Читать книгу Scheinheilung und Patientenerschaffung - Die heillose Kultur - Band 3 - Dr. Phil. Monika Eichenauer - Страница 11

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Zu bedenken gilt, dass das Gesundheitswesen von der Gesundheitswirtschaft, mit seinem Prinzip des „Wettbewerbs“, einverleibt ist, das heißt, den gleichen Prinzipien untergeordnet wurde! Setzt man den oben gewählten Rahmen von Natur und Kultur dazu, wäre als exponentiell wichtig im Rahmen unserer Demokratie fest zu halten, dass viele Berufsgruppen, gleichfalls wie Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten, nicht zu diesen Veränderungsabsichten im Gesundheitswesen oder wichtigen anderen Veränderungsabsichten gefragt wurden und werden, und das offiziell niemand Verantwortung trägt, der Veränderungen eingeleitet hat. Die Daumenschrauben der Globalisierung scheinen dem Himmel oder dem Ozean zu entsteigen und sind als natürliche Tsunami zu verstehen, die den Chaostheorien folgen: Niemand kann sagen, welcher Flügelschlag welchen Schmetterlings dafür Ausschlag gebend war und ist. Niemand kann etwas dafür, jeder jammert und keiner trägt Verantwortung, jeder ist unter existenziellem Zugzwang und muss Entscheidungen gegen Vernunft, Gewissen und Seele treffen! Weil ökoindividuelle Entscheidungen aus allen Teilen der Welt von großen Unternehmen immer punktgenauer und sicherer die Stecknadel im deutschen (und internationalen) Heuhaufen aufgrund ökonomischer Strategien trifft und Versorgungszweige lahm legt oder exorbitante Preissteigerungen bei gleichzeitiger Bekanntgabe von statistischen Verknappungs- und Versiegungszahlen von Öl- oder sonstigen Quellen bekannt geben. Die ganze Welt scheint zu verarmen! Nur einer, der hat dann das Geld auf dem Konto und die übrigen schauen in die Röhre! Also muss man doch wissen, wer Verantwortung trägt und Missstände jeglicher Art für Millionen von Menschen in Kauf nimmt!

Von den Missständen hören wir, die Psychologischen Psychotherapeuten, wenn Patienten aus ihrem Leben erzählen, und Ärzte, die sie behandeln, wenn sie Zeit dazu haben. Das wiederum dürfte diejenigen nicht interessieren, die das Geld auf ihrem Konto haben! Denen dürfte es auch egal sein, wie Migranten in Deutschland leben und wie Deutsche in ihrem Stadtviertel damit klar kommen. Hauptsache sie arbeiten, wenn man sie ruft.

Während Patienten, Ärzte- und Psychologische Psychotherapeuten in die neuen medizinischen Versorgungsstrukturen eingepasst werden, kauft sich die Wirtschaft die privatisierten Universitäten und Kliniken, um direkt im Herzen von Förderung und Forschung Einfluss auf neue Kreationen von Behandlungsettings, sprich, wie und mit was der Patient zu behandeln ist, zu entwickeln. Nun braucht sie nicht mehr Wissenschaftler zu bestechen, sondern kann von vornherein festlegen, wer welchen Forschungszweig mit welchen Inhalten leitet. Auf diese Weise hat die Wirtschaft gleich zweifach Einfluss auf die Inhalte, wie künftig Menschen in der Gesundheitswirtschaft behandelt und versorgt werden: qua Forschung und qua Kapital, das die Vermarktung der Produkte steuert. Patienten, Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten mutieren folglich zu Objekten, die man gut funktionell und lukrativ im Markt steuern kann. Hier wird eine neue Elite hervortreten, an deren Seite Ökonomen stehen, die nicht nur den Gesundheitsmarkt, sondern Mensch und Leben beherrschen und weiter berrschen werden, falls kein Veto eingelegt wird.

Die eigentliche und täglich vorhandene Elite, die Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten, wurden durch Kritik und Abwertung ihrer Profession verunmöglicht, wie ich in Band 2 der Heillosen Kultur beschrieb. Prof. Dr. Rainer Richter (2008) merkt an:

„Der Einbruch des Wettbewerbs in die Gesundheitsversorgung habe auch für die psychotherapeutische Versorgung Folgen, die man in ihren Auswirkungen noch nicht ermessen könne.“ (Rainer Richter in: Bühring, Petra & Gerst, Thomas: 2008, S. 248).

Kritisch merkt er an, dass Psychotherapie eher als „Entschleunigung“ zu verstehen ist. Die Forderungen der Ökonomie, auch psychotherapeutische Prozesse zu beschleunigen, sprich kürzer und effizienter zu gestalten, steht im krassen Widerspruch zum Wesen der Psychotherapie, „die sich auch als individuelle Entschleunigung charakterisieren lässt.“ (Ebda, 2008, S. 248).

Die Änderungen durch die Gesundheitswirtschaft beschleunigen jedoch massiv Problemfelder, die dringend gesellschaftlich in Augenschein genommen und für die Lösungen erarbeitet werden müssen, die ein friedliches Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichem gesellschaftlichen und kulturellen Hintergrund in Deutschland überhaupt gewährleisten könnten!

Die aktuellen Vorgänge im Gesundheitswesen geben Anlass, das Thema bezüglich der Erschaffung von Sündenböcken aufzugreifen. Die ökonomische Systematik der Gesundheitswirtschaft mittels Wettbewerb sorgt für zahllose neue Sündenböcke, denen man die Schuld für ein Nichtfunktionieren in unterschiedlichen Bereichen systematisch zu schiebt. Nicht Geldknappheit, Fehlen systematischer Zusammenarbeitsstrukturen, Kompetenz- und Verantwortungsklärungen werden in den Fokus gerückt, sondern die Berufsgruppen, die mit den Problemen in ihrem Tätigkeitsfeld befasst und zum Teil überfordert sind. Ärzte sind hier ebenso serienmäßig Opfer wie Psychologische Psychotherapeuten, Sozialarbeiter, Erzieher und andere im sozialen Bereich Tätige.

Problembereiche, die sich aus Migrationhintergründen in Schulen, an Arbeitsplätzen, in Wohnvierteln und Städten ergeben, streben mit durchdringender Deutlichkeit ebenso wie die durch Globalisierung in Gang gesetzte Verarmung und generell Dauerstress und Existenzängste in die Öffentlichkeit und brechen in die Praxen ein. Offizielle Strukturen, um diesem Schwall von Not, Elend und Ängsten beruflich gerecht zu werden, sind äußerst schwach und brechen im Alltag weg.

Hinsichtlich der ärztlichen und psychotherapeutischen Profession bedeutet dies permanente Erweiterung von Kompetenz ohne Netz und doppelten Boden, wenn aber was schief geht, sind sie schuldig und unfähig. Würde sich jedoch ein Arzt noch zusätzlich unfreundlich verhalten und sich wenig hilfsbereit Patienten gegenüber zeigen, etwa so, wie ein Blick in die Wirtschaft serienmäßig im Service von Ämtern, in Kaufhäusern und Lebensmittelgeschäften frei gibt, stünde der Vorgang am nächsten Tag in der Zeitung und der ärztliche Ruf stünde zur Disposition.

