Читать книгу Die Mulgacamper Romane Band 1 und 2 - Elda Drake - Страница 7
ОглавлениеKapitel 3
Das Bojangeles war eine Kneipe mitten in Alice und jedem bekannt, der sich schon einmal in der Stadt aufgehalten hatte. Schließlich lag der Eingang der Todd Mall, die Einkaufsstraße und Fußgängerzone der Stadt, direkt gegenüber und man musste schon blind sein um das große Schild auf den mit Westernschrift „Saloon“ stand nicht zu entdecken.
Hetty gab den Schwingtüren am Eingang, die an alte Wild-West-Filme erinnerten, einen kräftigen Schubs und betrat, gefolgt von Steven und Kim das Lokal.
Das Ambiente konnte man nur als typisch australisches Outback bezeichnen. Während sie Ausschau nach einem freien Tisch hielt, stellte sie fest, dass sich seit ihrem letzten Besuch nichts verändert hatte. Die lange Theke in L-Form war immer noch vorhanden und wie stets drängten sich an ihr die Leute in Zweierreihen. Die meisten hielten in ihrer Hand einen der üblichen gläsernen Bierkrüge, deren Inhalt zwar inzwischen in Dezimaleinheiten gemessen wurde, aber noch immer aus dem alten vierhundertfünfundzwanzig Milliliter Pint bestand.
Steven deutete auf einen, aus Holzstämmen gesägten Tisch neben der Theke, der noch nicht besetzt war. »Wir haben Glück.«
Hetty und Kim okkupierten sofort eine der breiten lehnenlosen Sitzbänke die mit schwarz-weiß-geflecktem Kuhfell überzogen waren, das an manchen Stellen schon etwas abgeschabt war, während Steven Richtung Bar zeigte. »Was wollt ihr trinken?«
Zur Feier des Tages orderte Hetty einen großen Gin Fizz und Kim meinte. »Gute Idee. Bring mir auch einen Cocktail mit.«
Während sie auf die Rückkehr von Steven warteten, ließ Hetty ihren Blick durch das restliche Lokal wandern.
An der Rückseite gab es ein kleines Podest, auf dem gerade die Musiker der heutigen Band ihre Instrumente aufbauten. Vor der Minibühne war auf dem alten, geschwärzten Holzboden noch ein Stückchen freie Fläche vorhanden, hier konnten dann die Gäste ihre Tanzkünste zeigen. Die Wände und auch die Decke des Lokals waren mit allen möglichen Utensilien dekoriert. Da gab es ausgeblichene Rinderschädel deren Hörner in teilweise skurrilen Winkeln von der Wand abstanden. Flaggen aller möglichen lebenden und toten Nationen wechselten sich mit ausgewaschenen Slips und BHs ab, die wohl als Beutetrophäe gelten konnten. Dazwischen waren Visitenkarten und Geldscheine aus aller Herren Länder gepinnt worden.
Hetty deutete auf einen großen Glaskasten, der auf der anderen Lokalseite stand. »Ich habe erst bei meinem zweiten Besuch die Python bemerkt und mich zuvor die ganze Zeit gewundert, warum die ein altes verrostetes Motorrad so gut einsperren. Hatte gedacht, vielleicht wegen des Fahrers.«
Das Skelett das auf dem Motorrad saß trug einen Cowboyhut und die Python schlängelte sich hin und wieder, wenn sie besonders munter war, als Beifahrer zu ihm auf die Sitzbank.
Kim lachte. »So ein Terrarium hat nicht jeder und es ist das absolute Glanzstück im Bojangeles.«
Sie stand auf. »Ich hole uns mal Erdnüsse!«
Neben dem Eingang stand eine große knallblaue Plastiktonne, die bis oben hin damit befüllt war. Hier durfte sich jeder Gast frei bedienen und als Hetty zusah, wie Kim die Nüsse in Stevens Hut schaufelte wusste sie, weshalb der ihn auf den Tisch gelegt hatte, bevor er Getränke holen gegangen war.
Kim leerte den Hut auf den Tisch, wo Steven soeben die Cocktails und das Bier abstellte. Der griff sich eine Nuss, knackte sie und warf die Schalen gleich auf den Boden, was Hetty noch nicht mal im geringsten zusammenzucken ließ. Das war in diesem Lokal so üblich und gehörte dazu. Es störte sich auch niemand daran, wenn hin und wieder mal ein Mäuschen an der Wand entlang huschte, um eine übrig gebliebene Nuss zu ergattern. Selbstverständlich gehörten Mäuse nicht in ein Esslokal, aber mitten in Down Under galten andere Regeln – nämlich lockere. Solange die Viecher auf dem Boden bleiben, war es allen egal.
