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Die Reifeprüfung

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Es war Spätherbst. Über die Stadt zogen dunkle Wolken hinweg, Regen prasselte auf die Dächer. Eine trübe Stimmung hatte wie jedes Jahr viele Menschen erfaßt, der neblig-nasse Tag verstärkte solche Gefühle. Die Schüler und Schülerinnen des zwölften Jahrgangs blickten mißmutig aus dem Fenster, der dozierende Pädagoge blieb allein mit seinem Stoff, und er bemerkte es wohl. Doch da ihn eine Erkältung plagte, seine Stimme immer wieder in Heiserkeit versagte und auch er das Ende der Stunde und dieses Vormittags herbeiwünschte, nahm er Desinteresse und Schläfrigkeit der Klasse demütig hin.

Thessi saß am rechten Rand des tischgebildeten Halbrunds und beobachtete aufmerksam die Szene. Die Düsternis, die des Raumes wie die innere, sie kümmerte ihn wenig. Er war solche Stimmungen gewöhnt, sie waren für ihn eher besondere Stunden. Tragisches Geschehen, großartige Tode haben sich stets so angekündigt, Untergänge von Fürsten und Helden, von Völkern und Kulturen. Ja, es gab sie immer noch, diese Träume in seinem Inneren, ob nun hochfahrend oder voll düsterer Schwermut. Aber er wußte, daß alle Träume nur Nährboden eines Willens sind, sie auch wahr werden zu lassen. Jedenfalls seine Träume.

Er war wieder sehr allein. Den geheimen Bund hatte er bereits vor zwei Jahren aufgelöst, die pubertären Spiele galten ihm nichts mehr. Aber seine tief verwurzelte Sehnsucht, Macht auszuüben, zu herrschen nicht nur über sich selbst, sondern auch über andere, sie war geblieben, subtiler vielleicht, aber kräftiger und fordernder als je zuvor. Doch ihm blieb die Frage, welche Zwecke, welche Ziele er damit verbinden wollte. Auf solche Fragen hatte er mancherlei Antworten gefunden und auch wieder verworfen im Laufe der Jahre. Es war ja nicht bloßer, gewöhnlicher Egoismus, sondern eben dieser Traum vom Heldentum, der seine Machtfantasien beherrschte. Und Helden waren schon immer zwar strahlende, aber auch tragische, scheiternde Gestalten. Das wurde ihm an diesem regendüsteren Vormittag von neuem bewußt.

Die Stunde war zuende, der Lehrer schlich sich hinaus, die Mitschüler trotteten hinterher. Thessi blickte ihnen nach, ohne sich zu bewegen. Und plötzlich, absolut unerwartet durchzuckte ihn in diesem Augenblick eine Erkenntnis: Es ist nur noch ein gutes Jahr, bis die großen Klausuren für das Abitur beginnen würden. Die ersten Zensuren standen ja jetzt schon fest, und über die wichtigsten würde in den kommenden Monaten entschieden. Er hatte sich bislang all die Jahre treiben lassen. Er kannte seine Qualitäten, was sollte er andere davon überzeugen. Wichtig war ihm nur, nicht noch ein Jahr zu wiederholen. Er war jetzt schon wesentlich älter als alle anderen in der Klasse.

Aber plötzlich kam ein neuer Gedanke. Was auch immer werden würde, wenn er die Schule verließ - er hatte daran kaum je einen Gedanken verschwendet, trotz aller Träume - er wollte alle Optionen haben. Und er wollte jetzt, zum Schluß, allen zeigen, daß er ihnen überlegen war - nicht nur den Mitschülern, auch denen, die sie unterrichteten. Wenn auch Wissen eine Macht darstellt, dann werde ich meine Macht demonstrieren, sie in Erstaunen versetzen, sie ehrfürchtig erstarren lassen. Sie werden mir Zensuren ins Abgangszeugnis schreiben, die ihnen die Hand zittern läßt, weil sie an sich selber zweifeln müssen, an ihren Fähigkeiten, an ihrem Urteil. Die Psychologin von einst kam ihm in den Sinn, ihre Analysen, und dann auch ihr sinnliches Interesse an seiner Person, seiner Gestalt, seinem Körper, das er deutlich gespürt und das er deshalb so oft herausgefordert hatte. Ja, ich bin allen überlegen, und ich werde das beste Zeugnis erhalten, das diese Schule je gesehen hat. Ein neuer, prickelnd schöner Traum, der in die Wirklichkeit drängte.

