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Tessa

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Ich stelle eine Tasse mit Earl Grey vor George, der morgens immer Tee trinkt, weil er so früh am Tag keinen Kaffee verträgt, wie er gern behauptet. Dann wende ich mich wieder dem Speck zu, der in der Pfanne brutzelt. Ich unterdrücke ein Gähnen. Seit ich auf der Ranch lebe, stehe ich deutlich früher auf, als ich das in meinem alten Leben getan habe. George besteht darauf, dass die Tiere schon vor dem Morgengrauen versorgt werden. Ich habe mich an das frühe Aufstehen gewöhnt, aber in der vergangenen Nacht habe ich nicht mehr viel geschlafen, nachdem Liams laute Schreie mich aus dem Schlaf gerissen hatten.

Ich teile den Speck auf die drei Teller mit Ei auf und wende mich aber noch nicht gleich um, um sie auf den Tisch zu stellen. In meinem Rücken redet George auf Liam ein. Man kann am Zittern seiner Stimme hören, wie aufgewühlt der alte Mann ist. Als er vorhin in die Küche kam und Liam am Tisch sitzen sah, ist er in Tränen ausgebrochen und wäre fast in die Knie gegangen, hätte Liam ihn nicht aufgefangen.

»Es ist verdammt schade, dass deine Großmutter das nicht mehr erleben durfte«, sagt George und stößt einen lauten, schweren Seufzer aus. Ich höre ihn in seiner Tasse rühren. Er rührt seinen Tee immer lange und ausgiebig um. Lange genug, damit er sicher sein kann, dass kein Zucker mehr auf dem Boden der Tasse liegt.

»Ist es«, gibt Liam leise von sich.

Ihn kann ich viel schlechter einschätzen als George, da ich ihn kaum kenne. Ich bin mir nicht sicher, ob er eher traurig ist, weil seine Großmutter nicht mehr lebt, oder ob es ihn überwältigt, dass George noch da ist. Vielleicht ist er auch nur völlig damit überfordert, dass George ihn mit Fragen attackiert. Oder vielleicht ist ihm auch die vergangene Nacht noch unangenehm.

»Sie hat jeden Tag auf der Terrasse gesessen, die Straße runtergeschaut und zu mir gesagt, dass du eines Tages diesen Weg entlangkommen wirst. Sie war sich so sicher. Und ich konnte es ihr nicht ausreden.« George seufzt wieder und Liam brummt leise. »Also habe ich ihr zugestimmt und sie dadurch in ihrer Hoffnung noch unterstützt.«

Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich fühle mich, als wäre ich ein Eindringling, als würde ich hier nicht hergehören. George und Liam, sie gehören hierher, aber nicht ich. Ich atme zitternd ein und nehme zwei Teller, setze ein Lächeln auf und drehe mich zu den beiden Männern um. George sieht lächelnd zu mir auf, aber in seinem Gesicht erkenne ich, wie aufgewühlt er ist. Der Junge, den er hat zu einem Mann werden sehen, und von dem er geglaubt hat, er wäre tot, sitzt neben ihm in der Küche, in der sie viele Jahre zusammen gegessen haben. Und ich glaube, er fühlt sich genauso ratlos wie ich, denn sein Blick wirkt auch fragend auf mich. Wie geht man mit einem Menschen um, den alle für tot gehalten haben und der die schlimmsten Dinge gesehen und erlebt hat, die ein Mensch sehen und erleben kann? Ihn heute Nacht schreien zu hören und zu sehen, wie er um sich schlug und wie schmerzerfüllt der Ausdruck in seinem Gesicht war, hat mir klar gemacht, dass niemand von uns nur annähernd nachvollziehen kann, was dieser Mann erlebt hat.