Nicht so im Wirtschaftsleben! Hier ist Unterordnung der Kunden mit unmöglichen Terminverschiebungen über Stunden und Tage hinweg, fehlenden, aber zugesagten Lieferungen und Dienstleistungen die neue, selbstverständlich sachliche wie kühle Normalität. Ärzte werden mit anderem Maß, dem Hippokratischen Eid, gemessen, egal, um was es sich handelt. Bürger haben sich der Umkehrung des eigentlichen Inhaltes von Service angepasst. Sie erbringen, was der Dienstleistungsanbieter offerieren müsste. Einkauftüten mit Logo bekommen Kunden nicht kostenlos oder bekommen noch etwas dafür ausgezahlt, dass sie damit Showlaufen gehen, sondern zahlen selbst. Schlecht deutsch sprechendes Personal im Service, ob persönlich oder am Telefon, wo der Kunde am besten selbst mehrere Sprachen beherrscht, damit er denjenigen, den er um Auskunft anfragt oder ihm Auftrag verschaffen möchte, sprachkundig begegnen kann. Telefonische Serviceleistungsanbieter nehmen mit der größten Selbstverständlichkeit Zeit, Geld und Sprachkenntnis der Kunden in Anspruch.

All das sollten Ärzte nicht tun, um ihren Ruf zu wahren. Bei Kassenpatienten sind lange Wartezeiten inzwischen eine Realität wie Jahrzehnte zuvor Termine im Gesundheitsamt. Kassenbehandlung passt sich Amtsverhältnissen (z.B. vergleichbar mit Arbeitsämtern) zeitlich an – und zwar nicht unbedingt, weil der Arzt das so möchte, sondern weil zum Beispiel regionale Unterversorgung ein Thema ist. Ein weiteres ist, dass Ärzte möglichst viele Patienten aufgrund niedriger Honorarsätze behandeln müssen, um die Praxis halten zu können. Eine generelle Erwartung, die Ge-sundheitswirtschaft im Menschen bemüht ist zu wecken, ist die, das Menschen Gesundheit mitbringen und zusätzlich Gesundheitsleistungen und Gesundheitsprodukte einkaufen! Dies bedeutet, Menschen bringen selbst mit, was Gesundheitswirtschaft als Produkt anbietet: Gesundheit. Je gesünder die Menschen, desto besser der Verkauf und der Rufe von Dienstleistungen in diesem Wirtschaftszweig.

Wie bereits in Band 2 erwähnt, bot ich in meiner Praxis – dank ausländischer Kollegen – Psychotherapie in zehn verschiedenen Sprachen an. Bis heute gibt es kein vergleichbares Angebot in der Nähe. Ärztliche Kollegen rufen immer noch in meiner Praxis an und fragen nach, ob es in meiner Praxis Behandlungsmöglichkeiten für ausländische Patienten in Muttersprache für gibt. Nach dem Psychotherapeutengesetz versuchte die örtliche KV, diesen Service selbst anzubieten, während meine damalige gut funktionierende Praxisstruktur dem Psychotherapeutengesetz zum Opfer fiel. Der KV Westfalen-Lippe (KVWL) ist es selbst nach neun Jahren nicht gelungen, ein solches Angebot zu schaffen. Jetzt werden Sonderbedarfszulassungen zur Versorgung fremdsprachiger Patienten durch ausländische Psychotherapeuten abgeschafft, wie Bernd Halbe als Rechtsanwalt und Fachanwalt für medizinrecht in seinem Artikel „Sonderbedarfszulassung/Ermächtigung für fremdsprachige Psychotherapeuten?“ Die Begründung des Bundessozialgericht (BSG) offenbarte eine völlig andere Sichtweise wie vorher durch verschiedene Landessozialgerichte (LSG) dargelegt.

Bern Halbe (2008) teilt mit: „Dabei ist das höchste deutsche Sozialgericht zur genau gegenteiligen Auffassung gelangt, dass nämlich eine Sonderbedarfszulassung oder Ermächtigung speziell für die psychotherapeutische Behandlung von Patienten in einer Fremdsprache nicht erteilt werden könne, weil der Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen auch im Falle von Psychotherapie gerade nicht die Gewährleistung einer Verständigung des Therapeuten mit dem Versicherten in dessen Muttersprache umfasse.“ (Bern Halbe, 2008, S. 37).

Im Prinzip heißt das, Migranten haben nur den Anspruch auf einen Psychotherapeuten im deutschen Gesundheitswesen, aber sie haben keinen Anspruch darauf, dass sie sich sprachlich mit ihm auch verständigen können! Damit dürften Projekte, die bestrebt sind, dies zu ändern, nun endgültig scheitern. So kann eine miserable Versorgung gesetzlich in diesem Sinne verankert nur noch schlechter werden! Wie man sich allerdings vorstellt, das in der psychotherapeutischen und ärztlichen Basis in Praxen und Kliniken hinsichtlich psychoökonomischer Globalisierungsfolgen in Form von Verarmung und Migration wie Integrationsproblemen medizinisch und psychotherapeutische Hilfe angeboten und gearbeitet werden kann, sagt niemand! Einen Forderungskatalog diesbezüglich anzulegen, ist nicht Erfolg versprechend, da es von offiziellen Stellen immer nur eine Standardantwort gibt: Es ist kein Geld da!

In dem vor kurzem erschienenen Handbuch „Gesundheit und Integration“ (Berlin, 7/2007) durch die „Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration“ teilen Martina Stickan-Verfürth und Sigrid Pettrup in ihrem Beitrag mit: „Das deutsche Gesundheitswesen zählt immer noch zu den besten der Welt – nicht aber zu den einfachsten. Nicht nur für Menschen, die gerade erst nach Deutschland gekommen sind oder noch nicht lange hier leben ist es oft schwer zu verstehen, wie es funktioniert. In Deutschland verfügt mittlerweile jeder achte Einwohner über einen Migrationhintergrund. Trotzdem haben Migrantinnen und Migranten noch immer erhebliche schlechtere Gesundheitschancen als die übrige Bevölkerung. Die notwendige Orientierung im Alltag eines fremden Landes lässt die Vorsorge für die eigene Gesundheit oft in den Hintergrund treten. Hinzu kommen nicht selten kulturelle Barrieren, so dass Ärzte zu spät oder gar nicht aufgesucht werden. Der gleichberechtigte Zugang zur gesundheitlichen Versorgung sollte auch für Migrantinnen und Migranten eine Selbstverständlichkeit sein. Verständliches, kultursensibles und mehrsprachiges Informationsmaterial ist deshalb dringend notwendig.“ (Ebda., 2007, S. 80)

Generell werden Mängel in der Versorgung ausländischer Patienten in einem Artikel von Maria Böhm berichtet: Migranten haben eine um 20 Prozent höhere Belegdauer im Krankenhaus. Es dauert länger, herauszufinden, woran sie erkrankt sind. Das ist natürlich auf Dauer für das Gesundheitswesen teuer, wäre hier anzumerken; ein Grund für Krankenkassen zur ökonomischen Optimierung von Behandlungen. Zudem haben Menschen aus anderen Kulturkreisen ein anderes Körperempfinden. Deutsche Patienten zeigen die Stelle, wo es weh tut – afrikanische oder arabische Menschen spüren Schmerzen im ganzen Körper. Im Handbuch werden Migranten mit Managern aufgrund ihrer gleichartigen Symptome verglichen und aufgezählt. Migranten fallen durch das deutsche Versorgungsraster, stellt Maria Böhmer fest (WR 1.6.2007). Also wurden Dolmetscher eingestellt, um dem Problem zu begegnen – aber im Ernstfall holt man dann doch eher die Reinigungsfrau ans Krankenbett, damit sie übersetzt. Das Hantieren mit Wörterbüchern wie „Türkisch am Krankenbett“ war nicht von Erfolg gekrönt. Ein Projekt in Essen, das Türkisch-Sprachkurse für Gesundheitsberufe anbot, vermittelte 350 Menschen ein Basisvokabular, medizinische Fachausdrücke und kulturelle Feinheiten. Letztes Jahr lief das Projekt allerdings nur noch über Spenden – das NRW-Gesundheitsministerium hatte seine jährliche Förderung von 20.000 EUR eingestellt (WR, 1. Juni 2007, Hervorhebung M.E.). Was, so fragt man sich, soll dann eine ebenso aufwendige wie teure Recherche über Migration, wenn dennoch Fördermittel, und seien sie noch so niedrig, eingestellt werden?

