Читать книгу Scheinheilung und Patientenerschaffung - Die heillose Kultur - Band 3 - Dr. Phil. Monika Eichenauer - Страница 9
ОглавлениеDer Spitzentanz – ein Klassiker
Mit der Technisierung wird die Welt kleiner, weil jeder Mensch schneller seinen Standort wechseln kann, um von A zu B zu gelangen: Mit dem Auto, Eisenbahn und kleinen Flugzeugen fing es an. Ein sehr schnelles Medium half Entfernungen mittels Kommunikation zu überwinden: das Internet. Kommunikation rund um die Welt verbindet Menschen in Wohnzimmern und Hütten am Strand. Das Gute und das Schlechte verbreitet sich fast mit einem Wimpernschlag, ob Krankheit oder Idee und Statement. Und: „Es gibt auf dieser Welt kein einziges gesondertes Leiden, keine einzige Folter mehr, die sich nicht auf unseren Alltag auswirkte.“ (Camus, 2006, S.32) Mit dem Ausbau von Kommunikations- und weiteren Wegeüberbrückungsmitteln wurden gleichzeitig Systeme in der Wirtschaft entwickelt, um noch schneller zu noch höheren Gewinnen zu gelangen. Time und Software ist Money. Dafür, für Money, argumentierten Firmen, ihren Standort ändern zu müssen. Grenzen wurden quasi wirtschaftlich überflüssig und mittels Abkommen überflügelt, aber dennoch wird an ihnen hart gekämpft. Rohstoffe sind kapitalisierbar und versprechen weitere Gewinne und Vorteile. Von der Ökonomie abhängige Menschen müssen bereits seit Jahren längere Anfahrtswege zu ihren Arbeitsstellen in Kauf nehmen oder gar umziehen, wollen sie ihren Arbeitsplatz behalten. Menschen aller Nationalitäten verließen ihr eigenes, meist armes Heimatland, um in den reichen Ländern ihre Existenz durch Arbeit zu sichern. Bei all’ diesen Veränderungen haben sich jedoch nur zwei Dinge sehr unwesentlich verändert:
Erstens die Haltung, die Werteordnung so zu erhalten, wie sie ist. Profit ist an erster Stelle, der Mensch, als Mittel zum Zweck, an zweiter Stelle. Profitorientierungen der Wirtschaft ordnen alle anderen Werte unter.
Zweitens sind das menschliche Wesen und seine körperlichen Voraussetzungen so geblieben, wie sie seit Jahrtausenden waren. Das Ohr ist ein Ohr geblieben und ein Mund oder ein Kopf oder Bein ein Mund, ein Kopf oder eben ein Bein. Die damit verbundenen Funktionen, über die jeweiligen Sinne wahrzunehmen, haben sich gleichfalls nicht geändert. Aber die Anforderungen an die Seele und die Psyche des Menschen stiegen exorbitant. Menschen sollen sozusagen mit allem fertig werden, was von ihnen verlangt wird und das in immer kürzerer Zeit. Diese Gesetzmäßigkeiten von Seele und Psyche, wie sie funktionieren, was sie ertragen können und was nicht, wird nur insofern in Betracht gezogen, wie man aus diesem Wissen wiederum Profit schlagen oder es gar gegen Menschen einsetzen kann. Die Idee der Heilung bleibt auf der Strecke. Seele, Psyche und Gefühle sind bei der Technisierung und Ökonomisierung ignoriert worden oder aber waren im Gegenteil nur insofern von Interesse, als sie wiederum Werkzeuge für Profit waren: Wie kann man am besten Menschen manipulieren? Wie sie dazu bringen, zu kaufen, zu konsumieren und für wenig Geld zu arbeiten? Am besten dadurch, dass sie immer nur wenige Mittel zum Leben zur Verfügung haben, sprich, sie fast nichts sparen können und sich diese Mittel – wie in der Gegenwart – immer weiter reduzieren. Wie weckt man in solchen Zeiten künstliche Bedürfnisse? Zum Beispiel durch Abwrackprämien, die aber gleichzeitig bewirken, dass Werte, sprich noch immer funktionstüchtige Autos platt gewalzt werden. Was verkauft sich am besten? Sex sells! Aber auch Gewalt und Perversion sells. Perverse Gewalt lässt sich in allen gesellschaftlichen Bereichen aufzeigen, wenn es gilt, sich anderer zu bemächtigen und zusätzlich Kapital aus ihnen zu schlagen. (Vgl. Marie-France Hirigoyen: Die Masken der Niedertracht. 2008). Menschen wurden und werden durch das Hamsterrad des time is money getrieben und verlieren Leib und Seele in einem gesetzlichen Käfig, in dem sie selbst nicht mehr handeln können. Psychische Abwehrmechanismen werden notdürftig von der Seele zusammengeschustert, um lebbar zu machen, was nicht mehr erstrebenswert und lebbar ist.
Seele, Psyche und Gefühle wurden und werden öffentlich abgewertet und wirtschaftlich benutzt, wie gleichfalls diejenigen Berufe, die sich mit ihnen wissenschaftlich, theoretisch und praktisch, wie in der Psychotherapie, beschäftigen. Abwertung drückt sich in unserem wirtschaftspolitischen System über Geld, das diesen Berufsgruppen mit akademisch-universitärer Basisausbildung und zig Zusatzausbildungen als Lohn oder Honorar gezahlt wird, aus. Sitzt ein Diplom Psychologe oder Psychotherapeut in einem großen Konzern oder in einer Bank und wird in der Werbung oder Personalberatung tätig, dann ist er sozusagen freigesprochen von Zweifeln, selbst „nicht ganz dicht“ zu sein. Übrig bleibt zusammenfassend auf dieser Betrachtungsebene: Dasjenige, was gesellschaftlich am meisten ignoriert und abgewertet wird, Seele, Psyche und Gefühl, sind gleichzeitig diejenigen Anteile des menschlichen Wesens, die die größten Anpassungsleistungen jeden Tag zu bewältigen haben, um mit gesellschaftlichen Realitäten und Interessenlagen wie diesen klar zu kommen. Gleichzeitig ist dieses Trio dasjenige, was am wenigsten gesellschaftlich geschützt und von der Wirtschaft genutzt wird, um Gewinne zu erwirtschaften. Dies geschieht durch Täuschung, Manipulation und erzwungene ökonomischer Abhängigkeit qua wirtschaftlicher Systematik von Menschen weltweit.