Liam bedankt sich bei mir, aber sein Blick weicht meinem hastig aus. Wahrscheinlich ist ihm die vergangene Nacht peinlich. Aber das muss sie nicht. Solche Dinge geschehen auch mit Menschen, die weniger Schlimmes erlebt haben als er. Ich nehme meinen Teller und setze mich ihm gegenüber. Ich kann nicht verhindern, dass mein Blick über seinen Oberkörper gleitet, die breite Brust, die muskulösen Oberarme, die den Stoff des Shirts über die Maßen dehnen. Auf seinem Unterarm entdecke ich eine breite Narbe, die das Tattoo des Seal Team Six in zwei Hälften spaltet. Der Seeadler, der auf einem Anker sitzt, ein Gewehr und einen Dreizack zwischen den Krallen, wird von der wulstigen Narbe geradezu geköpft. Ich frage mich, ob das die Terroristen waren oder er es sich selbst angetan hat.

»Der alte Traktor ist kaputt«, sagt George kauend und schiebt das Ei auf seinem Teller mit der Gabel hin und her, als läge ihm etwas auf dem Herzen und er wüsste nicht, wie er es sagen könne.

Liam sieht mich an und dieser Blick aus seinen Augen lässt meine Haut kribbeln. Obwohl seine Augen so hell sind, habe ich das Gefühl, dass sie von Dunkelheit beherrscht werden. Dieser Mann sieht unglaublich attraktiv aus und mein Körper ist sich dessen mit jeder Faser bewusst. Ich weiß, ich sollte wegsehen, aber ich fühle mich wie gefesselt.

»Ich fahre dann in die Stadt und nehme mir erstmal ein Zimmer. Ich weiß noch nicht, wie es weitergeht«, sagt Liam und widmet sich wieder seinem Essen.

George verzieht enttäuscht das Gesicht. »Du bist gerade erst zurück. Das hier ist dein Zuhause.«

Ich verschlucke mich fast und muss mich anstrengen, Luft zu bekommen. Ich fühle mich plötzlich noch schuldiger. Noch mehr fehl am Platz.

»Jetzt ist es das nicht mehr«, sagt Liam und sieht mich nachdenklich und ein wenig traurig an. Es muss hart für ihn sein, nach allem, was er durchgemacht hat, nicht einmal mehr ein Heim zu haben.

Ja, eindeutig schuldig. Mir dreht sich der Magen um und ich schiebe meinen Teller weg. Ich bin drauf und dran, mich für etwas zu entschuldigen, das nicht meine Schuld ist. Woher sollte ich denn wissen, dass der Erbe dieser Ranch zurückkommen würde?

»Ich brauch jemanden, der den Traktor mit mir repariert«, sagt George trotzig und sieht mich herausfordernd an. Ich erstarre innerlich. »Und der Zaun muss repariert werden. Ich kann die Äpfel nicht allein ernten.«

In mir spannt sich alles an. Ich fühle mich hin- und hergerissen und weiß nicht, was ich tun soll. Etwas in mir versucht mich in eine Richtung zu schubsen, von der ich nicht weiß, ob sie eine gute Idee ist. Ein anderer Teil warnt mich leise vor dem, was sich gerade in meinem Kopf zu entwickeln beginnt. Aber was kann ich sonst tun? Es fühlt sich einfach richtig so an.

Was bleibt mir anderes übrig? Ich lasse mich von meinen negativen Gefühlen überrumpeln, denn mein Verstand weiß, dass das hier eine wirklich schlechte Idee ist. Aber ich kann ihn doch nicht einfach vor die Tür setzen. Ich hole tief Luft. »Du kannst bleiben. Vorerst. Solange du willst«, stammle ich, stehe vom Tisch auf, räume hastig meinen Teller und meine Tasse in die Spüle und verlasse die Küche, so schnell ich kann. Ich weiß nicht einmal genau, warum ich es so eilig habe. Ich weiß nur, ich muss hier raus und ich muss Atemluft in meine Lungen bekommen und meinen rasenden Puls beruhigen. Als ich das letzte Mal mit einem Mann zusammen unter einem Dach gelebt habe, ist das nicht gut ausgegangen. Mit den Konsequenzen habe ich noch immer zu leben.

The Air WE Breathe

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