Читать книгу Die Mulgacamper Romane Band 5 und 6 - Elda Drake - Страница 5

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Kapitel 2

Am nächsten Tag erfuhr sie bei ihrem Telefonat mit Kurt, dass die Reparatur wohl länger dauern würde. Das Ersatzteil war zwar bestellt, aber bis das eintraf konnte einige Zeit vergehen. Schließlich wurde ein Hanomag nicht in Australien produziert und auch in Deutschland waren Zubehörteile nicht von heute auf morgen zu finden. Na ja, das machte ihr jetzt dann weniger aus. Sssissi, ihre Schlange, die in einem Terrarium im Camper lebte, hatte zum Abschied noch eine Maus bekommen, die würde sie die nächste Zeit sicher nicht vermissen.

Hetty lächelte. Das Tier lag die meiste Zeit nur faul auf einem flachen Stein und schlief den Schlaf des Gerechten. Und der war wohlverdient, schließlich würde sie heute nicht hier stehen können, wenn die Schlange nicht ihren Entführer gebissen und dadurch auf kurzem Weg ins Jenseits befördert hätte. Allerdings hatte das Reptil dabei eine Verletzung davon getragen, die ein weiteres Leben in der Wildnis ausschloss.

Da Hetty wusste, was Dankbarkeit bedeutet, hatte sie die hochgiftige King Brown kurzerhand in eine Styroporbox gepackt und später dann von Paul dieses Terrarium in ihren Camper einbauen lassen, wodurch die Mulga ein sehr angenehmes Asyl gefunden hatte. Und da sie selbst nun ein kostenloses und wundervoll komfortables Quartier hatte, war somit jeder Camperinsasse bestens versorgt und sie konnte endlich einmal Sydney in aller Ruhe genießen.

»Ich habe gedacht wir genießen!« Ihr Verstand beschwerte sich lautstark, als Hetty voller Eifer die neuesten Wanderkarten begutachtete, die das Touristencenter ausgelegt hatte.

»Na ja, ein bisschen Bewegung schadet uns auch nicht«, gab die Vernunft zurück.

»Ein bisschen, okay, aber schau doch mal, die will mit uns den ganzen Hafen umrunden!«

Das war natürlich übertrieben, alleine schon deswegen, weil Sydneys mäanderförmiger Hafen so groß war, dass die Wanderwege die um ihn herumführten, sich auf einige hundert Kilometer beliefen. Und wenn Hetty auch gerne wanderte, das war dann sogar ihr zuviel. Aber es sprach nichts dagegen, sich die einzelnen Abschnitte häppchenweise vorzunehmen.

Nach kurzem Überlegen hatte sie sich deshalb den Monats-Multipass zugelegt, der nicht sehr viel mehr als der wöchentliche kostete. Mit diesem konnte sie, soviel sie wollte, so oft sie wollte, mit sämtlichen Fähren, Bussen und Eisenbahnen im Umkreis von Manly bis Parramatta fahren. Wenn man bedachte, dass die Fähre in die eine Richtung gute fünfunddreißig Minuten und in die andere Richtung fast eine Stunde brauchte, dann wurde erst richtig verständlich wie groß das Gebiet eigentlich war, welches dieser Pass für relativ wenig Geld abdeckte.

Auf den Wanderkarten waren praktischerweise auch immer die Buslinien eingetragen, was das Tourengehen leichter machen würde. So konnte sie mit der Fähre losfahren, dann wandern und mit dem Bus wieder zurück zu ihrem Ausgangspunkt kommen. Dadurch brauchte sie ihre Wanderstrecken nur einfach gehen und konnte viel mehr Strecke an einem Tag bewältigen.

»Ich habe euch doch gesagt, die macht mit uns den ganzen Hafen!«

Da am nächsten Tag Samstag war, begann sie ihre Unternehmungen allerdings mit einem Besuch des Rock Marktes. Die Rocks waren das älteste Stadtviertel von Sydney und lagen gegenüber der Oper am Fuß der Harbour Bridge. Hier waren einst die ersten Siedler an Land gegangen und hatten sich mühsam mit ihren Spitzhacken einen Weg durch den Felsen geschlagen. An einem Durchgang unter der Hauptstraße waren immer noch die Spuren der Pickel in den Felswänden zu sehen.