Eine Vorschrift wurde allerdings in ganz Australien strikt eingehalten und das war das absolute Rauchverbot in den meisten Lokalen. So waberten auch hier im Bojangeles keine stinkenden grauen Schwaden durch die Luft, sondern der einzige Geruch den Hetty wahrnehmen konnte, war der nach Essen und Bier.
Kim die gesehen hatte, dass Hetty prüfend schnupperte, meinte. »Komm wir zwei geben schon mal unsere Bestellung auf, Steven kann dann mit Paul gehen.«
Hetty folgte ihr zur Essenstheke, die auf der anderen Seite der Bar zu finden war. In den meisten Kneipen Australiens herrschte eine Art Selbstbedienung. Das bedeutete, man suchte sich sein Essen auf der Speisekarte aus und bestellte und bezahlte es an der Theke. Dafür bekam man einen kleinen Ständer mit Nummernschild in die Hand gedrückt und den stellte man auf seinen Tisch. Sobald das Essen fertig war, wurde es dann von einer Bedienung gebracht. Hetty fand diese Einrichtung äußerst praktisch, denn so musste man nicht Ewigkeiten warten, bis man versorgt wurde und konnte gehen wann man wollte, denn schließlich war die Rechnung bereits beglichen.
Während Kim ihre Bestellung aufgab, warf Hetty einen Blick in eine der Web-Cams die im Bojangeles angebracht waren und winkte in das Kameraauge. Von hier wurden konstant Live-Bilder des Lokals ins weltweite Netz gesendet.
Sie selbst hatte nach der Rückkehr von ihrer ersten Reise zuhause den Computer angeworfen und „Bojangeles“ eingegeben. Dann hatte sie mit sehnsuchtsvollem Herzen zugesehen, wie eine gutgelaunte Touristengruppe in gehobener Stimmung dem Kameraauge zuprostete. Wenn ihr damals jemand gesagt hätte, sie würde schon ein paar Jahre später wieder hier stehen und genug Geld haben um in diesem Land zu bleiben, hätte sie ihn für verrückt erklärt. Was wieder einmal bewies, dass man nie wissen konnte was einem die Zukunft brachte und es angeraten war, die Hoffnung auf eine positive Wendung nie aufzugeben.
Sie hatten sich soeben wieder an den Tisch gesetzt, als Paul durch die Schwingtüren trat. Hetty konstatierte, dass er frisch geduscht, mit Bermuda und T-Shirt bekleidet, noch besser aussah, als in seinem schmutzbeschmierten Overall.
Mittlerweile hatte ihr Kim bereits erzählt, dass er tatsächlich ein Single war und auf ihre verdutzte Frage auch lachend erklärt. »Nein, er ist nicht vom anderen Ufer, aber zur Zeit eben wieder mal solo.«
Und wie sie kurz darauf feststellen musste, einfach richtig nett. Denn sobald er bestellt und sich mit einem Getränk versorgt hatte, forderte er Hetty mit einem Lächeln auf. »Also, nun fang mal an zu erzählen. Ich habe nämlich bisher nur erfahren, dass du einen Camper brauchst. Das du damit durch die Gegend fährst, kann ich mir denken, aber soviel ich so nebenbei mitgekriegt habe, hast du auch noch andere Pläne.«
Hetty nahm einen Schluck von ihrem Gin Fizz und begann von ihrer Idee zu berichten. »Ich habe immer davon geträumt mit einem Camper durch und um ganz Australien zu fahren und genügend Zeit zu haben, endlich mal alles genauer anzuschauen.«
Sie lächelte in die Runde. »Dank meiner Erbschaft kann ich mir das jetzt leisten. Bei meinen Urlaubsreisen habe ich zwar einige Höhepunkte des Landes gesehen, aber vor allem mitgekriegt, dass es noch viel, viel mehr zu sehen gibt. Die nächsten Jahre will ich damit verbringen, den Kontinent abzuklappern. Aber ganz alleine ist es halt, auf die Dauer, nicht so unterhaltsam und vor allem kosten die Stellplatzgebühren auf den Campingplätzen und der Sprit auch nicht gerade wenig Geld.
Also habe ich mir überlegt, aus der Not eine Tugend zu machen und mir einfach Leute zu suchen, die Lust haben, gegen eine Beteiligung an den Kosten, bei meinen Touren mitzufahren.
Ich werde in den Jugendherbergen überall Flyer aufhängen und dann sehe ich schon, ob der Plan auch aufgeht!«
Paul nickte zustimmend. »Also, die Idee finde ich gut, ich glaube das wird funktionieren. Es gibt immer Studenten oder Backpacker die heilfroh sind, wenn sie eine günstige Mitfahrgelegenheit bekommen. Dann müssen wir also nur noch einen passenden Camper für dich auftreiben und schon kannst du starten!«