Integration anderer Kulturen und Religionen mit Erhalt der Unterschiede ist ein wesentliches Thema rund um die Welt in der heutigen Gesellschaft, in der offensichtlich alles und alle gleich und gleich arm gemacht werden (sollen). Abgesehen von denen, die reich sind. Diese Menschen wollen noch reicher werden. Und zwar durch Armut und Leid der Mittellosen – dabei ist es egal, welcher Nationalität ein Mensch ist. Das Gleichmachungswerkzeug ist die Konzeption der Oben-Unten-Gesellschaft, unter die alle Nationalitäten fallen. Menschen interessieren als Individuen kaum. Kultur ist etwas, was in der Freizeit an anderen Menschen bewundert wird, wenn es in Events, Shows oder auf Märkten feilgeboten wird – aber nicht, wie Menschen leben und welche Gewohnheiten und Rituale sie bevorzugen. Aber ausländisches Essen in entsprechenden Restaurants ist von Interesse... „Liebe“ oder Annäherung geht halt’ durch den Magen... der Darm ist bekanntlich das zweite Gehirn (GEO: Signale aus dem Reich der Mitte. Nr . 11/2000, S. 136ff.)
Zum Beispiel werden Bankstrategien, wie sie in armen Ländern in Form der Mikrokredite angewendet werden, damit arme Menschen sich aus der Armut befreien können, nun auch in Deutschland, eines der höchst entwickelten Länder der Erde, eingesetzt, damit die durch wirtschaftspolitisch-globale Entscheidungen in die Armut getriebenen Menschen, Chancen haben, sich aus existenziell bedrohlichen Situationen SELBST zu befreien, in die Wirtschaft und Politik sie hineintreiben (Vgl. Ruhr-Nachrichten 19.4.2008). Nicht Wirtschaft und Politik tragen Verantwortung für die ihnen anvertrauten Bürger, sondern der Bürger trägt letztendlich die Verantwortung, wie er sich in diesem gesellschaftlich-ökonomischen Flechtwerk einfügt und überlebt. Ob Mensch und Menschheit darin überleben können, ist eine völlig andere Frage! Da ist Intelligenz, Phantasie und Mut von jedem einzelnen gefragt. Kultur und Gesellschaft gleichen sich einem künstlichen Dschungel mit dem Ziel des Überlebens an. Dies wird als ein Zeichen gewertet, kulturell, politisch und wirtschaftlich hoch entwickelte Länder auf ein gleiches existenzielles Niveau gebracht zu haben, wie es in weniger entwickelten Ländern der Fall ist. Es findet eine weltweite Angleichung von Menschen an das wirtschaftlich notwendige, und sich zwangsläufig durch Globalisierung ergebende, Konzept von Zweiklassenlebensformen, die Menschen in arme und reiche aufteilt, statt. Die nach dem zweiten Weltkrieg angestrebte Anerkennung der natürlichen Gleichheit aller Menschen in den Internationalen Menschenrechten findet im Kapitalismus heutiger Tage die Verkehrung in ökonomische Gleichheit in der Masse mit dem Ergebnis der Verarmung.
Dieser wirtschaftliche Umkehrprozess natürlicher Gleichheit (als Mensch) in künstlich erzeugte Gleichheit (als Konsument und Leistungserbringer oder Hartz-IV-Empfänger) gebiert zusätzlich und/oder ursächlich zahllose Erkrankungen in allen erdenklichen Formen in Menschen. Sind Existenz, also Leben und Lebensformen von Menschen bedroht, ist Angst Folge und Motor, sich befreien zu wollen. Gleichzeitig ist Angst das Instrument, um Menschen anzupassen und zu führen. Wie und wo soll sich der Mensch befreien, wenn gesetzlich jegliche Lebensäußerung strukturiert und kontrolliert ist? Kurz, wenn alles wasserdicht für Menschen gemacht worden ist, damit sie sich aus dem Oben-Unten-System nicht befreien können, weil sie genau an der Stelle, an der sie sich befinden, wirtschaftlich und politisch sinnvoll für die Gemeinschaft sind? Denn es besteht großes ökonomisches Interesse am Erhalt der Ordnung, so wie sie ist. Dafür wurden Milliarden Steuergelder ausgegeben. Angst und Panik um die Existenz fließen in körperliche und psychische Krankheiten. Politisch bringt es vor allem brisante Themen wie Neid, Aggression, Verelendung und völlig neue Lebensstile hervor. Bestrebungen von Integration der Kulturen unterschiedlicher Nationen in einem Land wie Deutschland spült das Phänomen wie selbstverständlich an die Oberfläche, dass existenzielle Notwendigkeiten zur Integration dieser Menschen – wie auch bei deutschen Menschen, die nicht über einen gehobenen Lebensstandard und Einkünfte verfügen – weitestgehend ignoriert werden und andererseits mittels fremder Kulturen in Kunstausstellungen, Mode und Lifestyle politisch kokettiert und von der Wirtschaft verdient wird. Die Minister reisen auf Steuergeldern rund um die Welt, um die deutsche Wirtschaft günstig zu positionieren. Sie implantieren politisch Wirtschaft und sorgen für kulturellen Austausch. Ist das alles, was mit Integration gemeint sein könnte? Was für ein Menschenbild und welcher Vorstellung vom menschlichen Wesen folgen diesen politischen Ambitionen?
Und natürlich geht diese globale Wirtschaftsentwicklung des deutschen Gesundheitswesens an keinem Menschen vorbei. Das Gesundheitswesen wurde dem allgemeinen Wirtschaftsmarkt angeschlossen und heißt nun Gesundheitswirtschaft.
