Читать книгу Tatort: Die Bibel - Eckhard Lange - Страница 4
1. Brudermord (1. Mose 4, 1-16)
ОглавлениеDer Tathergang ist uns geläufig: Beide Brüder wollen Gott ein Opfer darbringen, und jeder legt dafür das auf den Altar, was er mit seiner Hände Arbeit erwirtschaftet hat: Abel ein Lämmchen aus seiner Herde, Kain von den Feldfrüchten, die er geerntet hat. Nun ist der liebe Gott anscheinend kein Vegetarier, er zieht ganz offensichtlich Abels Fleischangebot vor. Woran die beiden das merken, wird nicht berichtet. Jedenfalls wird Kain hochgradig wütend und eifersüchtig, lockt seinen Bruder trotz göttlicher Warnung aufs freie Feld und erschlägt ihn. Und wie sollen wir das bewerten?
Kains Anwälte würden heute wohl auf Totschlag im Affekt plädieren, vielleicht auch auf Körperverletzung mit Todesfolge, das würde in minder schwerem Fall gerade mal ein Jahr bringen, man könnte sogar verminderte Schuldfähigkeit ins Spiel bringen. Vielleicht hatten ja auch die Eltern - also Adam und Eva - den lieben Abel ständig vorgezogen, oder der Bruder hat den armen Kain ständig gemobbt.
Der Staatsanwalt dagegen fordert sicher die Höchststrafe wegen Mord aus Heimtücke und niederen Beweggründen. Und er hat gute Gründe. Schließlich lagen zwischen dem auslösenden Ereignis und der daraus folgenden Tat einige Stunden mit der Aufforderung Kains, zunächst einmal einen kleinen Ausflug zu machen - also war seine Tat nüchtern geplant. Und noch etwas spricht gegen eine Affekthandlung: Der, wenn auch vergebliche, Versuch einer Deeskalation durch Gott höchstpersönlich.
Übrigens ist dann dessen Richterspruch, von dem die Bibel berichtet, höchst ungewöhnlich: Kain erhält - bloß, würden wir denken - eine Bewährungsstrafe. Und das Kainszeichen an der Stirn. Übrigens nicht, wie der Begriff heute verwendet wird, als Brandmal, das ihn als Kriminellen allgemeiner Verachtung preisgibt, sondern als höchstrichterlichen Schutz gegen jeden Versuch von Selbstjustiz und Blutrache. Man könnte es auch psychologisch sehen: Lebenslange Schuldgefühle als subtile Bestrafung. Dieses war die erste Tat, doch die zweite folgt schon bald: