Читать книгу Die Mulgacamper Romane Band 1 und 2 - Elda Drake - Страница 9

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Kapitel 5

Mit diesem guten Vorsatz bewaffnet, stand sie drei Tage später abholbereit mit einer Reisetasche und in ihre üblichen legeren Klamotten gewandet auf der Veranda, als Paul vorfuhr.

»Hallo Mädel, bist du startbereit?« Er schnappte sich ihre Reisetasche und verstaute sie im Kofferraum. »Mike betankt noch die Maschine, dann können wir los.«

Hetty schwang sich auf den Beifahrersitz und schnallte sich an. »Roger und ready for take off, Captain!«

Paul lachte vergnügt auf. »So mag ich das, wenn mein Personal seine Befehle kennt.«

Während sie zum Flugplatz fuhren, erklärte ihr Paul die Flugroute. »Unser heutiges Ziel ist Cooper Pedy, dort übernachten wir bei guten Bekannten. Morgen fliegen wir dann mit einem kurzen Zwischenstopp in Broken Hill weiter bis Canberra und am Tag darauf, von dort aus nach Sydney.«

»Gehen wir in Cooper Pedy abends in die Kneipe? Ich war zwar schon einmal dort, aber damals am Stadtrand bei einer Höhlenwohnung. Das war bei meiner Gruppenreise mit dem Bus und da kriegte ich vom Schürferleben rein gar nichts mit.« Hetty sah Paul hoffnungsvoll an.

Der erwiderte ihren Blick mit einem Lächeln. »Du musst sogar in die Kneipe, weil wir nämlich in einer übernachten, also verdursten wirst du sicher nicht.«

Die zweimotorige Cessna stand noch an der Zapfsäule, als sie ankamen. Mike entpuppte sich als ein übers ganze Gesicht strahlender Chinese.

Hetty schüttelte ihm zur Begrüßung die Hand und stellte fest. »Also, eigentlich hätte ich bei diesem Namen einen waschechten Amerikaner erwartet.«

Mike verbeugte sich und meinte. »Tja, eigentlich heiße ich auch Min Hon Tschijong, aber das war allen zu kompliziert und so wurde Mike daraus.«

Paul mischte sich ein. »Lass dich von ihm bloß nicht veräppeln, der kann kein einziges Wort chinesisch, seine Urgroßeltern sind damals zum Perlenfischen nach Australien eingewandert und das einzige chinesische, was sich in ihrer Familie vererbt hat, ist das Essen und das Aussehen.

Ansonsten sind sie australisch bis zum Geht-nicht-mehr. Sein Pa hat ein chinesisches Speiselokal in Broome und läuft da drin mit Bermudas und Badeschlappen durch die Gegend. Seine Mutter hat letztes Jahr das interne Golfturnier von Westaustralien gewonnen und seine Schwester und sein Bruder sind in der Kricketmannschaft.«

Mike schimpfte. »Immer versaust du mir meinen Namensgag – du bist ein alter Spielverderber!«

Er wandte sich an Hetty. »Hinten geht es etwas eng zu, mit dem ganzen Gepäck, aber du bist ja klein und ziemlich schlank, da hast du trotzdem genug Platz.«

Hetty errötete. „Ziemlich schlank“ das hatte schon lange keiner mehr zu ihr gesagt und anscheinend meinte Mike es auch tatsächlich so. Gut, sie hatte in letzter Zeit etwas abgenommen und ihre schlabbrige Kleidung war, wie immer, eine halbe Nummer zu groß, das wirkte auch etwas kaschierend.

Nachdem sie über die Tragfläche ins Flugzeug zum hinteren Einstieg geklettert war, musterte sie leicht entsetzt das ganze Zeug das Mike auf dem Nebensitz verstaut hatte. Um hier noch Platz zu finden, wäre eigentlich eher die Figur einer Magersüchtigen notwendig gewesen. Na, da half alles nichts! Mühsam quetschte sie sich in den Sitz und legte den Gurt an. Sie war sich allerdings sicher, dass sie den an und für sich gar nicht gebraucht hätte, denn sie war so eingekeilt, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie jemals wieder aus dem Flugzeug kommen sollte.

