Читать книгу Hilfe, fast 40! - Elfi Loth - Страница 8
So schnell kann`s gehen
ОглавлениеIch liege auf unserem neuen Sofa, bis zur Nasenspitze zugedeckt und lasse mich von meinem Schatz umsorgen. Mir ist so schlecht und kalt. Ich glaube, ich bekomme eine Grippe! Wenn es mir morgen nicht besser geht, kommt meine Chefin vorbei und untersucht mich.
Am nächsten Tag ist es auch nicht besser. Frau Doktor Fitz war heute Morgen da und hat mir provisorisch Blut abgenommen. Ich hasse es, wenn mir jemand eine Nadel in den Arm sticht. Meine Venen sind nicht die besten. Blutabnehmen bei Patienten, mache ich dagegen sehr gerne. Wenn ich sehe, wie das Blut ins Röhrchen schießt, weiß ich, dass ich die Vene perfekt getroffen habe. Ich liebe meinen Job!
Am Nachmittag ruft meine Chefin an, um mir die Ergebnisse der Blutuntersuchung mitzuteilen.
“Marina, Sie haben keine Grippe.“ Sie macht eine bedeutungsvolle Pause. „Sie sind schwanger!“
Was? Ich bin schwanger? Das glaube ich nicht! Oder doch? Aber ich habe mir erst vor etwas mehr als zwei Monaten, die Spirale entfernen lassen. Was hat der Arzt gesagt? Es kann eine Weile dauern! Da lag die Betonung wohl auf kann! Damit haben wir jetzt noch nicht gerechnet.
“Marina?“
“Ja, ich bin noch dran“, stottere ich verwirrt ins Telefon. „Sind Sie sich da ganz sicher?“
“Der HCG Spiegel ist eindeutig erhöht, ja, Sie sind schwanger!“
“Ist mir deswegen andauernd schlecht?“ Oh nein, das habe ich jetzt nicht gefragt! Was soll sie von mir halten? Natürlich ist mir deswegen schlecht, dass weiß doch jedes Kind. Das sind die ersten Anzeichen!
“Wenn es Ihnen besser geht, machen Sie einen Termin bei ihrem Gynäkologen. Ich bringe Ihnen nachher ein pflanzliches Medikament gegen die Übelkeit und morgen sehen wir uns wieder in der Praxis. Schwangerschaft ist keine Krankheit! Bis morgen Marina.“
Sie legt auf und ich bleibe fassungslos sitzen. Mir ist schon wieder schlecht! Ich renne ins Bad und schließe mich ein. Martin muss nicht gleich mitkriegen, wie ich ins Klo brülle. Ich kann es gar nicht fassen. Ich bin schwanger! Schon! In mir wächst ein Lebewesen! Ein richtiger kleiner Mensch! Wie weit werde ich sein? In Gedanken rechne ich zurück. Durch den ganzen Stress, mit dem Einrichten unserer Wohnung, habe ich gar nicht bemerkt, dass ich meine Regel nicht bekommen habe. Ich habe gar nicht darauf geachtet. Wir wollten ja ein Kind, aber so schnell? Wie wird Martin reagieren? Kinder kommen ja bekanntlich immer, wenn man sie am wenigsten erwartet. Ich kann es ihm erst sagen, wenn ich die eindeutige Bestätigung meines Frauenarztes habe.
Ob er sich freut? Wenn ich daran denke, wie lang die Woche war, als er auf das Ergebnis seiner Sperma Probe gewartet hat. Ich lächle vor mich hin. Er war sehr nervös und konnte es nicht abwarten. Doch dann hatte er es schwarz auf weiß. Alles in bester Ordnung. Seine Spermien sind topfit! Das müssen ja richtige Turbospermien sein, wenn das so schnell gegangen ist, schießt es mir durch den Kopf. Mein Mann ist ein Schnellbesamer! Ich bin schwanger!
So schnell hatte auch mein Frauenarzt nicht mit mir gerechnet. Die Urinprobe ist positiv.
