Читать книгу The Air WE Breathe - Elena MacKenzie - Страница 15

Liam

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»Wenn du etwas anderes trinken möchtest, dort im Schrank steht noch Bourbon«, schlägt Tessa mir vor. Sie macht es sich auf dem kleinen Sofa bequem und legt sich ihren Laptop auf die Oberschenkel. Ihr Glas Rotwein steht neben ihr auf dem kleinen Beistelltisch. Sie wirkt, als wäre sie schon jetzt völlig in die Arbeit vertieft, die sie noch nicht einmal begonnen hat. Ich muss lächeln, als ich ihren konzentrierten Blick bemerke, den sie auf das dunkle Display gerichtet hat, während sie darauf wartet, dass das Gerät hochfährt.

Ich öffne die Hausbar und werfe einen Blick auf die Flasche Kentucky Bourbon, die einsam zwischen Gläsern steht. Das Etikett ist ausgeblichen und abgegriffen, weil Granny die Flasche immer wieder genommen hat, nur um sie anzusehen. Ich nehme sie jetzt auch, streiche über die blasse, abgegriffene Schrift, um Granny so etwas näher sein zu können. Ich möchte sie nur einen Augenblick fühlen, aber das hier ist nur eine Flasche Bourbon, das ist nicht sie.

»Die hat Grandpa gehört. Er hat sie von Granny bekommen, als es der Ranch in den 80ern nicht so gut ging. Sie wollte ihn damit aufmuntern. Er liebte einen guten Tropfen am Abend, wenn er mit ihr hier im Wohnzimmer saß und ihr beim Sticken zugesehen hat«, erzähle ich, ohne aufzusehen. Also weiß ich nicht einmal, ob Tessa mir überhaupt zuhört. Aber ich erzähle es eigentlich auch nicht ihr, sondern mir, weil es sich gut anfühlt, die Geschichte dieser Flasche Bourbon zu erzählen. »Er hat sie nie geöffnet, weil er versprochen hat, sie erst zu öffnen, wenn es der Ranch wieder besser geht. Er ist gestorben, bevor es so weit war. Granny hat die Flasche danach jeden Abend neben sich gestellt, wenn sie hier gestickt hat. Sie hat fest daran geglaubt, wenn sie das tut, wird es uns immer gut gehen, weil Grandpa auf uns achtgibt.«

Ich sehe zu Tessa auf. »Hat sie sie in den letzten Jahren auch noch rausgeholt?«, frage ich sie.

Tessa schluckt, in ihren Augen schwimmen Tränen. »Hat sie. Sie hat geglaubt, wenn sie es nicht mehr tut, kommst du nicht wieder nach Hause.«

Ich nicke tief bestürzt, in meiner Brust bildet sich ein Knoten, weil ich mich schuldig fühle, und ich stelle die Flasche wieder zurück.

»Du solltest sie trinken«, sagt Tessa leise. »Sie hätte es gewollt. Wer sonst sollte sie jemals trinken?«

Ich betrachte die Flasche und denke einen Moment darüber nach. Wer sonst? Ich bin der Letzte. Es gibt nur noch mich und George. »Ich werde sie zusammen mit George trinken«, sage ich und schließe den Schrank wieder, da George sich nach dem Abendessen zurückgezogen hat. »Jetzt sehe ich mir an, was du da tust.« Ich setze mich neben sie auf das Sofa, lege einen Arm auf die Rücklehne, ziehe einen Fuß unter den Oberschenkel des anderen Beins und wende mich ihr zu, um ihr besser zusehen zu können.

Tessas Mundwinkel heben sich zu einem Lächeln. Sie ist eine wirklich hübsche Frau mit einem engelhaften Lächeln. Wenn sie mich so ansieht, stelle ich mir immer wieder die Frage, was hat Mark getan, so eine Frau wie sie zu verlieren? Was ist den beiden passiert? Zugleich freue ich mich für Mark, dass er das Glück hatte, mit einer solchen Frau verheiratet gewesen zu sein. Ich bin froh, dass er sie hatte, weil das bedeutet, dass er wieder Freude im Leben hatte nach allem, was vorgefallen war.

»Zuerst lade ich das Video auf den Laptop, danach werde ich es bearbeiten und dann auf meinen Blog stellen. Wahrscheinlich warten ein paar Leser schon, ich bin heute etwas spät dran«, sagt sie und lächelt wieder.

»Du machst das jeden Abend?«, hake ich überrascht nach. Ich wundere mich ohnehin schon, dass George bei so etwas mitmacht. Er ist nicht gerade modern, war er nie. Und er mag es auch nicht, im Mittelpunkt zu stehen.

