Читать книгу The Air WE Breathe - Elena MacKenzie - Страница 12

Liam

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»Onkel Ben ist ein Baum mit einem Penis?«, will Tessa lachend wissen und sieht mich mit großen Augen überrascht an.

Ich tätschle die Rinde der Blaufichte, deren Stamm am unteren Ende etwa einen Meter gespalten ist, sodass es aussieht, als hätte der Baum zwei Beine. Dort, wo der Stamm wieder zusammentrifft, ragt ein weggebrochener Ast steil nach vorne. Ein Stückchen weiter oben streckt die Fichte zwei Äste wie Arme weit von sich. »Du musst zugeben, der Baum ist definitiv keine Tante.«

Tessa lacht wieder auf und schüttelt den Kopf. Sie betrachtet den wirklich nicht zu verachtenden Penis der Fichte. »Nein, Onkel Ben ist passabel ausgestattet. Ich freue mich, dich kennenzulernen«, sagt sie und verbeugt sich vor der Fichte, die eigentlich nur noch aus vertrockneten Ästen besteht und schon länger tot sein dürfte, als ich sie kenne.

Ich atme tief ein und sauge die würzige Waldluft in meine Lunge. Während ich in dieser dreckigen, stinkenden Baracke vor mich hin gerottet bin, habe ich oft an diesen Ort hier gedacht. Habe versucht, mich daran zu erinnern, wie er riecht, wie sich das diffuse Waldlicht auf meinem Gesicht anfühlt, wie Marks Lachen geklungen hat und wie Mias Augen ausgesehen haben, wenn sie uns wegen irgendeines Streichs ermahnt hat, den wir ihr gespielt haben. Die Luft ist noch immer etwas dick, irgendwie dampfig, was daran liegt, dass die Sommersonne den Wald aufheizt.

Ich laufe um Onkel Ben herum und suche nach der Stelle, in die Mark, Mia und ich unsere Namen geritzt haben. Als ich sie entdecke, fahre ich die schon fast verschwundenen Buchstaben nach. Man kann sie wirklich kaum noch erkennen. Wer nicht weiß, was dort steht, wird es nicht entziffern können. Es ist einfach schon zu lange her. Seit wir uns damals hier verewigt haben, sind unendlich viele Dinge geschehen, die keiner von uns mehr rückgängig machen kann.

»Wir haben hier aus Ästen eine Hütte gebaut und in dem Sommer, als wir Onkel Ben entdeckt haben, hier übernachtet«, sage ich traurig. »Gleich dort drüben zwischen den Felsen gibt es einen schmalen Spalt und dahinter eine kleine Höhle. Kaum groß genug, um darin zu spielen. Aber sie ist nach oben offen und wir haben ein paar Steine aufgeschichtet und ein Feuer gemacht. Die ganze Stadt hat damals nach uns gesucht, aber hier draußen hat niemand nachgesehen.«

»Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Mark mal anders gewesen sein könnte als heute. War er fröhlich als Kind?«

»Fröhlich und manchmal erschreckend zu mutig. Damals war es mir gar nicht so bewusst, aber wir sind oft zu hohe Risiken eingegangen.«

Tessa lächelt. »Sind Jungs nicht alle so?«

»Ich weiß nicht. Wie war Mark denn, als du ihn kennengelernt hast?«

»Interessant genug, um mich von meinem Leben abzulenken.«

Ich runzle die Stirn und mustere Tessa, weil ich mir nicht vorstellen kann, was an ihrem Leben so schlimm gewesen sein könnte, dass sie Ablenkung gebraucht hätte. Auf mich wirkt sie gebildet, vornehm, besonnen. In ihrem ganzen Auftreten als wäre sie in wohl behüteten Verhältnissen aufgewachsen. »Von welchem Leben?«

Sie weicht meinem Blick aus und streicht mit den Fingern über die raue Rinde von Onkel Ben. »Mein Vater hat uns verlassen, als ich noch ein Baby war. Ich weiß nicht einmal, wie er heißt. Meine Mutter hat mich verlassen, kurz bevor ich die Schule abgeschlossen habe. Sie hatte Krebs und es gab nur mich.«

»Du hast sie allein gepflegt?«, frage ich erstaunt, weil ich mir vorstellen kann, wie schwierig das für ein Mädchen dieses Alters sein muss.