Und so begann er zu planen, besorgte sich den amtlichen Lehrplan für das letzte Schuljahr, blätterte aufmerksam durch die Schulbücher und vertiefte sich dann in den unermeßlichen Wissensschatz, den ihm das Internet bot. Mit Leichtigkeit speicherte er nicht nur die notwendigen Informationen, er erarbeitete sich zu jedem Thema, zu jeder Unterrichtseinheit seine eigenen Fragen und Antworten, mit denen er die Lehrkräfte in Erstaunen und auch in Verlegenheit zu bringen gedachte. Immer war er ihnen voraus mit seinem Wissen, seiner Wiedergabe von Fakten, aber auch mit seiner Art, alles kritisch zu hinterfragen, Gedanken in neue Welten weiterzuführen und dort nachzufragen, wo Lehrerwissen schon ans Ende geraten war.

Präzise bereitete er alle noch ausstehenden Klausuren vor, schloß Denkfehler aus und verinnerlichte den nötigen Stoff. Der Erfolg war eindeutig: Null Fehler, intelligente Darbietung, originelle Lösungswege, erstaunliche sprachliche Qualität, selbständige Erarbeitung, weiterführende Gedanken, tiefschürfende Erörterung - die lobenden Schlußbemerkungen, die mancher Lehrer anfangs nur widerwillig neben die Zensur setzte, wurden zum Standard. Seine Arbeiten wurden auf Konferenzen beraten, hier und da an die entsprechenden Fachbereiche mancher Universitäten weitergereicht, fanden Eingang in wissenschaftliche Zeitschriften. Es war, als ob ein unbekannter Komet am Himmel dieser mittelmäßigen Schule aufgetaucht, als ob ein neuer, hochbegabter Schüler dorthin gewechselt sei. Aber hatte man das nicht schon immer geahnt, ja eigentlich auch schon gewußt? Wer wollte zugeben, ein solches Talent nicht erkannt, nicht gefördert zu haben! Und Thessi spürte die Macht, wieder einmal, die er mit allem über diese Frauen und Männer gewonnen hatte, die sich hinter den Türen der Lehrerzimmer vor ihm verbargen.

Einzig einer dort blieb mißtrauisch, ablehnend, boshaft. Mag sein, er fühlte sich betrogen, aber alle Nachforschungen konnten nichts dergleichen beweisen. Mag sein, er war gekränkt von der selbstbewusst überlegenen Art, mit der dieser Schüler ihm gegenüber auftrat. Mag auch sein, daß purer Neid auf den Besseren ihn in diese hoffnungslose Gegnerschaft trieb. Aber Thessi nahm den Fehdehandschuh auf, und es wurde ein Kampf auf Leben und Tod.

Wollte jener einen Fehler entdeckt haben, bewies ihm Thessi das Gegenteil. Wollte er ihn bloßstellen, gab ihn Thessi dem Gespött der Klasse preis. Legte er gegen irgendeinen Konferenzbeschluß, der Thessi betraf, Widerspruch ein, brachte Thessi ein Rechtsgutachten über einen ähnlichen Fall bei, das dem Protest jegliche Legitimation entzog. Immer erbitterter wurde der Streit ausgetragen, und Thessi empfand ihn als das, was er in Wirklichkeit auch war - ein Kampf um die Macht, um Herrschaft über den anderen. Und da gab es keinen Vergleich, keine Versühnung, nur Triumph und Untergang.

Um eine endgültige Niederlage herbeizuführen, um voll und ganz zu obsiegen und den anderen zu vernichten, dazu reichte der schulische Kampfplatz nicht aus. Und Thessi wollte den totalen Sieg. Er sollte ihn bekommen, auch wenn er sich selbst dabei fast verraten hätte.

