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Also hat er tatsächlich eine Familie. Er beschwört ihre Abbilder noch einmal in seinem Kopf herauf und betrachtet sie der Reihe nach liebevoll. Und obwohl er seine Tochter heute Morgen gar nicht gesehen hat, kann er ihr Bild jetzt dennoch ebenso leicht abrufen wie das seiner Frau und seines Sohnes. Der Anblick seiner Lieben spendet ihm ein wenig Trost. Außerdem weiß er auch, dass Monika alles dafür tun wird, dass die Bedingungen der Entführer erfüllt werden, damit er wieder wohlbehalten freigelassen wird.

Bei den tröstenden Gedanken an seine Familie hat er beinahe vergessen, dass noch immer einer der Entführer hinter ihm steht und sich wie die anderen Anwesenden mucksmäuschenstill verhält. Doch in diesem Augenblick ruft sich ihm dieser von sich aus in Erinnerung, indem er nach dem Stoffsack greift und ihn ruckartig von seinem Kopf reißt.

»Mmmmmhhhhh …«

Das grelle Licht, das ihm jetzt ungehindert direkt in die Augen scheint, blendet ihn so stark, dass seine Augen zu tränen beginnen. Er senkt den Kopf, kneift die Augen zusammen und öffnet sie dann vorsichtig wieder, um sie an die Helligkeit zu gewöhnen. Die Tränen verschleiern allerdings seinen Blick.

»Na, Heitzer, wie geht es Ihnen jetzt?«

Er wendet den Kopf so abrupt nach links, als ihn von dort unvermittelt eine männliche Stimme anspricht, dass ein stechender Schmerz, ausgehend von der kaum verheilten Kopfwunde, wie ein glühender Kugelblitz durch jede einzelne Gehirnzelle saust.

»Mmhh!«

Er stöhnt vor Schmerz, schließt kurz die Augen, öffnet sie aber rasch wieder, um sie auf das Gesicht des Mannes zu richten, der ihn angesprochen hat. Der Mann kommt ihm vage bekannt vor, allerdings kann er nicht sagen, woher. Außerdem liefert sein Namensgedächtnis keinen passenden Namen zu dem Gesicht, weil seine Erinnerung noch immer zum größten Teil wie leergefegt ist. Der Mann ist schätzungsweise Mitte bis Ende fünfzig, hat mausgraues, kurz geschorenes Haar und trägt eine Brille mit dünner, silberner Fassung.

Als der Mann ihn gerade eben ansprach, glaubte er, Mitgefühl oder Sorge in seiner Stimme zu hören, und schöpfte Hoffnung, doch als er jetzt den feindseligen Blick und das böse Grinsen des anderen sieht, erkennt er seinen Irrtum. Es war gar kein Mitleid, sondern Häme, die er gehört hat.

»Wissen Sie, wo wir hier sind, Heitzer?«

»Mmh.« Der Laut, der ein Nein werden sollte, entschlüpft ihm automatisch, ehe er sich entsinnt, dass man ihn ohnehin nicht verstehen kann. Also schüttelt er zusätzlich den Kopf.

»Woher auch?«, fragt der Mann. »Aber ich will es Ihnen verraten: Wir sind im Keller meines Hauses. Sie sind also gewissermaßen mein Gast.«

»Mmh mmhh mhh?«

»Tut mir leid, aber ich kann Sie wegen des Knebels nicht verstehen«, sagt der Mann und verzieht das Gesicht zu einem eisigen Lächeln, das ohne jede Spur von Fröhlichkeit ist. »Aber vermutlich fragen Sie sich, wer ich bin und warum Sie hier sind. Habe ich recht?«

»Mh!« Er nickte vorsichtig, um keine neue Schmerzwelle auszulösen.

»Na gut. Wenn Sie nicht von allein draufkommen, will ich es Ihnen verraten. Mein Name ist Klaus Schmidt. Ich bin Maries Vater!«

Marie …

Der Name hallt wie der Schlag einer riesigen Glocke durch seinen Verstand, wird von den Innenwänden seiner Schädeldecke zurückgeworfen und dabei tausendfach verstärkt, bis er kaum noch einen anderen vernünftigen Gedanken fassen kann.

Marie – Marie – Marie – Marie – Ma rie – Ma rie – rie

Er erinnert sich daran, dass das auch der erste Name auf dem Zettel war, der ihn ins Parkhaus lockte.

WIR WISSEN ALLES!

Was meinten Sie damit? Wer ist Marie? Und wieso löst ihr Name eine so starke Reaktion in ihm aus?

Die Antworten auf seine Fragen erhält er postwendend, als eine weitere Welle von Erinnerungen über ihn hinwegrauscht wie ein mentaler Tsunami und ihn aus der Gegenwart in die Vergangenheit spült.

SINFONIE DER SCHMERZEN

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