Die Konzeption der Zweiklassengesellschaft sorgt insofern für eine solide Gewinnbasis für den wirtschaftlichen Privatmarkt in der Gesundheitswirtschaft. Selbst arme Menschen wollen irgendwie wieder gesund werden und werden ihren letzten Cent in Privatbehandlungen stecken, wenn die Kassenleistungen nichts bewirken. Aber auch diese Hoffnung, privat zu bezahlende Leistungen könnten heilen, wird gründlich enttäuscht. Denn mit der Gesundheitswirtschaft ziehen völlig neue wirtschaftliche Prinzipien, wie sie im Rahmen der Globalisierung allgemein gelten, in das Gesundheitswesen und in das Leben von Menschen ein. Leider geht mit dieser Veränderung keinesfalls eine schnellere Heilung oder Gesundung von Menschen einher, noch steht der Mensch im Mittelpunkt des Interesses der Gesundheitswirtschaft.
Es wurden unterschiedliche Klassen der Versorgung geschaffen: Eine Standardmedizin für den gesetzlichen Krankenkassenmarkt mittels Qualitätsstandard, die mittels ökonomisierten Leistungsziffern durch Ärzte an Patienten anzuwenden ist und die private Versorgung über Privatkrankenkassen und Selbstzahler. Beide Formen der Versorgung sind unzureichend, wenn es um die Gesundung oder Heilung von Menschen geht. In beiden Systemen steht Geld statt Heilung im Zentrum der Versorgungsstrukturen.
In der medizinischen Versorgung in Deutschland wurde eine Zweiklassen-Medizin etabliert, wie in der Gesellschaft die Zweiklassengesellschaft. Die Kultur, sprich, der Umgang der Menschen aus verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Hintergründen, Geschichte, Gewohnheiten und Religionen miteinander, soll integriert werden. Sprich, sie sollen lernen, miteinander zu leben und das, möglichst reibungsfrei und freundlich. Zu fragen bliebe, wer aus der Leserschaft im letzten halben Jahr durch einen Stadtteil gegangen ist, in der sich fremde Nationen angesiedelt haben. Welche Gefühle hatten Sie dabei? Konnten Sie gemäß Ihrer sonstigen Wahrnehmungs- und Verhaltensgepflogenheiten durch die Straßen gehen, einen Laden betreten und einkaufen oder ein Eis im Straßencafe genießen? Oder waren Sie nicht doch unsicher, wie Sie sich verhalten sollten? Generell wirkt Fremdes, egal ob Mensch, Situation oder generell ein Objekt, zunächst anziehend. Die Neugierde ist geweckt. Aber es ohne Scheu in Augenschein nehmen, Erfahrungen mit ihm machen, dass ist bei dem Thema Integration nicht einfach gegeben, weil Menschen anderer Nationalitäten eben keine Objekte sind, die man erst mal anschauen, untersuchen, auf Eigenschaften und Fähigkeiten testen kann. Kultur und gesellschaftliches Leben sind kein Labor. Integration ist also ein Prozess, der durch Berührung mit Menschen aus fremden Kulturräumen tagtäglich erwachsen muss. Menschen sollen oder müssen im Falle des integrativen Kulturprozesses aus dem Stand Mut und Vertrauen zur Kontaktaufnahme zu allen Nationalitäten auf der Straße und im Wohnhaus aufbringen und die Gleichheit und damit auch die hierin unterstellte Gutmütigkeit aller Menschen in diesem Kontaktakt annehmen. Wo wird diese Sicherheit, das generell tun zu können, verifiziert? Politik und Wirtschaft zeigen auf der internationalen Bühne Kämpfe, Kriege und erzeugen Abhängigkeitsverhältnisse, um mehr Macht und Profit aus ihnen ziehen zu können. Warum sollte das auf der Straße anders sein? Aber: Wer sucht aufrichtige Berührungen und Erfahrungen mit Menschen fremder Nationen, wo die eigene Kultur, Gesellschaft und Existenz nicht mehr sicher unter den eigenen Füßen gespürt wird und man sich selbst gesellschaftlich-ökonomisch, kurz, existenziell wie in einem Erdbebengebiet fühlt und lebt? Wer gibt Orientierungen? Wer hilft, sprachliche Barrieren zu überwinden? Wie ist Vertrauen im Alltag zu schaffen? Ein Spruch, wie aus dem Kindertagen „Du sollst dich schön vertragen“, kann hier nicht der Weisheit letzter politischer Schluss sein. Denn Oben „verträgt“ sich niemand mit einer anderen Nation wirklich. Da herrschen Diplomatie, Vorteilsdenken und „Kulturaustausch“, um eigene Positionen zu wahren, zu stärken und auszubauen.