Die deutsche Aushängeschild- und Nachholwollenpolitik entwickelte sich nicht nur in meiner Praxis zum bürokratischen Bandwurm, sondern insgesamt, wie eben zur Migrationpolitik festgestellt: Erst werden etablierte und bewährte Strukturen meist in privater Initiative gegründet, dann werden sie abgebaut, weil sie nicht in das neue Gesetz passen oder weil kein genereller Kostenträger gefunden wird. Dann wird neun Jahre lang nichts Vernünftiges auf die Beine gestellt. Dann gibt es ein Buch über die Mängel in der Versorgungssituation ausländischer Patienten. Darin befinden sich einige interessante Artikel über einzelne, bundesweite Projekte. Aber: Es kann von keiner generellen, bundesweiten Versorgungsstruktur gesprochen werden. Gut finde ich den „Interkultureller Gesundheitswegweiser“ des Ethno-Medizinischen Zentrums e.V. in acht Sprachen. Zum einen, weil er mehrsprachig ist und zum anderen, weil er grob auflistet, wie das Gesundheitswesen funktioniert. Das allerdings ist für deutsche Patienten und gleichfalls für Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten im Gesundheitswesen generell schwierig zu durchdringen. Allein die Auflistung von möglichen Kostenträgern unter der Rubrik „Die Krankenversicherung“ ist übersichtlich:

Wer ist gesetzlich krankenversichert?

Freie Kassenwahl

Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen

Zuzahlungen/Eigenanteile

Leistungen n.d. Asylbewerberleistungsgesetz

Leistungen nach dem SGB XII (Sozialhilfe)

Die Praxis zeigt, dass Kostenübernahmen gern hin- und her geschoben werden, Verantwortlichkeiten haarfein nach gesetzlichen Zusatzregeln gegliedert und argumentativ abgeschmettert an andere Kostenträger weiter verwiesen werden, die dann ihrerseits nicht zuständig sind. Kommen Migranten als Patienten dann tatsächlich in ärztliche oder psychotherapeutische Praxen an, stellt sich die Hürde der sprachlichen Vermittlung.

Generell existieren Auflagen im Gesundheitswesen, wie Behandlungen nach den ökonomischen Leitlinien in ambulanten Praxen und Kliniken zu bewerkstelligen sind. Ärzte sind nun aufgefordert, möglichst noch eigene Vorschläge einzureichen, wie Organisation, Bürokratie und Behandlungen von MigrantInnen besser laufen könnten. Wie diese Anforderungen von Ärzten und Psychologische Psychotherapeuten in einem Arbeitstag untergebracht werden sollen, bleibt unerfindlich. Zumal die Motivation, derartige Verbesserungsvorschläge auszuarbeiten, sehr gering ist, denn, die Frage ist doch, wohin sie geschickt werden sollen: Der Adressat dürfte seinerseits wohlgeordnet in einem Zimmerchen der Staatsbürokratie sitzen, der Vorschläge liest und befindet, dass dafür sowieso kein Geld vorhanden ist und sie damit abheftreif locht. Natürlich sind derartige Leistungen durch Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten in Eigeninitiative und kostenlos zu erledigen. Frei nach dem Motto: Für lau, jau!

Der einzelne Arzt und Psychologische Psychotherapeut kann andererseits von der Politik nicht erwarten, angemessenen bezahlt und in seiner Arbeit unterstützt zu werden. Im Gegenteil sind Ärzte ständiger Kritik ausgesetzt. Wie die Stellung der Psychologischen Psychotherapeuten gesellschaftlich aussieht, stellte ich bereits in Band 2 dar und wird im vorliegenden Buch vertieft. Vorschläge von ihnen wandern zu den Akten ohne Auswirkungen auf eine Verbesserung der Versorgungsstruktur zu haben. Denn bei Prüfung von Vorschlägen stellt man wieder fest, es passt nicht zum Gesetz. Das aber passt zum generellen Procedere in Deutschland: Man soll zwar Vorschläge machen, Handlungsspielraum ist aber keiner vorhanden – von Geld, mit denen Lösungsmodelle zu bezahlen wären, ganz zu schweigen. Also erbringen Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten zahlreiche Leistungen kostenlos, weil sie schlicht für Patienten notwendig sind. Wenn dann in der Versorgung etwas schief läuft, ist der Arzt schuld und wird diffamiert. Wie praktisch. Die MigrantInnen, so müsste man sagen, werden angesichts der Kompliziertheit der vielen Hürden in Versorgungsstrukturen besser freiwillig gesund – so wie deutsche Patienten auch. Sie lassen sich abschrecken von den zahlreichen Differenzierungen und Ausschlüssen.

Zufragen bleibt: Wie verrückt ist das Ganze eigentlich? Wir haben, wie eben oben zitiert, noch immer eines der besten Gesundheitssystem der Welt, das nur nicht nutzbar ist, weil es zu kompliziert ist und Menschen, ob Patienten oder Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten verschreckt? Die Stunden, die man als Behandler mit Institutionen telefoniert, um den richtigen Kostenträger zu ermitteln, sind so ungezählt wie unbezahlt. Wenn ich von deutscher Aushängeschildpolitik spreche, ist auch der folgende Zusammenhang von Interesse: Als ich meine Praxis 1988 aufbaute, kämpfte ich für jeden meiner Patienten um die Kostenübernahme bei den Krankenkassen. Das war nicht einfach. Eines Tages beantragten wir für einen ausländischen Patienten die Kosten für eine Psychotherapie im Kostenerstattungsverfahren. Wir bekamen sie wider jede Erwartung flott bewilligt. Tags zuvor hatten wir die Ablehnung für einen deutschen Patienten von der AOK bekommen. Das war Grund genug für mich, doch mal nachzufragen, wie so eine unterschiedliche Bearbeitungs- und Bewilligungspraxis möglich ist. Die Sachbearbeiter meiner Patienten konnten mir keine Auskunft erteilen. Daraufhin ließ ich mich mit dem Leiter der AOK verbinden. Meine Frage war, wie es zu verstehen sei, dass für ausländische Mitbürger Psychotherapie bewilligt würde und für deutsche nicht. Eine klare Antwort erhielt ich nicht, aber den Hinweis, man wolle diesen Vorgang prüfen. Von dem Augenblick an wurden auch für deutsche AOK-Patienten in meiner Praxis die Psychotherapiekosten erstattet. Ein Kommentar erübrigt sich aufgrund der deutschen Nachkriegspolitik an dieser Stelle. Andererseits kann ich nicht sagen, ob die Änderung der Kostenübernahme Praxis für deutsche Patienten bei der AOK aufgrund meiner Nachfrage eine Änderung erfuhr.

