormone sind die Hormonrezeptoren. Der Rezeptor empfängt das Hormon und gibt das so empfangene Signal an anderer Stelle weiter.

Um das Gleichgewicht aus Hormon und Rezeptor zu gewährleisten, wird die Expression und Sensitivität der Rezeptoren normalerweise durch die Hormonspiegel im Körper gegenläufig reguliert: Je höher der Hormonspiegel, desto weniger aktive Rezeptoren. Dauerhaft niedrige Androgenspiegel führen hingegen zur Gegenregulierung in Form einer Überexpression des Androgenrezeptors (AR). Die Expression des AR ist abhängig vom Tumorstadium. Zu Beginn hemmt ein medikamentöser Androgenentzug den Prostatakrebs, indem bei den Krebszellen eine Apoptose ausgelöst wird; der Tumor ist hormonsensitiv. Bei dauerhaftem Androgenentzug wird der AR jedoch überexprimiert, hypersensitiv oder mutiert, weshalb auch schon sehr geringe Mengen an Androgenen eine Wirkung auslösen. Der Androgenentzug ist daher nicht mehr wirksam, der Tumor ist hormonrefraktär.

Östrogene potenzieren die kanzerogene Wirkung von Testosteron. Sie werden durch verschiedene Enzyme zu (Semi-)Chinonen umgebaut, die genotoxisch, prooxidativ und somit kanzerogen wirken. Die beteiligten Enzyme werden auf genetischer Ebene gesteuert, können aber auch über die Ernährung beeinflusst werden.

Es existieren zwei Östrogenrezeptoren (ER): ER-alpha und ER-beta. Sie sind in den verschiedenen Organen und Geweben ungleichmäßig verteilt. Die beiden Rezeptoren führen zu unterschiedlichen Auswirkungen: Über die Bindung an den ER-alpha fördern Östrogene die Bildung von Wachstumsfaktoren und somit die Zellteilung und hemmen die Differenzierung. Die Expression des ER-alpha steht im Zusammenhang mit dem Tumorstadium; er vermittelt die tumorfördernde Wirkung der Östrogene. ER-beta hemmt dagegen die Zellteilung und fördert die Zelldifferenzierung. Damit hemmt er den Tumor.

Estradiol, das im Körper, insbesondere im Fettgewebe, gebildet, aber auch über Kuhmilch aufgenommen wird, bindet an beide Rezeptoren in gleichem Maße. Phytoöstrogene, die in Pflanzen wie Soja vorkommen und über die Nahrung aufgenommen werden, binden in der Regel an ER-beta. Über die Ernährung und die Menge des hormonaktiven Körperfetts kann demnach beeinflusst werden, welcher der beiden Rezeptoren stärker stimuliert wird.

Mit höherem Alter verschiebt sich das Androgen/​Östrogen-Verhältnis bei Männern in Richtung der Östrogene. Die Produktion von Testosteron nimmt ab, die Bildung von Östrogenen nimmt zu. Dabei steigt die Konzentration der Östrogene, die ER-alpha aktivieren, wohingegen ER-beta-aktivierende Substanzen weniger werden. Dies erhöht das Prostatakrebsrisiko.

Auch Fremdöstrogene (Xenoöstrogene), d. h. östrogenwirksame Substanzen aus der Umwelt, sind bei der Östrogenwirkung zu berücksichtigen. Dies können z. B. Pestizide, Zusatzstoffe in Kosmetika oder Weichmacher in Plastik wie in PET-Flaschen (Bisphenol A) sein. Viele Metalle wirken auch als Metalloöstrogene. Diese binden an Östrogenrezeptoren und beeinflussen in östrogensensitiven Zellen die Genexpression. Beispiele für Metalloöstrogene sind Aluminium (Deos, Alufolie, etc.), Kupfer (z. B. auch aus Kupfer-Wasserleitungen), Arsen, Cadmium, Blei, Quecksilber und Nickel (Darbre, 2006).

