Читать книгу Die Mulgacamper Romane Band 1 und 2 - Elda Drake - Страница 6

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Kapitel 2

Obwohl sie spät ins Bett gegangen war, stand Hetty beim ersten Sonnenstrahl, der durchs Fenster schien, auf. Noch im Schlafshirt und nur mit Flip-Flops an den Füßen trat sie vor die Türe des Farmhauses auf die Veranda und atmete tief durch. Die noch niedrig stehende Morgensonne warf lange Schatten und zauberte auf die Bäume und Sträucher einen angenehm warmen Farbton. Später würde die Umgebung im grellen Licht wie ausgebleicht wirken, doch jetzt schimmerten die grauen lanzetartigen Eukalyptusblätter in einem sattem Grün und der Sand zeigte genau das tiefe Rot, das man immer auf den Landschaftsaufnahmen sah. Die Luft roch angenehm frisch und hatte noch nicht den staubigen Beigeschmack der trockenen Hitze.

Hetty ging langsam um das Haus herum und genoss die Stimmung. Während sie einigen Galahs zusah, die sich in den lichten Ästen eines Baumes tummelten wurde ihr bewusst, dass sie nun endgültig da angekommen war, wo sie schon so lange hingewollt hatte. Zwei der rosaroten Kakadus legten den Kopf zur Seite, stellten den weißen Kamm auf und musterten sie, als kontrollierten sie, ob sie wirklich hierhin gehörte.

Hetty nickte ihnen zu. »Guten Morgen!«

Das brachte ihr ein mehrfaches Kopfnicken und ein Wedeln mit den hellgrauen Flügeln ein. Sie lächelte und ging weiter während ihr ein nicht sonderlich melodisches Krächzen folgte. Das war eines der wunderschönen Naturerlebnisse in diesem Land. Es gab Millionen bunter Vögel, die in Scharen durch die Gegend flogen und keine sonderliche Scheu vor den Menschen zeigten. Wenn Galahs am Boden nach Würmern oder Körnern suchten, konnte man bis auf einen halben Meter an sie herantreten, ohne dass sie aufflogen. Noch näher zu kommen war allerdings nicht angebracht, schließlich waren sie, wie alle Kakadus, mit einem starken Schnabel bewaffnet und konnten auf die Idee kommen, dass ein menschlicher Zeh im Flip-Flop einem Wurm doch sehr ähnelte.

Ein leises Klappern der Terrassentüre zeigte an, dass noch ein Frühaufsteher unterwegs war. Steven kam auf sie zugeschlendert und deutete mit der Hand im Kreis. »Auf den ersten Blick nichts Besonderes, aber ich würde um nichts in der Welt tauschen wollen.«

Hetty konnte ihn sehr gut verstehen. Diese Stille und die nahezu unberührte Natur gaben einem ein Gefühl der Zugehörigkeit zu diesem Land. Eben weil die Umgebung nicht mit viel Abwechslung glänzte, konnte man hier einfach seinen Frieden finden. Man war nicht gezwungen, ständig neue Eindrücke wahrzunehmen, sondern konnte in aller Ruhe die Seele baumeln lassen. Hier war man weit, weit weg von der Hektik und dem Stress einer Großstadt. Alice Springs hatte zwar inzwischen schon zwanzigtausend Einwohner, aber das wars dann auch an Menschenansammlungen auf den nächsten tausend Kilometern, wenn man das Touristenresort am Ayers Rock in vierhundertfünfzig Kilometern Entfernung ausnahm.