Die heillose Kultur“ ist insgesamt als umfassender Mängelbericht im Hinblick auf Menschen, Patienten, Ärzte- und Psychotherapeutenschaft und Kultur zu lesen. Wird für ausländische Patienten in die oft zitierte populistische Diagnosekiste gegriffen und „Managerkrankheit“ herausgezogen wird, so möchte ich doch feststellen, dass 3/4 der Bevölkerung in Deutschland gegenwärtig ähnliche Symptome aufweisen dürften – insbesondere auch Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten: Aufstiegsstress, Abstiegsstress und Anpassungsstress, allgemein körperlicher Stress, hoher sozialer, finanzieller und psychischer Druck, der sich in unterschiedlichen Krankheiten äußert. Bei Migranten zeigen sich höhere Raten hinsichtlich Unfällen, Fettleibigkeit, Diabetes, Hepatitis, Suchtkrankheiten, HIV, Karies – und psychische Störungen. Die Dokumentation bezüglich der Folgen von Migration liegt vor (Vgl. Gesundheit und Integration, 7/2007).

Eine Bestandsaufnahme, wie es deutschen Menschen in Deutschland unter der Zweiklassengesellschaft geht, fehlt hingegen. Gleichfalls fehlen, neben dem allgemeinen Angebot für medizinische und psychologische Psychotherapie, weitere Versorgungsstrukturen, die diesen Menschen psychisch in existenziellen Nöten zur Seite stünden. Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten werden niederfinanziert und mit ihrer eigenen beruflichen Situation aufgrund ständiger Zunahme von Bürokratie und neuen Abrechnungsziffern und Reformen überfordert. Statt das sich Verbesserungen für Patienten, Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten abzeichnen würden, ist das Gegenteil zu konstatieren. Das deutsche Gesundheitswesen brilliert im Aufzählen dessen, was an Gesetzen oder Dokumentationen auf dem Papier steht – was es für die Beteiligten im Gesundheitswesen bedeutet, wie man damit lebt und behandelt, ist eine völlig andere Fragestellung, die Nerven, Kraft, Stress und dauernde konflikthafte Auseinandersetzungsbereitschaft erfordert.

Diese Art von Politik fällt für mich in das Ressort „Scheinheiligkeit“ – denn käme ein ausländischer Bürger, um den man sich politisch bemüht und eigens eine Dokumentation auf höchster Ebene anstrengt, zu einem Arzt, würde er trotz größter Schwierigkeiten mühsam behandelt. Warum? Weil er ein Ausländer ist und weil man in Deutschland Angst vor Diskriminierung ausländischer Menschen hat. Die Frage verlängert sich dahin gehend, wie sie behandelt werden? Selbst wenn der ausländische Patient nicht (oder nicht richtig) versichert wäre und selbst unter der Voraussetzung, er hätte einen eigenen Dolmetscher und Kultur- wie Religionsübersetzer dabei, hieße das noch lange nicht, das er entsprechend dessen, was er tatsächlich hat, behandelt werden könnte, weil keine Abrechnungsziffern dafür vorhanden sind – trotz aller guter Absichten des Arztes. Denn hinter den Symptomen verbergen sich tiefgründigere Probleme, als Symptome und Dolmetscher erzählen könnten, und über die deutschen, ökonomisierten Abrechnungsziffern behandlungsreif abrechnungsfähig wären. Oftmals sind erst Psychologische Psychotherapeuten in der Lage, mühsam Gründe für Erkrankungen auszugraben, bei ausländischen wie deutschen Patienten, um dann nach passenden Behandlungsmethoden Ausschau zu halten. Aber es gibt auch Schlitzohren unter ausländischen Patienten, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben und ihren neuen Immunitätsschutz aufgrund ihres primär nicht deutschen Kulturhintergrundes als Waffe einsetzen. So wollte mich doch jüngst ein 55jähriger Grieche unter Druck setzen, ich hätte ihn jetzt zu behandeln und wenn nicht, wolle er an die Presse gehen. Er hatte sich mit einer falschen Information hinsichtlich seiner Versicherung einen schnellen Termin mit der Lüge, er sei Privatpatient, ergattert und versuchte mich, mit 50 Euro zu erpressen, ich müsse ihn behandeln. Er schriebe ein Buch, wie man ausländische Menschen in Deutschland behandle! Mir platzte dann der Kragen und ich teilte ihm mit, er solle mal schnell zur Presse laufen und ihr das mitteilen. Denn damit gäbe er mir die Möglichkeit klar zu stellen, was er gerade hier mit mir exerzieren wolle und wie zuweilen ausländische Menschen Ärzte behandeln, in dem sie ihre Rechnungen nicht bezahlten oder sich so verhielten, wie er! Nicht nur er schriebe ein Buch über Verhältnisse in Deutschland, sondern ich auch! Und wenn er sich so in seiner eigenen Familie aufführen würde, könnte ich verstehen, weshalb niemand in der Familie mehr Kontakt mit ihm wolle. Gute Beziehungen ließen sich nicht erzwingen und eine psychotherapeutische Beziehung schon gar nicht! Ein paar Minuten später verließ er unter meinem Geleit meine Praxis.

Die Auswirkungen der ökonomisierten Leitlinien greifen jedoch in Abrechnungsziffern des generellen Berufsfeldes der Ärzte über: Schließlich hatten Ärzte in den letzten Jahren vor allem eine Sprache zu sprechen: die der ökonomisierten Leitlinien auf Basis der Gesundheitsreformen. Mir ist auch schleierhaft, wie Ärzte sich zusätzlich zu ihrem Arbeitspensum in die sozialen und kulturellen Hintergründe der Patienten, ob deutsch oder nicht deutsch, reflektierend und entsprechend gebildet, einklinken sollten. Sie haben gar nicht die Zeit dazu: Sie haben ja nicht einmal Zeit, deutschen Patienten ein paar Minuten zuzuhören – wie sollen sie Menschen zuhören, deren Sprache sie nicht sprechen und verstehen? Abgesehen davon hätten sie nicht den fachlichen Hintergrund, um psychische Störungen zu erkennen und entsprechend zu behandeln. Sollte dennoch der eine oder andere sensibel verstehen, welche Therapieform erforderlich ist, käme er zwangsläufig zu der Erkenntnis, dass er sich die genaue Diagnostik hätte ersparen können, da diese Behandlungsmethode in den ökonomischen Leitlinien nicht vorgesehen ist. Und bei alledem müssen die Ärzte stets im Kopf haben, wie hoch ihr Budget ist, um überhaupt Abrechnungsziffern einsetzen zu können. Angenommen, diese Information läge ihnen vor und sie wüssten nun, dass sie das notwendige Medikament nicht aufschreiben können, dann bekämen sie möglicherweise nicht einmal die Zeit bezahlt, die sie mit dem Patienten verbracht haben. Und die Sprachschwierigkeiten verhinderten ein Gespräch mit dem ausländischen Patienten über privat zu zahlende ärztliche Leistungen, wie zum Beispiel IGeL-Leistungen. Dies betrifft die in der obigen Auflistung genannten Zusatzzahlungen. Selbst wenn der Patient verstünde, um was es da geht, hätte er im Nachhinein immer noch die Möglichkeit zu sagen, er habe das völlig anders verstanden! Er könne keine private Zusatzzahlung leisten – würde der Arzt versuchen, das Honorar einzuklagen, stünde er da, wie ein Mensch, der die Migranten ausnähme, weil sie ja nicht richtig deutsch sprechen! Oder er landet in der Zeitung, weil eine Organisation oder ein Amt sich für den betroffenen Migranten einsetzte, der von deutschen Ärzten in die Irre geleitet würde.

