Читать книгу Die Frauen von Schloss Blackhill - Ed Belser - Страница 30
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ОглавлениеHumphredus hatte sich am anderen Tag zeitig zurechtgemacht. Cremor schlief noch tief.
Humph weckte ihn: „Steh endlich auf!“
Cremor brummelte unzufrieden vor sich hin, erhob sich dann aber aus dem Bett, griff sich an die Stirn und schaute im Raum umher, als ob er ihn das erste Mal sehen würde.
„Wie bin ich in dieses Bett gekommen?“
„Es war nicht leicht, dich dahin zu bringen. Du hattest einen Schluck zu viel.“
Cremor steckte den Kopf kurz in die Waschschüssel, wischte sich die Augen ab und schaute zu Humph auf. „Und, was steht heute an?“
„Zuerst wollen wir etwas Anständiges in den Magen kriegen, meine ich. Dann schauen wir uns hier erst einmal um.“
Sie gingen hinunter zur Eingangshalle und fragten sich durch zum Speiseraum. Soldaten in unterschiedlichen Uniformen saßen an dicht besetzten Tischen, aßen Haferbrei oder warteten am Eingang zur Küche auf ihre Portionen. Offiziere waren keine darunter. Aufmerksame Blicke verfolgten sie und beobachteten, wie nach einer Weile der Hofverwalter auftauchte, mit den beiden sprach und die drei zusammen weggingen.
„Ihr gehört nicht hierher.“ Er wies auf die Tür. „Ich zeige euch den Weg zur Offiziersmesse.“
Dort trafen sie den Sekretär von MacAreagh sowie den einen oder anderen der Chieftains, die im Schloss übernachtet hatten. Der Sekretär lud sie an seinen Tisch ein und ein Diener brachte ihnen Brot sowie Käse und stellte zwei große Karaffen mit Wasser und Wein dazu. „Heute Morgen könnt ihr euch im Schloss etwas umsehen. Verlasst es nicht. Ihr kommt zwar hinaus, aber nicht wieder hinein. Man kennt euch noch nicht. Ich gebe euch dann noch Passierscheine.“
Cremor und Humph aßen schweigend.
„Der General will euch am Nachmittag sehen.“
„Wer ist der General?“, fragte Cremor.
„Osgar. Ihr habt ihn gestern Abend gesehen. Er ist der Kommandant der Leibgarde von MacAreagh und führt die Offiziere hier auf dem Schloss. Wenn wir im Felde sind, ist er der Kommandant über alle, auch über die Chieftains.“
„Wie ist er so?“, fragte Humph.
„Ihr werdet ihn schon noch kennenlernen. Wenn ihr etwas braucht, sagt es mir oder dem Hofverwalter.“ Dann verabschiedete er sich.
Ihren morgendlichen Ausritt begannen sie dort, wo sie am Abend zuvor angekommen waren. Sie ritten ein Stück den Weg hinunter, bis der Blick zum Fluss und auf die Brücke, die sie bei der Ankunft überquert hatten, frei war. Wie am Vorabend tummelten sich mehrere Soldaten am Brückenkopf. Sie hockten am Boden oder standen in Gruppen herum. Dann kehrten sie um, ritten zurück und wandten sich links der Mauer entlang, um die Burg und das Schloss im ganzen Umfang zu erkunden. Bald merkten sie, dass sie von einem Reiter in einigem Abstand verfolgt wurden.
Sie ritten eine ganze Weile auf dem breiten Weg, der mit Gemüsegärten und Pferchen für Pferde, Rinder und Schafe gesäumt war. Hier und da standen Scheunen, kleine Hütten und Häuser, Frauen kümmerten sich um die Feldarbeit. Die hohe Mauer versperrte die Sicht auf die Umgebung.