Hetty seufzte tief auf. »Ich liebe das Outback. Auch wenn viele Menschen es langweilig finden, mir gefällt eben genau diese Eintönigkeit.«

Sie lächelte Steven an, der zustimmend genickt hatte. »Auf meiner ersten Reise mit dem Bus habe ich als einzige der Reisegruppe erkannt, dass sich die Vegetation tatsächlich alle hundert Kilometer ändert. Gut, der Unterschied zwischen einem niedrigen, halbhohen und hohen Busch ist für viele wahrscheinlich nicht sonderlich prickelnd, aber mir ist das aufgefallen.«

Steven lachte. »Die meisten Touristen starren nur aus dem Fenster und warten darauf endlich ein Känguruh oder einen Koala zu sehen.«

Hetty kicherte. »Rate mal wie ich mir am Anfang die Augen aus dem Kopf geglotzt habe. Schließlich sieht man in Berichten von diesem Kontinent ein Tier nach dem anderen. Also war ich in Hab-Acht-Stellung und habe gelauert. Doch kein einziges Känguruh war weit und breit zu sehen, das durch den Busch gehüpft ist. Und in keinem Baumwipfel klammerte sich ein Koala an den Ast. Ich wäre fast auf die Nase gefallen als ich durch den ersten Eukalytuswald ging und hatte am Abend einen steifen Nacken, aber immer noch kein graues Bärchen gesehen.

Am nächsten Tag hat uns dann die Reiseleiterin endlich erklärt, dass Koalas nur noch in sehr begrenzten Gebieten an der Ost- und Südküste vorkommen und auch dort sehr schwer zu finden sind. Schließlich schlafen sie zwanzig Stunden am Tag festgeklammert an einem Ast und sind nur Nachts unterwegs um Nahrung zu suchen. Als sie dann noch gesagt hat dass auch Känguruhs, wie die meisten einheimischen Tiere, nachtaktiv sind und man sie nur in der Dämmerung sehen kann, war ich schwer enttäuscht. Zuhause habe ich dann bei der nächsten Tierdokumentation aufgepasst und die langen Schatten gesehen. Alle Filmaufnahmen wurden also am frühen Morgen oder späten Abend gemacht. Nur hat das keiner je dazu gesagt.«

Steven nickte. »Wahrscheinlich deswegen, weil es bei uns ja jeder weiß. Also nimmt man es als ganz selbstverständlich an. Aber ehrlich gesagt nervt es hin und wieder schon etwas, wenn unser Land nur auf Känguruhs, Koalas, Ayers Rock und giftige Schlangen reduziert wird.«

Hetty lachte. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wieviel Angst die Leute um mich hatten, als ich das erste Mal hergeflogen bin. In diese Wildnis! Die haben alle geglaubt, ich komme nicht mehr lebendig zurück.«

Steven grinste. »Wenn man bedenkt, wie gefährlich unser Linksverkehr für europäische Fußgänger ist, hatten sie auch wirklich recht.«

Kim trat aus dem Haus und musterte kopfschüttelnd ihren Mann und Hetty, die lachend im Sand standen. »Ich habe gedacht du schläfst bis Mittag. Na, dann setze ich mal den Kaffee auf. Du magst doch Spiegeleier mit Speck?«

Nachdem das opulente Frühstück, das auch noch Würstchen, Kartoffelkrusties und mit Käse überbackene Tomaten bereit hielt, beendet war, sah Kim Hetty fragend an. »Ich muss dann zum Einkaufen in die Stadt. Wenn du Lust hast kannst du mitfahren.«

Die nickte erfreut. »Das wäre prima. Ich brauche Sonnencreme, Duschgel und noch ein paar Dinge.«

Sie zuckte mit den Schultern. »Wäre doch Blödsinn gewesen das Zeug von Deutschland aus mitzuschleppen.«

Kim gab ihr recht. »Vor allem da es bei uns genau dieselben Produkte gibt, wie du ja schon festgestellt hast.«

Hetty nickte. Ja, das war eines der erstaunlichen Dinge bei ihrem ersten Aufenthalt gewesen. Der Moment, als sie zum ersten Mal in einem Supermarkt stand und entdeckte, dass sogar bayrischer Schimmelkäse im Kühlregal lag. Allerdings war die Kühltheke auch um einiges größer gewesen als zuhause und neben deutschen Markenerzeugnissen war sozusagen auch noch die ganze restliche Welt vertreten. Deshalb hatte sie sich auch nicht damit aufgehalten, diese Artikel nach Down Under zu transportieren. Da wäre Eulen nach Athen tragen noch sinnvoller gewesen.

