Читать книгу Die Frauen von Schloss Blackhill - Ed Belser - Страница 21
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ОглавлениеAlan MacLennoch hatte sein Reich wohl geordnet. Seine nächsten Verwandten hatten die wichtigsten Ämter inne, waren als Chieftains Herrscher in ihren Gebieten, besaßen Ländereien, die sie ihren Verwandten zur Pacht überließen, die sie wiederum weiter verpachteten, bis hinunter zum letzten Bauern und zum kleinsten Acker. Alan saß auf Schloss Summerset, das von Lady Charlotte sorglich gepflegt wurde, wenn sie nicht mit der Ausbildung ihrer beiden gemeinsamen Töchter beschäftigt war.
Alles war wohlgeregelt, bis auf zwei Ausnahmen: Alan hatte keine männlichen Nachkommen und es bisher unterlassen, einen Stellvertreter und Nachfolger zu bestimmen. Das war das eine, und das andere war der Clan der MacAreaghs im Norden. MacLennoch nannte sie die nordischen Barbaren.
Der Grenzverlauf zwischen den beiden Clans verlief einmal so, einmal anders — je nachdem, wer das Grenzland, gar über eine zufällige Rinderherde hinaus, dem eigenen zugeschlagen und das Vieh gleich mitgenommen hatte.
MacAreagh und MacLennoch hatten es längst aufgegeben, darüber zu verhandeln, denn wenn der eine mit einer vertrockneten Schafshaut mit ein paar vergilbten Strichen und Buchstaben darauf seine Ansprüche geltend machte, kam der andere sicher ein paar Tage später mit einer noch älteren Schafshaut und versuchte, seine Grenzen zu ziehen.
So waren sie stets im Streit auseinandergegangen, keiner war versöhnlich und jeder pochte auf seine Rechte, die dann galten, wenn er sie durchsetzen konnte.
Scharmützel waren an der Tagesordnung. Eines davon hatte MacAreaghs Sohn das Leben gekostet. Zwar galten Menschenleben nicht viel, man starb im gleichen Ausmaß an Händeln wie an Krankheit, und für Nachwuchs wurde stets gesorgt, aber MacAreagh den Sohn zu nehmen, das war mehr als ein Unglück, das war ein Affront, das war die Grundlage einer Fehde, die ohne Weiteres Generationen überdauern konnte. MacLennoch war für MacAreagh der Mann, der ihm seinen einzigen Spross und Nachfolger genommen hatte. Er würde nicht ruhen, bis sein Tod gerächt war.
Lady Charlotte war glücklich mit ihren zwei Töchtern, und die Leidenschaft, die sie mit ihrem Mann verband, war eine besondere. Sie sammelten alles, was in der Vergangenheit oder in der Gegenwart von Bedeutung war, deren Hersteller einen Namen hatten, oder das kunstvoll, selten oder speziell war: Möbel, Gemälde, Porzellan, Gold, Silber, Skulpturen, Miniaturen, Instrumente, Waffen ... Die besten Schreiner wurden mit der Anfertigung von Möbeln, auch in französischem Stil, beauftragt, renommierte Maler fertigten Porträts und Landschaftsbilder, und so sah das große Haus aus wie ein prall gefülltes Museum. Im Salon, in dem Charlotte und Alan Tee tranken, befand sich eine kleine Auswahl ihrer Kostbarkeiten, beginnend beim Teetisch mit Einlegearbeiten aus Elfenbein, auf dem sich Porzellan aus China befand. Das Porzellan war so dünn, dass man der Tasse von außen ansah, wie viel Tee noch darin war. Die Stühle waren seidenbezogen. Die Gobelins an der Wand hatten ihren Ursprung in Frankreich, und man konnte auf ihnen die eine oder andere Jagdszene entdecken.