Die Früchte der neuen deutschen Sprachkurse a là, „Wie spreche ich am besten mit Patienten?“, für die Ärzte Zertifikate erwerben können und die den Namen „partizipative Entscheidungsfindung“ tragen, sind bei Migranten nur bedingt einsetzbar – denn dafür muss man selbst bei deutschen Patienten sehr empathisch und wortgewandt vorgehen, um Patienten selbst zu zahlende ärztliche Leistungen zu verkaufen, sprich, an den Patienten zu bringen. Ausländische Patienten dürften diesbezüglich gar nichts mehr verstehen – denn dieses Vorgehen verstehen deutsche Patienten kaum. Sollten ausländische Patienten wider erwarten jedoch verstehen, worum es sich handelt, werden sie möglicherweise bei der Privatrechnung kundtun, dass sie gar nicht verstehen, wovon der Arzt denn spricht und warum denn nun die Kosten privat zu zahlen sind. Worum es sich bei einer „partizipativen Entscheidungsfindung“ genau handelt, wird im vorliegenden Buch ausführlich unter gleicher Überschrift erläutert.

Die neuen Gesetze und Verordnungen im Rahmen von Krankenbehandlungen machen jeden Einzelnen in diesem Gesundheitswesen zu einem Opfer. Man weiß gar nicht, um welches man sich als erstes kümmern soll: um die ausländischen oder die deutschen Patienten; um die Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten; um die noch gesunden Menschen, die zum Einkauf präventiver Produkte oder Behandlungen und Untersuchungen animiert werden; um die (armen) Politiker, die ja eigentlich gar keine Ahnung bezüglich der Auswirkungen haben, welche Systematik sie in menschliche Beziehungen wie dem des Arzt-Patient-Verhältnisses mittels Gesetze, Verordnungen und ökonomisierte Leistungsziffern hineintragen? Zusätzlich lauern Behandlungsfehler, wie Herr Jörg Blech (2007) sie für den medizinischen und ärztlichen Behandlungsbereich präsentiert. Jahrzehntelang sorgsam vertuscht, schlugen sie sich in Kritik und nutzlosen, weil nicht aussichtsreichen, gerichtlichen Anklagen nieder. Patienten hatten das Nachsehen. Der Zeitpunkt der notwendigen Selbstkorrektur wurde verpasst.

Nun schwärzen Patienten Ärzte in Internetseiten an – Gerichte werden mit Rufschädigungsklagen beschäftigt und Rechtsanwälte verdienen an entsprechenden Mandanten. Wie ich bereits in Band 1 bis 1.2 feststellte, tritt generell Verfolgung in sehr unterschiedlichen Formen und Misstrauen unverblümt an die kulturelle Oberfläche in unserer Gesellschaft. Ein Beispiel hierfür lieferte die Firma Lidl. Der Lebensmitteldiscounter bespitzelte Mitarbeiter (März 2008).

Unnötig zu betonen, Verkaufsverhalten von Bürgern ebenso wie deren Krankheiten, Behandlungen und Medikationen ebenfalls zum Ziel von Dokumentationen und Datensammlungen unter Anwendung geeigneter Software werden zu lassen, um sie neben dem primär vorgegeben Grund, zum Beispiel, bessere Behandlungsabfolgen und Reduktion von Gesundheitskosten, für andere Zwecke zu nutzen: Zum Beispiel privat zu bezahlende Zusatzversicherungen und/oder Ausschlüssen von Krankenversicherungen.

Die deutsche Wirtschaft ist gleichfalls von Auflagen und Bespitzelungen getroffen. Mittlerweile, so ließe sich nur ironisch sagen, ist sie sogar so arm dran, dass sie schon ins Ausland flüchtet … Wohl dem, der die Alternative hat, ins Ausland gehen zu können!

Um noch einmal das Thema Integration zu bemühen, möchte ich betonen, dass heutzutage mehr denn je zu gelten scheint, Integration zum generellen kulturellen Thema zu erheben: Es ist inhaltlich auf die Menschen Unten zu erweitern, die durch Elite- und Wettbewerbsideologie, in existenzielle Abgründe gestürzt werden.

Das Heilungsprinzip, muss naturgemäß ebenso abgesichert und geschützt werden, wie das Leben und der Mensch generell: Weil sonst das Leben und der Mensch nichts mehr wert ist, wenn dieses kulturelle Ziel nicht in der Mitte der Kultur politisch platziert wird. Dafür bedarf es aufrechter Menschen, die Partner anerkennen – und zwar nicht, weil irgendjemand von „Oben“ definiert, was ein Partner sein könnte, sondern, weil Menschen den Menschen ein Mensch sein müssen. Dadurch zeichnet sich Kultur aus. Kultur ist von Natur unterschieden. Kultur verfeinert Natur und beherrscht sie. Davon kann gegenwärtig in Deutschland nicht die Rede sein. Wenn man dem Freudschen Triebmodell Realität zumisst, so könnte eher davon gesprochen werden, dass durch diese Art von Kultur menschliche Ur- und Unnatur gefördert wird: Die Gier!

Das menschliche Wesen ist als sensibles, empfindsames Leben zu entdecken und zu benennen, dem man nicht grenzenlos mit zahllosen und sehr verschiedenen Verletzungen aus allen Richtungen weiterhin entgegen treten und es dergestalt behandeln kann. Menschen müssen eine völlig neue Art von Aufrichtigkeit und Mut entdecken und lernen: Nämlich für einander einzutreten und Leben zu schützen – Parteien und Ideologien unabhängig.

Die künstliche Einteilung von Menschen in Oben und Unten, die nichts mit menschlichen Wesenszügen, sondern ausschließlich ökonomischen Prinzipien zu tun hat, verdeckt das gemeinsame Merkmal Mensch. Sie werden gegenwärtig nicht nach dem universellen und gemeinsamen Merkmal, sondern nach Merkmalen, die durch die globale Wirtschaftsideologie geschaffen wurden, behandelt. Weder im Gesundheitswesen noch generell in der Kultur werden Ärzte noch Psychologische Psychotherapeuten noch Patienten als gleichberechtigte Menschen und Partner in Sachen Erhalt des Menschen angesehen. Sie werden bevormundet und letztlich entmündigt – trotz freier und demokratischer Wahlen. Gibt es in unserer gegenwärtig praktizierten Demokratie überhaupt noch Einflussmöglichkeiten auf Politik und Wirtschaft von Unten?

Generell scheint in der Welt das Motto für Entscheidungen allein durch ein Interesse motiviert zu sein: Geld. Das Geld oder das Kapital strukturiert Hierarchien, die Türen für diejenigen verschließen, die keines haben. Es gibt Merkmale, die ein Mensch hat oder nicht hat, um Einlass und Gehör an entscheidenden Stellen innerhalb der Gesellschaft zu finden.

Dieses Prinzip ist so normal, dass es als akzeptiert und natürlich gilt: Aber, bei Leibe, das ist nicht normal! Denn es heißt nichts anderes, als dass Geld und Mensch gleichgesetzt wird und dass es darüber hinaus nicht viel gibt, das eine Verbindung entstehen ließe. „Es gibt Menschen, denen ihr Geld lieber ist als ihr eigener Leib“, heißt es im Talmud (Bavli Berachot 61). Seele und Leib der Menschen sind in unserer modernen Wettbewerbswelt nicht mehr Ziel von Heilung, sondern Ziel der Ökonomie. Im Krieg ist direkte Zerstörung von Menschen das Ziel. Sie werden auf Körper und Zahlen reduziert.