“Na, da waren Sie aber fleißig! Mein Kompliment! So rasch ist noch keine, nach Entnahme der Hormonspirale, schwanger geworden. Ihr Körper scheint das Hormon sehr schnell abgebaut zu haben. Kommen Sie erst mal rein, ich sehe mir das mal genauer an.“
Er macht einen vaginalen Ultraschall und erklärt mir ganz genau, was ich da auf dem Bildschirm zu sehen bekomme. Da bubbert ja ein Herzchen! Wie süß! Ich bin wirklich schwanger und das schon in der 6.Woche!
“Den Mutter- Kind-Pass bekommen Sie in der zwölfen Schwangerschaftswoche. Bis zum dritten Monat kann viel passieren. Sie brauchen jetzt viel Ruhe. Soweit ich sehe, ist alles in Ordnung. Sollten Sie Beschwerden haben, können Sie jederzeit herkommen. Alles Gute und lassen Sie sich draußen bei der Schwester noch einen Termin, für die nächste Untersuchung geben“, sagt er, reicht mir die Hand und verabschiedet sich von mir.
“Ach, einen kurzen Moment noch“, er verschwindet schnell in seinem Sprechzimmer. Als er wieder rauskommt, drückt er mir das erste Ultraschallbild meines klitzekleinen Babys in die Hand.
“Für ihren Mann“, meint er mit einem Augenzwinkern.
Ich betrachte das schwarz- weiße Bild in meiner Hand. Das ist der eindeutige Beweis. Martin, wir bekommen ein Baby! Wie sage ich es ihm? Ich muss mir etwas Besonderes einfallen lassen.
Auf dem Weg nach Hause, halte ich bei einem Babyausstatter an. Mein Gott, haben die viel Auswahl! Was nehme ich nur? Einen Strampelanzug? Nein! Ich kaufe ein paar winzige Turnschühchen, lege das Ultraschallbild dazu und lasse alles von der netten Verkäuferin hübsch einpacken.
Sie lächelt mich an.
“Da wünsche ich Ihnen viel Glück, bei der Überbringung der freudigen Nachricht.“
Ich zahle und versuche mir Martins Reaktion vorzustellen, wenn er das Päckchen öffnet. Bitte, bitte, er muss sich einfach freuen!
Zu Hause angekommen, hüpfe ich regelrecht die Stufen bis zur Wohnung hoch.
“Schatz, ich bin da!“, rufe ich ins Wohnzimmer. Martin sitzt am Computer und arbeitet.
Ich gehe zu ihm und halte ihm das Päckchen hin.
“Ich habe was für dich.“
“Für mich? Ein Geschenk? Habe ich was vergessen? Ist heute ein besonderer Tag? Geburtstag habe ich noch nicht.“ Er grinst mich an und nimmt das Päckchen an sich, schüttelt es leicht und versucht durch die Verpackung herauszubekommen, was das wohl sein könnte.
“Jetzt mach es schon auf!.“ Ich halte es vor Aufregung kaum noch aus.
Ganz langsam öffnet er sein Geschenk. Als er den Inhalt sieht, werden seine Augen immer größer.
“Wir sind schwanger? Wirklich?“
“Nein, mein Schatz, ich bin schwanger! Wir bekommen ein Baby!“
Martin springt auf, nimmt mich in seine starken Arme und wirbelt mich durchs Zimmer. Er freut sich wie ein kleines Kind zu Weihnachten.
“Ich werde Papa und das eher, als geplant. Wie ist denn das passiert?“
“Na, wie so was eben passiert. Mein Körper hat wohl das Hormon schneller abgebaut. Der Doktor war genauso verwundert. Du hast wirklich Turbospermien.“
Wir küssen uns innig und betrachten das Ultraschallbild.
„Zum nächsten Frauenarzttermin komme ich aber mit. Ich möchte auch sehen, wie sich mein Kind bewegt. Komm setzt dich, du musst dich schonen.“
Na Gott sei Dank, er freut sich. Ich betrachte meinen großen, hübschen Mann. Er sieht richtig glücklich aus.
“Martin, ich bin doch nicht krank, nur schwanger“, erwidere ich und lasse mich lachend auf unsere Couch fallen.
Die nächsten Wochen geht es mir, den Umständen entsprechend. Martin begleitet mich überall hin. Er lässt mich und unser Baby nicht aus den Augen.
