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6. Vergewaltigung und Massenmord (1. Mose 34)

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Zwölf Söhne hat Jakob bekommen, denn immerhin standen ihm zwei Frauen und zwei Mägde zur Verfügung. Einzig die unglückliche Lea hat ihm dann auch ein Töchterlein geschenkt, Dina mit Namen. Daß sich das junge Ding, erst einmal der Pubertät entwachsen, unter so vielen Brüdern nicht besonders wohl fühlte, kann man verstehen. Also schlich sie sich vom Hof und strebte der nächsten Stadt zu, irgendwo würde es sicher ein paar Mädels geben, die dort abhängen.

Gern gesehen war das zuhause nicht. Der Clan von Vater Abraham hielt sich immer noch für etwas Besonderes, die Leute nebenan waren irgendwie minderwertig - andere Sprache, anderes Aussehen, andere Religion. Aber Dina wollte eben Party machen. Nur traf sie neben den Mädels auch auf einige junge Burschen, unter ihnen einen gewissen Sichem. Er fand sie geil, sie ihn vielleicht auch, und er war denn auch tatsächlich geil. Ob es damals schon K.o.-Tropfen gab, ist nicht überliefert, vielleicht reichte auch schon genügend vergorener Traubensaft - wir wissen das ja schon von Lot. Jedenfalls war sie am nächsten Morgen keine Jungfrau mehr.

Daß Sichem das Mädchen hinter eine Terebinthe gezerrt und brutal vergewaltigt hätte, das können wir wohl ausschließen, wie der Fortgang der Geschichte zeigt: Ihm war das nicht nur peinlich, er hatte sich bis über beide Ohren verliebt, und nachdem sie sich in aller Freundschaft getrennt hatten, lief er stracks nach Hause und bekniete seinen Vater, bei dem Jakob-Clan um diese Dina zu werben.

Nun war eine entjungferte Jungfrau damals alles andere als erfreulich für ihre Familie: Ihre Heiratschancen gingen gegen Null, und wenn sich doch ein Brautwerber fand, ging die zu zahlende Mitgift gegen Unendlich. Verständlich, daß man im Kreis der Brüder erst einmal rote Köpfe bekam, vor allem die beiden Söhne Leas schäumten vor Wut. Schließlich ging ihnen die Ehre ihrer Schwester über alles, jetzt jedenfalls. Dabei war ihnen vorher nie aufgefallen, daß sie Dina vielleicht auch hätten beschützen können.

Als Sichems Vater als Brautwerber mit seinem Sohn bei Jakob aufkreuzte, sagte der erst einmal gar nichts, sondern überließ die Verhandlung den beiden Lea-Söhnen. Das Angebot war ja durchaus akzeptabel angesichts der prekären Situation: Sichem würde Dina in allen Ehren heiraten, und man könne sich doch sowieso näherkommen als gute Nachbarn. Jakob, der ja noch nomadisch lebte, könne gerne hier seßhaft werden, und es müßte keinesfalls bei dieser einen Ehe bleiben - schließlich gäbe es für die zwölf Jakobssöhne auch ganz passable Bräute in der Stadt. Verschwägern und verbrüdern wäre doch für alle von Vorteil.

Die beiden Brüder blickten sich an, und jeder dachte das gleiche: mit diesem Pack wollen wir nichts zu tun haben. Und Rache für Dina wollen wir auch. Aber ihre Antwort lautete anders: Bei uns ist es Brauch, daß alles Männliche beschnitten wird. Verschwägern und verbrüdern wollen wir uns ja gerne, aber nur, wenn alle Männer bei euch sich vorher beschneiden lassen, damit sie zu uns passen. Eigentlich eine Zumutung, aber Sichem war so verliebt, daß er sofort zusagte und seine Leute tatsächlich überredete, das sei doch ein guter Handel, Jakobs Reichtum verbliebe in der Stadt, und eine solche Beschneidung würde auch nicht besonders weh tun.

Doch da irrte er, und Dinas Brüder wußten das. Sie rechneten sogar damit. Nach drei Tagen lagen alle stolzen Männer in der Stadt stöhnend und jammernd auf ihren Betten. Das war das Zeichen für die beiden Jakobssöhne. Vertrag hin, Absprachen her - sie bewaffneten ihre Knechte, überfielen die zurzeit wehrlose Stadt und machten alles nieder, was männlich war, auch Sichem und sein Vater wurden abgeschlachtet. Doch damit nicht genug: Jetzt wurde geplündert, die schutzlosen Frauen und Kinder zusammengetrieben, um sie auf dem nächsten Sklavenmarkt zu verkaufen. Und Dina im Triumph zu Jakobs Zelten zurückgebracht. Gefragt wurde sie nicht, warum auch. Nur Jakob schwante, daß sein Clan keinen guten Eindruck in der ganzen Umgebung hinterlassen hat, wenn er später einmal seine Zelte woanders aufschlagen müßte.


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