Читать книгу Die Frauen von Schloss Blackhill - Ed Belser - Страница 19

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Es handelte sich um eine Baracke, wie sie von den Soldaten benutzt wurde, zum Schlafen und zum Essen. William sah beim Eintreten, dass er nicht der Erste war; er zählte sechs Anwesende, die ihn neugierig musterten. Sie saßen alle an einem Tisch. Er nickte ihnen zur Begrüßung zu.

Einer rief: „Willkommen im Kreise der Auserwählten!“

William suchte sich ein freies Bett.

„Setz dich zu uns! Hier gibt es Essen und Trinken.“

Er nahm sich einen Stuhl und setzte sich an den Tisch. Die Männer hatten ziemlich rote Hälse und Wangen, ihre Haut hatte sich an das Wegschaben des Bartes noch nicht gewöhnt. Nur einer hockte mit einem dichten roten Vollbart da.

Es war eine gespannte Atmosphäre am Tisch, denn keiner mochte sich irgendeine Blöße geben. William aß etwas und entfernte sich dann.

„Ich muss noch meinen Bart loswerden.“

In Wirklichkeit wollte er allein sein.

Er brauchte Zeit, um zu verstehen, was auf ihn zukommen könnte und wie er sich darauf einstellen sollte. Außerdem wollte er nach seinem Instrument sehen. Er war sich bewusst, dass er es in den letzten Wochen etwas vernachlässigt hatte. Der schafslederne Blasebalg verlor etwas Luft, die Bordunpfeifen lotterten leicht und das Rohrblatt der Melodiepfeife war auch nicht mehr das, was es sein sollte.

Am frühen Morgen stand William zeitig am Brunnen und schabte sich den Bart vom Gesicht. Der Sohn des Clan-Pipers setzte sich in einiger Entfernung auf den Boden und schaute ihm zu.

„Wie heißt du?“, rief ihm William zu.

„Wie Vater“, gab er mit heller Knabenstimme zurück, „John ist mein Name. Die anderen sind schon rasiert, nur der Rotbart nicht.“

William spürte, wie seine Haut brannte. „Sag mir, wo man sich in Ruhe einspielen kann.“

„Du müsstest wegreiten, damit dich niemand stört. Dann bist du nicht da, wenn man dich ruft. Geh hinter irgendeine Hauswand.“

Hier und da erschallten die Dudelsäcke der anderen. Jeder spielte seine eigenen Melodien, womit ein Wirrwarr an Tönen die Luft erfüllte.


Gegen Mittag tauchte ein Diener auf, ging zu jedem Einzelnen, und teilte jedem mit, dass sie bei John zum Mittagessen eingeladen seien. Sie sollten sich rechtzeitig in seinem Haus einfinden.

Die Kandidaten hatten am großen Tisch Platz genommen, der rote Vollbart war schon nicht mehr dabei. Es gab Wasser, Wein und Whisky, Lammfleisch, Hühnerbeine und Haferkuchen. John Fraser, der Clan-Piper, thronte oben an der Tafel, flankiert von zwei Dienern und seinem Butler, der ihm auch sein Essen zerteilte.

Nach dem Essen schob John Fraser seinen Stuhl zurück und erhob sein Glas. „Ich trinke auf das Wohl unseres Clan-Chiefs, Alan MacLennoch.“

Die Kandidaten schnellten hoch.

„Er führt sein Reich so erfolgreich wie seine Vorfahren. Wir sind seine ergebenen Untertanen. Wir besiegen unsere Feinde. Lang möge er leben!“ Dann entließ er die Pfeifer. „Haltet euch bereit, man wird euch rufen.“

Er entfernte sich zusammen mit seinem Butler. Sie gingen zurück in Johns Räumlichkeiten. John sank in einen Sessel, schaute zum Butler auf und meinte: „Womit habe ich das bloß verdient? Am liebsten würde ich alle nach Hause schicken, aber einen brauchen wir. Welchen?“

Der Butler räusperte sich. „Keiner kann euch ersetzen, Sir. Wir warten auf euren Sohn.“ Er nahm einen Zettel zur Hand, auf dem er notiert hatte, wer wo beim Mahl gesessen hatte. „Zwei waren nach einer halben Stunde betrunken, zwei haben gefressen wie die Schweine — ihre Väter haben wohl noch die Schafspfeife gepfiffen. Es bleiben zwei, die nur Wasser, vielleicht etwas Wein tranken, mit Messer und Gabel umgehen konnten und nicht nur vor sich hingeschwiegen haben. Der eine saß unten links, sein Name ist Roderick, der andere, William, rechts von euch.“