Dahinter befand sich linker Hand, auf einem kleinen Hügel, das Observatorium von Sydney, das neben einem wunderbaren Ausblick auf den Darling Harbour auch einige schöne große alte Bäume zum Bestaunen bot. An den wenigen Öffnungstagen konnte man hier, gegen eine geringe Eintrittsgebühr, in der Nacht den Sternenhimmel beobachten. Auf der anderen Seite standen alte Häuser in der typischen Verandabauweise mit schmiedeeisenverzierten Geländern und Balkonen. Natürlich hatten alle das obligate Blechdach, das nach wie vor in weiten Teilen Australiens vorherrschte.

Gegenüber der Straße ragte noch eine, gar nicht so kleine Kirche in die Höhe, deren große Holztore für etwaige Besucher weit geöffnet waren. Als sie das Gotteshaus das erste Mal besichtigt hatte, war Hetty vor allem die äußerst karge Ausstattung aufgefallen, denn von den bayrischen opulenten Kirchen verwöhnt, hatte sie die doch sehr spärliche Dekoration ziemlich verwundert. Inzwischen wusste sie, das dies typisch für Australien war und die meisten Kirchen wenig Schmuck, dafür aber um so mehr Fahnen besaßen.

Die eigentlich als Rocks bezeichnete Zone waren die ursprünglichen Lagerschuppen, in denen man früher die Waren für die Schiffe eingelagert hatte. Inzwischen waren die alten Gebäude hervorragend renoviert und instandgesetzt worden. Die Architekten hatten in die alte Bausubstanz mit viel Geschick und Feingefühl Läden und Restaurants eingebaut, die immer noch das alte Flair spüren ließen.

In zwei der Seitenstraßen wurde jedes Wochenende der Markt aufgebaut. Hier gab es für gutes Geld, ebenso gute Ware zu kaufen. Kunsthandwerk in allen Varianten, Kosmetikartikel, Kleidung und natürlich auch lauter feine Sachen zum Essen. Da es von hier nur ein kurzer Fußweg zur Hafenpromenade am Circular Quay, dem zentralen Verkehrsknotenpunkt Sydneys war, drängten sich die Touristen in Massen durch die engen Gänge zwischen den Buden.

An einer Ecke sprühte ein von staunenden Zuschauern umgebener Airbrusher bunte Bilder. Hetty schaute auf den Preis und schluckte kurz. Wenn sie bedachte, dass nach ihrer ersten Reise, ihr Camper für wenig Geld und viel Bier komplett neu lackiert worden war, hatte sie ihren Sprayer weidlich ausgenützt. Damals hatte ihr Fahrzeug sein jetziges Dschungeldesign bekommen auf dem sich links und rechts über die ganze Wagenlänge eine Mulga ringelte, die ein genaues Abbild ihrer Sssissi war. An einer, etwas verborgenen, Stelle war dann noch ihr zweiter Talisman untergebracht – ein Flughund, der sich durch blaue Augen und einer feinen Narbe über der linken Wange auszeichnete.

Allerdings hatte ihr dieser Witz, auf Kosten von Kai, einen äußerst unangenehmen Moment beschert. Woher sollte sie auch wissen, dass ihr Zusammentreffen mit ihm nicht das einzige und letzte Mal gewesen war? Und ihr Lebensretter hatte dann natürlich, bei Sichtung der Lackierung, auch sofort erkannt, dass der Flughund auf ihn gemünzt war. Schließlich wusste er ja, dass er bei Gesprächen zwischen seiner Ziehschwester und Hetty unter dem Spitznamen Graf Dracula geführt wurde.

Doch er hatte sich anscheinend nur über ihre bedröselte Miene amüsiert und keinerlei Rückschlüsse aus dieser Verewigung gezogen. Puh! Hetty schüttelte den Kopf. Wo war sie denn schon wieder mit ihren Gedanken! Dieser Mann war tabu. Ein Blick in den Spiegel, ein Blick in ihren Pass auf das Geburtsdatum und ein Blick auf ihren Kontostand, das genügte jedes Mal, um irgendwelche unsinnigen Gedanken für die nächste Zeit auszutreiben.

»Willst du jetzt mitten auf der Straße deine Papiere ordnen?« Die Sarkasmusabteilung meinte wieder mal, sie müsste besonders witzig sein.

