Читать книгу Der 12 Romane Krimi Koffer Juni 2021 - Earl Warren - Страница 69

Оглавление

14


Archibald erwachte mitten in der Nacht von Schüssen. Leuchtgarben jagten in das Dunkel des Waldes hinein. Aufgeschreckte Tiere stießen fast menschlich klingende Schreie aus. Ein Mann stöhnte, taumelte aus dem Dickicht und fiel auf die Knie.

Archibald war aufgesprungen. Lolita stand mit der MP im Anschlag bei den anderen. Ein Ring von Wächtern umgab das Lager. Irgendwo sagte Pablo: „Der scheint allein zu sein.“

„Wer hat noch Streichhölzer?“, fragte Lolita barsch.

Archibald fand in seinen Taschen das Feuerzeug und knipste es an. Im aufspringenden Licht huschten Schatten über die kleine Lichtung.

Der kniende Mann trug eine grünliche Uniform, hatte einen Stahlhelm auf dem Kopf, und hielt sich am Schaft eines kurzläufigen Schnellfeuergewehres fest, dessen Kolben auf dem Boden stand.

Omar trat gegen das Gewehr. Der Soldat stöhnte, fiel auf das Gesicht und stützte die Hände auf den Boden, als wollte er sich aufrichten.

Da schoss Omar aus seiner Maschinenpistole. Der Soldat zuckte unter den Einschlägen und lag still, als das Krachen verhallte.

Archibald ließ das Feuerzeug zuschnappen und steckte es ein. Heiß und kalt lief es ihm noch über den Rücken. Undeutlich sah er die Gesichter der Rebellen, vor allem das des brutalen Schwarzen, der ihn anzustarren schien.

„Ist was?“, fragte Omar.

„Was soll denn sein?“, sagte Archibald heiser.

„Ich dachte, dir gefällt was nicht“, zischte der Schwarze.

„Schluss!“, kommandierte Lolita barsch. „Passt auf! Es müssen noch mehr in der Nähe sein!“

Der Kreis schob sich auseinander, und die Dunkelheit verschluckte die Gesichter und die glimmenden Augen der Guerillas. Nur Lolita war noch da, kam näher und lehnte sich gegen Archibald, als würde sie bei ihm Schutz suchen.

Die Tiere im Urwald beruhigten sich, und es waren wieder die gewohnten Geräusche, die sie umgaben.

„Wie bist du nur zu denen gekommen?“, fragte Archibald leise. „Du passt doch gar nicht hierher, Lolita!“

Sie stellte sich gerade, schaute ihn an und griff mit der linken Hand nach seinem Arm. „Wir sind in die Enge getrieben, Archibald. Sie würden sonst nicht so reagieren.“

„Rede doch keinen Unsinn“, raunte Archibald Duggan ihr leise zu. „Sie reagieren immer gleich. Das hat man doch an Sheppard gesehen. In Wirklichkeit konnte er euch genauso wenig entkommen, wie ich es konnte. Er wäre auch in die Sümpfe gelaufen, weil er sich vielleicht noch viel weniger als ich im Urwald auskennt und in der Eile schon gar nicht auf Kleinigkeiten achten kann! – Die Brutalität geht so weit, dass ihr euch noch gegenseitig zerfleischen werdet.“

Ein auf dem Boden liegender Ast zerbrach mit einem hellen Knacken.

Lolita fuhr herum und schlug die Maschinenpistole an.

„Ich bin es, Pablo!“, meldete sich der Bärtige, noch bevor er schemenhaft zu sehen war.

„Und?“, fragte Lolita, während sie die MP sinken ließ.

„Er scheint allein gewesen zu sein“, erwiderte Pablo. „Vielleicht ist es so eine Art Todeskommando. Männer, die sie einzeln im Urwald absetzen. Weit verstreut, damit uns einer finden kann.“

„Ja, vielleicht“, sagte Lolita zerstreut.

