Читать книгу Die Mulgacamper Romane Band 5 und 6 - Elda Drake - Страница 10
ОглавлениеKapitel 7
Kai bemerkte erst im Flugzeug, dass er vergessen hatte, bei einem wichtigem Thema nachzuhaken. Was war das für ein Trubel gewesen, der Hetty vom Essen-fassen abhielt? Er schüttelte den Kopf. Diese Frau blockierte seine üblichen Denkweisen. Als rationaler Mensch war er es nicht gewöhnt, dass da Emotionen durch sein Bewusstsein schwirrten. Aber er hatte vor ein paar Tagen einen Auftrag erhalten, der sich in Sydney abspielte, da konnte er nebenbei ein Auge auf Hetty haben. Er runzelte die Stirn. Sie hatte ja eine Tendenz, sich in Schwierigkeiten zu bringen.
Hetty hatte mit einem Aufseufzen verfolgt, wie Kai vom Taxi abgeholt wurde.
Sein Abschiedsgruß »Pass gut auf dich auf Prinzessin!« war inzwischen schon fast zur Gewohnheit geworden.
Genauso wie ein letzter durchdringender Blick, der sie die nächsten Nächte wach halten würde. Na ja, auch wenn er nach wie vor der Prinz war, war sie eben auch noch immer der hässliche alte Drache und nicht die schöne Prinzessin. Da brauchte sie sich überhaupt keine Hoffnungen zu machen, dass sich das ändern würde, ganz abgesehen davon, dass ja irgendwo im Hintergrund diese, ihr glücklicherweise noch unbekannte, Freundin lauerte.
Aber jetzt konnte sie endlich das erledigen, was sie eigentlich schon eher vorgehabt hatte. Nämlich diesem Architekturbüro, das den Wettbewerb gewonnen hatte, näher auf den Zahn fühlen. Sie grinste. Und dabei konnte sie gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ihre Neugierde befriedigen und damit sogar noch Geld verdienen.
Aus einigen Anzeigen in den Tageszeitungen und Inseraten im Internet ging hervor, dass dieses Büro dringend einen Zeichner brauchte, der etwas von Auto-CAD verstand. Die Version, mit der sie in Deutschland gearbeitet hatte, war eine mit englischen Befehlszeilen gewesen und es dürfte deshalb kein Problem sein, sich als Mitarbeiterin zu qualifizieren.
Doch vorher sollte sie ihr Aussehen am besten noch etwas in Richtung „solide“ retuschieren. Also kaufte sie sich für wenig Geld beim nächsten Target Büroklamotten, in denen sie authentisch wirkte. Schwarzer Rock, flache Schuhe, dazu eine altmodische weiße Bluse. Die Haare zusammengefasst und mit einer Haarklammer hochgesteckt, als zusätzliches Accessoire eine Hornbrille mit Fensterglas. Fertig war die Bürotussie.
Sie musterte sich im Spiegel. »Mutter lässt grüßen!«
Der Verstand nickte. »Jetzt schaust du endlich mal so alt aus, wie du wirklich bist.«
Hetty stöhnte auf. Es ging nichts über ein gesundes Selbstbewusstsein.
Die erste Hürde nahm sie dann auch mit Bravour. Ein kurzer Blick auf das Familienfoto auf dem Schreibtisch hatte ihr genügt die, etwas schroffe, Empfangsdame in ein ausführliches Gespräch über Kindererziehung zu verwickeln. Auch wenn Hetty selbst nichts weniger mochte, als eigene Kinder, kannte sie sich doch mit allen üblichen Wehwehchen und den ganzen anderen Problemen aus, die mit dem Muttersein so einhergingen, um mitreden zu können.
Nach zwanzig Minuten waren sie und Christine die besten Freundinnen und die meinte schließlich augenzwinkernd. »Ich sag dem Chef mal, da ist jemand mit ganz tollen Referenzen.«
Was natürlich auch stimmte, doch ihr Alter wäre normalerweise ein Hinderungsgrund gewesen. Ganz abgesehen davon, dass sie natürlich alle Unterlagen mit einem neuen Namen versehen und entsprechend ihren Bedürfnissen angepasst hatte.
Die Chefsekretärin war, aufgrund der Intervention von Christine, schon vorbereitet. Während der Wartezeit erfuhr Hetty, dass sie Schwierigkeiten mit ihrem Ex-Freund hatte, der sie tyrannisierte. Hetty pflichtete ihr bei, dass alle Männer Schweine sind und die Tür zum Chefbüro öffnete sich, wie bei Aladin die Felsenwand.
»So hat jeder sein Simsalabim!« feixte die Sarkasmusabteilung.
Der Chef war so wie alle Chefs – er machte das, was ihm seine Damen sagten und unterschrieb brav den Vertrag für Hettys Probezeit. Da sie schon mal da war, begann sie gleich mit der Arbeit. Der Büroleiter sank fast auf die Knie, als er sah, dass Hetty tatsächlich mit diesem verfluchten CAD-Programm umgehen konnte, das bisher alle zur Verzweiflung getrieben hatte. Als Richard an diesem Abend nach Hause fuhr, war er zum ersten Mal seit Monaten wieder mit seinem Blutdruck im normalen Bereich. Diese Frau hatte der Himmel geschickt!