Mike war ein vorbildlicher Pilot, er zog die Maschine nicht hoch, als ob er einen Starfighter fliegen würde und versuchte auch keine der üblichen Spielchen. Über die Kopfhörer mit Headset, die jeder aufhatte, konnten sie sich trotz des Motorenlärms problemlos unterhalten und wenn unter ihnen etwas Sehenswertes auftauchte, dann wusste der Chinese prompt eine schöne unterhaltsame Geschichte.

Paul hatte, bei der ersten Story von Mike - als dieser gerade, aufgrund einer Emufamilie die sie gesichtet hatten, von einem Emu aus Broome erzählte, der sich mit einem Flamingo gepaart und deshalb rosarote Federn hatte – versucht, Mike bei seiner Erzählung zu unterbrechen. »Hör bloß auf mit deinem ewigen Jägerlatein!«

Doch Hetty war das gar nicht recht und sie ergriff Partei. »Es ist mir egal, ob es stimmt oder nicht – Hauptsache es hört sich gut an. Ich weiß selber dass hier nicht jeder Baum oder Strauch seine eigene Geschichte hat, aber Mike erzählt so gut, das vertreibt einem wenigstens die Zeit. Also lass ihn doch einfach reden und gönne mir das Vergnügen.«

Mit einem entschuldigenden Lächeln an Paul setzte sie hinzu. »Ich höre unwahrscheinlich gerne Märchen und Geschichten.«

Nun konnte Mike zu seiner tiefsten Befriedigung endlich einmal in aller Ruhe in seinen münchhausenreifen Geschichten schwelgen, während Paul, teilweise kichernd, teilweise stöhnend und seufzend, zumindest hin und wieder versuchte, einen vernünftigen Kommentar beizutragen.

Die Zeit verging im wahrsten Sinne des Wortes wie im Fluge. Obwohl unter ihnen nur das Outback mit seinem Sand- und Steinboden und spärlichem Bewuchs zu sehen war, wurde es Hetty nicht langweilig auf die verschiedenen Rot- und Brauntöne zu starren. In der Ferne waren vereinzelte Hügelketten zu sehen, was ihr bewusst machte, dass Australien nicht nur ein flaches Land war, sondern auch jede Menge Erhöhungen zu bieten hatte.

Im Zentrum, wie der Bereich unter ihr genannt wurde, gab es die großen australischen Wüsten und außer Alice, dem Kings Canyon und dem Ayers Rock Resort konnte man nur ein paar Roadhäuser als Ansiedlung finden. Da brauchte man sich auch nicht wundern, dass einem auf dem Stuart Highway, der Australien von Süden nach Norden durchschnitt, nur alle halbe Stunde ein anderes Auto begegnete. Hier fuhren nur Leute durch, die in der Gegend wohnten oder Touristen die endlich mal Outback erleben wollten. Auch Hetty hatte den Kontinent bereits zweimal am Boden durchquert und freute sich nun über die Abwechslung, das Ganze mal aus der Luft zu sehen.

Mike deutete aus dem Fenster. »Wir sind gleich da.«

Hetty hätte das auch ohne seinen Hinweis erkannt. Denn unter ihr war der rote Sand einer weißen Fläche gewichen, die aussah wie ein surrealistisches Feld mit Maulwurfshügeln. Cooper Pedy war die bekannteste Opalfundstelle in Australien und auf jeden der tausendfünfhundert Einwohner kamen zahlreiche Löcher die sie buddelten, um nach Edelsteinen zu suchen. Die kleine Stadt besaß eine geteerte Hauptstraße an der die Geschäfte, Hotels, der Supermarkt und die Kneipen situiert waren. Ansonsten verteilten sich in der Umgebung noch zahlreiche Häuser und Höhlenwohnungen. Die nächsten großen Ansiedlungen waren Alice Springs und Port Augusta und lagen beide ungefähr tausend Kilometer entfernt. Von dem her waren die Leute in Coober Pedy eine relativ fest verschworene Gemeinschaft, die neben Opalschürfen vor allem davon lebte, die Touristen durch die Stadt zu führen und ihnen dabei möglichst viel Opalschmuck zu verkaufen.