Jener Lehrer hatte eine Tochter, Perry, die in die zehnte Klasse ging. Niemand wußte, ob dies ihr wirklicher Name war, aber alle nannten sie so. Ihr glattes, hellblondes Haar ließ sie seit Jahren wachsen, trug sie es offen, reichte es weit über die Schulterblätter hinaus. Aber meist hatte sie es mit einer Klammer zusammengefaßt, und manchmal flocht sie es auch zu Zöpfen und sah dann überraschend kindlich aus, obwohl sie durchaus bereits eine höchst weibliche Figur hatte. Abgesehen von diesen Rundungen war sie schlank, angefangen von den Beinen bis hin zu einem schmalen Gesicht. Fast alle Jungen ihrer Klasse umschwärmten sie, doch sie nahm deren Huldigungen nur kühl und distanziert entgegen. Niemand wußte, ob sie vielleicht außerhalb der Schule einen Freund hatte. Doch das war nicht der Fall.

Thessi hatte, so erstaunlich das scheinen mag, bisher keinerlei Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht, jedenfalls keine, die auf körperlichen Kontakten beruhten. Ihm hatte stets gereicht, was ihm seine Träume boten, und das war bisher auch weit ausschweifender, als eine armselige Wirklichkeit versprechen konnte. Auch Perry war gelegentlich seinen Fantasien zum Opfer gefallen, wenn er sie auf dem Schulgelände mit ihren Freundinnen tuscheln und kichern sah. Doch jetzt war eine neue Situation. Er wollte auch hier wissen, statt nur zu träumen; und er wollte sie, die Tochter seines Feindes.

Er begehrte dieses Mädchen, das so unschuldig schien und doch so reif war, wie eine herbstliche Frucht, die endlich gepflückt werden muß. Er begehrte sie um ihrer selbst willen, ihres Körpers und ihres Lachens willen. Aber er wollte sie auch besitzen um ihres Vaters willen, über sie Herrschaft gewinnen, sie der eigenen Gewalt unterwerfen, um die väterliche Gewalt machtlos und lächerlich zu machen.

So sprach er sie in einer Pause einfach an, und da er inzwischen an der gesamten Schule - wieder einmal, muß man wohl sagen - als außergewöhnlich und irgendwie auch geheimnisvoll galt, empfand sie diese Begegnung mit dem wesentlich älteren als Auszeichnung, als Ehre. Außerdem war er ein gutaussehender junger Mann mit einer muskulösen Statur, einem ebenmäßigen Gesicht, das nicht nur von einem dunkelblonden, lockigen, halblangen Haarschopf, sondern seit kurzem auch von einem durchaus kräftigen, aber gepflegt kurzgeschnittenen Bart gerahmt war. Thessi lud sie nach dem Unterricht in ein Café ein, und sie sagte zu, ohne sich anstandshalber ein wenig zu zieren, wurde dabei ein wenig rot, was er selbstgefällig vermerkte.

Sie saßen einander gegenüber, tranken einen café crème und Thessi dozierte, während Perry stumm, aber andächtig lauschte. Später wechselte er an ihre Seite, legte ihr vertraulich die Hand auf die Schulter, und er spürte ein leichtes Zittern. Ein Spaziergang durch den Park schloß sich an, sie gingen bereits Hand in Hand, und Thessi gab einige Geheimnisse über jenen Knabenbund preis, der in der Schule immer noch Legende war. Sie blickte ihn mit ihren großen graugrünen Augen bewundernd an. Er zeigte ihr den kaum noch erkennbaren Zugang zum Versammlungsplatz und zog sie hinter sich her, um ihr die Buche, den Totembaum, vorzustellen, und das Mädchen starrte andachtsvoll bewundernd auf das Heiligtum. Dann drehte sich Thessi ihr langsam zu, näherte seinen Körper dem ihren, seinen Mund dem ihren, und sie duldete, ja erwiderte seinen Kuß, sie nahm willig wahr, daß er seine Hand unter ihren Pullover schob, sie zwischen ihren BH und ihre Haut zwängte und eine ihrer Brustwarzen berührte, so intensiv, daß sie leise stöhnte unter einem wollüstigen Schmerz.