John überlegte einen Moment, dann nickte er bestätigend. „Wir lassen ihnen keine Ruhe. Geh zu ihnen. Sie können sich hier im oberen Raum der Reihe nach einspielen und ihr Instrument stimmen. Sag ihnen, sie hätten eine Viertelstunde dafür. Dann will ich sie hier hören. Mein Sohn soll dabei sein.“

Der Butler ging zur Unterkunft der Kandidaten. Einige lehnten an der Hauswand und sonnten sich. Seine beide Favoriten, William und Roderick, saßen am Tisch und diskutierten. Die übrigen dösten auf ihren Betten.

„Alles herhören!“, rief der Butler. „Ihr kommt jetzt zum Vorspielen. „Ihr beide“, er zeigte auf William und Roderick, „kommt zum Schluss dran.“ Dann deutete er auf William. „Du als Letzter.“

Sie holten ihre Instrumente und gingen zurück zum Haus von John Fraser. William wusste, dass er genug Zeit hatte. Er hätte es zwar gerne bald hinter sich gebracht, aber er wusste, dass es ein Vorteil war am Schluss zu spielen, sofern Fraser bis dahin die Geduld noch nicht verloren hatte. William war überrascht, als John junior plötzlich auftauchte.

„Ich habe etwas für dich.“ Er legte ein gefaltetes Tüchlein auf den Tisch, öffnete es langsam und William sah, dass darin ein Rohrblatt lag. „Es gehörte meinem Vater. Du kannst deine alten Schindeln wegwerfen.“

„Hey, John, warum tust du das für mich?“

„Ich will, dass du gewinnst!“, sagte der Junge fröhlich und rannte weg.

William nahm sein Instrument, entfernte die Melodiepfeife, entnahm ihr das alte Rohrblatt und setzte das neue ein. Dann fügte er das Instrument wieder zusammen. Er legte sich die Bordunpfeifen auf die Schulter, klemmte den Blasebalg unter den Arm, füllte ihn mit Luft und legte seine Finger auf die Melodiepfeife. Schon beim ersten Ton merkte er den Unterschied — voll und kräftig auf den tiefen Tönen, hell, aber fein auf den hohen. Das ganze Instrument vibrierte. Und es tönte sehr laut, viel lauter und aggressiver, als mit seinen alten Schindeln. Die Bordunpfeifen einzustimmen war ein Kinderspiel. Dann gesellte er sich zu den anderen in den ersten Stock des Hauses.

William hatte noch nie derart viele unterschiedliche Dudelsäcke gesehen. Die meisten hatten, wie sein eigener, zwei Bordunpfeifen, Rodericks Instrument hatte drei davon, und wenn er loslegte, erfüllte ihr sattes Brummen den Raum, was die Melodie üppig unterlegte. Auch tönte jeder Dudelsack unterschiedlich — die einen hoch und grell, die anderen weicher und leiser.

Das Vorspielen nahm seinen Lauf. John Fraser saß angespannt am Tisch. Die Sessel und Tische waren an die Wand gerückt worden, sodass jeder Pfeifer Raum für seine Vorstellung hatte. Im Hintergrund lehnten John junior und der Butler in ihren Stühlen.

Die ersten vier waren bald ausgeschieden. Entweder hatte der Whisky ihre Finger gelähmt, oder sie waren zu aufgeregt.

Nun waren nur noch zwei im Rennen, Roderick und William. Dieser war nun allein im oberen Raum und hörte dem Spiel von Roderick aufmerksam zu. Was er hörte, beeindruckte ihn, und er begann an sich zu zweifeln. Der Vortrag schien kein Ende zu nehmen, wahrscheinlich war John überzeugt von der Darbietung. Dann trat plötzlich eine Pause ein. Warum wurde er so lange nicht gerufen? Er fingerte ungeduldig an seinem Instrument herum.