Die Vernunft versuchte zu beschwichtigen. »Wir brauchen nicht nachzuschauen, wir kennen unser Mantra.«

Nachdem sie nun wieder einmal sinnlos Zeit für unnütze Gedanken verschwendet hatte, stürzte sich Hetty ins Getümmel. Aufgrund der beengten Raumverhältnisse im Camper war allerdings nur schauen möglich, kaufen stand außer Frage. Wobei ihr der Adler der aus altem Silberbesteck, also Gabeln, Messer und Löffeln gefertigt war und Originalgröße hatte, schon wahnsinnig gut gefiel. Er war auch das große Schaustück an dem Tisch, der auch Schrauben und Muttern zu ganz neuem Gebrauch verwendete. Da gab es Mutternkrabben, Windspiele mit Besteck, Mobile in dem Gabeln mit verbogenen Zinken kreisten, und alles mögliche Getier, das aus diesen Materialien gefertigt worden war. Die Preise waren in Hettys Augen äußerst angemessen, alleine die Ideen waren das Geld schon wert.

Der nächste Seufzer entrang sich ihrer Brust, als sie den wunderbaren Schmuck aus buntem Glas besichtigte. Nun trug Hetty zwar keinen Schmuck, doch sie konnte stundenlang schöne Ketten, Ringe und Medaillons bewundern. Alleine die unterschiedlichen Farben waren einfach sehenswert. Als sie sich endlich lösen konnte, kam sie vom Regen in die Traufe. Denn am nächsten Tisch war dieses tolle Geschirr aufgebaut mit dem Design australischer Tiere. Es waren immer Känguruh, Krokodil, Emu, Koala, Kakadu und Schlange, die sich in auf Tellern und Tassen spielten. Die Darstellung war eine Mischung aus Naiv und Komik. Dazu war das Geschirr von der Form auf äußerst modern gestaltet. Hetty grübelte, wie schon so oft, ob sie nicht doch eine Tasse kaufen sollte.

»Und wie willst du die heil über die nächste Piste bringen?« Die Vernunft siegte zum x-ten Mal.

»Das war jetzt dann eigentlich nicht als Aufforderung gemeint, dir einen fetten Maiskolben reinzuziehen!« Die Sarkasmusabteilung motzte.

»Essen und trinken lasse ich mir nicht nehmen, Basta!« Hetty hatte in dieser Hinsicht noch nie mit sich reden lassen.

Morgen früh würde sie eine halbe Stunde joggen und dann anschließend im Pool, vorne am Luna Park, ihre tausend Meter schwimmen, da konnte sie jetzt ohne Gewissensbisse zusätzliche Kalorien tanken. Und so saß sie unbeschwert auf einer niedrigen Mauer und nagte voller Genuss, während sie den vorbeiströmenden Massen zuschaute.

Die meisten Menschen glaubten, dass sie essen könne soviel sie wollte, ohne zuzunehmen. Gut, sie konnte sich schon eine ziemliche Menge an verwertbaren Kalorien einverleiben, ohne gleich Gewicht anzusetzen. Aber wenn sie zu sehr über die Stränge schlug, dann machte sich das auch bei ihr bemerkbar. Da half dann nur noch Sport. Das einfache Prinzip von Input und Output. Gleichzeitig hielt das die alten Knochen und Muskeln auf Trab, straffte das Gewebe und sie war einigermaßen beweglich für ihr Alter.

Und dass der Zahn der Zeit nagte »Wie du an deinem Kolben!« merkte sie, wenn sie wieder mal glaubte, tagelang faul rumzuliegen, wäre eine angenehme Alternative.

Sie putzte sich die Finger und schlenderte weiter. Nun war sie wieder bereit zu neuem Verzicht. Das fiel ihr bei den Seifen nicht so schwer, auch wenn die wunderbar nach Rosen, Veilchen, Frangipangi und sonstigen duftenden Essenzen rochen. Aber Seife beim Campen? Kopfschüttelnd ging sie weiter. Genauso sinnvoll wie Keramik, Holzgeschirr, Bilder, Muschelflaschen und sonstiges Dekozeug. War ja alles wirklich ganz schön, aber eben nicht brauchbar.

»Du willst mir jetzt einreden, zwei Stangen türkischer Nougat sind brauchbar!«

Hetty schaute schuldbewusst auf die Plastiktüte, die sie gerade in ihrer Umhängetasche verstaute. Es gab nur drei Süßigkeiten, bei denen sie schwach wurde: Marshmallows, Eis und Nougat in jeglicher Variante. Der Türkische hatte gegenüber dem Schokoladenen noch den großen Vorteil, dass er ziemlich unempfindlich gegen hohe Temperaturen war.