Mike setzte die Cessna butterweich auf dem geteerten Airstrip auf und rollte zum Halteplatz, den er sich nach Belieben aussuchen konnte, denn abgesehen von einer anderen Maschine war nur noch ein Sprittank mit Zapfsäule und ein kleiner Unterstand vorhanden.

Als sie standen, schnallte Hetty sich ab und versuchte dann verzweifelt ihren Hintern aus dem Sitz zu kriegen. Doch ihre Vermutung vom Start bewahrheitete sich. Der Rücksitz hatte anscheinend beschlossen, dass sie noch länger sein Gast sein sollte und war eine dauerhafte Verbindung mit ihrer unteren Körperhälfte eingegangen. Mit immer röter werdendem Kopf kämpfte Hetty gegen ihr Schicksal an und gab schließlich demoralisiert auf. Da kam sie nie mehr raus! Die zwei Männer versuchten vergeblich sich ein Grinsen zu verkneifen.

Mike bot ihr schließlich an. »Ich helfe dir gleich beim Aussteigen, aber kannst du mir vorher noch die kleine Kiste mit den Löchern reichen?«

Hetty drehte sich um. Sie hatte die Ladung überhaupt nicht beachtet, während sie geflogen waren. »Meinst du die Schachtel da oben?«

Als Mike nickte grabschte sie nach dem Karton und schaute ihn verwundert an. »Warum hat die eigentlich Löcher?«

»Weil da eine Vogelspinne drin ist und ...« Mike war mit seinem Satz nicht weiter gekommen und sah mit offenem Mund auf Hetty.

Die war bei dem Wort Vogelspinne wie der Blitz aus dem Sitz geschossen, über die Tragfläche auf den Boden gesprungen und stand jetzt mit schneeweißem Gesicht, in zehn Meter Entfernung vom Flugzeug.

»Der Wahnsinn!« Paul sah kopfschüttelnd zwischen dem Flieger und Hetty hin und her.

»Wie hast du das gemacht? Ich habe noch nie gesehen, dass sich jemand so schnell von einem Punkt zum anderen bewegen kann - das gibt es doch gar nicht!« Er ging zu Hetty und tätschelte ihr beruhigend auf den Rücken.

»Ich habe panische Angst vor Spinnen« wütete Hetty. »Ihr seid wohl vollkommen verrückt, lasst mich mit so einem Vieh die ganze Strecke fliegen und warnt mich nicht einmal.«

Mike war inzwischen mit dem Karton in der Hand von der Tragfläche geklettert. »Das ist doch nur Johnny, der ist wirklich ganz harmlos und aus dem Karton kommt er nicht von selber raus. Den hält sich einer der Schürfer als Haustier. Hin und wieder leiht Fred das Männchen an das Reptilienhaus in Alice aus. Nun sind alle Spinnendamen versorgt und er darf wieder zurück zu seinem Herrchen.«

Ein seltsames Fahrzeug kam die Piste entlang geknattert. Es hatte eine entfernte Ähnlichkeit mit einem verrosteten, türenlosen Pickup und hinten auf der Ladefläche ein aufragendes Gestell, auf dem eine querliegende Öltonne befestigt war.

Als die Karre bei ihnen anhielt, sprang ein altes dürres Männchen mit wallendem, grauweißem, langen Haar und einem Bart wie Moses, überraschend gelenkig aus dem Fahrzeug. Seine Kopfbedeckung bestand aus einem speckigen Akubrahut und die dünnen, stelzenartigen Beine steckten in khakifarbenen Bermudas, die genauso wie sein kurzärmeliges Hemd erstaunlich sauber waren. An den Füßen trug er, die im Busch üblichen, Blundstones mit hinabgeschobenen Wollsocken.