Globalisierung zwingt Ökonomie und Mensch in der Gegenwart zur Auseinandersetzung mit fremden Kulturen, die für Menschen aller Nationalitäten einfach nur unmöglich und unzumutbar sind. Alle verlieren ihre Kultur, ihre Existenz, ihre Identität, ihren gewohnten Boden unter den Füßen und dieser Wandel verändert sich unaufhaltsam zum Negativen, statt zum Guten. Integrationsmodelle, in denen Deutsche sich ausländischen Mitbewohnern öffneten, bestanden zum Beispiel über 11 Jahre in meiner Praxis in Dortmund, in der ich gemeinsam mit ausländischen und deutschen Diplom-Psychologen zusammen, ausländische Mitbürger psychotherapeutisch betreute: Ich hatte jeden Tag mit sehr unterschiedlichen Nationalitäten im Team und in Form von Patienten Kontakt. Ausländische Patienten stellten sich ihren psychischen und seelischen Problemen und öffneten sich in psychotherapeutischen Behandlungen und man lernte sich kennen und schätzen. Diese Möglichkeit der Betreuung von ausländischen Mitbürgern in größerem Stil wurde durch das Psychotherapeuten Gesetz 1999 unterbunden bzw. absolut geschmälert: In Dortmund und anderswo wird nun in einzelnen Praxen vereinzelt für ausländische Mitbewohner Psychotherapie in Muttersprache angeboten. Könnte mit dem notwendigen Bedarf im psychotherapeutischen und sozialen Bereich reagiert werden, sähe es anders in Deutschland aus: aber so endet jegliche Initiative an Gesetzen, die genau dies verhindern. Seit über 10 Jahren haben Psychologische Psychotherapeuten in Deutschland Wartezeiten. Sie können den Bedarf deutscher Patienten bezüglich Psychotherapie nicht sofort, wenn Probleme und Konflikte auftreten, decken – und schon gar nicht den von ausländischen Patienten. Dieser Zweig der Betreuung von Menschen in Muttersprache wird auch bei Verordnung, Ausländer müssten deutsch sprechen, nicht aufgehoben: Denn emotional ist es etwas völlig anderes in deutscher Sprache oder in der Muttersprache zu arbeiten – zumindest bei denjenigen Patienten, die nicht in Deutschland geboren wurden und folglich in ihrer Muttersprache erzogen wurden und aufwuchsen. Im sozialen und psychotherapeutischen Bereich scheitern Projekte am Geld. Diese gesellschaftlichen Bereiche werden völlig stiefmütterlich finanziell ausgestattet, und daran scheitern Menschen: ob als Behandler oder Patient. Im Grunde genommen wird unausgesprochen erwartet, jeder sollte ehrlich sein, gefälligst nicht klauen, und niemandem was auf den Kopf hauen, und auch ansonsten den Mund halten – und wählen gehen. Man hat sich gefälligst vernünftig zu verhalten und Basta: Aber so kann kein Mensch leben, so werden keine Konflikte gelöst und so geschieht auch keine Integration. Wenn wir eine Kultur wollen, die funktioniert, brauchen wir Geld für viele Bereiche und ein erweitertes Verständnis von „Gesellschaft, Kultur und menschliches Wesen.“ Diese Aussage bezieht sich nicht nur auf das Integrationsmodell Deutschland, sondern generell darauf, wie mit zwei völlig unterschiedlichen Wertesystemen in einer Gesellschaft zu leben ist. Dabei ist ein Integrationsmodell ein Problem von vielen Problemen, über die gesprochen werden muss. (Siehe in Band 1.1, „Abhängigkeit von Personen qua Amt:
Lebensstrukturierer“ mit dem Verweis auf Kirsten Heisig)
Eine ähnliche Fragestellung wird im Deutschland der Gegenwart in den Medien diskutiert. Mehr als drei Jahre wurden Manager verteufelt, jetzt formulieren Anne Will und Maybritt Illner sinngemäß Fragen, ob Manager Strolche oder Arbeitsplatzbeschaffer seien und fragen, wie viel Verantwortung sie tragen. (Anne Will 8.Juni 2008, im „Ersten“ des Deutschen Fernsehens; Maybritt Illner im „Zweiten“ im Juni 2008). Sicherlich liegt ihren Sendungen jeweils ein unterschiedliches Motiv zugrunde. Zunächst ist seit langem bekannt, dass die ökonomischen Strukturen zwei Phänomene im Kapitalismus gleichzeitig hervorbringen, die das Ergebnis ökonomischer Spaltung sind: Manager erwirtschaften extrem hohe Gewinne. Deutsche Manager sind Exportweltmeister. Sie sind aber gleichzeitig diejenigen, die eine Zweiklassengesellschaft als Konsequenz ihrer wirtschaftlichen Bestrebungen hervorgebracht haben und die von Politikern mittels gesetzlicher Strukturen weitergeführt wird. Gegenwärtig gibt es Versuche, Manager hinsichtlich ihres beruflichen Handelns und ihres Grades der Identifikation mit ausschließlicher Profitmacherei, die nicht selten in kriminellen Aktivitäten gipfelt, zu differenzieren. Das Thema der Verantwortung des einzelnen Managers rückt ins gesetzliche Blickfeld. Mit dieser Perspektive wird wiederum das System „Kapitalismus“ als generelle Basis, das gleichzeitig ein Anforderungsprofil an Manager mitliefert, ausgeblendet.
Wieder landet das Thema Verantwortung bei einzelnen Menschen. In diesem Falle bei Managern. Zu fragen bliebe: Sollen Manager sich jetzt gegen ihre Auftraggeber stellen oder sie bloßstellen, die doch genau die Ergebnisse wünschten, die die deutsche Wirtschaft international in die oberen Ränge bringt? Sollen zukünftig die Manager den Part der Revoluzzer in der Gesellschaft übernehmen und sagen: „Wir machen das nicht mehr mit, was uns der Prozess der Identifizierung mit dem Kapital auferlegt? Das macht mich krank, das macht mich schizophren?“ Die Frage, was wer mitmacht oder nicht mitmacht ist doch eine Frage, die sich an alle richtet. Diese Frage scheitert aber generell daran, dass alle Menschen nicht den gleichen Einfluss haben. Denn Einfluss hängt in dieser Welt wiederum mit Geld zusammen. Bei Menschen, die kein Geld haben, unterstellt man die (menschliche) Möglichkeit, dass sie irgendwann sehr ärgerlich und böse aufgrund dieser politökonomischen Szenarien werden und sich entsprechend äußern. Diesbezüglich wird Vorsorge mittels unterschiedlicher Gesetze, Strukturen und Kontrollen geschaffen. Um Macht und Gewinn nicht zu verlieren, wird überall herum gespitzelt. Wie sich zeigt, auch in der Telekom und nicht nur bei Lidl oder sonst wo. Wie peinlich. Mit dem Chef der Telekom wurde Blinde Kuh gespielt? Wie gemein! Ein Einzelfall? Der einzelne Manager ist der Bösewicht, der Strolch, der Kriminelle? Wie auf der anderen Seite unserer Gesellschaft, der mittellose Bürger und Mensch für sich selbst verantwortlich ist und sich gefälligst wieder aus dem existenziellen Sumpf schweigend befreien soll, obwohl die Gesetzeslage gegen ihn steht und ihn überhaupt erst einmal festgesetzt hat? Der Bürger, der seine Arbeit verlor, erst einmal sämtliche Werte, die er hat, aufbrauchen soll, bevor er staatliche Hilfe überhaupt erwarten kann? Und bekommt er dann staatliche Unterstützung, kann er, wenn er noch Geld dazu verdient, es an den Staat gleich weiterleiten und bleibt somit im Prinzip da, wo er laut Konzeption der Zweiklassengesellschaft hingedacht und existenziell festgesetzt worden ist? Egal, welche Nationalität Bürger oder Migranten in Deutschland haben? Wie blind ist das?
