Читать книгу Die Frauen von Schloss Blackhill - Ed Belser - Страница 31
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ОглавлениеLady Margarets Tagesablauf war wohlgeregelt. Für alles war jemand zuständig, und alle ihre Bedientesten hatten den Ehrgeiz, ihre Aufgaben perfekt zu erledigen, und wehe, Margaret wollte einmal selbst Hand anlegen. Wenn sie in der Küche auftauchte, entstand eine helle Aufregung, und sie zog es rasch wieder vor, die Verbindung zwischen dem, was auf dem Tisch stand, und der dafür nötigen Beschaffung und Zubereitung dem Oberbutler zu überlassen. Wollte sie im Garten Blumen pflücken, stand sofort ein Gärtner da und fragte sie, welche sie denn gerne hätte, und trug sie die Blumen selbst ins Haus, wurden sie ihr sofort abgenommen — sie durfte bestenfalls noch die Vase und den Standort auswählen. Ihre Zofen geisterten auch dauern herum, versuchten, ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Sie fühlte sich wie in einem Gefängnis, und ein solches war es auch, unauffällig aus dem Hintergrund gesteuert von ihrem eigenen Mann. Er war es denn auch gewesen, der den Oberbutler persönlich bestimmt hatte. Ronald hatte Margaret rundum abgeschirmt, um sich während seiner häufigen Abwesenheiten von Schloss Blackhill sicher zu sein, dass Margaret, wie er sagte, wohl behütet sei. In der Tat befürchtete er, sie könnte ein zu starkes Eigenleben führen und mit ihrer Schönheit die Aufmerksamkeit irgendwelcher Nebenbuhler finden. Außerdem kam ihre Tochter ins heiratsfähige Alter und wurde damit zum wichtigsten Gut, das es abzuschirmen galt.
Er spürte sehr wohl, dass Margaret ihn nie geliebt hatte, auch wenn sie ihm Shauna gebar. Sein Vater hatte ihn und Margaret, Tochter eines benachbarten Clan-Chiefs, zusammengeführt. Ronald konnte dazu wenigstens nicken, während Margaret erst gar nicht gefragt wurde. Margaret war seit früher Kindheit von Privatlehrern ausgebildet worden, sie sprach außer Gälisch und Englisch auch Französisch. Im Laufe der Zeit hatte sie sich eine umfangreiche Bibliothek eingerichtet. Dort, vom Wissen ihrer Vorfahren, von den Entdeckern anderer Welten, von den alten Gedanken der letzten paar Tausend Jahre und von den neuen der letzten paar Hundert, bezog sie ihr Weltbild. Ihre Gegenwart waren Shauna und Arbella, ihre persönliche Zofe. Sie war ihre Vertraute und eine gute Freundin von Shauna, kaum ein paar Jahre älter als diese.
Für ihre Bücher hatte Ronald nichts übrig, und die Dinge, die sie sich anschaffte, fand er überflüssig. Seine Währung bestand aus Land, Rindern, Pferden und Soldaten — in dieser Reihenfolge. Geld sah er selten, dafür war der Zahlmeister zuständig. Dieser hatte auch den Auftrag, Margaret alle von ihr gewünschten Mittel zur Verfügung zu stellen. Was sie damit anfing, kümmerte Ronald nicht. Ihr Zusammenleben beschränkte sich auf gelegentliche gemeinsame Mahlzeiten oder auf Anlässe, an denen Ronald Gastgeber war und die Frauen der eingeladenen Gäste auch dabei waren. Die Letzteren waren ihm zuwider und zu Ersteren trieb es ihn selten. Viel lieber war er mit seinen Soldaten unterwegs, von Tal zu Tal, sie wussten meistens gar nicht, warum und wohin, aber sie folgten ihm, weil sie es so gewohnt waren und weil sie sonst nichts zu tun gehabt hätten. Stets loteten sie ihre Grenzen aus, bereit für jedes Scharmützel, die Hand stets am Säbelknauf, bereit, jeden in seine Schranken zu weisen, aber auch bereit, jedes freilaufende Vieh ihrer eigenen Herden einzuverleiben.