»Sie war meine Mutter«, sagt sie, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Aber das ist es nicht für jeden Menschen. Wahrscheinlich war es schwer für sie, alles noch einmal durchmachen zu müssen, als auch Rose krank geworden ist. Obwohl ich nichts davon habe ahnen können, bin ich in diesem Augenblick wütend auf mich, weil ich das Gefühl habe, nicht nur Rose im Stich gelassen zu haben, sondern auch Tessa. »Auf dem College habe ich mich zum ersten Mal wieder so gefühlt, als könnte ich wieder atmen«, erzählt sie weiter. Sie geht um Onkel Ben herum und streicht mit ihren Fingern über die Rinde, als wolle sie sich ihre Beschaffenheit genau einprägen. »Nachdem ich so lange allein war, war da plötzlich dieser verrückte junge Mann, der an illegalen Straßenrennen teilgenommen hat, mit mir auf Partys gegangen ist und sich für mich interessiert hat. Mark hat mich verstanden.« Sie sieht mich nachdenklich an und ich weiß sofort, welche Fragen sie beschäftigen. Aber noch bin ich nicht bereit, darüber zu reden. Wieder hier in Glenwood zu sein, hat die Wunden aufgebrochen und den Schmerz freigesetzt. Ich muss erst beginnen, sie wieder zu verschließen, bevor ich über die Dinge sprechen kann, die sie verursacht haben.

»Irgendwann reden wir darüber, aber noch nicht jetzt«, sage ich.

Camilla drückt mir ihre Nase in den Rücken, ich drehe mich zu ihr um und streichle sie. »Jetzt, wo der Traktor wieder läuft, was tun wir als nächstes?«

»Du zeigst mir, wie man ihn fährt.«

»Du willst den Traktor fahren?«, frage ich erstaunt.

»Ich lebe auf dem Land, ich will vieles können, was man hier so tut. Allem voran einen so leckeren Apfelkuchen backen, wie ihn deine Großmutter gebacken hat.«

»Ja, der war wirklich lecker«, bestätige ich. »Sie hat ihn jeden Samstag gemacht, solange die Bäume Äpfel getragen haben.«

»Ich habe ihr Rezeptbuch, aber egal wie sehr ich mich auch anstrenge, ich habe das Gefühl, er schmeckt nicht so, wie er sollte.«

»Sie hat die Äpfel mit Honig bestrichen, bevor sie den Teigdeckel oben aufgelegt hat.«

Tessa schnappt entrüstet nach Luft. »Das steht so nicht im Rezept.«

»Dort steht auch nicht, dass sie unter den Honig vorher einen Löffel dunklen Rum gerührt hat.«

»Was?«

Ich grinse sie zufrieden an. »Ich habe ihr jahrelang zugesehen. Ihre kleinen Geheimnisse stehen nirgends im Rezeptbuch.«

»Oh, du bist also ein kleiner Bäcker?«

»Nein, ich kann nicht kochen, aber wenn du willst, können wir ihre Rezepte gemeinsam durchgehen.«

»Oh, das werden wir auf jeden Fall!«

Tessa strahlt mich glücklich an, dann wird ihr Blick traurig. »Ich hatte sie sehr gern. Wahrscheinlich wäre ich sonst auch gar nicht auf den Gedanken gekommen, die Ranch zu kaufen.«

»Bestimmt hätte sie gewollt, dass du sie bekommst«, sage ich mit kratziger Stimme.

»Nein, sie hätte gewollt, dass du sie bekommst.« Tessa kommt näher und sieht mich ernst an.

»Ich kann dir nicht sagen, wie leid es mir tut, dass sie gestorben ist, ohne zu wissen, dass du noch am Leben bist.«

Ich nicke und weiche ihrem Blick aus, um den Schmerz vor ihr zu verbergen. »Lass uns wieder zurückreiten, bevor du noch auf den Gedanken kommst, ich wäre kein richtiger Kerl, wenn wir so über Rezepte reden. Es wird bald stockdunkel sein«, sage ich und versuche mich an einem Lächeln, um sie von ihrer Trauer abzulenken, aber ihr Blick bleibt traurig. Mir tut es auch leid. Ja, es zerreißt mich sogar. Ich würde alles tun, um Rose sagen zu können, dass ich noch lebe. Aber das werde ich nicht mehr tun können


Iced Tea Lemon

2 Liter kochendes Wasser

4 Teebeutel schwarzer Tee

4 Limonen

1 1/2 Tasse Zucker

Die Teebeutel mit dem heißen Wasser übergießen, 45 Minuten ziehen lassen, dann die Beutel herausnehmen. Zucker dazugeben und den Tee abkühlen lassen. Die Limonen auspressen und den Saft zum Tee geben. Eistee im Kühlschrank kaltstellen.

The Air WE Breathe

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