Festzuhalten gilt aus meiner Sicht: Manager sind in erster Linie auch Menschen. Die Frage ist doch, was das ökonomische System Kapitalismus in Menschen bewirkt, und inwiefern sie sich mit diesen Prinzipien identifizieren und in die Tat umsetzen. Wird diese Diskussion nur verhalten geführt, kommt es immer wieder zu Fokussen, die von vornherein ein Sowohl-als-auch initiieren, die an Lösungen und Grenzwerten von Moral und Ethik, und damit am KERN des menschlichen Wesen, vorbeisteuern und damit gleichzeitig Ungleichheit legitimieren und zementieren. Die Manager, die auffällig mit eiskalten Strategien wurden, die Millionen von Menschen den Arbeitsplatz kosteten, müssen doch als menschliches Wesen gleichfalls an ihre Grenzen geraten, wie auf der anderen Seite, die Menschen, die von diesen Strategien betroffen sind! Oder etwa nicht? Und ist Zurückrudern oder anders formuliert, die Erweiterung bezüglich der Perspektive der Managermentalität im direkten Zusammenhang mit dem Telekom-Skandal zu verstehen? Will man sich in Deutschland nicht noch einen Manager neben Zumwinkel vom wirtschaftlichen Podest holen? Sind Manager plötzlich doch besser, als man dachte? Da ist es doch angebracht tiefer zu schauen: Was ist dem menschlichen Wesen, ob Manager oder abhängig arbeitender Mensch, zumutbar? Schließlich ist die Ordnung, die wir haben, durch Menschen überlegt und ausgebaut worden: insofern muss Reflektion der Grundlagen gestattet sein. Was muten Menschen sich unter Ausblendung der menschlichen Grundlagen ihres Wesens zu – oder besser: noch zu? Es scheint, Logik, Vernunft und Wissen gehen stramm unter der Fahne der Ökonomie in die falsche Richtung: Statt das menschliche Wesen zu erhalten, soll Kapital erhalten werden. Seele und Leib müssen dafür geopfert werden.
Globalisierungsstrategien, die mittels großer Kapitalzusammenschlüsse weltweit marktbeherrschend Preis-Produkt-Beziehungen festlegen und damit Konkurrenten ausschalten, führen weltweit dazu, Menschenleben in unvorhersehbare Gefahren, Not, Krankheit und Tod geraten zu lassen. Zusätzlich wirkt die völlig unterschiedliche qualitative Versorgung Kranker neben den direkten Nebenwirkungen durch Grenzüberschreitungen im Rahmen globalen, kapitalistischen Wirtschaftslebens.
Die Polarität, Kultur und Natur einerseits erhalten zu wollen und andererseits unwiederbringlich zu zerstören, dominiert international das Leben von Menschen, die auf Kultur und Natur angewiesen sind, um zu leben. Außer Natur und Kultur haben Menschen nichts, um Lebensräume zu gestalten. Beide treten unverblümt jeden Tag in den Nachrichten und Zeitungen zutage: Konsequenzen werden aus diesen misslichen Entwicklungen nicht wirklich gezogen. Politische Halbherzigkeit und Unentschiedenheit setzen diese Entwicklung, wirtschaftlich-globales Interesse verwirklichend und die Gier derjenigen anstachelnd, die an den Gewinnen teilhaben zu wollen, fort. Natur, Kultur, das menschliche Wesen und Leben generell ist diesen wirtschaftlichen Bestrebungen völlig ausgeliefert.
So existenziell dieser Kampf international im Großen zwischen Kapitalbesitzern (oder über Kapital verfügenden Menschen wie zum Beispiel Banken) ausgefochten wird, so tief zieht dieser Kampf bisweilen in das Leben von Menschen ein und zerstört deren Seele, Körper und lässt psychische Abwehrmechanismen in unlösbare Konflikte geraten, die wiederum das Abbild der Globalisierung spiegeln: Menschen werden künftig (oder tun es bereits) andere Menschen als ihren Feind identifizieren. Der Feind ist, der ein Stück Brot hat, das sie haben wollen – sie werden möglicherweise gegen ihre Moral und Ethik aus existenzieller Not handeln. Sie sind nur von einem getrieben: Was Essbares, ein Dach über dem Kopf haben zu wollen, um leben zu können. Sie werden in die gleichen seelisch-psychischen Abgründe geführt, wie sie Manager in sich herstellen müssen (oder, die sie sowieso haben, um ihren Job im Dienste des Gewinns tätigen zu können), die gegen die Seele und Psyche von Millionen von Menschen und deren Leben Geschäfte im Dienste des Gewinns verwirklichen. Kurz und bündig sind die beiden Kontrahenten als Tod oder Leben, Du oder ich in der Spitze der Werteordnung zu nennen – wie im Krieg. Krieg gilt als kulturell-natürlicher Ausnahmezustand, bei dem Mittel zum Einsatz kommen dürfen, die ansonsten unter Strafe stehen. Die Kriegsfolgen, die Leiden aus eigenem Handeln wie auch, was man selbst erleiden musste während des Krieges, hatte jeder Soldat, jeder Mensch, ob Kind, Frau oder Mann, allein zu bewältigen. Kriegsfolgen gehören zum Krieg, nicht zum normalen Leben. Wenn nun ein existenzieller Krieg zwischen Oben und Unten und gleichzeitig zwischen allen Nationalitäten herrscht, dann gehen die Kriegskosten naturgemäß auch zu Lasten des Fußvolkes, derjenigen, die unfreiwillig darin verwickelt sind. Zu fragen ist, wer einen Vorteil durch dieses Wirtschaftssystem hat.