Vor dem Start belud Kim die Ladefläche des Pickups mit einigen Eskis. Hetty hatte diese Styroporboxen schon oft gesehen und wusste, dass diese als Kühltaschen fungierten. Hierin wurde alles Verderbliche für den Transport gelagert und die Zwischenräume mit gecrashtem Eis aufgefüllt. So hatte man die beruhigende Gewissheit, dass sich das eingekaufte Fleisch zuhause nicht schon von selbst zum Kühlschrank bewegen konnte.

Als sie über die Brücke des Todd Rivers, der, wie die meiste Zeit im Jahr, nur aus einem sandigen, ausgetrockneten Flussbett bestand, in die Stadt hineinfuhren deutete Kim aus dem Fenster. »Vor einem Monat hatten wir unser alljährliches Bootsrennen. War ein Mordsspaß!«

Hetty runzelte die Stirn. »Wieviel Wasser war denn im Fluss? Soviel ich gehört habe ist er dann doch richtig gefährlich.«

Kim lachte. »Wasser? Nein, nein, wir machen doch kein Bootsrennen mit Wasser. Das findet alles auf dem Sand statt. Die Teilnehmer basteln sich aus allem möglichen irgendein bootähnliches Teil zusammen. Wie es aussieht ist eigentlich völlig egal, nur darf es natürlich keinen Boden haben. Schließlich stehen die Rennkandidaten im Boot und müssen es tragen. Jeder zahlt seine Startgebühr, kriegt eine Startnummer und kann dann an den verschiedenen Durchläufen teilnehmen. Wie bei einer richtigen Regatta gibt es verschiedene Kategorien, die von Ein-Mann-Booten bis zu großen Jachten, mit vielen Männern Besatzung, reichen. Und es geht natürlich darum, so schnell wie möglich am Ziel anzukommen.«

Sie kicherte. »Ist selbstverständlich eine fürchterliche Schinderei in dem tiefen Sand und bei der Hitze. Aber die Hauptsache dabei ist sowieso der Spaß – eigentlich ist es überhaupt nicht wichtig, wer Sieger wird. Steven und Paul sind in der Badewannenkategorie gestartet. Da mussten sie mit zwei anderen eine Wanne transportieren, in der ein Mädchen saß. Mann, hat es die auf die Nase gedonnert, als Steven über einen Stein gestolpert ist.«

Kim schüttelte sich vor Lachen. »Ich hatte mich mit ein paar befreundeten Frauen oben am Flussufer in die Zuschauermenge gesetzt und habe sogar da noch den Rumms gehört. Glücklicherweise ist niemandem etwas passiert. Für diese Einlage haben sie natürlich großen Szenenapplaus bekommen. Allerdings war der Sieg futsch. Wir haben uns dann mit viel Bier und einem großen Barbecue getröstet.«

Sie seufzte. »Ich hatte noch zwei Tage später Kopfweh von dem Saufgelage! Aber bei uns ist ja die meiste Zeit rein gar nichts los und wenn dann mal Party angesagt ist, muss man natürlich mitmachen, auch wenn der Körper leidet.«

Hetty lachte. »Ich hoffe du hast Fotos gemacht?«

Kim grinste. »Selbstverständlich. Die können wir uns heute Abend ansehen, allerdings sind die letzten Aufnahmen ziemlich verwackelt.«

Als sie vom Einkaufen zurückkamen, verabschiedete Hetty sich zu einem Mittagsnickerchen. Das frühe Aufstehen zeigte seine Folgen und Jet Lag ließ grüßen. Doch ein paar Stunden Schlaf reichten ihr vollkommen aus, um am Nachmittag mit neu erwachtem Tatendrang zu Kim und Steven ins Auto zu klettern, schließlich war jetzt die Camperbesichtigung angesagt.

