Читать книгу Dein Leben liegt in deiner Hand - Dzigar Kongtrul - Страница 16

Оглавление

3Das Vermächtnis der Höhlenmenschen und der Weisen

Seit der Zeit der Höhlenmenschen versuchen Menschen Frieden und Glück zu finden, indem sie jagen, Felder bestellen, materielle Güter ansammeln und so weiter. Wir waren bisher so damit beschäftigt, Glück und Frieden außerhalb unser selbst zu suchen, dass wir gar keine Zeit hatten, sie in unserem eigenen Bewusstsein zu ernten. Die meisten Leute verschwenden wenige Gedanken auf die Tatsache, dass Gier, Anhaftung, Wut, Eifersucht und negative Handlungen nicht zu Glück und Frieden führen können, sondern nur zu Sorge und Leid. Wenn wir diese negativen Emotionen hinter uns lassen wollen, erfordert das ein tieferes Nachdenken über die Natur des Geistes. Wir haben die grundlegende Notwendigkeit nach Selbst-Erkenntnis bisher ignoriert. Aber ohne dies haben wir kaum eine Chance, unsere Intentionen von dem Einfluss Anderer zu unterscheiden.

Vorgefertigte gesellschaftliche Gewohnheiten und Traditionen stecken tief in uns. Aber diese herkömmliche Auffassung, wie man zu leben hat – was für uns gut ist oder schlecht, günstig oder ungünstig – ist lediglich eine Übereinkunft unserer Vorfahren.5 Es bedeutet nicht unbedingt, dass besonders viel Weisheit darin steckt. Sicher steckt eine Portion konventioneller Klugheit dahinter, aber eigentlich lernen wir daraus bloß, wie wir Samsara erschaffen, darin leben und davon profitieren können – ganz ungeachtet der Tatsache, dass Samsara selbst das große Problem ist.

Meistens verlassen wir uns auf die Kraft unserer Ziele, um zu erreichen, was wir wollen. Aber oft sind unsere Ziele unklar oder wir sind nicht in der Lage, unsere Ziele mit unseren Taten in Einklang zu bringen, um das gewünschte Resultat zu erzielen. In jedem Augenblick entstehen Gedanken und Gefühle. Jeder Gedanke beruht auf einer Wahrnehmung oder einer Überzeugung, und die meisten Überzeugungen entwickeln sich aus der Übereinstimmung mit anderen Leuten – deren Interpretationen der Welt nicht unbedingt zutreffen.

Unsere Vorfahren haben bei ihrer Übereinkunft Samsaras Fallstricke übersehen. Sie haben außer Acht gelassen, dass wir in eine tödliche Falle laufen, wenn wir noch mehr Samsara schaffen. Ihre Vorstellungen, wie man Frieden und Glück erreicht, sind sehr von Unwissenheit gekennzeichnet: Statt Frieden und Glück innerhalb des Bewusstseins – unabhängig von äußeren Umständen – zu entwickeln, suchen sie Glück in materiellen Gütern. Diese herkömmliche Vorstellung führt uns also auf eine falsche Fährte.

Es gibt viele falsche Fährten in der Gesellschaft, aber im Grunde haben sie alle etwas gemein: Sie versprechen, unsere inneren Bedürfnisse zu befriedigen, führen uns aber von uns selbst weg. Egal, ob sie uns zu materiellem Wohlstand oder in gesellschaftliche Beziehungen und gegenseitige emotionale Abhängigkeit führen, sie alle ignorieren das dem Geist innewohnende Potenzial, durch das wir glücklich und in Frieden leben könnten.

Im Gegensatz zu den Höhlenmenschen haben die großen Weisen der Vergangenheit die Unabhängigkeit von vorgefertigten Gewohnheiten und gesellschaftlichen Traditionen gesucht und gefunden. Sie rebellierten gegen die große menschliche Tragödie, die im unwissenden Ego-Geist liegt, und fanden die Kraft, Frieden zu entdecken, indem sie ihren Geist direkt betrachteten. Sie zogen sich in die Einsamkeit zurück, entwickelten Wachsamkeit und widmeten sich tiefer Selbst-Erkenntnis. Dieser ungewöhnliche Weg ist der Übereinkunft unserer konventionellen Vorfahren vollständig fremd. Bis dahin hatten die meisten Menschen das Bedürfnis ignoriert, einen Weg der Wachsamkeit zu entwickeln. Darin liegt die Tragik der Unwissenheit.