Als sie das halbe Areal umrundet hatten, kamen sie beim Hauptzugang des Schlosses an. Das riesige Tor aus dicken eisenbeschlagenen Stämmen stand offen. Davor und auf den zwei flankierenden steinernen Türmen befanden sich mehrere Wachtposten. Cremor und Humph stiegen ab und traten zum Tor, um endlich einen Blick hinaus auf die Landschaft werfen zu können.
Die Soldaten musterten sie wachsam und schienen bereit sie daran hindern, sich vom Schloss zu entfernen. Ihr Bewacher war stets in der Nähe, hielt jedoch Abstand. Die Gegend vor ihnen war weit und schien fruchtbar, der breite Weg, der aus dem Schloss führte, wand sich zwischen Feldern und verlor sich in der Ferne. Als sie zu den Pferden zurückkehrten, sahen sie das Schloss von vorne. Es wirkte noch dunkler, massiver und unnahbarer, als von der rückwärtigen Seite.
Sie setzten ihren Rundgang fort. Den Hauptweg zurück zum Schloss säumten größere Gebäude, an deren Zugängen sich Pförtnerhäuser mit Wachen befanden. Ein hoher, geschlossener Holzzaun umfasste die ganze Siedlung. Ab und an konnten sie in der Morgensonne einen Blick hinter die Zäune erhaschen und sahen Gruppen von Frauen und Kindern sowie etliche Diener. Die Frauen saßen um Tische herum, eine schien Kinder zu unterrichten.
„Schau, da vorne!“ Cremor zeigte auf das größte der Gebäude. „Dieses weiße Haus haben wir doch gestern Abend schon gesehen.“
Sie ritten näher, und weil das Gebäude leicht erhöht stand, konnten sie es gut einsehen. Es war zweistöckig und wies große Fenster auf; über dem wuchtigen Eingang befand sich eine Veranda, die die ganze Länge der Vorderfront einnahm. Das Haus war umgeben mit schön angelegten Gärten. Zu sehen war niemand, außer einer Person, wahrscheinlich ein größeres Mädchen, das mit einem Pferd beschäftig war.
„Das muss die Villa von MacAreagh sein. Seine Frau heißt Margaret, natürlich Lady Margaret. Sie haben eine Tochter, Shauna.“
„Woher weißt du das schon wieder?“, fragte Humph.
„Von unserem Freund in Frankreich. Lewis hat von Margaret geschwärmt. Sie soll eine Schönheit sein.“
Humph sah ihn schräg an und ließ die Zügel seines Pferdes gehen.
Vom Schloss her ertönte die tragende Melodie eines Dudelsacks. Als sie zum Eingang zurückkamen, sahen sie, wie der Clan-Piper gemessenen Schrittes hin und her marschierte. Er nahm keine Notiz von ihnen. Auch ihr Bewacher war verschwunden.
Cremor und Humph mussten an mehreren Wachen vorbei, bis sie zu Osgar durchgelassen wurden. Der letzte der Wächter öffnete ihnen die Tür zu seinem Arbeitsraum. Hinter dem riesigen Tisch, vor sich mehrere Stapel mit dicken Papieren, leeren und vollgeschriebenen, war Osgar kaum sichtbar. In der Hand hielt er eine Feder, tauchte sie in das Tintenfass, schaute kurz zwischen den Papieren hervor, sagte „gleich“ und schrieb weiter.
Das gab den beiden Zeit, sich im Raum umzuschauen. Die schmalen Fenster spendeten wenig Licht, daher brannte eine Lampe auf dem Tisch des Generals. An der Wand hingen vollbeschriebene Listen mit Namen und große, aus einzelnen Teilen zusammengesetzte Karten, die offensichtlich das Schloss und seine Umgebung darstellten. In stets kleinerem Maßstab befanden sich dort auch Karten der weiteren Landesteile sowie eine von Schottland und England. Davor stand ein großer drehbarer Globus auf einem Holzgestell.