Nach einer Weile tauchte der Butler auf. William fasste sich, folgte ihm nach unten und betrat den Raum. John hob kurz seinen Blick, während er mit seiner linken Hand Notizen machte. John junior saß in einer Ecke und schaute William aufmerksam entgegen. William maß den Raum ab, den er zur Verfügung hatte.

John sagte, ohne ihm einen konkreten Auftrag zu geben: „Spiel los!“

William blies den Balg auf, schaute kurz in die Augen von John Fraser und begann mit einer einfachen Melodie, lieblich und tragend, aber kurz. Er hielt einen Ton, stimmte die Bordunpfeifen kurz nach, ging in eine Ecke des Raumes, ließ einen raschen irischen Tanz folgen, drehte sich um, und durchmaß mit langsamen Schritten den Raum, um das Grundthema eines klassischen Liedes aufzunehmen — fünf einfache Töne, lauschte auf die Harmonie zwischen Melodiepfeife und Bordunen, hielt im Schritt inne, ließ die Töne tragen und begann die Grundmelodie zu variieren, verzierte sie durch zwei, drei kurze Anspielungen rhythmisch, dann tief brummend, dann hoch, beinahe weinend, drehte sich langsam an Ort und Stelle und ging gemessenen Schrittes wieder zurück zum anderen Ende des Raumes. Er vertraute auf seine beiden Bordunpfeifen. Sie brachten die Luft beinahe zum Vibrieren. Irgendwann werde ich drei davon haben, dachte er kurz, doch er ließ sich nicht ablenken.

Die Zuhörer sahen ihm gespannt zu. William schien wie blicklos, nach innen konzentriert, distanziert, fast arrogant in seiner selbstsicheren Körperhaltung. Die Melodiepfeife hielt er weit vom Körper, der kleine Finger seiner unteren Hand wirbelte wie eine schwirrende Mücke; er spielte nicht, es spielte in ihm. Die Variationen wurden komplexer, sechs, sieben einzelne Explosionen, fast eine Melodie für sich vor den Noten des Grundthemas, und die letzten brachen heraus wie eine finale Manifestation. Und gleich darauf fand er wieder die Ruhe in der einfachen Darstellung des Grundthemas. William spürte, dass es ihm gelungen war, seine Zuhörer zu fesseln, er sah es an ihrer Körperhaltung: gespannt und aufmerksam.

John starrte mit wehmütigem Blick ins Leere, der Butler hatte seine Hand vor dem Gesicht, John junior hatte die Augen geschlossen.

Ich werde sie nun daraus erlösen, dachte William und wiederholte die erste Melodie, die er am Anfang gespielt hatte, das einfache Liebeslied, dachte dabei an Mary, und er sah, wie sie sich entspannten und ihre Gesichter entrückt zu lächeln schienen. Er ließ den letzten Ton lange verklingen und verneigte sich vor John. Einen Moment war es völlig still.

Dann vernahm er ein Räuspern von John Fraser. „Ich danke dir, William. Du wirst von mir hören. Gute Nacht!“ Und er war entlassen.

William ging zurück in die Unterkunft. Die ganze Anspannung der letzten Stunden war von ihm gewichen. Er fuhr sich über den Nacken, der sich frei und warm anfühlte.

Von hinten kam ihm John junior nachgesprungen. „Mein Geschenk hat dir Glück gebracht!“

„Ja, John, du hast recht. Jetzt gehen wir schlafen.“

John blieb stehen und rief ihm noch nach: „Die obersten Töne waren zu hoch!“

William schaute zurück und nickte ihm zustimmend zu. „Gute Nacht, John, schlaf gut!“

Die anderen Kandidaten waren bereits abgereist. Roderick hatte die Ellbogen auf dem Tisch und schaute ihn gespannt an. „Wie ist es dir ergangen?“

William verstaute sein Instrument und gesellte sich zu ihm an den Tisch. „Ich bin recht zufrieden. Meine obersten Töne waren etwas zu hoch.“ Roderick war ein Hüne, gut aussehend, glatt rasiert. „Ich habe dich spielen hören, Roderick.“

„Nenn mich Rod!“

„Ich war beeindruckt, du beherrscht unsere klassische Musik. Da kann ich von dir lernen.“

„Danke, William. Der Butler hat uns ein Krüglein mit Whisky hingestellt. Der weiß, was sich gehört! Nimmst du auch einen?“

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