Thessi genoß diese schweigende Unterwerfung unter seinen Willen, aber er fühlte auch auf andere Art ihre mädchenhaft-keusche Hingabe an etwas, was fremd und fordernd in ihre Gefühlswelt eindrang, und er liebte sie dafür, soweit er Liebe empfinden konnte und nicht nur Begehren. Eine Weile verharrten sie so, dann machte Perry sich los, griff unter ihren Pullover, um den BH zu lösen, ließ dabei einen breiten Spalt zwischen Jeans und dem hochgerutschten Pullover, um ihm leichteren Zugang zu gewähren, und Thessi vergrößerte ihn, bis beide Brüste frei hervortraten. Er erkannte, wie wohlgeformt, wenn auch noch klein und spitz, sie sich ihm darboten. Ohne daß er darüber nachdachte, griffen nun beide Hände danach und umfaßten sie, während seine Zunge immer noch Zugang zu ihrem Mund suchte und nun auch fand.

All das geschah in wortloser Stille, und auch der Park ringsum schien den Atem anzuhalten. Nur Perrys Atem wurde hörbar, wenn sie unter seinen Angriffen tief in ihrer Mundhöhle hin und wieder Luftzufuhr benötigte. Sie wußten beide nicht, wie lange sie so verharrten, Thessis Hände an ihren Brüsten, Perrys Finger in seine Schultern gekrampft, bis aus der Ferne der Stundenschlag vom Turm der Stadtkirche herüberwehte. "Ich muß nach Hause," sagte sie zögernd, und Thessi ließ es geschehen, daß sie dabei zurücktrat und seine Hände ihren Halt verloren. Er nickte großmütig und wartete, daº sie BH und Pullover ordnete, dann führte er sie von der heiligen Stätte hinaus auf den Parkweg und zurück in die Stadt. Er ließ es auch zu, daß sie ihre Hand aus der seinen löste, ehe sie um die Ecke jener Seitenstraße bogen, in der ihr Vater wohnte.

"Bitte, ich möchte allein weitergehen," sagte sie und blieb stehen. "Ist okay," gab er sich großzügig. "Wir sehen uns morgen wieder, um drei im Park." Es war keine Frage, kein Vorschlag, es war eine Feststellung. Und sie nickte gehorsam, bevor sie ging. Als sie sich noch einmal umdrehte, war er bereits verschwunden.

Der nächste Tag war warm und sonnig. Thessi ließ sich nicht auf dem Schulhof sehen, und Perry war es lieb, weil sie nicht recht wußte, wie sie ihm dort begegnen sollte. Sie brachte ihre Bücher nach Hause, aß zu Mittag, vertiefte sich in die Hausaufgaben, aber sie gelangen ihr nicht recht. Sie suchte sich ein Sonnentop aus dem Schrank, verzichtete lieber gleich auf einen BH und zog sich statt ihrer Jeans einen kurzen, weit ausgestellten sommerlichen Rock über den Slip. Sie wußte nicht, warum sie es tat, aber sie spürte, daß es nötig sei. Nicht nur wegen des Wetters.

Als sie vor der Wacholderhecke ankam, war niemand zu sehen. Sie wanderte ein wenig auf und ab, hörte den Uhrschlag, blieb unschlüssig stehen. Sie wußte nicht viel von Thessi, nur das, was so erzählt wurde - und das, was der Vater manchmal beleidigt und ärgerlich von sich gab. Aber sie kannte seine Hände, die so sanft und doch eindeutig ihre Brüste umschlossen, sie abtasteten, liebkosten. Sie kannte seinen Mund - die warmen Lippen, diese sich windende Zunge, die ihre Mundhöhle in ein Liebesnest verwandeln konnte. War das nicht viel mehr, als alle anderen von ihm wußten? Oder gab es Mädchen, Frauen, die schon gleiches erlebt hatten? Warum kommt er nicht, warum läßt er mich warten? Sie lief zur Wegbiegung, schaute den Pfad entlang, lief wieder zurück, in die andere Richtung, hielt auch dort Ausschau. Dann stand sie vor der Stelle, wo der geheime Zugang sein mußte. Sie zwängte sich hindurch. Und da war er, stand lässig an die Buche gelehnt in seinen ausgewaschenen Jeans, stand da mit bloßem Oberkörper, vor dem er seine gebräunten Arme übereinandergelegt hatte. "Hallo," sagte er nur. Und sie lief auf ihn zu, um ihren Mund auf seinen zu drücken.