»Nein, Videos drehe ich nur zweimal in der Woche, dazwischen schreibe ich Artikel oder arbeite an meinem neuen Buch.«

Ich lache dumpf auf und mustere Tessa neugierig und beeindruckt von dem, was sie da tut. »Ich habe wohl eine Menge verpasst.«

Tessa zieht einen Mundwinkel hoch und grinst. »Wieso glaubst du das?«

»Weil ich keine Ahnung hatte, dass man mit Kochvideos im Internet Geld verdienen kann.«

Tessa nimmt mit einer Hand ihre golden im gemütlichen Licht von Grannys alter Stehlampe schimmernden Haare zusammen und lässt sie sich auf den Rücken fallen. »Man kann, aber ich bin sicher, dass ich einfach nur Glück hatte. Es gibt viele, die etwas Ähnliches tun und nicht davon leben können. Ich hatte wohl eine Menge Glück, denn ich kann gut von dem leben, was ich gerne tue. Das können nicht viele.«

»Hmm«, mache ich nachdenklich. Tessa hat etwas für sich gefunden, aber was soll ich tun? Bisher habe ich noch nicht darüber nachgedacht. Die Wochen, bevor ich entlassen wurde und endlich nach Hause durfte, habe ich damit verbracht, mir zu wünschen, hier sein zu dürfen. Aber wenn ich ehrlich bin, weiß ich jetzt nicht, was ich tun soll. Solange ich Gefangener war, habe ich mir immer vorgestellt, die Ranch zu übernehmen und sie hoffentlich wieder zum Erblühen zu bringen. Aber ein Großteil der Ranch ist verkauft und die Weiden, die noch übrig sind, reichen nicht aus, um wieder Rinder zu züchten.

Tessa startet das Video. Die Kamera ist so eingestellt, dass Tessa und der Arbeitsbereich vor ihr gut zu sehen sind. »Man sieht nur meine Hände«, stelle ich fest und bin ziemlich erleichtert darüber. Auch von George ist nicht viel mehr zu sehen. Aber ich kann ihn hören, denn gerade beschwert er sich darüber, dass er noch eine Zwiebel schneiden soll.

»Wärst du gern auf dem Video gewesen?«, möchte Tessa ungläubig wissen.

»Nein, so ist es gut«, sage ich hastig. »Ich hatte in den letzten Wochen genug Kameras vor meiner Nase. Dieser ganze Trubel, die vielen Menschen. Ehrlich gesagt, war das ein wenig viel für mich. Ich hab drüben kaum mehr als ein paar ihrer Soldaten gesehen, aber sobald ich hier aus dem Flugzeug gestiegen bin, wurde ich von der Pressemeute belagert.«

Tessa sieht mich traurig an. »Das war bestimmt schrecklich.«

Ich lache dumpf. »Es war nicht das Schlimmste, was ich erlebt habe, aber ja.«

Tessa bearbeitet schweigend das Video. Nach einer Weile sieht sie mich an. »Ich habe Fotos von deiner Granny gemacht. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht. Schon bevor ich mich von Mark getrennt habe, aber danach noch viel mehr. Willst du sie sehen?« Sie rutscht so nah neben mich, dass Ihr Oberschenkel meinen berührt und schiebt das Laptop dann zur Hälfte auf meinen Schoß. Ein Kribbeln schießt durch meinen Körper, als sie mir so nahe ist, und ich habe Mühe, meinen Atem ruhig zu halten, damit sie nicht merkt, wie sehr diese unschuldige Berührung mich im Griff hat.

Ich schlucke und räuspere mich, bevor ich ein dunkles »Ja« ausstoße. »Ich würde mich freuen.«

Tessa öffnet einen Ordner mit Fotos, die auf den ersten Blick sehr professionell aussehen. Natürlich kenne ich mich damit nicht wirklich aus, aber die Bilder sind sehr gut geworden. Sie zeigen meine Großmutter hinter der ersten Weide, inmitten der Apfelbäume, die dort auf einem Hügel stehen.

»Mein Großvater hat die gepflanzt«, sage ich heiser und kann meinen Blick kaum von dem glücklichen Lächeln im Gesicht meiner Großmutter lösen. »Er wollte, dass Granny immer genug Äpfel für Apfelkuchen hat.«

»Er hat Apfelkuchen geliebt«, fügt Tessa an und öffnet das nächste Bild. »Sie hat es mir erzählt, als wir auf dem Hügel waren. Sie hatten jedes Jahr zu viele Äpfel. So viele, dass sie aus dem Rest Apfelwein gemacht haben.«

»Sie hat Grandpa und mich jedes Jahr auf den Markt geschickt, um den Wein und ihre Marmeladen zu verkaufen. Die Fotos sind gut geworden. Sie sieht glücklich aus.«

Tessa nickt. »Die meiste Zeit war sie das wohl auch.«

Ich nehme das Laptop, klappe es zu und lege es auf dem niedrigen Couchtisch vor uns ab, dann setze ich mich schräg und sehe Tessa an. Ich lasse meinen Blick über die schmale Stupsnase gleiten, ihre vollen, blassrosa Lippen und ihre leuchtenden Augen. »Danke.«

»Du musst dich nicht ständig bedanken«, protestiert sie.

»Muss ich, weil es nicht selbstverständlich ist, dass jemand sich um fremde Menschen kümmert.«

Sie winkt ab und senkt den Blick auf ihre Hände. »Du liegst falsch, wenn du glaubst, dass ich ein guter Mensch bin.«

»Lass das mich entscheiden«, antworte ich. Ich stehe auf und wende mich der Tür zu. Ich muss Abstand zwischen sie und mich bringen, bevor ich etwas tue, das ich bereue. »Zeit für mich, nochmal nach den Pferden zu sehen, damit ich danach schlafen gehen kann.«

»Gute Nacht«, sagt sie mit dieser Zärtlichkeit in der Stimme, von der ich glaube, dass ich sie nicht verdient habe. Nicht bei den Gedanken, die mir im Kopf herumkreisen, wenn sie in meiner Nähe ist.

The Air WE Breathe

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