»Ach so, wir haben das Zeug nur gekauft, weil es nicht schmilzt!« Die Sarkasmusabteilung konnte einfach das Sticheln nicht aufhören.

Morgen früh, wenn sie sich durch die Gegend quälte, würde sie ihr dann wieder recht geben und sich selbst verfluchen. Aber sie gönnte sich sonst nicht viel und hin und wieder wollte auch sie aus dem Vollem schöpfen.

Doch nun wurde es Zeit, für einen kleinen Stadtbummel. Sie hatte gelesen, dass die neuen Büroräume in der High Street fertiggestellt waren und war schon gespannt, wie die Stadtplaner diese Herausforderung gelöst hatten. Flotten Schrittes folgte sie der Straße, die an dem Pylon vorbei und dann unter der Harbour Bridge durch, zu dem alten Wharfgelände führte.

Hier befanden sich drei lang gestreckte Piers, in denen nun Appartements, Geschäftsräume und Restaurants untergebracht waren, die natürlich auch noch Anlegestege für die Segelboote und Motorjachten der Besitzer hatten. Hetty nickte mit dem Kopf. Die alten Fassaden waren original erhalten und nur renoviert und mit frischen Farben versehen worden. Beim näheren Hinsehen erkannte man dann, dass moderne Technik völlig unauffällig und raffiniert versteckt, mit eingebunden worden war.

Da dachte man, der Blitzableiter wäre auch so ein schmiedeeisernes Teil, doch er war nur in der gleichen Farbe lackiert. Manche Bauteile wirkten nur alt, und waren aus modernen Materialien geformt, die den Brandschutz- und sonstigen zeitgemäßen Bestimmungen entsprachen. Zur Wasserseite hin waren die Fronten aufgeglast und man hatte einen guten Blick auf teuer eingerichtete Besprechungszimmer. Die ganze Anlage wurde diskret mit Kameras überwacht und durch Alarmanlagen gesichert. Gelungen, anders konnte sie die Bauten nicht bezeichnen.

Die Dekoration der Insel des Kreisverkehrs, der in die Anlage führte, musste man dagegen mit dem Prädikat „typisch australisch“ versehen. Wo sonst würde man einen zerknautschten roten Unfallwagen nehmen, darauf einen Felsen mit über einem Meter Durchmesser platzieren und das als Kunstwerk gelten lassen.

Natürlich fand sie selber das Spitzenklasse und zückte ihre Kamera. Als sie diese wieder in ihrer Tasche verstaute, seufzte sie kurz auf. Dieses schweineteure Gerät war ein Geschenk von Kai. Eine digitale Spiegelreflex der High End Ausstattung. Da er genau wusste, dass sie keine Almosen mochte, hatte er mit einem Trick dafür gesorgt, dass sie nicht mehr nein sagen konnte.

In der Meinung, ihm einen Gefallen zu tun, war sie in Darwin in einem Fotogeschäft vorbeigefahren, um etwas für ihn abzuholen. Das wurde von seinem ehemaligen Ausbilder beim Militär geführt, der ihm, wie alle Menschen die sie kannte, keine Bitte abschlug. Also hatte er die Fotografien ihrer Alben, die ihm Kai ohne ihr Wissen überbracht hatte, digitalisiert, was sie sich schon immer vorgenommen, allerdings bisher noch nicht geleistet hatte. Und zusätzlich zu den DVDs wurde ihr dann noch ein Päckchen übergeben, in dem die sich genau die Kamera befand, die Mister Brown, in einem harmlos geführten Gespräch, als ihre Wunschkamera identifiziert hatte.

Nach kurzem Überlegen hatte sie das Präsent akzeptiert. Es war als Dankeschön gedacht und da konnte sie nicht ablehnen. Schließlich hatte sie Kai, bei der etwas aus dem Ruder gelaufenen Bootsfahrt, im Kakadu mindestens einmal das Leben gerettet. Na ja, momentan waren sie mehr als quitt. Schließlich hatte er erst vor ein paar Monaten Kopf und Kragen riskiert, um sie in letzter Minute aus der explodierenden Mine zu holen.