Pauls Werkstatt befand sich neben dem Highway, auf der anderen Seite von Alice Springs. Auf dem karg bewachsenen Gelände standen zwei große Wellblechbaracken mit einem kleinen Anbau. Hier waren das Lager und das Büro untergebracht, in dem sich in geheiligter Unordnung Ordner und Kataloge auf den Ablageflächen und in den Regalen stapelten. An der Zimmerdecke versuchte ein klappernder Ventilator die heiße Luft auf ein erträgliches Maß abzukühlen. Auf einem hölzernen Schreibtisch vor dem Fenster stand ein Computermonitor, dessen Bildschirmschoner, in Form eines kleinen roten, sich in seltsamen mäanderförmigen Linien bewegenden Punktes, Hettys Aufmerksamkeit erregte. Sie beugte sich vor, um besser zu erkennen, was hier gezeigt wurde. Ein lautes Buh ertönte und zwei riesige Augen erschienen auf dem Monitor.

»Du lieber Gott!« Hetty war vor lauter Schreck zusammengezuckt und atmete nun tief durch.

Kim und Steven hielten sich vor lauter Lachen die Seiten. »Das ist Pauls Abwehrwaffe gegen Neugierige – die hat noch jeden drangekriegt!«

Hetty grinste die beiden an. »Wieviele Tote hat er denn schon rausgetragen?«

»Bis jetzt haben es noch alle überlebt, aber ich warte auf den ersten Herzkranken«, ertönte eine angenehme Stimme in ihrem Rücken.

Hetty drehte sich um, damit sie den Neuankömmling begrüßen konnte.

Sie hatte eigentlich erwartet, dass Paul als Cousin von Steven auch so ein langes Elend sein würde – auf diese geballte Ladung australischen Testosterons, die da vor ihr aufragte, war sie nicht im geringsten vorbereitet.

Ein Traum von Mann! Zwar ein ziemlich stark angeschmutzter Traum – aber wow! Er war gute 1.90 Meter groß, braungebrannt und hatte die Figur eines durchtrainierten Athleten. Dazu blonde lockige Haare und hübsche graue Augen in einem markanten Gesicht mit einem Grübchen im Kinn.

Dieser Mann konnte nur ein absoluter Unsympath sein oder zumindest dumm im Hirn, ein Angebertyp ohne Niveau, irgendetwas in die Richtung, denn wenn der auch noch nett war, gehörte er definitiv verboten. Doch ihre Erwartungen wurden gründlich enttäuscht.

Paul lächelte sie an, nickte zur Begrüßung und zeigte mit den Handflächen nach oben. »Händeschütteln lassen wir momentan besser bleiben, sonst bist du die nächste Zeit mit Waschen beschäftigt.«

Hetty hatte die Schmierflecken bereits gesehen und nickte zustimmend.

Ihr Gegenüber fuhr fort. »Kim und Steven haben gesagt du brauchst einen Camper. Also dann kommt mit, wir gucken gleich mal in die Werkstatt.«

Während die anderen vorangingen, folgte Hetty etwas langsamer nach. Diesen Typen musste sie erst mal verdauen. Man steht schließlich nicht jeden Tag plötzlich so einem Bilderbuchmenschen gegenüber und wenn auch nicht viel an Reaktionsvermögen, aber soviel hatte sie auf die Schnelle noch drauf gehabt: Kein Ring am Finger, also zumindest keinesfalls verheiratet.

Als sie über eine Stufe in die Halle stolperte und dabei fast hinfiel wurde es höchste Zeit das Gehirn wieder einzuschalten.

»Reiß dich bloß am Riemen und blamiere dich nicht endgültig. Das ist nur ein Mann, er geht dich nichts an, er will nichts von dir – außer dein Geld für einen seiner Camper und damit Basta!« Damit hatte die Vernunft wieder Oberhand und sonstige Gedankenspiele wurden ausgeblendet.