In unserer Kultur der Gegenwart werden Menschen langsam auf von unterschiedlichen Seiten unmerklich zerstört. Zwar wurden Gräueltaten nach den Kriegen als notwendige Voraussetzungen deklariert, überhaupt einen Krieg führen zu können. Die Schuldfreiheit des Handelnden im Krieg erfolgte zwar kulturell gesellschaftlich auf Geheiß, aber da wurde die Rechnung ohne die Seele gemacht, die in jedem einzelnen Soldaten (und seinen Nachkommen!) weiter wirkt(e).

Die Fokussierung von Gewalt, Krieg und Folter im psychotherapeutischen Arbeitsfeld der Traumatisierungen zeigt, das juristische und gesellschaftliche Entschuldung nicht reicht: Menschen, die einen Krieg erlebt haben, tragen massive Schäden aufgrund der Erlebnisse mit sich herum. Sie werden in ihrem Leben nicht wieder glücklich.

Die Arten und Weisen der Zerstörung des Menschen sind zahlreich. Man hat Prinzipien auf Menschen angewandt, die seiner unwürdig sind. Dazu zählt auch der generelle Umgang mit Menschen und deren medizinischer Versorgung. Der Mensch wird angegriffen, statt geschützt – und das, weil es primär allerorts um Geld und nicht um Heilung und Erhalt des Menschen geht. Im Gegenteil ist es so, dass der Mensch lernen muss, trotzdem zu leben! Politisch und wirtschaftlich wird so getan, als seien die Folgen von Kapitalismus und Globalisierung eine geschichtlich natürliche Konstante, die im Rahmen der Evolution entstünde: Der Stärkste setzt sich durch und überlebt. Zu bedenken wäre, dass es vielleicht nicht diejenigen sein werden, die momentan denken, dass ihnen kein Unheil zustoßen könne: Die Hungernden wehren sich seit April 2008 in vielen Teilen der Welt.

Steht nicht mehr der Mensch und Menschen, die anderen helfen wollen und für einander einstehen, im Zentrum einer Gesellschaft, ist sie für den Untergang prädestiniert. Denn dann bestimmt ein nicht-menschlicher und nicht-natürlicher Wert das Leben von Menschen. Das Unnatürliche wird vermenschlicht – der Mensch hingegen entmenschlicht, versachlicht und geopfert. Die Umkehrung von Selbstwert in einen künstlichen Selbstwert, der vom Kontostand abhängig ist, oder umgekehrt, einem Mehrwert, der den Selbstwert eines Menschen bestimmt und steuert, ist unmenschlich, nicht menschlich. Diese Umkehrung bestimmt alle anderen Werte und zielt primär auf die Vermehrung von Geld, das zu Kapital wird, um es wieder im Roulette als existenzielle Kugel zwischen Leben und Tod international einzusetzen.

Im Hinblick auf den Zustand und die Zukunft der Gesundheitswirtschaft plädiere ich für Mensch und Heilung, für Selbstwert und dem Wert von Leben. Mensch und Heilung haben unabhängig von allem anderen an der Spitze der Werte einer Kultur und der globalen Politik zu stehen. Aktuell ist der Mensch erst in zweiter Linie platziert. Der Mensch darf zusehen, wie er unter diesen Lebensbedingungen zurechtkommt. Ich möchte nicht behaupten, dass man mit Macht ebenso wie mit Geld nicht auch Gutes bewirken kann. Es kommt nur darauf an, wer es als Mensch in den Händen hat und wie glaubwürdig eine solche Person ist – und vor allen Dingen, ob sie es tut! Sprich, ob derjenige einen gesunden Selbstwert besitzt, der Mitgefühl und Verantwortung anderen Menschen gegenüber widerspiegelt. Der Mensch ist Dreh- und Angelpunkt.

Ganz anderes sehen allerdings die Wettbewerbsideologen in der Gesundheitswirtschaft vor: Hier lautet das oberste Gebot nicht, Menschen gesund zu machen. Schließlich lässt sich mit kranken, halbkranken, chronisch kranken und auf Prävention bedachten Menschen mehr Geld verdienen. Und das hat allein mit dem System „Gesundheitswesen in der Gesundheitswirtschaft“ zu tun. Leben und Tod werden in Zahlen und Abrechnungsziffern neutralisiert. Heute gibt die Art der Krankenversicherung Auskunft darüber, welche Heilungschancen ein Patient hat und letztlich auch, welche Lebenserwartung. Das ökonomisch ausgeklügelte System übernimmt die Zuweisungen von Gut und Böse, von Leben und Tod. Menschen, ob Behandler oder Patienten, sind Ware und werden im Gesundheitsmarkt entsprechend gehandelt und gesetzlich gesteuert. Das ökonomische System weist den beteiligten Ärzten und Psychotherapeuten wie den Patienten Plätze auf dem ökonomischen Schachbrett zu. Jeder hat eine ganz bestimmte Funktion zu erfüllen. Die Spielregeln bestimmt vor allem das kapitalistische Wirtschaftssystem, individuell-national eingefärbt durch die jeweiligen Politiker. Die deutsche Wertarbeit als Beleg für reibungsloses Funktionieren und Qualität gilt und garantiert, dass sich systematisch die Gesundheitswirtschaft gegen Menschen, Patienten, Ärzteschaft und Psychologische Psychotherapeuten in der Gesundheitswirtschaft richtet. Eine Perfektion an der falschen Stelle, wie man es als Phänomen in allen wirtschafts-politischen Bereichen antrifft und von mir als bewusste Ignoratio-Elenchie-Haltung zusammengefasst wird.

Zur Bedeutung des Einflusses kapitalistischer Wirtschaftsordnung und Gesundheitswesen schrieb Jacques Attali in seinem Buch „Die kannibalische Ordnung“ (1981), der Arzt würde durch Maschinen und Prothesen ersetzt. Eine Industrie mit Genetik und Informatik im Gepäck würde ihn, den Behandler, überflüssig machen. Aus heutiger Sicht lässt sich sagen, die Invasion der Apparate-Medizin der letzten 20 Jahre war bereits gigantisch und wird weiterhin fortgesetzt. Die Maschine ersetzt bereits vielfach Körper und Körperteile. Die ärztlichen Standesorganisationen steuerten mittels ihrer politischen Positionierung als „Götter in Weiß“ dagegen: Statt dass sich die Zahlen der behandelnden Ärzte aufgrund dieser Innovationen mittels Maschinen, Apparate und Prothesen reduzierte, stiegen die Kosten im Gesundheitswesen unerbittlich in nicht mehr bezahlbare Dimensionen. Die Apparatemedizin wurde in der Praxis umfunktiona-lisiert: Sie zahlte sich für Hersteller wie Ärzte aus. Die kalkulierte Prognose der Kostenreduzierung bewahrheitete sich ebenso wenig wie der Arzt nach der Analyse und Prognose durch Attali (1981) überflüssig wurde. Die Standesorganisationen konnten den alt bekannten Spieß bezüglich der Einnahmen insofern noch einmal umdrehen – aber nicht, ohne Schaden zu nehmen: Der gute Ruf der Ärzte schwand. Die Patienten wurden nicht gesünder, viele behielten ihre Krankheiten und Symptome, oder Krankheiten verschoben sich in andere Leiden mit gewinnbringendem Krankheitswert. Chronifizierung von Krankheit war die Folge. Insofern kann man von Nebenwirkungen mit Blick auf den Patientenerhalt sprechen, die sich für Krankenkassen als nicht mehr bezahlbar herausstellten und für Ärzte ein flottes Leben in damaliger Zeit bescherten. Heute rudern und tummeln sich die Standesorganisationen in der Gesundheitswirtschaft munter weiter. Das Nachsehen haben die Ärzte. Ihnen wurde die alleinige Sündenbockrolle offiziell zugeschoben, da sie ihre Patienten so behandelten, wie mit heilungsfernem und strukturiertem Fokus durch die KVen erarbeitet. Die Standesorganisationen, die in der Vergangenheit die alten Strukturen etablierten und für die Gegenwart vorbereitende Strukturen für die Arbeit in der Gesundheitswirtschaft in Form von medizinischen Versorgungsstrukturen überhaupt einführten, leiden nicht unter den Veränderungen – aber die Patienten, die Ärzte- und Psychotherapeutenschaft.