"Komm, ich will dir etwas zeigen!" Thessi griff nach ihrer Hand, und sie folgte ihm in das Gehölz und dann in den Schilfgürtel, sprang ihm nach über die Trittsteine, bis sie an das Ufer kamen. "Laß uns schwimmen," sagte er, und ohne ihre Antwort abzuwarten, schüttelte er seine Sandalen von den nackten Füßen, zog seine Hose aus und streifte dann auch den knappen Slip hinunter, den er darunter getragen hatte. Er wandte sich ihr zu. Sie stand da, erschrocken, erregt, ängstlich, und starrte ihn an, blickte auf seinen nackten Körper, und ihre Augen, die sie doch eigentlich verschließen müßte bei diesem Anblick, blieben an seinem Glied hängen, das groß, aber schlaff herabhing.

"Komm," sagte er sanft, aber bestimmend. Da öffnete sie den Rock, daß er zu Boden fiel, streifte sich das Top über Schulter und Kopf. Doch den Slip behielt sie an. Er lächelte. "Er wird naº sein, nachher. Oder wir müssen bleiben, bis er wieder trocken ist." Sie sagte nichts, kam nur zögernd näher. "Okay, wenn du meinst." Er reichte ihr die Hand, half ihr durch das Schilf und watete hinaus ins offene Wasser. Erst langsam fiel der Boden ab, bis es tief genug war. um sich in den Fluß zu werfen. Sie schwammen eine Strecke nebeneinander gegen den Strom, drehten dann, ließen sich treiben. Perry wurde übermütig, spritzte und strampelte, Thessy spritzte zurück, sie lachten, er packte sie unter Wasser und fuhr mit der Hand über ihre Brust, sie griff in seine Haare, sie rangen miteinander, tauchten unter, kamen wieder an die Oberfläche, sie floh schwimmend, er holte sie ein, zog sie wie ein Rettungsschwimmer, auf dem Rücken liegend, die Arme unter den ihren hindurchgezogen und vor ihren Brüsten gekreuzt. So glitten sie dahin, und Perry genoß es, auf ihm zu liegen, spürte sein Glied, das sich gegen ihr Gesäß drückte.

Er trug sie durch den Morast des Ufers. Sie sah das Boot, das dort immer noch lag, grau und verwittert, und sie sah auch, daß auf seinem Boden eine Wolldecke lag, weich und trocken. Und eben dort legte er sie ab, strich ihr die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht und kniete sich über sie. Sie sah ihn an mit ihren großen, graugrünen Augen, in denen sich Angst und Begehren mischten. Er beugte sich herab und küßte ihre Brüste, intensiv und ausdauernd, und sie erschauderte. Dann glitten seine Lippen ihren Körper hinab, bis der Slip ihnen Einhalt gebot. Thessi griff danach und zog ihn mit festem Ruck bis auf die Oberschenkel. “Bitte, nicht“ flüsterte sie, aber sie öffnete ihre Beine, damit sein Gesicht tiefer gleiten konnte, und sie seufzte auf, als seine Zunge in sie eindrang. Nach einer Weile richtete er sich auf, zog sich höher, seine Arme preßten sich um ihren Körper, und dann fühlte sie, daß etwas anderes in sie eindrang, fest und bedrohlich.