Aus dem tiefbraunen, von vielen Runzeln und Falten durchzogenen Gesicht blitzten zwei wasserblaue Augen, die sich jetzt auf die Anwesenden richteten. »Hallo Mike, Hallo Paul, oh Hallo meine Liebe – wo ist denn mein Johnnylein?«

Mike lachte und hielt ihm den Karton hin. »Hallo Fred, da hast du deinen Johnny unbeschadet wieder. Ich bin extra ganz vorsichtig geflogen, damit ihm nichts passiert.«

Fred gackerte erfreut vor sich hin und öffnete zu Hettys Entsetzen den Karton. »Johnnyliebling, hast du mich auch so vermisst, ich bin so froh, dass du wieder da bist.«

Er hob sein Haustier vorsichtig aus der Schachtel und setzte es auf seine linke Hand. »Schau mal Johnny, da sind Mike und Paul und eine hübsche Lady haben sie auch noch dabei.«

Hetty krallte sich an Pauls Hemdärmel fest und schaute wie hypnotisiert auf die haarige Riesenspinne auf Freds Hand. Der streichelte liebevoll sein Haustier und gab glucksende Laute von sich. Die Vogelspinne saß ruhig da und ließ sich das ohne Regung gefallen.

»Die tut dir wirklich nichts« versuchte Paul Hetty zu beruhigen und bat Fred. »Könntest du Johnny bitte wieder in die Schachtel tun – mein Mädel hier hat eine furchtbare Angst vor Spinnen.«

Fred gickerte auf seine Spinne ein. »Komm Johnny, du kleine, schlimme Bestie, geh wieder in deine Schachtel, nicht dass du noch die nette Lady frisst.« Er schubste ihn wieder in den Karton zurück und machte zu Hettys Erleichterung auch den Deckel zu.

»So jetzt kann er nicht mehr raus, hübsche Lady, sie brauchen sich jetzt nicht mehr fürchten.« Fred gackerte wieder los.

Paul informierte Hetty mit einem Schmunzeln. »Ich sollte dich sicherheitshalber vorwarnen, die Gefahr ist noch nicht vorüber. Denn das gefährlichste hier in ganz Cooper Pedy ist Fred, der ist ein fürchterlicher Frauenheld, nimm dich bloß in Acht! Sein Johnny dagegen ist völlig harmlos und sitzt den ganzen Tag brav im Terrarium, während sein Herrchen die Gegend unsicher macht.«

Fred lachte und schüttelte den Kopf. »Jetzt hören wir mal mit den Albereien auf und fahren nach Hause, denn meine Millie hat schon alles für das Abendessen vorbereitet. Ein Berg von Lammsteaks wartet darauf endlich auf den Grill zu kommen, denn ihr habt doch sicher Hunger mitgebracht, oder?«

Paul erklärte Hetty, während er die Spuren auf seinem Arm untersuchte, die ihre Nägel beim Festkrallen hinterlassen hatte. »Weißt du, wir wohnen bei Fred, dessen Frau kommt auch aus Deutschland und die bäckt richtiges dunkles Brot und macht einen supertollen Krautsalat.«

Mike hatte inzwischen ihre Rucksäcke aus dem Cockpit geholt und half Hetty auf den Beifahrersitz des Pickups. Er und Paul setzten sich, zu Hettys Erleichterung, mit dem Spinnenkarton zu dem Gepäck hinten auf die Ladefläche.

Fred brauste los und ratterte, eine Staubwolke hinter dem Wagen herziehend, auf eine naheliegende Hügelkette zu. Die einspurige Piste führte zu einem Höhleneingang neben dem links und rechts, in heillosem Durcheinander, zahlreiche rostige Gebilde lagen. Auch bei näherem Hinsehen kam Hetty nicht die geringste Idee, für was diese Teile wohl verwendet wurden.

»Vielleicht ist das eine typische Coober Pedy Gartendeko?« versuchte sich ihr Verstand in einer relativ logischen Mutmaßung, schließlich lagen fast vor jedem Haus oder Gebäude dieser Stadt mehr oder weniger große Mengen an Schrottteilen.

Hetty schmunzelte in sich hinein. War vielleicht bei diesen Temperaturen auch besser als Blumenkästen, denn das Eisen musste man nicht gießen.