„Ihr solltet ihn durchsuchen“, schlug Archibald vor. „Vielleicht hat er auch einen Sender oder ein Sprechgerät einstecken. Es könnte eingeschaltet sein.“

„Ja“, setzte Lolita schnell hinzu. „Vielleicht sind sie nur so weit voneinander entfernt, dass sie sich verständigen können. Vielleicht hört uns ein anderer reden, Pablo!“

Pablo kniete bei dem Toten auf den Boden und durchsuchte ihn. „Nein, der hat nichts.“

„Zieh ihm die Stiefel aus! Du weißt doch, wie klein so ein Gerät sein kann!“ Archibald konnte nicht erkennen, was der Bärtige tat, aber nach ungefähr zwei Minuten hörte er ihn sagen: „Nein, der hat nichts bei sich. Auch nicht im Helm. – Gib mal das Feuerzeug, Archibald!“

Archibald Duggan nahm das Feuerzeug aus der Tasche. Lolita nahm es ihm ab und gab es dem Bärtigen, der es anspringen ließ. Jäh zuckte das Licht auf. Schatten sprangen über die kleine Lichtung, und es schien, als wären überall an der Grenze der Dunkelheit verzerrte Fratzen, die hässlich und höhnisch grinsten. Die Schatten sprangen über den Toten hinweg. Archibald schien es, als würde der erschossene Soldat sich bewegen.

Pablo durchsuchte die Leiche wieder, stand dann auf, löschte das Feuerzeug und gab es zurück. Archibald steckte es ein.

„Nein, der hat nichts“, sagte Pablo. „Bestimmt nicht.“ Er kam näher und schien Archibald trotz der schwarzen Nacht mustern zu wollen. „Aber warum hilfst du uns? Du wolltest uns doch helfen?“

„Ich hab nichts davon, wenn sie uns aufstöbern“, entgegnete Archibald.

„Sie würden ihn genauso abknallen wie uns“, sagte Lolita. „Kein Mensch würde ihm abnehmen, dass er unser Gefangener ist.“

Pablo lachte leise. „Das ist komisch, was, Archibald?“

„Ja, sehr komisch“, gab Archibald Duggan zu.

Pablo hängte sich die Maschinenpistole um, ging zurück, packte den Toten an den Beinen und zerrte ihn ins Dickicht.

Lolita lehnte sich wieder gegen Archibald. Sie kam ihm hilflos vor, und er begriff nicht, wie sie überhaupt so berüchtigt hatte werden können, dass sie eine Million wert sein sollte.

„Was würdest du tun, wenn es uns beiden gelänge, zu entkommen?“, fragte er leise.

„Entkommen?“

„Den anderen, Lolita. – Deinen Freunden. Wenn die an die Macht kommen, überziehen sie das Land mit Willkür und Terror. Das ist dir doch auch schon lange klargeworden, Und sie würden dich gestürzt haben, bevor du den Palast des Präsidenten erreichst. Sie würden auch Mao ausschalten, weil sie Macht wollen und kein Traumland. Es ist keiner dabei, dessen Horizont groß genug wäre. Die können nur durch Gewalt ersetzen, was ihnen in den Köpfen fehlt. Solche Menschen denken immer nur an sich selbst, Lolita.“

Sie sah aus, als würde sie seinen Worten nachlauschen und antwortete nicht.

Im Dickicht knackte es wieder.

Jäh spannte sich Lolitas Haltung, und sie schlug die Waffe an. „Wer ist da?“

„Ich bin es“, sagte Mao, der nicht einmal stehenblieb. Er ging vorbei, lehnte sich an einen Baum und blätterte in seinem zerfledderten Buch herum. „Ich brauche Licht, Archibald.“

„Wozu?“

„Ich brauche Licht, ich will etwas nachlesen.“

„Kein Licht!“, zischte Pablo, der auf einmal wie aus dem Boden gewachsen bei ihnen stand.

„Er war doch allein“, entgegnete Mao.

„Trotzdem!“, beharrte Pablo. „Wir brauchen jetzt keine Verse!“

„Ich wollte etwas von Mao Tse Tung vorlesen, was er in den Bergen geschrieben hat, als er selbst noch zu den Partisanen gehörte.“

Pablo fluchte leise.

„Es interessiert niemanden“, sagte Archibald. „Deine Verse waren vielleicht gegen die Langeweile im Camp gut. Aber jetzt sind sie unwichtig geworden.“

„Lolita, willst du keinen Vers hören?“, fragte Mao.

„Nein“, sagte die Frau schroff, „Pablo, ruf die anderen zurück. Wir müssen versuchen zu schlafen!“

Der 12 Romane Krimi Koffer Juni 2021

Подняться наверх