Die Psychologischen Psychotherapeuten, sind die Berufsgruppe innerhalb der Ärzteschaft, die, um in einem Bild zusprechen, zwischen festem Boden (Oben) und Wasser (Unten) im (globalen) Schlamm stehen, um sie wieder auf den festen Boden zu ziehen und dem Leben wieder zurückzugeben. Wir sind gleich den Enkis, jenen kreativen, winzigen Geister aus der sumerischen Mythologie, diejenigen, die Konfliktlösungen in mikroskopischer Kleinarbeit entwickeln, seelische Kräfte wecken und Erinnerungen an den Selbstwert des Menschen anstoßen. Eine solche Berufsauffassung dürfte inzwischen eine Rarität in Deutschland sein, zumal die Heilungsorientierung natürlicherweise in ihrer Tätigkeit liegt und sich durch diese weiter entfalten kann.

Psychologische Psychotherapeuten (PP) haben heute die Aufgabe, gemäß den wissenschaftlich anerkannten Richtlinienverfahren zu behandeln. Damit verfügen sie allerdings dennoch über eine inhaltliche Freiheit, die den Ärzten seit den ökonomisierten Behandlungsleitlinien und der vorgeschriebenen Verschreibungsverordnung genommen wurde. Jede psychotherapeutische Behandlung richtet sich naturgemäß individuell aus und verläuft dementsprechend völlig anders als bei einem anderen Menschen. Da diese (zwar eingeschränkte) Freiheit vorhanden ist, stört es doch das Bild in der naturwissenschaftlich-ökonomisch orientierten Gesundheitswirtschaft gewaltig: Geisteswissenschaftler im gesetzlichen Gesundheitswesen denken und arbeiten völlig anders und haben eine größere Behandlungsfreiheit, in der nicht jeder einzelne Schritt wie bei Ärzten vorgeschrieben ist.

Plötzlich sind es allein die zugelassenen Psychotherapeuten, die das Heilungsprinzip vom ersten Augenblick des Patientenkontaktes an verwirklichen können, obwohl sie nie auf den Hippokratischen Eid schwören mussten. Ärzte hingegen müssen um ihre Berufsidentität im Sinne des Hippokratischen Eides kämpfen – worunter sie vermutlich zumindest teilweise sehr leiden.

Dass nun ausgerechnet die jüngsten KV-Mitglieder, die Psychologischen Psychotherapeuten, in dieser Hinsicht politisch die Ersten sind, die für den Kern der Heilung schon immer ohne es zu wissen oder politisch betonen zu müssen, eingetreten sind, kann von der KV und der Politik im Sinne der Gesundheitswirtschaft nicht hingenommen werden. Die Psychologischen Psychotherapeuten sind derzeit die einzigen Mitglieder in der Facharztgruppe der Psychotherapeuten, die ihn wie selbstverständlich einhalten bzw. beruflich leben! Dafür, so könnte man schlussfolgern, will man sie ökonomisch und berufsrechtlich den Ärzten unterordnen.

Das gegenwärtige ärztliche Berufsrecht ist daher gegenüber dem Berufsrecht der Psychologischen Psychotherapeuten eine Probe und Provokation sondergleichen. Diese Zusammenhänge werden im vorliegenden Buch aufgegriffen und weiter vertieft. Zu fragen ist, ob Ärzte ihre Seele verkaufen oder nicht? Die Berufsseele wurde politisch gegen beruflich-ökonomische Existenz gesetzt. Dies provoziert eine Fokussierung der KV-Mitglieder pro Heilungsprinzip oder pro Ökonomie. Insgesamt sollen Psychologische Psychotherapeuten den Ärzten, folgt man den massiven Einsätzen (vgl. Band 2) durch Medizin und ärztlichen Standesorganisationen, untergeordnet werden, indem es für Psychologische Psychotherapeuten ohne den „Gott in Weiß“ nichts zu denken, nichts zu handeln und zukünftig vielleicht auch nichts mehr zu verdienen gibt. Sie sollen in Projekten für Ärzte tätig werden, während diese für die Gesundheitswirtschaft ackern. Über kurz oder lang sollen Psychologische Psychotherapeuten – ebenso funktionalisiert – in medizinisch-gesundheitswirtschaftlich orientierten Projekten, Kliniken, integrierten Versorgungsprojekten, Netzen und sonstigen Strukturen, auf ärztliche Weisung versteht sich, arbeiten. Betrachtet man diese Gesundheitspolitik und bedenkt, dass die Wirtschaft Universitäten und Kliniken einkauft, präsentiert sich das Ziel der Gesundheitswirtschaft einmal mehr unverblümt: Profit. Betrachtet man dies vor dem Hintergrund der analystischen Weissagung von Attali, kommt man zu dem Schluss, dass Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten nicht durch Apparate oder Roboter ersetzt werden, sondern dass sie sich mittlerweile selbst durch sich selbst zu ersetzen haben, indem sie sich mit der Ideologie der Gesundheitswirtschaft identifizieren müssen oder ihre Arbeit aufgeben. Studenten ziehen es vor, erst gar nicht mehr Medizin zu studieren. Ärzte müssen sich seelisch verraten und das Heilungsprinzip begraben, wenn sie die ökonomisierten Leitlinien in der Behandlung mit Patienten erfüllen. Doch sobald sie das tun, wird immer jemand von Außen kommen und sagen: „Da, ihr habt den Hippokratischen Eid verraten! Ihr seid Verräter an der Menschheit und am Patienten – so was wie ihr dürfte niemals behandeln.“ Wer solche Anschuldigungen ausspricht, hat nicht bedacht, dass die gesamte kapitalistische Gesellschaft auf Verrat des Menschen aufbaut und sich diese Art von „Wahrheiten“ den jeweiligen politischen und wirtschaftlichen Erfordernissen wie ein Chamäleon anpassen. Die vielfältigen und sich teilweise ausschließenden Gesetze erfüllen ihre Funktion gleichfalls in der Schaffung von Schuldgefühlen: In Deutschland ist es weder generell noch in der Gesundheitswirtschaft möglich, sich für ein Gesetz zu entscheiden ohne nicht gleichzeitig ein anderes zu verletzen. Das kulturelle System baut auf Schuldgefühlerzeugung auf – davon lebt es. Schuldgefühle erzeugen neben der Qual zusätzlich Unsicherheit, mit der sich Menschen steuern lassen.