Die Villa lag innerhalb eines abgeschlossenen Gebietes auf dem Schlossareal, wo sich auch die Häuser der anderen Offiziere und Höflinge befanden. Es war natürlich die prachtvollste von allen. Lady Margaret und Shauna spielten aufgrund ihrer Stellung eine Sonderrolle. Obwohl man sie mochte, zog man den Verkehr mit den Ranggleichen vor. Das übertrug sich auch auf die Kinder, die immer ein bisschen gehemmt waren, sobald Shauna dabei war. Wohl gab es unter den Damen hier und da gegenseitige Einladungen, aber die waren eher formeller Art, sobald die Frau des Clan-Chiefs mit eingeladen war. Anlässe mit den Männern und gar mit MacAreagh waren eher selten.
Margaret hatte mit der Zeit aufgehört, selbst Einladungen auszusprechen. Sie hielt sich lieber in ihrer Bibliothek auf. Ihr Hunger nach Wissen und demzufolge nach noch mehr Büchern blieb ungestillt. Sie war die Lehrerin ihrer Tochter, die sie allein und zusammen mit den Kindern von Chieftains, Verwandten und Höflingen unterrichtete. Darin hatte sie einen Lebensinhalt gefunden, der ihr half, ihre Einsamkeit besser zu ertragen.
Die Mauern, die Margaret umgaben, wurden auch die Mauern für Shauna. Sie wusste aus den Büchern ihrer Mutter und ihren Erzählungen, dass die Welt nicht an den Schlossmauern endete. Wenn sie jemals darüber herausgekommen war, dann immer in Begleitung einer Eskorte. Dabei sah sie die Umgebung stets nur aus dem Fenster der kleinen Kutsche ihrer Mutter, die speziell für sie beide gebaut und so schmal war, dass sie auf den engen Wegen vorwärtskam.
Shaunas Leben bewegte sich zwischen ihrer Mutter, Arbella, anderen Zofen, dem Landhaus und seiner unmittelbaren Umgebung, dem einen oder anderen Sprach- oder Zeichenlehrer und den täglichen Reitstunden mit Duffy. Der Reitlehrer war von Ronald so ausgesucht worden, dass er weder für Margaret eine Versuchung noch für Shauna ein Objekt der Bewunderung werden konnte. Duffy hatte einen ausgeprägten Pferdeverstand, was sich nicht nur auf die Tiere bezog, sondern auch auf seinen eigenen, und seine Beine waren schon krumm, bevor er jemals ein Pferd bestiegen hatte. Doch da er meistens auf einem saß, fiel dies nicht weiter auf. Er war schon der Reitlehrer von Margaret gewesen und kannte Shauna daher von Kindesbeinen an. Im großen Park befand sich auch der Pferdestall mit einer weiträumigen Reithalle, in deren hinteren Teil ein Wohnraum für Duffy abgetrennt war. Shauna mochte Duffy, weil sie fühlte, dass er alles für ihre Mutter und sie tun würde. Die Reitlektionen mit ihm wurden bald ergänzt durch Ausritte auf dem Gelände des Schlosses. Manchmal lieferten sie sich auf der langen Hauptstraße durch das Schlossareal ein Rennen, wer zuerst beim Haupttor war.
Wie gerne wäre Shauna dort gleich durchgeritten, hinaus aus dem Schloss. Doch die Wachen hatten den Befehl, niemanden ohne Bewilligung aus dem Schloss herauszulassen. Zum dunklen Schloss ihres Vaters kam sie höchst selten, bei offiziellen Anlässen vielleicht, wenn es darum ging, Margaret und sie vorzuführen.
Shauna spürte sehr wohl ihre eigenen Wünsche und Sehnsüchte, und wenn sie das Leben ihrer Mutter betrachtete und sich vorstellte, ihr eigenes könnte einmal ähnlich aussehen, dann sträubte sich alles in ihr. Sie bedauerte ihre Mutter und hätte ihr gerne irgendwie geholfen.
Je mehr sich Shauna eingeengt fühlte, desto stärker wurde ihr Wunsch, ihre Umgebung selbstständig zu entdecken. Und so sann sie darüber nach, wie sie das erreichen konnte.