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8. Menschenhandel (1. Mose 37)

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Erst ist es nur eine Staubwolke am Horizont, dann hört man auch Stimmen und das Knarzen von Sätteln. Es ist eine Karawane, die da langsam heranzieht, Händler auf dem Weg nach Süden mit ihren hochbeladenen Kamelen. Für die Brüder nichts Besonderes, denn hier verläuft der Handelsweg nach Ägypten. Aber plötzlich kommt Juda, Rubens Bruder, ein Gedanke. Haben ihn die Worte des Bruders doch ein wenig nachdenklich gemacht? Oder ist es schlicht die Gier nach einem unverhofften Gewinn, der ihn diesen Vorschlag machen läßt? Jedenfalls spricht auch er aus, was schon zuvor gesagt wurde: Joseph ist doch unser Bruder, trotz allem, wie können wir ihn dann töten? Zurück können wir nicht mehr, er würde uns verraten. Aber wir können ihn loswerden, ein für alle Mal. Wir verkaufen ihn einfach an diese Händler dort!

Die anderen blicken ihn an, dann nicken sie zustimmend. Kaum war die Karawane herangekommen, zog Juda den zitternden, halbnackten Joseph aus dem Loch heraus und schob ihn nach vorn. "He, Leute, was bietet ihr für den Jungen hier? Jung, kräftig, ganz geschickt! Wir müssen ihn verkaufen, umständehalber. Also - nennt uns ein Angebot." Sie feilschen ein wenig um den Preis, das gehört sich so, und es würde die Kaufleute nur mißtrauisch machen, wenn sie den Sklaven - denn das war er ja wohl - allzu rasch loswerden wollten. Man einigt sich auf zwanzig Silberstücke, ein Handschlag, Juda stößt Joseph voran, einer der Händler fesselt ihm die Hände auf den Rücken, vorsichtshalber, dann wird er an langer Leine an ein Kamel gebunden, das sich gemächlich wieder in Bewegung setzt.

Joseph hat alles schweigend über sich ergehen lassen. Sollte er die Brüder anbetteln? Was würde das nützen? Als Sklave würde er doch wenigstens am Leben bleiben, so ungewiß dieses Schicksal auch sein mag. Die Brüder schauen der Karawane nach, irgendwie doch auch erleichtert. Aber das Schlimmste steht ihnen ja noch bevor: dem Vater die Nachricht zu überbringen - dein Liebling ist tot. Hier sind seine Kleider. Ihn selbst konnten wir nicht mehr finden. Leider.

Inzwischen hatte Ruben offenbar einen Plan gefaßt. Er sah seine Brüder mit den Händlern der Karawane reden - ein günstiger Moment, den Bruder aus seinem tiefen Loch zu befreien. Doch das Verließ ist leer, Joseph verschwunden. Als Ruben entsetzt zu seinen Brüdern zurückkehrt, zieht die Karawane bereits weit in der Ferne ihres Weges. So bleibt ihm nur eins: Das bunte Kleid Josephs mit dem Blut eines geschlachteten Ziegenbocks rot zu färben, die Herden den Knechten anzuvertrauen und den schweren Gang anzutreten, Jakob den Tod des Sohnes zu melden - ganz, wie ursprünglich geplant. Lange Zeit trauert der Vater. Die Söhne gehen ihm aus dem Weg, fühlen sich schuldig an seinem so offen zur Schau getragenen Leid, obwohl sie wissen, daß Joseph lebt. Und zugleich schmerzt es, daß Jakob diesem einen soviel Trauer zukommen läßt, wo er doch nur einen von elf Söhnen verloren hat. Daß Rahel ihr einziges Kind, nach so viel Jahren der Unfruchtbarkeit endlich geboren, beweinen muß, das nimmt niemand zur Kenntnis.

Joseph wurde in die Sklaverei verkauft. Das ist keine Straftat, damals. Menschen, die ihre Schulden nicht erstatten konnten, Kriegsgefangene und Besiegte, ihnen allen drohte das Sklavendasein nach Recht und Ordnung aller antiken Gesellschaften. Und Überfälle auf Nachbarn, wenn es an Arbeitskräften mangelte und Sklaven auf den Äckern und in den Häusern benötigt wurden, hätte niemand angeklagt. Selbst in einer Sippe konnte das Familienoberhaupt über das Leben aller anderen verfügen. Wo also liegt hier das Verbrechen?

Und wenn es keines war - warum erzählt uns die Bibel mit offensichtlicher Empörung über das Schicksal Josephs? Es ist wohl der Bruderzwist, Eifersucht und Haß, Streit bis hin zum Totschlag zwischen so nahe Verwandten, der so oft zu vermelden war und der doch als unnatürlich und als Sünde empfunden wurde. "Verflucht seist du auf der Erde, die ihr Maul hat aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen" so kommentiert Gott den Mord Kains an seinem Bruder Abel. Das gilt für die biblischen Erzähler, auch wenn es sich hier nur um versuchten Mord gehandelt hat.

Da ist unser Strafrecht großzügiger: Wer nachweislich vor der Tat von ihr zurückgetreten ist, hat sie auch nicht versucht. Und bleibt straffrei. Dafür ist Menschenhandel heute ein strafbarer Eingriff in die Grundrechte jedes Menschen. Gott sei Dank!


Tatort: Die Bibel

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