Unter einem überhängenden Felsen befand sich eine geräumige Holzveranda, die mit Tischen und Bänken bestückt war. Auf einer Seite beherrschte ein riesiger Barbecuegrill die Szene und ließ den Rückschluss zu, dass hier ganze Kompanien verköstigt wurden.

Vor dem Eingang stand eine rundgesichtige, weißhaarige pummelige Frau, mit einer umgebundenen Kittelschürze und winkte.

»Meine allerliebste Millie«, rief Paul, sprang von der Ladefläche, umarmte sie und schwang sie einmal im Kreis.

»Die beste Köchin auf der Welt!« stellte er sie Hetty vor.

»Hör nicht auf ihn, den Charmeur, das sagt er nur, damit er die größten Portionen kriegt.«

Millie lachte und reichte Hetty zur Begrüßung die Hand. »Komm rein, ich zeige dir schnell dein Zimmer und das Bad und dann setzen wir uns alle zusammen auf die Terrasse.«

Hetty folgte ihr in das angenehm kühle Innere der Höhle und sah sich interessiert um. Gleich nach dem Eingangsbereich war eine kleine Bar mit Theke in eine Nische des Gesteins eingebaut, daneben führte ein Durchgang zu einem fast drei Meter hohen Stollen von dem, links und rechts weitere Gänge abzweigten, in denen die Gästezimmer untergebracht waren.

Die Räume waren aus der Höhle gesprengt und anschließend mit Fräsen und Meißel entsprechend den Bedürfnissen der Bewohner angepasst worden. Ihr Zimmer enthielt ein großes Bett mit Nachtkästchen und einen einfachen Holzschrank. Außer der wunderschönen Tagesdecke waren einige gerahmte Fotos an den Wänden der einzige Schmuck. Das spärliche Licht aus der Lampe auf dem Nachtkästchen und einer altmodischen Stehleuchte in der Ecke, versetzte den Raum in eine äußerst heimelige Stimmung. Seltsamerweise wirkte die Luft im Zimmer nicht stickig, sondern frisch und kühl.

»Ist das schön hier.« Hetty sah ihre Gastgeberin begeistert an. »Habt ihr eigentlich viele Gäste?«

Mille nickte. »Wir haben etliche Stammkunden, die auf der Strecke nach Alice bei uns immer einen Zwischenstopp einlegen. Die vier Zimmer sind eigentlich nur deswegen da, damit es mir nicht so langweilig ist und ich etwas zu tun habe. Soviel Unterhaltung gibt es hier ja doch nicht und unsere Gäste haben immer etwas zu erzählen.«

Sie hatten inzwischen wieder den Höhlenausgang erreicht und Millie zeigte auf einen Wellblechanbau an der Felswand. »Hier, das Bad ist leider etwas primitiv, aber Wasser ist bei uns Mangelware, also bitte sparsam duschen. Die Toilette ist ein Plumpsklo. Nach der Benutzung einfach etwas Sägespäne, aus dem Eimer der daneben steht, nachwerfen.«

Die anderen hatten sich inzwischen schon auf der Terrasse häuslich eingerichtet. Fred hatte einen Sixpack VB auf den Tisch gestellt und gab Hetty ein Zeichen, sich zu bedienen. Mike und Paul wechselten sich am Grill ab, auf dem die angekündigten Lammsteaks brutzelten. Millie deckte auf und stellte eine große Schüssel Krautsalat auf den Tisch und einen Korb mit wunderbar duftendem Brot dazu.

Hetty fühlte sich wie auf einem Familientreffen, bei dem sie als Ehrengast nichts arbeiten durfte. Also lehnte sie sich gemütlich an die Außenwand der Höhle und betrachtete in aller Ruhe die Umgebung. So weit das Auge reichte war hier nur fahler, weißer Geröllboden und vom Wind geglätteter Sand zu finden. Der einzige Bewuchs waren ein paar mickrige, strohige Grashalme und hin und wieder ein kleiner verkümmerter Busch. Ansonsten herrschte hier nur Ödnis. Von der Terrasse aus fiel das Land leicht ab und sie konnte in einiger Entfernung die niedrigen Häuser von Cooper Pedy sehen, in denen die ersten Lichter angingen.