Mittlerweile waren sie beim ersten Fahrzeug angekommen: einem schicken Camper mit Schlafplatz über der Fahrerkabine, ungefähr sechs Meter lang.

Paul hatte sich inzwischen seine Hände notdürftig an einem Lappen gereinigt und und öffnete die Seitentür. »Also hier die Kochnische mit Kühlschrank und Gasherd, Wohnbereich mit Tisch und Bänken, da oben ist der zweite Schlafbereich und ein Miniklo ist auch vorhanden. Stauraum ist unter den Sitzbänken und oben in den Schränkchen.«

Hetty musterte die Ausstattung und ging in der Kabine auf und ab. Kim und Steven hatten ihr erzählt, dass Paul Spezialist für Camperausbau war – das sah man der Einrichtung auch an. Alles war ansprechend und praktisch gearbeitet, der Mann verstand wirklich etwas von seinem Fach.

»Tja, der ist ganz schön, aber irgendwie nicht ganz das was ich will, kannst du mir bitte mal den anderen zeigen?«

Paul zuckte mit den Schultern und sprang aus dem Camper. »Das hier ist der zweite – etwas älter, etwas länger, die vorderen Sitze lassen sich drehen und es ist nicht nur ein WC, sondern auch eine Dusche eingebaut. Er hat auch etwas mehr Stauraum als der andere, schau ihn dir einfach in aller Ruhe an.«

Hetty war auch nach dieser Besichtigung nicht ganz glücklich, irgendwie hatte es noch nicht „Klick“ gemacht. Als sie aus dem Camper stieg, waren die anderen gerade in ein Gespräch vertieft. Um nicht zu stören, bummelte sie ein wenig durch die Halle und sah sich um.

Neben den Campern waren noch einige Autos vorhanden, eines davon war auf der Hebebühne aufgebockt, daran hatte Paul wohl gerade gearbeitet.

Durch das hintere offene Werkstatttor schien die Sonne herein. Hetty trat ins Freie und blinzelte im grellen Licht. Dann fiel ihr Blick auf ein geparktes Fahrzeug und sie nickte erfreut. »Genau so einen meine ich!«

Unter einem großen Eukalyptusbaum mit ausladender Krone stand eine wahres Ungetüm von Camper: Ein in grauenhaften Farben lackierter Hanomag. Ein Allradfahrzeug, wie man es immer in den Expeditionsfilmen sieht, mit großen Reifen, hoch aufgebauter Fahrerkabine und hinten eine mit vielen Leitern und Gerätschaften versehene Wohnkabine.

Also das absolute Gegenteil zu den in der Halle stehenden tollen Wohncampern und somit genau das, was zu ihr passte.

Sie ging wieder zu den anderen zurück und zupfte Paul am Overall. »Kannst du bitte mal kurz mitkommen?«

Der sah sie fragend an und folgte ihr mit Kim und Steven ins Freie. Hetty deutete auf den Hanomag. »Der würde mir gefallen!«

Steven brüllte lachend los. »Was? Dir gefällt der Horrorcamper von Paul, der ist bekannt als Schrecken des Outbacks.«

Kim fügte grinsend hinzu. »Seit Jahren zerreißt sich ganz Alice das Maul über die tolle Lackierung.«

Paul verteidigte sich. »Ihr wisst genau, dass ich nur noch nicht zum Umlackieren gekommen bin.«

Er schaute Hetty an und erklärte. »Ich habe den nämlich in dem Zustand einer Hippiekommune abgekauft und die standen eben auf psychodelische Farbmuster. Leider habe ich bisher vor lauter Arbeit noch keine Zeit gehabt, mich um die Lackierung zu kümmern.«

Steven grinste. »Wenn du mit Arbeiten, das rumkutschieren der schicken Tussies meinst, denen du das Outback „Einmal ganz anders“ zeigst – die würde ich dir jederzeit abnehmen.«

Kim drohte ihrem Mann mit dem erhobenen Zeigefinger. »Da würdest du aber ganz schön Ärger mit mir kriegen!«