»Wollen wir jetzt noch weiter in Erinnerungen schwelgen, die eh nichts bringen, oder was?«

Sie verscheuchte die Gedankenspielereien und schlenderte weiter die High Street entlang. Nachdem die Felsen vom Rock, auf denen kleine alte Häuser thronten, zu Ende waren, begannen sich im Hintergrund schon die ersten Wolkenkratzer zu erheben. Noch eine Reihenhausanlage im alten Stil, die etwas surrealistisch wirkte, da direkt dahinter die Glasfassade eines Hochhauses in die Höhe ragte und dann war man schon mitten in der City, oder besser gesagt am Rand des Darling Harbour. Dort hatten sie inzwischen ein zweites Übersee-Terminal erbaut, da das am Circular Quay nicht mehr für den Ansturm der Besuchermassen ausreichte.

Denn Sydney war nach wie vor die schönste Stadt auf der Welt und diesen Anblick wollte sich kein Tourist entgehen lassen. Auch heute lag hier ein großes Kreuzfahrtschiff vertäut, dessen Gäste nur über die Treppe runter stolpern mussten, um mitten im Geschehen zu sein. Die alte Kings-Wharf war mit neuen Restaurants und einer breiten Fußgängerpromenade aufgemotzt worden, die zum Sydney Aquarium und Wildpark führte. Und von dort zum Rest des Darling Harbour.

Wer hier kein Lokal nach seinem Geschmack fand, der hatte keinen. Für jede Preisklasse war etwas vorhanden und von der Variante Foodcourt, Take Away, Selbstbedienungslokal, kleinen Bistros und gepflegten Gaststätten bis hin zu exklusiven Restaurants war alles da, was man brauchte. Dazu gab es noch etliche ausgediente und auf Dauer verankerte Schiffe, die zur Bewirtung dienten.

Der Skyline der City gegenüber lagen mehrere große Hotelgebäude und die Mall, die an den Hafen grenzte. Von hier aus konnte man dann zum Fischmarkt bummeln, ins Chinesenviertel gehen oder einige der Vergnügungsanlagen aufsuchen, die auf dem weitläufigen Gelände verstreut waren. Hetty gefielen vor allem die Wasserspiele, die vor der Mall in einem schneckenförmig nach unten führenden Wasserlauf endeten.

Und hier machte sie dann auch eine ausgedehnte Pause und vertrieb sich die Zeit damit, die umher flanierenden Leute zu beobachten. Auf den hölzernen Sitzstufen konnte man nebenbei auch noch den Motorbooten zusehen, die unter der Brücke in den kleinen Hafen einbogen, eine Runde drehten und dann wieder hinausfuhren. Es war für viele Sydneysider ein gängiges Vergnügen, mit einem alkoholischen Getränk in der Hand, im Heck des Schiffes zu stehen und sich mit den anderen Gästen an Bord angeregt zu unterhalten, während der Bootsführer von einer Bucht und Anlegestelle zur nächsten schipperte.

Hetty konnte sich dieses Unterhaltungsprogramm allerdings nicht leisten, aber sie nutzte die Alternative für Arme reichlich aus. Sobald sie eine der grüngelben Hafenfähren sichtete, ging sie auch schon an Bord und genoss die Fahrt zu den verschiedenen Anlegestellen. Die Farbgebung war an die australischen Nationalfarben angepasst – gelb für die Blüten der Akazien und grün für das Land. Da alle Fähren auch wieder an ihren Ausgangsort zurückfuhren konnte sie Dank ihres Multipasses, so viele Hafenrundfahrten machen, wie sie wollte. Der Circular Quay war der Start- und Endpunkt jeder Fährfahrt und von da aus ging auch alle zwanzig Minuten ihre Fähre nach Kirribilli. So war sie, wenn sie wollte, auch schnell wieder in ihrem neuen Zuhause.

Was sie nach ihrem ausgedehnten Stadtrundgang dann auch nötig hatte. Ihre Fußsohlen brannten, und sie freute sich auf eine kalte Dusche. An die Stufen, die von der Anlegestelle zum Appartement hochführten, und den daran anschließenden Anstieg der Teerstraße, musste sie sich allerdings erst noch gewöhnen. Momentan keuchte sie wie eine alte Dampflok und spürte jede Minute ihres Alters. Aber Sydneys Hafen war rundherum mit lauter kleinen Hügeln gesäumt und der Preis für die tolle Wohnlage, der darauf erbauten Häuser, war eben ein schweißtreibender Fußmarsch.

Die Mulgacamper Romane Band 5 und 6

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