Politik spielt in dieser wirtschaftlichen Entwicklung offenbar keine große Rolle mehr – sie hält sich mittels Vorschlägen, wie die größten Schäden zu begrenzen wären, über Wasser, bewirkt aber keine Wende. Die Existenz von Menschen wurde immer mit Wirtschaft gesichert – damit jonglieren die großen Unternehmen argumentativ und erwecken den Anschein, sie wollten etwas für Menschen tun, ihnen Arbeit und Sicherheit geben. Natürlich tut die Wirtschaft etwas für Menschen, sonst könnten sie nichts verdienen. Natürlich geben sie Menschen Arbeit. Aber es sind zu wenige, die Arbeit haben. Primär tun sie aber etwas für ihre eigene Kasse und nicht für Menschen. Denn die Wahrheit sieht anders aus, wie man weltweit in diesen Tagen hören, nachlesen und auflisten kann: „Afrika, Asien, Lateinamerika – die Preise für Reis, Weizen und Mais explodieren“, liest man über der Schlagzeile Wut im Bauch. „In Ägypten bedroht der Protest gegen Hunger die Regierung, auf den Philippinen müssen Soldaten die Reissäcke bewachen. Ein Report über die Ursachen der Nahrungsnot, Lösungen des Problems – und die Folgen für das reiche Europa.“ (Karin Ceballos Betancur und Thomas Fischermann in: DIE ZEIT, Nr. 17, 17.April 2008). Den Vertretern wirtschaftlicher Interessenslagen im Rahmen der Globalisierung gelingt es immer weniger, hehre und menschenfreundliche Ziele der wirtschaftlichen Nebenwirkungen und Verfehlungen der Globalisierung neben ihren Gewinnen aufblitzen zu lassen. Mittelständische Betriebe wurden im globalen Trend internationaler Wirtschaftsstrategien und Spekulationen aus der Finanzwelt gleichfalls an den Rand ihrer Existenz gebracht und viele konnten diesem Druck nicht standhalten und mussten Konkurs anmelden.
Generell scheint es billiger zu sein, sich nicht um Menschen zu kümmern und moralisch-ethische Schelte zusätzlich zum Gewinn einzustecken. Kriegs- und Wirtschaftsfolgen liegen auf einer Linie. Kümmert man sich überhaupt nur noch deshalb um Menschen, weil es in der Zeitung steht, in den Nachrichten zu hören ist? Was ist mit den Mitmenschen, mit denen wir täglich leben? Zeichnet sich nicht eher ab, dass Moral, Ethik einerseits und Mitgefühl und Vertrauen andererseits sich in eng abgegrenzten, intimen Rahmen im Leben von Menschen abspielen? Und selbst dort gibt es Konflikte, die in hohem Maße zu Scheidungen führen. Misstrauen wächst und gedeiht eher als Vertrauen, so könnte man schlussfolgern. Zusätzlich, und hier schließt sich der oben begonnene Kreis, wirkt die Integration der Kulturen mit zahllosen Ansprüchen, sozialen Unsicherheiten, psychischen Anforderungen und Entwicklungen, über die jeder Mensch sich Informationen zu besorgen hat. Man fragt sich, ob diese Nebenwirkung globalen Wirtschaftsleben nicht eher eine politische Zwangsintegration der Kulturen ist, die politisch als solche entsprechend behandelt wird. Offenbar hat keiner so Recht Lust zur Integration, wenn man die vielfältigen Hiobsbotschaften diesbezüglich vernimmt. Schließlich gilt es, unzählige Veränderungen zu integrieren, nicht nur Menschen aus anderen Kulturen. Das Pflänzchen Lust und Vertrauen muss inzwischen weltweit neu gezüchtet und sorgsam eingepflanzt und geschützt werden, so ist zu schlussfolgern.
Dieser Widerspruch zwischen Erhalt und gleichzeitiger Vernichtung der Kulturen verkommt zu einem Lippenbekenntnis, das werbewirksam und verkaufsträchtig, politisch und wirtschaftlich nutzbar ist. Wie soll eine Kultur erhalten bleiben, in der die Menschen nicht leben können? Oder ist unter Integration lediglich profan zu verstehen, Kultur habe sich wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen? Jeder einzelne Migrant habe sich einzufügen und unterzuordnen, wie Deutsche sich unter die deutsche Ökonomie gleichfalls unterzuordnen haben?
Existenzielle Reduktion der Lebensräume von Menschen bringt eine Unzahl von Problemen und Reaktionen in den Betroffenen hervor. Wirtschaftliche Interessen strukturieren Menschenmassen, teilen sie ein, führen ihnen Leistungen zu oder verweigern sie. Im Bemühen vieler armer Länder mit den internationalen wirtschaftlichen Interessen Schritt zu halten, werden Entscheidungen getroffen, die sich verheerend auf Land und Leute auswirken. Schaut man in das Leben von Menschen, die nicht über Kapital oder größere Geldsummen verfügen, lernt man sie näher kennen, offenbart sich Not, Elend, Schmerz, Krankheit und Tod. Sie sind täglich in den Nachrichten präsentiert. Die Kehrseite ist die Darstellung einer Luxuswelt, die für die meisten Menschen ein Traum bleibt. Der Traum vom Wettbewerb der Eliten initiiert international den Alptraum im Leben der Menschen in der breiten Masse. Nebenwirkungen der Globalisierung zeigen sich in Kriegen, Zerstörungen und Opferung von Menschen in vielfältiger Form, Nahrungsmittelknappheit, purer Ausnutzung der abhängigen Arbeitskraft von Menschen und Menschenrechtsverletzungen rund um die Welt. Zerstörung findet dort statt, wo die Reichen mittels Abhängigkeitsstrukturen eine derart gespaltene Welt unterhalten und nicht selbst dort leben müssen. Das World-Press 2006-Foto zeigt, wie vielschichtig und gegensätzlich das Leben ist: Spencer Platt fotografierte die Spazierfahrt eines jungen, zweifelsfrei reichen, jungen Mannes mit vier jungen, ebenso zweifelsfrei reichen, jungen Frauen in einem Cabrio durch ein von der israelischen Luftwaffe zerbombten Stadtviertel in Beirut. Das Bild wurde unmittelbar nach der Ausrufung des Waffenstillstandes am 15. August 2006 geschossen.