Es gibt zwei Ebenen von Unwissenheit: Die Unwissenheit vom Absoluten oder der grundlegenden Natur der Dinge, und die Unwissenheit, die uns daran hindert, die relative Welt korrekt zu interpretieren. Diese zwei Arten von Unwissenheit funktionieren wie zwei Garne: Wenn sie eng miteinander verwoben sind, sind sie schwer zu erkennen und doch weben sie den Stoff, der uns täuscht.

Durch die erste Art von Unwissenheit fehlt es uns an Weisheit. Wir verkennen unsere wahre Natur und sehen das, was illusionsgleich und weit offen ist, als solide und real an. Die zweite Art von Unwissenheit ist die Unfähigkeit, die Gesetze von Karma und gegenseitiger Abhängigkeit zu verstehen, was wiederum ein irriges Verhältnis zur Welt nach sich zieht.

Auf der relativen Ebene ändern sich die äußeren Dinge ständig. Auch unser Bewusstsein ist in stetem Wandel, und deshalb verändert sich auch unsere Wahrnehmung fortlaufend. Wir können erkennen, dass alles vergänglich ist, einschließlich uns selbst. Aber das Ich oder Ego würde uns gerne glauben machen, alles sei beständig. Würden wir uns tatsächlich eingestehen, dass alles vergänglich ist, dann hätten wir keine feste Grundlage für unsere Anhaftung – und das Ich basiert auf Anhaftung.

Weil wir an diesem Ich festhalten, das es in Wahrheit gar nicht gibt, missverstehen wir die Welt und der wahre Schatz, der in unserem Geist liegt, geht uns verloren. Aufgrund unseres Glaubens an ein Selbst, das bewahrt werden muss – koste es was es wolle – beherrscht das Ich jede unserer geistigen, emotionalen, verbalen und körperlichen Regungen. Obwohl unser Weisheitsgeist zu jeder Zeit hell erstrahlt, leben wir wie obdachlose Prinzen: Thronhalter, die die Existenz von Vagabunden fristen, weil sie ihr rechtmäßiges Erbe nicht kennen.

Infolgedessen übersehen wir auch die Wirkungsweise des Karma. Weil wir das Gesetz von Ursache und Wirkung ignorieren, lassen wir die Notwendigkeit außer Acht, in einer Art und Weise zu handeln, die positive Folgen nach sich zieht. Stattdessen begehen wir Taten, die Karma – und damit weiteres Leid zeitigen.

Man könnte sagen, alles Leid in Samsara wird von unserer eigenen Unwissenheit und unserem Ego angetrieben. Diese Konditionierung trifft nicht uns allein – jedes lebende Wesen steckt in dem gleichen Dilemma. Dass die Menschheit bis heute überlebt hat, jedoch ohne Erleuchtung zu erlangen, liegt in ihrem falschen Glauben an ein Selbst und ihrer irrigen Sicht der Wirklichkeit.

Wenn das Ego als wichtigster Bezugspunkt fehlt, ist der Geist ganz von selbst offen, völlig klar und in der Lage, sich an allem urteilslos zu erfreuen. Es gibt verschiedene Worte für diese Erfahrung: Leerheit, Buddha-Natur, Prajnaparamita, Dharmakaya oder Natur des Geistes.6 In seiner Essenz ist der Geist grenzenlos und frei von Unwissenheit. Er hat das Potenzial, alles auf unverbrauchte Art zu erfahren. Dieses Potenzial zu enthüllen ist das Ziel, wenn wir Selbst-Erkenntnis praktizieren – und das ist unser natürliches Erbe.

Dein Leben liegt in deiner Hand

Подняться наверх