Charlotte fragte: „Wie geht es John mit seinem Arm? Kann er bald wieder spielen?“
Alan starrte sie an. „Charlotte, wir hatten ein Scharmützel mit MacAreagh. John hat seinen Arm verloren! Glaubst du, den näht ihm einer wieder an? Ich schaue mir jetzt an, wen John als Clan-Piper vorschlägt.“
Er nahm noch einen Schluck Tee, um nicht abrupt aufzustehen, und stellte die Tasse wieder auf den Tisch. „Entschuldige mich, Charlotte.“
Der Diener zog seinen Stuhl zurück und öffnete ihm die Tür.
William wartete in einem Raum, von dem er annahm, dass es das Arbeitszimmer von MacLennoch war. An der Tür stand der Diener, der ihm vorher Tee serviert hatte. William dachte an Mary, und was sie wohl sagen würde, wenn sie ihn hier sitzen sähe, in schöner Kleidung bei Tee und Kuchen. In den verglasten Türen einer Bibliothek, die die ganze Querseite des Raumes einnahm, sah er sein Spiegelbild. Einen Moment sehnte er sich in seine vertraute Umgebung zurück.
Der Diener hatte gehört, dass MacLennoch sich näherte, und die Doppeltüre weit geöffnet. Alan MacLennoch betrat den Raum. William erhob sich. Er hatte einen viel älteren Clan-Chief erwartet. Alan war ungefähr so groß wie er, breitschultrig und hatte einen wachsamen, offenen Blick aus stahlgrauen Augen, die William von Kopf bis Fuß zu erfassen schienen. Er strahlte die Dominanz des Mächtigen aus, ohne arrogant zu wirken. Sein Gesicht war glatt rasiert, seine dunkelbraunen, schulterlangen Haare trug er hinter die Ohren gekämmt. Seine schwarze Jacke war aus feinstem Stoff.
„Willkommen auf Schloss Summerset! Setzen wir uns.“
Er forderte William auf, von sich zu erzählen. Alan hatte die Ellbogen auf dem Tisch, die Fingerspitzen zusammengestellt. Seine Zeigefinger klopften leicht gegeneinander. Seine Hände wirkten kräftig, doch man sah ihnen an, dass die Kraft nicht von körperlicher Arbeit herrührte. Die Haut war fein und sauber.
William berichtete ihm von Blair Mhor, dass er einen zusätzlichen Hof pachten konnte und das Haus darauf erstanden habe. Alan stellte einige Fragen, doch William fühlte bald, dass ihn die Antworten nicht wirklich interessierten und es nur darum ging, zu sehen, wie er sich ausdrückte.
„John Fraser schlägt dich also vor, seine Stellvertretung zu übernehmen, bis sein Sohn alt genug ist, sein Erbe anzutreten. Du wirst also nur vorübergehend hier sein. Bist du dir dessen bewusst?“
William bejahte.
„Wenn du dich bewährst, wird für dich gesorgt sein, auch nachher. Sollten wir uns nicht verstehen, was ich nicht glaube, gehst du wieder zurück in dein Dorf.“
William nickte.
„Meine Umgebung wird dich jedoch als offiziellen Clan-Piper wahrnehmen, und ich will, dass du dich entsprechend verhältst. Du wirst auch so behandelt werden, in jeder Beziehung. Du hast noch viel zu lernen. Man wird dir und auch deiner Frau dabei helfen.“
Alan machte eine Pause, sein Blick fiel kurz auf die Hände von William, und er sah ihm in die Augen. „Du warst Bauer. Verstehst du auch etwas vom Brennen?“
„Ein wenig“, antwortete William offen, „aber ich habe eine Ahnung wie man das organisiert.“
Alan nickte mehrmals. Er schien zu überlegen, ob er das Thema weiter erörtern wollte. Dann sagte er: „Du wirst zwar als Clan-Piper immer bereit sein müssen, aber wenn ich abwesend bin, hast du viel Zeit zur Verfügung für anderes. Ich brauche einen Vertrauten, der nach meinen Brennereien sieht. Wir werden später darüber sprechen.“ Er erhob sich und lächelte. „Du wirst dich an mich gewöhnen.“ Und, als William ebenfalls aufstand und auf gleicher Augenhöhe war: „Und ich mich an dich.“ Er ging zur Tür, die der Diener schon offen hielt, und entschwand.