Das Elend, die Zerstörung, die Toten werden besichtigt wie Tiere in einem Zoo: Das bekommt man schließlich nicht jeden Tag geboten.
Ebenso wenig bekommen Menschen die Live-Versteigerung zweier Organe für drei Patienten jeden Tag geboten: Zuschauer stimmen per Handy für ihren Favoriten ab. Einer wird sterben - zwei leben. Nur ein Fake, um auf die Organspendeproblematik aufmerksam zu machen?!! Das Thema wird im vorliegenden Buch aufgegriffen. Es wird verständlich machen, warum Aufmerksamkeit auf diese Art und Weise erregt wird. Aufmerksamkeit auf lebensnotwendige Themen zu lenken scheitert in Deutschland nicht selten an Strukturen und Gesetzen.
Soziale Auswirkungen im täglichen Zusammenleben von Menschen gewinnen an Bedeutung. Im Rundfunk ist zum Thema vom Bemühen der Reichen zu hören, sich gegen die zahllosen Obdachlosen in den südamerikanischen Großstädten zu schützen. Aber auch Los Angeles wird genannt: Hier leben die Stars aus Film und Fernsehen freiwillig hinter hohen Mauern wie in einem modernen Hochsicherheitstrakt. Armut und Kriminalität werden zu einer zwangsläufigen Einheit, wie es in dem Bericht hieß, die in Gettos entsteht. Das Luxusleben von „Oben“ spiegelt sich in den Regenpfützen zu Füßen der Menschen „Unten“ wider. Sie bleiben vor den Toren, Türen und Mauern des Reichtums stehen. Bettler werden mit Bußgeldern belegt (Münster, RN, 21.1.11).
Der private Kokon, mit denen Menschen noch hoff(t)en, sich vor diesen Umbrüchen schützen zu können, wird durch Wirtschaft und Politik substanziell verdünnt. Die staatlichen und ökonomischen Krakenarme der Wirtschaft saugen Geld, Existenz, Lebensboden und Seele der Bürger ab. Sie werden u.a. kontrolliert, ob sie nicht einen Quadratmeter mehr an Wohnraum bewohnen, als vorgeschrieben. Als sei es das Selbstverständlichste von der Welt, Menschen auch noch das Letzte, was sie haben, nehmen zu können: Geld, Wohnung, Würde. Der Wettbewerb gerät außer Kontrolle, verkehrt sich in Not und Elend und wird zur unlösbaren Aufgabe von Politikern. Die Wirtschaft dreht ihre Argumente, weshalb sie menschenfeindliche Entscheidungen trifft, im nächsten Halbsatz mit dem Argument Arbeitsplätze schaffen und international konkurrenzfähig bleiben zu wollen, wieder um. Wenn es hoch kommt, stehen entsprechend handelnde Firmen eine bis drei Wochen in den Medien. Dann folgen andere Themen, die in der Öffentlichkeit von Interesse sind – die Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, sind dann mit ihren existenziellen Problemen und den psychosozialen Problemen allein. Sie folgen dann dem Weg, der politisch dafür vorgesehen wurde: Harz - IV, kleinere Wohnung und zahlreiche Folgeprobleme, die Partner, Familie und Kinder belasten und auf Jahre prägen.
In unserem Land werden die Lebensmittel der „Tafeln“ knapp, weil es immer mehr Menschen gibt, die auf diese Lebensmitteln angewiesen sind. In Dortmund waren es 2005 ca. 500.000 Menschen, die sich Lebensmittel von den Tafeln holten – 2007 waren es bereits 700.000 Menschen (WR, 2. Juni 2007). Davon sind 23,5 Prozent Kinder. Inzwischen gibt es einen „Bundesverband Deutsche Tafel Sorge“ – die Armut wird in Privatinitiative verwaltet. Proteste und Aufklärung über die gesellschaftlichen Verhältnisse dokumentieren, aber ändern nicht. Die Politik betrachtet von außen, was die Menschen im Inneren dieser unteren Gesellschaftsklasse erleben und was sie ertragen: Wie kommt der Betroffene mit diesem Umschwung seiner Existenz klar? Wie kann er damit leben? Wie kann ein Kind damit leben, nachts keine Decke zum Zudecken zu haben, weil die Eltern kein Geld haben? wie ein Lehrer an einer Sonderschule auf Nachfrage, weshalb ein Kind so müde sei, von ihm erzählt bekam? Wie kommt ein Lehrer in Deutschland damit klar, montags morgens erstmal mit der gesamten Klasse in die Duschen der Turnhalle zugehen, damit die Kinder sich duschen, weil er sonst vor Gestank in der Klasse nicht unterrichten kann?
Für die gesellschaftliche Schicht mit Kapital, kurz Oben genannt, entwickeln sich die globalen wirtschaftlichen Formen zu unermesslichen Reichtum. Die Möglichkeit zu einem besseren Leben wird für 3/4 der Bevölkerung in eine Zukunft verlegt, die im Nebel liegt. Ein Horizont, eine Kontur ist nicht in Sicht. Für Oben ist die Nebenwirkung der Globalisierung Reichtum.