Entscheidend für die Tumorwirkung der Hormone sind also nicht (nur) die Konzentrationen der einzelnen Hormone, sondern das Verhältnis von Androgenen zu Östrogenen, die Expression der verschiedenen Rezeptoren sowie die aus der Nahrung aufgenommenen Phytoöstrogene und andere Fremdöstrogene.

Daher wirken hohe Testosteronpegel im Blut nicht zwingend krebsfördernd, wenn sie daraus resultieren, dass wenig Östrogen und DHT aus dem Testosteron gebildet werden.

Die Bedeutung von Insulin und IGFs

Prostatakrebs steht in engem Zusammenhang mit anderen Zivilisationserkrankungen, dem metabolischen Syndrom und der zugrunde liegenden Insulinresistenz. Insulin ist ein Hormon, das anabol, d. h. aufbauend und wachstumsfördernd wirkt. Es wird für die Verwertung der Energielieferanten aus der Nahrung und für die Zellernährung benötigt. Doch zu viel Insulin hat gesundheitsschädliche Wirkungen, u. a. geht ein hoher Insulinspiegel im Blut mit einem erhöhten Risiko für verschiedene Krebserkrankungen, einschließlich der Prostata einher. Insulin und insulinähnliche Wachstumsfaktoren (Insulin-like Growth Factor = IGF) fördern die Zellteilung und hemmen die Apoptose. Auch hohe Blutwerte von IGF-1 stehen in Verbindung mit Prostatakrebs.

Erhöhte Insulinspiegel stehen in starkem Zusammenhang mit Übergewicht, Bauch- und Leberfett, liegen bei einem metabolischen Syndrom vor und führen zu einer Insulinresistenz. Das bedeutet, dass die Zellen auf die Wirkung von Insulin nicht mehr ansprechen. Die Insulinresistenz der Körperzellen ist eigentlich eine natürliche Reaktion auf eine zu hohe Nährstoffzufuhr. Die Zelle signalisiert: „Ich bin satt.“ Zur Gegenregulierung der zu hohen Blutzucker- und Aminosäurespiegel im Blut wird jedoch immer mehr Insulin gebildet.

Der Insulinspiegel steigt folglich weiter, was auch die Ausschüttung von IGF-1 zusätzlich fördert – ein Teufelskreis, der das Wachstum eines Tumors weiter begünstigt, denn Krebszellen sind für die wachstumsfördernde Wirkung von Insulin und IGF-1 besonders empfänglich. Am Ende steht der Diabetes mellitus Typ 2, bei dem die Insulinproduktion der Bauchspeicheldrüse nicht mehr ausreicht, um genügend Insulin für eine ausreichende Zuckerreduktion im Blut zu produzieren. Es handelt sich dabei um einen relativen Insulinmangel: Die Insulinresistenz der Zellen ist größer als die Insulinwirkung.

Der Insulinstoffwechsel und die IGF-1-Werte im Blut hängen sehr stark von der Ernährung ab (s. insbesondere Kapitel 6, Seite 159). Ein hoher Verzehr von (tierischem) Protein, Milchprodukten und Calcium geht mit erhöhten IGF-1-Spiegeln einher. Ein anschauliches Beispiel ist die Körpergröße verschiedener Länder: Europäer, die große Mengen an Milch und Milchprodukten sowie anderen tierischen Lebensmitteln aufnehmen, werden deutlich größer als Asiaten, die kaum Milch verzehren – ein Hinweis auf die wachstumsfördernde, nahrungsvermittelte Wirkung von Insulin und IGF-1. Doch nicht nur der Körper wird so zum Wachstum angeregt, auch Tumorzellen. Eine pflanzenbasierte Ernährung (s. Kapitel 7, Seite 201) und regelmäßige Bewegung führen zu einem gesunden Insulinhaushalt.

Entzündungsprozesse und oxidativer Stress

Entzündungen sind eine wichtige Schutzfunktion unseres Körpers. Werden sie jedoch chronisch, fördern sie eine Vielzahl von Erkrankungen, einschließlich Prostatakrebs. Entzündungen können u. a. von Krankheitserregern (Viren, Bakterien) ausgelöst werden, weshalb Infektionen auch in Zusammenhang mit Krebserkrankungen stehen.