Ab der 13. Woche ist die andauernde Übelkeit endlich vorbei und die Zeit vergeht wie im Flug. Jetzt bin ich schon im 5.Monat!
Ich muss ihn bremsen, dass er nicht schon die gesamte Babyerstausstattung kauft. Wir sind so glücklich! Ja, das ist der richtige Mann für mich! Mit ihm werde ich mir etwas aufbauen. Nein falsch, wir werden uns gemeinsam eine Zukunft aufbauen. Der erste Schritt ist ja schon getan. Bald werden wir eine kleine Familie sein.
Leider bekommt er wenige Aufträge oder muss seinen Kunden, wegen der ausstehenden Bezahlungen hinterher rennen. Er macht sich eindeutig Sorgen und versucht, es vor mir zu verbergen. Ich spüre doch, was los ist. Warum redet er nicht mit mir darüber? Bald wird mein Gehalt wegfallen. Mit dem bisschen Geld, das uns dann im Babyjahr bleibt, können wir die Wohnung nicht bezahlen und ein Kind ernähren. Es muss was passieren! Seit ich schwanger bin, mache ich mir viel mehr Sorgen als früher. Ich will, dass es uns gut geht und es unserem Kind an nichts fehlt.
Am Abend werde ich mit Martin darüber reden müssen. So kann es nicht weiter gehen. Er verdient mit seinen wenigen Aufträgen kaum Geld. Davon werden wir in Zukunft nicht leben können!
Ich mache uns was Leckeres, Salat mit Putenstreifen, zu Essen und warte auf Martin.
Er macht einen geknickten Eindruck, als er endlich heim kommt.
“Ach Schatz, der Kunde von der Boutique kann gerade nicht zahlen. Glaubt der denn, ich mache mir die ganze Arbeit mit seiner Website umsonst? Seit Wochen vertröstet er mich. Ich kann nur hoffen das er bald zahlt!“
Da sind wir also schon beim Thema. Eigentlich wollte ich erst mit Martin essen und dann über dieses leidige Geldproblem und meine Sorgen sprechen.
Wenn wir schon mal dabei sind, dann eben jetzt.
“Schatz, genau darüber wollte ich mit dir reden. Wie hast du dir das vorgestellt? Mein Gehalt fällt bald weg und wir müssen die Wohnung zahlen. Kannst du dir nicht eine feste Anstellung suchen? Du zahlst nicht gerade wenig für die private Krankenversicherung. Gib doch die Selbständigkeit auf. Wir können schlecht mit einem Baby unter einer Brücke hausen!“
Nach diesem Satz sieht er unglücklich aus. Ich bereue sofort, was ich gerade gesagt habe. Das war vielleicht zu hart von mir, aber ich mache mir Sorgen! Mehr um uns und das Baby, als um mich selber.
Resigniert lässt er die Arme sinken, mit denen er mich gerade noch an sich drücken wollte.
“Ich weiß, Marina, ich habe auch schon darüber nachgedacht und mich sogar bei ein paar Firmen beworben.“
Davon hatte ich keine Ahnung! Er hat den Ernst der Situation also auch schon erkannt!
“Aber es ist nicht so einfach. Die zahlen entweder nicht genug, oder sie suchen keinen. Wolltest du nicht sowieso auswandern?“
Worauf will er hinaus? Ja, das hatte ich ihm bei unserem Versöhnungsgespräch gesagt, aber jetzt ist doch alles anders. Ich erwarte ein Kind! Unser Kind!
Er schaut mir in die Augen.
“Ich weiß nicht, ob es was wird. Nächste Woche habe ich ein Vorstellungsgespräch im Ausland.“
Im Ausland? Was bedeutet das? Wo? Wie kommt er dazu? Tausend Fragen schießen mir durch den Kopf. Was wird mit uns? Er kann uns doch nicht einfach alleine lassen!
Ich wache mitten in der Nacht auf. Das Baby bewegt sich! Ich streichle über meinen kleinen Bauch. Viel ist bei mir noch nicht zu sehen.