Der Sonnenuntergang zauberte derweil ein changierendes Licht an den Himmel. Die wenigen Wolken färbten sich von gelb zu orange, dann zu rot und endeten in einem violetten Schimmer, bevor die endgültige Dunkelheit eintrat.

Hin und wieder fuhr ein Auto Staub aufwirbelnd auf einer der zahlreichen unsichtbaren Pisten vorbei, ansonsten war es traumhaft still.

Ohne zu lügen, konnte man das hier als kleines Paradies auf Erden bezeichnen.

Doch als das Essen fertig war, konnte die Landschaft nicht mit Millies Kochkünsten konkurrieren. Alle aßen mit herzhaftem Appetit und erklärten Millie, sie sei wirklich und wahrhaftig die beste Köchin weit und breit.

Nach dem Essen fragte Hetty. »Habt ihr denn heute gar keine Gäste in eurer Bar?«

Fred schüttelte den Kopf und erklärte »Die kommen erst später. Sind alle noch am buddeln, jetzt wo es kühler wird, da arbeiten die meisten noch ein, zwei Stunden. Da fällt mir übrigens gerade eine Geschichte ein …«

Ein paar Stunden und zahlreiche Storys und VBs später wurde die, inzwischen sehr vergnügte Runde, durch den ersten Gast vergrößert. Nach und nach trafen jetzt die üblichen Barbesucher ein. Junge Männer in normalen Jeans und T-Shirt und alte Haudegen wie Fred, mit Khakihosen und langem Bart. Einige verzogen sich an die Theke im Inneren der Höhle, ein paar kannten Paul und Mike und fragten, ob sie sich dazu setzen durften.

Millie und Fred waren inzwischen vollauf mit ihren Gästen beschäftigt, die alle über reichlich Durst verfügten und wechselten sich beim Einschenken ab.

Hetty verband den Besuch der sanitären Einrichtung mit einem kleinen Spaziergang und setzte sich, etwas abseits vom Tumult, auf einen kleinen flachen Felsen. Die Stimmen waren jetzt nur noch als angenehmes Hintergrundgeräusch zu hören und der Ausblick auf das inzwischen voll erleuchtete Cooper Pedy lud einfach zum Träumen ein.

Hier konnte sie wieder mal richtig die Seele baumeln lassen und einfach an gar nichts denken. Zugegeben, so ein kleiner rosaroter Gedankenschmetterling krabbelte immer noch durch ihre Hirnwindungen – aber er war wirklich ganz klein.

»Na Mädel«, wurde sie aufgeschreckt. »Einfach schön hier – nicht wahr?« Paul hatte bemerkt, dass sie etwas länger ausblieb und hatte zur Sicherheit überprüft, wo sie war. Er nahm neben ihr auf dem Felsen Platz und hielt ihr ein VB hin. »Damit du nicht verdurstest.«

Dann versank auch er in gemütliches Schweigen. Und so saßen sie eine ganze Weile einfach nur da und betrachteten die Stadt und den nächtlichen Himmel, auf dem immer mehr Sterne zu funkeln begannen.

Leider wurde es auch immer kälter. Hetty hatte keine Jacke mitgenommen und fing langsam, aber sicher, immer stärker an zu frieren. Aber diese angenehme Zweisamkeit zerstören – auf keinen Fall, lieber schlottern.

Paul fröstelte auch und meinte. »Also, ich hole mir jetzt eine Decke, bleibst du noch hier? Dann bringe ich dir noch etwas zu trinken mit – die Decke langt für uns beide.«

Hetty lächelte ihn an. »Wenn du noch eine Scheibe Brot zum Bier finden würdest, wäre das einfach super.«

Paul trabte im Laufschritt zur Höhle. Als er zurückkam war er aufgepackt wie ein Muli, außer der Decke hatte er einen Sixpack VB dabei und eine Papiertüte in der neben den gewünschten Brotscheiben auch noch ein paar Lammsteaks lagen. »Damit das Bier nicht so trocken rutschen muss«, erklärte er und deponierte Essen und Trinken vor dem Felsen.