Entzündungen führen zu einer hohen Anzahl freier Radikale, die die Zellen und die Erbinformationen schädigen können. Zudem greifen sie in verschiedene Signalwege ein. Entzündungsfaktoren (wie TNF-alpha, Interleukine, VEGF) fördern die gegenseitige Ausschüttung, begünstigen die Zellteilung und hemmen die Apoptose. Entzündungen beeinflussen auch die Genexpression (z. B. über NF-kappaB) und somit die Regulation wichtiger Enzyme (wie Glutathion-S-Transferase, Cyclooxygenase).

Vor allem Eingeweidefett erzeugt ein aktives, subklinisch erhöhtes Entzündungsgeschehen. Insbesondere der Transkriptionsfaktor NF-kappaB ist aktiviert. Dieser steht ganz oben in der Kaskade entzündlicher, prokanzerogener Prozesse und regt die Ausschüttung von TNFalpha sowie von Interleukin-1 an. NF-kappaB verhindert zudem den natürlichen Zelltod (Apoptose) und macht Tumorstammzellen „unsterblich“.

Entzündungen und oxidativer Stress fördern auf diese Weise sowohl die Entartung einzelner Zellen als auch deren Vermehrung. Daher ist insbesondere eine chronische Entzündung der Prostata (Prostatitis) ein wichtiger Risikofaktor für einen Prostatatumor. Über die Nahrung, insbesondere über Gemüse, Obst und Kräuter, können Pflanzenstoffe aufgenommen werden, die entzündlichen und oxidativen Prozessen entgegenwirken. So wird aus Milchsäure und präbiotischen Ballaststoffen von Dickdarmbakterien, also in direkter Nähe der Prostata, der Krebshemmstoff Butyrat gebildet. Dagegen werden aus gebratenem (roten) Fleisch Kanzerogene wie PAKs sowie Metalle wie Kupfer und Eisen aufgenommen. Kupfer und Eisen fördern entzündliche Prozesse und wirken prooxidativ, weshalb sie nicht in zu großen Mengen aufgenommen werden sollten.

Übersäuerung und Natrium-Kalium-Verhältnis

Entzündungsprozesse gehen auch einher mit einer lokalen Übersäuerung des Gewebes. In Tumoren liegt der pH-Wert meist im sauren Bereich. Im Zellinneren sind Krebszellen selbst meist alkalisch, weil sie Säuren nach außen pumpen und ihre Umgebung ansäuern. Damit verschaffen sie sich Vorteile in der Metastasierung und bleiben selbst „gesund“. Ein saures Milieu ist nicht nur die Folge einer Krebserkrankung, sondern fördert an sich auch die Krebsentwicklung und Metastasierung und schwächt normale Zellen. Insbesondere fördert es den Knochenabbau und erleichtert damit die Knochenmetastasierung.

Eine basenbildende, kaliumreiche Ernährung und regelmäßige, auch intensive körperliche Tätigkeit sind zur Entsäuerung und daher (nicht nur) bei einer Krebserkrankung und zur Krebsprävention sinnvoll (s. Kapitel 3.8.5, Seite 57, und Kapitel 7, Seite 201).

Das Natrium-Kalium-Verhältnis im Körper steht in engem Zusammenhang mit dem Säure-Basen-Haushalt und dem Membranpotential der Zellen, das wiederum das Wachstumsverhalten von Zellen steuert. Dabei ist das Verhältnis wichtiger als die einzelne Betrachtung der Natrium- oder Kaliumaufnahme. Das Natrium-Kalium-Verhältnis in der Ernährung beeinflusst die Funktion der Natrium-Kalium-Pumpe, die für die Elektrolytregulation der Körperzellen benötigt wird. Etwa ein Drittel seiner Energie wendet der Körper auf, um Kalium in die Zelle und Natrium aus der Zelle zu pumpen. So wichtig ist das richtige Natrium-Kalium-Verhältnis für das Überleben der Zelle.