Osgar schaute auf. Er war viel jünger, als sie ihn in Erinnerung hatten, kaum älter als Humph. „Ich bin Osgar MacAreagh. Ronald ist der Bruder meines Vaters. Setzt euch!“ Er wies ihnen die Stühle vor seinem Tisch zu. „Solange ihr hier seid, erhaltet ihr die Befehle von mir, klar? Hat euch das Schloss gefallen?“ Offensichtlich wusste er von ihrem Rundgang.
„Sehr imposant“, antwortete Humph, „und sehr gut befestigt.“
„Ronald glaubt, dass wir euch brauchen. Offensichtlich lernt man in Frankreich mehr als hier. Da ihr nun einmal da seid, will ich euch sinnvoll einsetzen. Wir erwarten die Lieferungen der Gewehre und der Säbel. Ihr werdet die Leute ausbilden, in Zusammenarbeit mit den Chieftains.“ Er erhob sich und ging auf eine der Landkarten zu. „Hier sind ihre Gebiete. Beginnt bei Ramsay.“ Sein Zeigefinger fuhr hin und her. „Zu Dougal müsst ihr nicht.“ Er setzte sich wieder. „In der Zwischenzeit werde ich euch einige Soldaten schicken, mit denen ihr beginnen könnt. Im Übrigen will ich nicht, dass ihr in der Gegend herumspaziert. Bleibt auf dem Schloss oder bei euren Soldaten. Verstanden?“
Cremor und Humph nickten schweigend.
„Euren Sold kriegt ihr wöchentlich vom Zahlmeister. Ihr könnt euch außerdem je zwei Ordonnanzen auswählen. Einigt euch mit ihren Offizieren. Seht zu, dass man euch nicht die Dümmsten abgibt. Noch etwas ... “ Osgar schaute sie drohend an. „Steigt hier nicht den Frauen nach. Wenn ihr ein Mädchen braucht, sprecht mit dem Verwalter. Er kennt sich aus.“
Humph grinste säuerlich.
Als sie hinausgingen sah sich Humph um, und als niemand in Hörweite war, meinte er zu Cremor: „Was für ein Ekel, dieser selbst ernannte General. Die einzige Qualifikation für seinen Posten ist offensichtlich seine Verwandtschaft mit MacAreagh.“
„Wir sollten ihn nicht unterschätzen“, entgegnete Cremor.
Beinahe täglich trafen neue Lieferungen von Säbeln und Gewehren aus Frankreich ein. Es waren stets nur wenige davon, denn sie wurden von den Schmuggelschiffen gleich an vereinbarten Landeplätzen an der Küste auf verschiedene Wagen verladen. Die als Händler und Bauern getarnten Leute von MacAreagh verbargen die Waffen unter Getreidesäcken oder versenkten sie in doppelten Böden ihrer Fuhrwerke. Ein Aufseher überwachte die Verladung und hielt Ausschau nach etwaigen Patrouillen der Engländer.
Auf verschiedenen Wegen fuhren die Wagen teilweise direkt zum Schloss Blackhill, oder die Waren wurden auf Pferde verteilt und kamen über den Pass zur Rückseite des Schlosses. Nicht alle schafften den ganzen Weg, einige mussten Pferd und Wagen samt Ladung aufgeben und Reißaus nehmen, wenn sie von englischen Soldaten entdeckt wurden.
Humph nahm die Lieferungen jeweils zusammen mit dem Zeughausverwalter entgegen. Mit der Zeit sammelte sich ein rechtes Arsenal an. „Die Franzosen scheinen bei uns ihr Gerümpel zu entsorgen“, war Humphs Kommentar. Viele der Gewehre waren beschädigt oder es fehlten Teile, der Stahl der Säbel schien nicht erste Wahl zu sein, etliche waren rostbefallen. So beauftragte Humph den Waffenschmied, die verwendbaren Teile neu zusammenzusetzen, bevor er sie an die Soldaten weitergeben ließ.