Heute wird Martin zu einem Vorstellungsgespräch nach Österreich fahren. Er hatte die Stelle im Internet gefunden und sich, mit einer Auswahl seiner selbst designten Webseiten, beworben. Die Firma dort fand seine Bewerbung so toll, dass sie ihn eingeladen hat. Er soll gleich Probe arbeiten. Ich werde eine ganze Woche ohne ihn sein. Das finde ich nicht toll. Wer bringt mich zur Arbeit und holt mich wieder ab? Ich sehe mich schon am Abend ganz alleine auf der Couch sitzen. Hoffentlich geht die Woche schnell rum. Ich habe Angst, alleine zu sein. Seit ich mit Martin zusammen bin, war ich nie alleine. Wie wird das sein? Ich habe mich so sehr an seine Gegenwart gewöhnt, dass ich mir Alleinesein, gar nicht mehr vorstellen kann und es auch nicht will. Ich überlege, was wäre, wenn er den Job bekommt? Bin ich dann immer alleine mit unserem Kind? Müssen wir dann eine Fernbeziehung führen? Das will ich nicht! 800 km sind nicht gerade wenig. Da kann man nicht mal schnell nach Hause fahren.
Jetzt warte doch erstmal ab, versuche ich mich zu beruhigen, ein fester Job ist toll. Das wollte ich ja eigentlich. Ja, klar wollte ich das, aber doch nicht so weit weg!
Dann geh mit! Meine innere Stimme versucht mir das Ganze schmackhaft zu machen. Hattest du nicht vom Auswandern gesprochen? War das nicht deine Idee? Du wolltest doch weg. Das stimmt, aber noch ist ja nichts entschieden. Abwarten, Marina!
Jeden Abend sitze ich mit Martins T-Shirt auf der Couch und warte auf seinen Anruf. Er musste dieses Shirt ein paar Tage tragen, damit es nach ihm riecht. Ich nehme es sogar mit ins Bett. So habe ich das Gefühl, er ist bei mir. Sein Duft beruhigt mich, wenn ich nachts aufwache und nicht mehr einschlafen kann. Morgen ist diese endlose Woche vorbei und mein Schatz kommt wieder nach Hause. Ich bin schon gespannt, was er zu erzählen hat. Am Telefon wollte er mir nichts sagen. Das wird eine Überraschung, hat er gemeint. Ich hasse Überraschungen! Man weiß nie, was auf einen zukommt. Dann soll man sich noch freuen, wenn man sich überrumpelt fühlt, nur, um dem anderen die Freude nicht zu nehmen. Mir sieht man alles an. Ich kann nicht lügen, ohne rot zu werden oder zu stottern. Ich kann nicht sagen: “das ist aber schön“, wenn es mir nicht gefällt. Ich bin ein direkter Mensch. Immer geradeheraus, auch wenn es wehtut! Leider hat es schon oft wehgetan und nicht nur mir. Meine Mutter sagte früher immer: “Marina, erst nachdenken, dann reden.“ Heute weiß ich, wie sie das gemeint hat. Trotzdem ist mein Mundwerk meistens schneller, als ich mit dem Denken nachkomme und bevor ich mich versehe, habe ich manchen Leuten Dinge an den Kopf geworfen, die zwar der Wahrheit entsprechen, die aber sicher keiner hören wollte. Zu meiner Entschuldigung kann ich nur vorbringen, dass ich es nie, wirklich nie, böse meine. Man kann Worte meistens von zwei Seiten verstehen. Positiv oder negativ. Leider suchen sich die Leute ganz oft die negative Seite aus und so trete ich, schon mein Leben lang, von einem Fettnäpfchen ins andere. Meine Schwester meinte mal zu mir: “Musst du immer so gnadenlos direkt sein? Wenn ich mal mit dir so direkt reden würde.“ Aber bitte, das erwarte ich von anderen und von meiner Schwester erst recht. Hinterhältige Personen mag ich überhaupt nicht! Schließlich sage ich ja auch meine ehrliche Meinung, manchmal sogar ungefragt.
Im Fernsehen kommt heute auch kein Film für mich. Ich gehe schlafen und sehne den morgigen Tag herbei. Mit Martins T-Shirt neben meinem Kopf und Gedanken an unsere ungewisse Zukunft, schlafe ich nach langer Grübelei endlich ein.