Die ethischen und moralischen Halbwahrheiten und Halbinformationen treffen auf halb wahre Menschen, die in dem Konflikt stehen, für welche Seite sie sich entscheiden sollen. Vermutlich kann man diese Tatsachen verdrängen, so tun, als gäbe es sie nicht, solange man noch die Miete bezahlen und Lebensmittel einkaufen kann. Während Menschen im Sinne von politisch-wirtschaftlichen Interessen funktionalisiert werden, verhalten diese sich tapfer so, als merkten sie es nicht. Nur nicht auffallen. Und irgendwann kann niemand mehr sagen, was eigentlich menschlich und was heilsam ist. Kurz, was überhaupt noch irgendeinen Wert darstellt – weil sie in Vergessenheit geraten. Die Inflation der Werte inflationiert den Menschen. Er fällt auseinander, ist gebrochen. Die Perversion wird Normalität.

Die Politiker und Institutionen wenden unternehmerische Strategien wie ein Allheilmittel auf jegliches Problem im Staate an. So glaubte man, mittels ökonomisierter Leitlinien das Gesundheitswesen modern revolutionieren zu können. Eine gegenwärtige Kulturdiagnose müsste lauten: Die verabschiedeten Gesetze und neu angelegten Strukturen schließen sich gegenseitig aus, sind nicht aufeinander abgestimmt. Zwar stimmt jetzt die Kasse bei den Krankenkassen, die Defizite sind ausgeglichen, aber es stimmt nicht für Patienten und gleichfalls stimmt es für Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten nicht.

Die Ganzheit, das Ziel, ist in der Gesellschaft verschwunden. Geht es um Heilung von Patienten? Geht es um weitere Erkenntnisse der deutschen Elite im Gesundheitswesen, wie Heilung und Gesundung von Patienten hergestellt werden kann? Sie konnten sich vor den Gesundheitsreformen nicht äußern, da strukturierten die KVen das Gesundheitswesen gewinnträchtig für die Mitglieder und sie können es jetzt nicht: Jetzt herrschen die politischen Verordnungen und Gesetze in gemeinsamer Arbeit mit Ökonomen und privaten Geldgebern.

Es muss die Frage erlaubt sein, warum man diese deutsche Elite nicht fragt, wie man Heilung und gleichzeitig auch akzeptable Finanzierung des Gesundheitswesen gestalten kann – ohne dass sich die KVen und KBV als Sprecher für die Gesamtheit der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten zu Wort melden und deren Arbeitsalltag (nachteilig) prägen.

Die deutsche Kultur besteht aus hermetisch abgeriegelten gesellschaftlichen Monokulturen, aus Mikroeinheiten des Wettbewerbs. Einziges gemeinsames Merkmal: Inkompatibilität. Das Chaos durch Wettbewerb ist erwünscht, denn dann kann kaum noch jemand zur Verantwortung gezogen werden. Die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut - geschweige denn, was diese Politik in den Menschen bewirkt. Das einende Prinzip, der Wert, die kulturelle Orientierung ist hin. Das Ergebnis sind Zerstörung und Feindschaft, die nur einen treffen: den Bürger, den Patienten und generell den Menschen. Dank dieser Minisysteme im Wettbewerb ist es für die „Oben“ immer leichter geworden, Verantwortung von sich zu weisen und sich Schuldfragen erst gar nicht mehr stellen zu lassen. So verwundert es auch nicht, dass Ärzte sich im Konkurrenzkampf um Patienten gegenseitig zerfleischen – um sich dann aber wiederum als Berufsgruppe traute Einigkeit demonstrierend öffentlich über und nicht gegen und in ihren Standesorganisationen und in ihrer Selbstverwaltungen (KVen) zu positionieren.

Das vorrangige Gefühl der Menschen ist – offene oder unterdrückte – Wut über ein Deutschland, das zu wenig Perspektive und Aufwind zeigt. Von Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit und Wahrheit ist nur noch zu philosophieren, ein Hin zur positiven Wende nicht spürbar. Es gibt ein paar tapfere Einzelkämpfer wie sie in der „Freien Ärzteschaft“ zu finden sind – aber ihr Wirkungsradius und der Einfluss auf die Gesamtrichtung ist minimal, auch wenn sie 2010 mitteilen, dass sie Einzug halten in die KV. Die Lösungsvorschläge der verschiedenen Repräsentanten der Interessensgruppen in Unternehmer- oder Politikerkreisen muten an wie weitere Vertuschungsmanöver. Die Wut der Bürger erscheint wie ein roter Teppich, der die tiefer liegende Scham, „dass ihm selbst nichts einfällt“ und die damit einhergehende Hilflosigkeit und Ohnmacht zudeckt: Was tun, gegen einkommensorientierte Menscheneinteilung? Was tun, wenn Menschen keine Einkommensquellen gesellschaftlich mehr auftun können? Aber wie sollte jemandem auch noch etwas einfallen, da doch alles mittels Gesetzen festgenagelt ist? Und zwar so umfassend, dass Bürger mitunter in gesetzliche Fallen stolpern, von denen sie gar nicht wussten, dass es sie gibt. Auch diese gesetzlichen Strategien scheinen mit Bedacht in der psychischen Auswirkung auf Hilflosigkeit und Resignation von Menschen zu zielen.

In dieser Gesellschaft werden eigene Bedürfnisse, die zur menschlichen Existenz wie das Atmen gehören, verleugnet. Und so werden lieber erkenntnistheoretische und basiswissenschaftliche Forschungsergebnisse –zum Beispiel aus der Psychologie – benutzt, um zu manipulieren, statt ein Handwerkszeug für ein erfülltes Leben an Menschen zu verteilen und zu lehren. Wir „leben“ in einer Leerkultur mit unglaublicher Fülle. Aber nirgends existiert ein Analysebesteck, das den Menschen Mut machen könnte, den historisch erforderlichen Weg zu beschreiten, nämlich einfach mal absolut „Nein“ zu sagen. Stattdessen wird der wissenschaftliche Werkzeugkasten gegen die menschliche Natur, und damit krank machend, eingesetzt, um weiterhin Gewinne zu generieren! Warnungen von Wissenschaftlern, Ärzten, Psychologischen Psychotherapeuten oder einfach tatsächlichen Gut-Menschen verpuffen an dem politischen Stoizismus. Von greifbaren politischen wie wirtschaftlichen Konsequenzen ist keine Spur wahrnehmbar.

Mitgefühl mit den betroffenen Menschen wird in Form von großzügigen Spendenaktionen demonstriert, um danach zur Tagesordnung überzugehen. Diese taktische Ignoranz erklärt existentielle Notwendigkeit zur Nichtigkeit, ja, zum Nichts. Das Licht wird nur auf Gewinne, Glamour und Managermedizin fokussiert. Die Schattenseite von Luxus und Profit birgt Missstände vielfältiger Art: furchtbare Gewalt- und Tötungsdelikte, Verwahrlosung von Kindern, Anstieg bestimmter psychischer und somatischer Krankheitsbilder … Wirtschaftliche Erfolge und Reichtum helfen dem Gros der Menschen auf der Welt nicht.

Im Gegenteil: In reichen Industrienationen wie Deutschland, deren Unternehmer zu den erfolgreichsten Globalplayern weltweit zählen, werden Menschen vorsorglich in ein klares Unten und Oben geteilt – ohne dass sie großartig etwas dagegen machen könnten. Das Gesundheitswesen wird den Investoren wie ein Knochen hingeworfen, damit sie das Interesse an diesem Land nicht verlieren. Der Gesundheitsmarkt gilt als boomender Markt mit Ewigkeitsgarantie. Unter die Räder geraten alle – außer denen, die Geld haben. Die werden später folgen. Damit ist für viele Menschen die persönliche Grenze psychischer Kunststückchen, um in diesem System funktionieren zu können, erreicht …

Scheinheilung und Patientenerschaffung - Die heillose Kultur - Band 3

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