Über die Natrium-Protonen-Pumpe entsorgt die Zelle überschüssige Säuren (Protonen). In ihrer Aktivität ist sie von der Natrium-Kalium-Pumpe abhängig. Der pH-Wert, das Natrium-Kalium-Verhältnis und das Membranpotential der Zelle sind entscheidend für wichtige Zellsignalwege und andere zelluläre Geschehnisse wie das Wachstums- und Differenzierungsverhalten.

Der menschliche Organismus ist seit Jahrmillionen auf eine kaliumreiche, salzarme Ernährung eingestellt. Eine salz- und proteinreiche, kaliumarme Ernährung beeinträchtigt die Funktion der Zellpumpen. Dadurch steigen der Natrium- und Calciumgehalt in der Zelle, der Kalium- und Magnesiumgehalt sinken dagegen. Über eine Reduktion des Membranpotentials führt dies zu einem stärkeren Zellwachstum und einer verringerten Zelldifferenzierung. Zudem steigt die Insulinresistenz und somit der Insulinspiegel an. Dass der Tumor Calcium benötigt und sucht, zeigt sich auch daran, dass Metastasen häufig in den Knochen auftreten und dass eine besonders calciumreiche Ernährung das Prostatakrebsrisiko erhöht. Studien zeigen, dass bei Krebskranken die Funktion der Zellpumpen gestört ist. Auch die Reduktion des Membranpotentials, die bei einer Übersäuerung vorliegt, fördert die Krebsentstehung.

Ein weiterer Faktor in Zusammenhang mit Natrium spielt für die Krebsentwicklung eine wichtige Rolle: Überschüssiges Natrium wird im Bindegewebe eingelagert. Dadurch wird die Ausschüttung des Wachstumsfaktors VEGF-C gefördert, der über die Bildung von Lymphgefäßen zur Vermehrung von Tumorzellen und der Bildung von Metastasen beiträgt. Zu viel Salz fördert demnach auch ein tumorförderliches Milieu. Dies zeigt sich am deutlichsten bei Magenkrebs, wo dieser Zusammenhang klar nachgewiesen ist.

Die Formel für das Prostatakrebsrisiko

Das Prostatakrebsrisiko kann durch die Exposition gegenüber verschiedenen Stoffen und Hormonen im Laufe eines Lebens maßgeblich beeinflusst werden. Unter Berücksichtigung dieser und anderer Faktoren kann das Prostatakrebsrisiko in einer Gleichung, die die Expositionsdauer sowie fördernde und hemmende Faktoren berücksichtigt, zusammenfassend als Annäherung so dargestellt werden:

(Familiäre Vorbelastung + Androgenrezeptor- und Östrogenrezeptor-alpha-stimulierende Hormone und Fremdöstrogene + Kanzerogene + IGF-1 + Insulin + erhöhtes Bauch- und Leberfett + BPH + chronische Prostatitis) x Jahre der Exposition – (Östrogenrezeptor-beta-stimulierende Hormone/​Pflanzenstoffe + Krebshemmstoffe + Bewegung) x Jahre der Exposition

= Prostatakrebsrisiko

Diese Gleichung lässt sich auch in einer Abbildung darstellen (s. Abb. 5):


Abb. 5: Einflussfaktoren auf das Gleichgewicht aus Proliferation und Differenzierung, das sich entscheidend auf das Prostatakrebsrisiko auswirkt

Das folgende Kapitel über die Kanzerogenese des Prostatakarzinoms ist wissenschaftlich interessant und aufschlussreich. Es beschreibt ausführlich und tiefgreifend die physiologischen Hintergründe und Veränderungen, die zur Entstehung eines Prostatakarzinoms führen (können). Für das Verständnis des restlichen Buches und der praktischen Empfehlungen sind diese Informationen zwar sinnvoll, aber nicht unbedingt notwendig. Die wichtigsten Inhalte wurden bereits in der Einleitung zusammengefasst.

Prostatakrebs-Kompass

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