“Bitte nicht,“ sagte sie noch einmal, aber da war schon dieser Schmerz, der etwas in ihr zerriß, und dann war dieses Gefühl, das ihr den Atem nahm, dieser unbeschreiblich schöne Schmerz, der alle Sinne umfing, mit jeder Bewegung, die Thessi machte, zurückkam, stärker wurde. Perry wollte sich wehren, wollte den Mann, der da auf ihr lag, zurückschieben, sich des Eingedrungenen entledigen, aber sie wollte auch das andere, diese Lust, die von ihm ausging, die ihr die Sinne raubte, die von Sekunde zu Sekunde stärker wurde, größer, schöner, bis sie aufschrie, weil alles in ihr schrie: Ja, es ist schön! Sie merkte nicht, daß auch Thessi stöhnte, daß sein Atem flog, daß sich seine Hände in ihren Körper krallten. Und dann spürte sie diese feuchte Wärme, die sich in sie ergoß. Sie wollte das nicht, weil es nicht sein durfte, weil es gefährlich war und verboten, aber sie stöhnte nur: ?Mach weiter, bitte.? Und dann war alles vorbei, sie waren erschöpft, beide, er lag auf ihr, schwer und gewaltig, ihr Herr, ihr Gebieter, der Mächtige, der sie bezwungen. Sie spürte es, aber sie war nicht fähig, es auch zu denken.

Auch Thessy fühlte, daß etwas einmaliges geschehen war, auch für ihn war dieses Erlebnis neu. Aber er war an ein Ziel gekommen. Er hatte eine Erfahrung gemacht. Nach einer Weile entzog er sich ihrer Vagina, sah das Blut, das geflossen war, und er wußte, hier hat jemand seinen Preis gezahlt, damit ich meine Macht genießen konnte. Da streichelte er ihre Haare, ihre Wangen, und ganz zart noch einmal ihre Brüste. Und sie lag da, mit geschlossenen Augen, aus denen Tränen rannen. Tränen der Freude und Tränen der Scham.

Sie trafen sich noch öfter in diesen Sommertagen dort im Park, und sie liebten sich noch mehrfach. Aber es war nie wieder so wie an jenem ersten Tag. Als die großen Ferien begannen, fuhr Perry mit ihrem Vater in den Urlaub, und irgendwie war Thessi froh darüber, obwohl er ihren Körper manchmal vermißte. Nach den Ferien vermied er es, ihr auf dem Schulhof zu begegnen, und er vermied es auch, in den Park zu gehen. Aber auch Perry war anders geworden. Sie sah blaß und abgemagert aus, und oft fehlte sie, weil sie sich unwohl fühlte. Und irgendwann, als sie plötzlich auf die engen Jeans verzichtete und weite Hosen oder auch Röcke trug, hieß es, sie sei von der Schule abgegangen, und ihr Vater kam mit versteinerter Miene in den Unterricht.

Nach den Weihnachtsferien wurden seine Fächer auf andere Lehrkräfte verteilt. Und zwei Wochen später teilte der Schulleiter mit, der verdiente Kollege sei plötzlich und unerwartet aus dem Leben geschieden. Es gab die üblichen Nachrufe, auch einen kurzen Artikel in der Lokalzeitung, aber niemand sagte etwas über die Todesursache. Der Arzt, der den Totenschein ausstellte, hielt sich an seine Schweigepflicht. Was sollte er noch die Polizei einschalten, es würde zu nichts führen, und es gab ja auch niemand, der an diesem Tod Schuld trug, außer dem Toten selbst. Und es wäre wohl auch gut, der Tochter die Wahrheit zu ersparen, gerade in ihrem derzeitigen Zustand. Sie hat es schwer genug, mit Tod und Leben fertig zu werden. So erfuhr Thessi nichts davon, daß er den Kampf gegen den verhaßten Gegner gewonnen hatte, daß er die Schuld trug an beidem - dem Tod und dem neuen Leben, weil dieses neue Leben Ursache war für den Tod. Aber er konnte so die Schuld auch nicht als Beweis für seine Macht verbuchen. Und das hätte er sicher getan.

Als das Kind geboren wurde, Thessis erster Sohn, da hatte er sein Reifezeugnis bereits in der Tasche und die Stadt verlassen. Also erfuhr er auch davon nichts. Jedenfalls damals noch nicht. Perry hatte sich standhaft geweigert, einen Vater zu benennen - dem eigenen Vater gegenüber, aber auch später vor der Dame vom Jugenddienst. Es blieb ihr Geheimnis. Und ihr Opfer für einen, der es sich durch nichts verdient hatte.

Die Träume von Macht

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