Sie wandte sich zu Hetty. »Ich glaube nicht, dass sich Paul von seiner Aufreißerkutsche trennt, der hat in die Mühle alles eingebaut, was du dir vorstellen kannst – einschließlich einer Menge seiner elektronischen Spielereien.«

Paul hatte das freundschaftliche Spötteln der beiden einfach über sich ergehen lassen und erwiderte. »Also anschauen kannst du ihn dir ruhig mal. Da kannst du gleich sehen, was sich alles machen lässt. Wenn du Lust hast darfst du ihn auch eine Runde fahren, aber hergeben werde ich den sicher nicht.«

Hetty war nur kurz enttäuscht und ließ dann ihrer Neugierde freien Lauf. »Gut, dann zeig mal, was da alles drinnen steckt.«

Paul ging ins Büro zum Schlüsselholen und Kim raunte Hetty in der Zwischenzeit zu. »Respekt, bei dem hast du einen Stein im Brett, der lässt normalweise nie jemand anderen ans Steuer, das kommt wahrscheinlich davon, dass du bisher als Einzige die Karre toll findest«.

Am Fahrzeugschlüssel hing eine elektronische Fernbedienung mit der sich die Fahrertüre entriegeln ließ. Gleichzeitig öffnete sich darunter eine Klappe und eine kurze Treppe fuhr als Einstiegshilfe bis zum Boden herunter.

Innen war die Kabine sehr geräumig und mit allem ausgestattet, was jemals in einem Camper eingebaut worden war. Hetty suchte den Schlafbereich – über der Fahrerkabine war nur Stauraum zu sehen.

Kim feixte durch die geöffnete Türe. »Los Paul, zeig Hetty doch mal dein Sündenbabel!«

Paul sah sie etwas verlegen an. »Das ist alles nicht so wie die denken«, und drückte auf einen Knopf neben der Spüle.

Hetty staunte. Die Tischplatte des Wohnzimmers senkte sich ab, die Sitze links und rechts klappten sich irgendwie zusammen, drehten sich und plötzlich war aus der Sitzgruppe eine große Liegefläche geworden. Von wegen mühselig die Bank umklappen! Links und rechts waren Staufächer in denen die Bettwäsche untergebracht war. Äußerst komfortabel.

Hetty sah Paul mit hochgezogenen Augenbrauen prüfend an. »Und wo ist das Barfach mit dem Champagner?«

Paul grinste. »War kein Platz mehr dafür da, aber der Kühlschrank hat ein Drei-Sternefach für die Eiswürfel. Aber ich schlafe hier nur, wenn ich alleine unterwegs bin, ansonsten ist mein Domizil im Freien.«

Nachdem er wieder einen Knopf von seiner etwas groß geratenen Fernbedienung gedrückt hatte, fuhr neben der Einstiegstüre eine Platte aus der Seite der Kabinenwand. Paul klappte noch zwei Stützen aus und schon war eine Liegefläche entstanden, die auch für einen Mann seiner Größe locker reichte.

Er deutete nach oben. »Da kann ich noch eine Markise ausfahren und ein Moskitonetz. Meine Gäste können drinnen ungestört schlafen und ich habe es hier richtig bequem und kann aufstehen, wann ich will, ohne jemanden aufzuwecken«

Hetty dachte sich, dass die meisten seiner weiblichen Mitfahrer sich wohl eher darum reißen würden, auf gar keinen Fall ungestört zu schlafen und verbiss sich ein Grinsen.

Paul reichte ihr den Schlüssel. »Also, dann fahren wir jetzt mal eine Runde.«

Sie kletterte etwas mühselig den Einstieg zur Fahrerkabine hoch und nahm hinter dem riesigen Lenkrad Platz. Dabei kam sie sich vor wie ein kleines Kind. Hoffentlich blamierte sie sich nicht bis auf die Knochen bei dieser Probefahrt. Glücklicherweise gab es auf der Piste keine Notwendigkeit zu blinken und damit auch keinen Grund, wie immer auf ihren ersten Fahrten in diesem Land, versehentlich den Scheibenwischer zu betätigen. Denn die spiegelverkehrte Anordnung der Armaturen sorgte bei jedem Europäer der Rechtsverkehr gewohnt war dafür, dass er in den ersten Tagen zum Amüsement der australischen Mitfahrer grundsätzlich den falschen Hebel betätigte.