Dann setzte er sich wieder und legte Hetty einen Teil der Decke um die Schultern. »Du musst ein bisschen näher kommen damit sie reicht.«

Hetty ließ sich das nicht zweimal sagen und rückte auf. Was will der Mensch mehr? Mit einem tollen Mann unter einer Decke und vor sich ein gutes Fresschen. Sie fischte nach einer Scheibe Brot und nahm ein Lammsteak in die andere Hand. Genüsslich vor sich hin mümmelnd erklärte sie grinsend. »Das war eine wunderbare Idee. Du weißt einfach was Frauen mögen.«

Paul kriegte sich vor lauter Lachen fast nicht mehr ein. »Also wenn du meinst, werde ich diesen Tipp in Zukunft beherzigen. Ich hatte bisher immer gedacht, man soll Rosen mitbringen und Süßigkeiten. Bei meinem nächsten Rendezvous überreiche ich ein lauwarmes Lammsteak in einem Brötchen, damit kann ich dann sicher richtig Punkte sammeln.«

Hetty stellte sich vor, wie er, hübsch angezogen in Anzug und Krawatte, mit einem in Papier eingeschlagenem Päckchen in der Hand, bei einer seiner Tussies läutete und siegessicher sein Geschenk überreichte. Als sie losprustete, musste sie Paul ihr Phantasiegebilde erläutern, woraufhin auch dieser in das Lachen einstimmte.

Damit war der Ansatz einer romantischen Abendstimmung endgültig zerstört und sie alberten vor sich hin, bis auch die letzte VB-Dose keinen Tropfen mehr hergab.

Seufzend meinte Paul. »Ich glaube, es wird Zeit die Zelte abzubrechen, morgen müssen wir früh raus.« Er sammelte die Dosen ein und warf sich die Decke über die Schulter.

Hetty nahm die leere Papiertüte und schlenderte neben ihm zur Höhle zurück. Die Veranda war inzwischen leer, doch aus dem Inneren tönte noch Stimmengemurmel.

Paul legte Hetty den Arm um die Schulter und drückte sie einmal kurz an sich. »Danke für den netten Abend, schlaf gut.«

»Du auch«, gab Hetty zurück. »Bis morgen.«

Sie nickte Millie und Fred, die hinter ihrer Theke die letzten Gäste betreuten, im Vorbeigehen noch kurz zu und ließ sich in ihrem Zimmer aufs Bett fallen. Während sie im Schummerlicht die Spuren der Fräsmaschine an der Decke betrachtete, versuchte sie ein Fazit des Abends zu ziehen. Paul war wirklich sehr nett und äußerst attraktiv. Und sie musste zugeben, sie war auf der einen Seite gar nicht abgeneigt. Aber? Also erstens war sie für ihn sowieso nur so etwas wie ein Kumpel … Und zweitens?

Aus der Abteilung ihres Hirns, das für die Hormone zuständig war, kam ein Gähnen. »Kannst du mal zum Ende kommen?«

»Na, ja irgendwie fehlt noch etwas.«

»Was soll denn fehlen?«

»Ich weiß auch nicht, es funkt halt nicht richtig!«

»Das kennen wir doch alles bis zum Erbrechen. Nie kann es dir einer recht machen. Immer fehlt das gewisse Etwas. Dabei hast du nicht einmal die geringste Ahnung, was das eigentlich sein soll. Aber du weißt ja, deinen Traumprinzen musst du dir schon selber schnitzen, den gibt es nicht!«

Hetty seufzte, rappelte sich hoch und schlich auf die Toilette. Noch einmal kurz alleine, mit einem tiefen Seufzer, den wundervollen Sternenhimmel betrachtet und dann endgültig ab ins Bett.

Mit einem genuschelten »Wer braucht schon einen Prinzen zum Glücklichsein, Australien genügt vollauf für mich!« glitt sie in einen erholsamen Schlaf hinüber.

Die Mulgacamper Romane Band 1 und 2

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