Aber auch der Wirtschaft gehen die Krisen nahe, sie muss sich neuen staatlichen Auflagen fügen und sich notwendige Änderungen als Aufgaben stellen. Weniger wegen der Menschen, sondern aufgrund der vielfältigen Nebenwirkungen des Kapitalismus und angesichts nicht wegdiskutierbarer Folgen der Klimakatastrophe und Naturkatastrophen, die neue Produktionsbedingungen und Produkte erzwingen Die Autoindustrie muss sich neu orientieren, und Flüge ins Ausland sollen mittels erhöhter Preise reduziert werden! Die Ideologie des immer schneller, immer effektiver, immer weiter und immer billiger kehrt sich um: Die Vorteile, die diese Entwicklung nahm, treten nun als Umweltschäden ins Rampenlicht. Die Folgen wurden nicht bedacht. Der Bund der deutschen Industrie (BDI) argumentiert nun selbst, die Politiker hätten die Ziele Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit offensichtlich aufgegeben und müssten jetzt mit den Konsequenzen zurechtkommen, zum Beispiel mit der Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland. Die Wirtschaft droht mit weiteren Arbeitsplatzverlusten (WR, 28. Juni 2007), als habe sie in Deutschland in den vergangenen Jahren kein Geld verdient. Besinnung kehrt Oben nicht ein – aufrechterhalten bleibt stattdessen die Polarität Selbstwert/Mensch – Mehrwert/Gewinn. Wobei Selbstwert, Identität und letztlich der einzelne, der ganze Mensch verlieren. Das Leben wird zunehmend freudlos und schwierig. Mit Arbeitsplatzverlusten reiht sich ein Problem nach dem anderen auch im Leben derer auf, die Arbeit haben und unter dem Stress leiden, der ihnen aufgebürdet wird, um sie zu behalten. Gesetzliche und ökonomische Strukturen zwingen jeden Menschen in Zwangsanpassungen, die einzelne Menschen oftmals eigentlich gar nicht wollen. Für immer mehr Menschen endet der Weg in dieser Gesellschaft in der Einsicht: Friss oder stirb! Fressen oder gefressen werden! Damit, mit diesem Regelkreis des Stammhirnes, sind Menschen wieder in der Steinzeit angelangt und müssen lernen und differenzieren, was ihnen gut tut, und was nicht. Diese Orientierung, genau aufzupassen, gilt nun auch in der Gesundheitswirtschaft. Das natürliche Wesen von Gesundheit, das den Menschen eigen ist, und ehemals hehre Ziele des Gesundheitswesens, wird durch das Wesen der Ökonomie ersetzt.
Die Spitzen menschlicher Moral und Ethik tanzen im Kapitalismus einerseits mit höchst entwickelten, auf die Spitze getriebenen und strukturierten Motiven ökonomischer Gewinnsucht, die sich im Handeln der mit diesen Prinzipien identifizierten Manager ablesen lassen, und andererseits, erbarmungsloser Niederstrukturierung von Leben und Existenz der breiten Masse, die auf den moralischen und ethischen Grund angekommen, um ihr Leben kämpfen. Der Klassiker der Menschheitsentwicklung, der mit dem Bestreben, das menschliche Wesen aus dem Dschungel in und mittels Kultur zu verfeinern und zu befreien und es zum Herrscher der Welt, zur Krone der Schöpfung werden zu lassen, sieht sich plötzlich Naturgewalten in Form natürlicher und gesellschaftlicher Katastrophen gegenüber. Kultur ruft im Ergebnis mittels Verkehrung wieder Natur auf den psychischen Plan. Der Seele wird die Luft genommen. Gewünscht war die Entwicklung einer Wirtschaft, die dem Wohl aller Menschen dient. Die Realität zeigt eine Gegenwart, die das menschliche Wesen massenhaft seiner Quelle zuführt, in der sich die Geister scheiden: Fressen oder gefressen werden. Momentan wird noch gesagt, wir wollen das Gute. Geschaffen wird oftmals das Böse. So auch im Gesundheitswesen der Gesundheitswirtschaft. Dieser Punkt wurde bereits von Goethe in Faust benannt: Der Geist, der stets das Gute will und stets das Böse schafft. Verzeihung, wir sind in der Zeit unserer Kultur, dank des Kapitalismus, bereits vorgerückt: Der Geist, der stets vorgibt, das Gute zu wollen, und sowohl das Gute, wie das Böse, dank entsprechender manipulierter Kommunikation, schafft. Wobei das Gute zu untersuchen wäre, ob es wirklich das Gute ist, das dem Wohl des einzelnen, wie dem Wohl aller dient.
Der Tanz um das Gute und das Böse ist in vollem Gange. Natürlich nun auch im Gesundheitswesen, einem wirtschaftlichen Markt, der unermessliche Gewinne auf alle Zeiten, solange Menschen leben werden, garantieren soll. Das Gute im beruflichen Bereich, der mit menschlicher Gesundheit und Krankheit zu tun hat, wäre ein Handeln, das den Menschen unter zur Hilfenahme aller Möglichkeiten, gesund erhalten und kurieren möchte. Das Böse wäre, ihn schlicht zu benutzen, um Gewinne zu erwirtschaften und ihn zu zerstören. Ein Gesundheitswesen müsste die Essenz einer hoch stehenden Kultur widerspiegeln, die über Heilungsmittel verfügt und die Kenntnis über Heilungsprozesse zweifelsfrei widerspiegelt und vervollständigt. Es müsste sozusagen die Krone der Kultur widerspiegeln – bei uns spiegelt das Gesundheitswesen das Bestreben wieder, medizinische und pharmazeutische Fließbandarbeit unter Absehung des einzelnen Menschen in der Masse möglichst billig und notdürftig herzustellen. Methoden und Technisierung nehmen einen höheren Stellenwert aufgrund des gleichzeitigen Bestrebens, das Gesundheitswesen gewinnträchtig zu gestalten, ein. Der einzelne, kranke Mensch hat keine Lobby und meist kein Geld, um sich andere Behandlungen leisten zu können. Diese gegenwärtige Trias von Kultur, Wirtschaft und Politik hat viele gute Möglichkeiten geschaffen, die nur wenigen zu Gute kommen. Das Ziel, Heilung und Mensch, wird jedoch dem Ziel Gewinn geopfert. Heilung und Mensch sind Nebensache. Sie haben zusätzlich zur minimierten Standardversorgung mit den Folgen der Ökonomisierung der Heilung zu kämpfen – ein Faktor, der das menschliche Wesen zusätzlich demütigt. Auf was kann der Mensch dann noch vertrauen? Auf die Zuverlässigkeit allgemeiner, menschlicher Blindheit, besser bestimmte Prozesse und Realitäten nicht zu benennen, in der Hoffnung, dass sich dann alles zum Guten entwickelt?