Hetty hatte inzwischen Bestandsaufnahme gemacht. In ihrer Abteilung waren außer Richard noch zwei weitere Architekten und eine kompetent wirkende Schreibkraft vorhanden. Für die niederen Arbeiten gab es eine junge Bürogehilfin, die freundlich und nett, aber nicht sonderlich geschickt war. Was vermutlich daran lag, dass sie auch erst ein paar Tage in diesem Büro arbeitete.
Nachdem Hetty Denise einige Zeit bei ihren hoffnungslosen Versuchen das allgemeine Büroprozedere zu bewältigen, zugesehen hatte, zog sie das Mädchen auf die Seite. »Wenn du mit etwas nicht klarkommst, frag mich einfach.«
Sie lächelte und versuchte sich dabei, rollengerecht, einen mütterlichen Touch zu geben. »Ich weiß, wie schwer der Anfang ist.«
Ab dann saß sie wie eine Spinne in ihrem Netz und webte ihre Fäden. Als sie nach Hause fuhr, hatte sie die Grundstruktur des Büros erfasst und war voller Tatendrang, denn diese Firma schrie geradezu nach einer kompetenten Allroundkraft und diese Lücke konnte sie perfekt ausfüllen. Hetty musste zugeben: Arbeiten machte, nach so langer Abstinenz, sogar wieder mal richtig Spaß. Sie grinste vor sich hin. Vor allem wenn man wusste, dass man jederzeit gehen konnte.
Bis zum Mittag des nächsten Tages fraßen ihr alle aus der Hand. Endlich war jemand da, der eine Linie in das Ganze brachte, wusste wie man der Reihe nach vorgehen musste und noch dazu in einer Irrsinnsgeschwindigkeit zeichnen konnte. Ungläubig hatten ihre Kollegen die ersten Ausdrucke begutachtet. Die Neue hatte auch den widerspenstigen Plotter zum Funktionieren gebracht. Ihre Zeichnungen waren ohne Fehler, denn sie kontrollierte auch noch alles genauestens. Dann wurden die Pläne exakt gefaltet.
Denise staunte Bauklötze. »Der Wahnsinn! So geht das also. Ich habe mir halb die Finger abgebrochen.«
Hetty lachte. »Ist doch ganz einfach. Ein Karton, davon zwei Zentimeter abschneiden, noch ein Lineal zum Ausstreifen und du kannst falten auf Teufel komm raus!«
Das war zwar eine Begründung, aber trotzdem versammelte sich die ganze Belegschaft, um ihr dabei zuzusehen.
Hetty ulkte. »Normalerweise gebe ich keine Vorstellungen ohne eine ausreichende Menge Shiraz!«
Die beiden Architekten drückten daraufhin Denise dreißig Dollar in die Hand mit dem Hinweis. »An der Kreuzung vorne ist ein Bottle Shop, hole mal gleich zwei Packungen!«
Als sie zurückkam, war ein neues Zeitalter angebrochen. „Margaret“ gab auf Kosten der Architekten eine Runde aus und Stimmung war angesagt. Trotzdem war, als sie am Abend das Büro verließen, mehr erledigt worden, wie in der ganzen letzten Woche.
Ab nun standen sie alle, wenn sie morgens ankam, sozusagen mit den Händen an der Hosennaht da und erwarteten die Befehle. Wobei Hetty eigentlich keine Befehle erteilte, sondern beim Morgenkaffee einfach die Architekten fragte, was wann fertig werden sollte und danach bestimmte, was wer wann brauchte. Einige Tage später streckte Denise um drei Uhr nachmittags schon ganz automatisch die Hand aus. Denn spätestens ab halb vier Uhr war Chill-Out angesagt und der Bär steppte durch das Büro. Und trotzdem schafften sie alle viel mehr, als je zuvor. Diese Margaret hatte wirklich Schwung in den Laden gebracht.
Kai würde später immer als Verteidigung aufführen, dass er beim besten Willen nicht vermuten konnte, dass bei der Bezeichnung „ältere Frau“ Hetty dahintersteckte. Denn schließlich brachte er sie mit ziemlich allem in Beziehung, nur nicht mit der Eigenschaft „alt“. Deshalb nahm er den Bericht von Denise nur zur Kenntnis, ohne dass ihm böse Vorahnungen kamen.
»Ich habe eine neue Arbeitskollegin bekommen, sie heißt Margaret. Die hat sich schon nach einem Tag in dem Büro zurechtgefunden. Die Chefs sind völlig begeistert von ihr. Die haben doch verzweifelt eine CAD-Zeichnerin gesucht und niemanden gefunden. Margaret ist zwar schon älter, aber total fit am PC. Und findet auch immer noch Zeit mir kurz zu erklären, was ich machen muss, wenn ich mich mal wieder nicht auskenne. Vielleicht kann sie mir auch die Zusammenhänge bei den Ausschreibungen erklären. Das wäre äußerst hilfreich!«
Kai nickte und stimmte ihr zu. Das passte ja ganz gut. Diese Margaret konnte noch ganz nützlich werden.