Der Motor startete mit einem angenehmen Brummen, vorsichtig fuhr Hetty los. Die Lenkung reagierte auf den kleinsten Zugriff und während sie die Piste entlang tuckerte, war sie immer mehr von dem Fahrzeug begeistert. Sie erlaubte sich einen raschen Blick auf die Beifahrerseite.

Paul lächelte sie an. »Ein toller Wagen nicht?«

Hetty bejahte aus vollem Herzen und rangierte, nach seiner Anweisung rückwärts in eine kleine Einbuchtung, um zu wenden, was Paul mit einem beifälligen Nicken honorierte. »Autofahren kannst du, das muss ich dir lassen.«

Hetty klärte ihn auf. »Na ja, ich hatte zuhause einige Jahre einen Geländewagen, da ist er Unterschied nicht so groß. Nur mit der linken Hand zu schalten ist etwas gewöhnungsbedürftig.«

Steven und Kim hatten es sich inzwischen auf der überdachten Terrasse in zwei Korbsesseln gemütlich gemacht und fragten. »Na, wie wars?«

»Phantastisch!« schwärmte Hetty und seufzte. »Genau so einen hätte ich gerne gehabt.«

Paul war inzwischen in seinem Büro verschwunden und ließ auf sich warten.

»Was machen wir jetzt?« Kim sah Hetty und Steven fragend an.

»Vielleicht kann Paul ja irgendwo noch so ein Teil finden.« Steven versuchte Hetty aufzumuntern. »Der hat viele Kontakte. Komm mit, mal sehen was er dazu sagt.«

Paul lümmelte zurückgelehnt, mit den Füßen auf dem Tisch, in seinem Bürostuhl und telefonierte. »Kannst du mir bis spätestens übermorgen Bescheid geben? Okay, am Vormittag bin ich erreichbar, Bye.«

Steven sah ihn fragend an. »Du, wir haben uns überlegt, ob du nicht woanders für Hetty so einen Hanomag auftreiben könntest?«

Sein Cousin grinste. »Rate mal, mit wem ich gerade telefoniert habe, mit Kurt aus Sydney, der hat auch immer alles Mögliche und Unmögliche rumstehen und kennt die verrücktesten Leute. Er hat zwar selbst nichts da, aber er weiß von einer Frau, die vor kurzem noch einen Camper zu verkaufen hatte. Wir haben vereinbart, dass er sich informiert, ob der noch zu haben ist und für uns in Frage kommt.«

Paul warf Hetty einen beruhigenden Blick zu. »Keine Sorge, wir treiben schon einen Camper für dich auf der dir gefällt, es kann allerdings eine Weile dauern.«

Hetty war erleichtert, sie hatte schon gedacht, sie müsste sich selber auf die Suche machen, aber so wie das klang, würde diese Aufgabe auf alle Fälle Paul übernehmen.

Sie warf einen Blick in die Runde und schlug vor. »Was haltet ihr davon, wenn wir heute Abend ins Bojangeles gehen? Ich lade euch alle ein.«

Steven sah seine Frau an und nickte zustimmend »Also da sagen wir nicht nein, was meinst du Paul?«

»Eine Einladung ins Bojangeles schlage ich sicher nicht aus und vor allem kann mir Hetty bei der Gelegenheit dann auch ausführlicher erzählen, was sie denn alles mit dem Camper so geplant hat.«

Er lächelte Hetty an und erhob sich. »Na, dann seh ich mal zu, dass ich mit meiner Arbeit fertig werde – ich treffe euch dann im Lokal.«

Die Mulgacamper Romane Band 1 und 2

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