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Sue hatte Glück, dass ihr Taxifahrer keine Neigung zum Plaudern verspürte (entweder war er Autist, oder er konnte kein Englisch), und so ließ sie sich nach der trommelfellstrapazierenden Geräuschkulisse des Schulfestes dankbar in diese Oase des Schweigens fallen. Knarzendes, abgewetztes Kunstleder wurde als Ruhekissen definitiv unterschätzt, und über die verschwenderische Parfümierung des Wageninneren mit etwas, das an Kuhmist vermischt mit Patschouli erinnerte, sah sie großzügig hinweg.

„Fitzmass Liss“, wiederholte der Fahrer ihre Zielangabe mit hoher Stimme, die so gar nicht zu seiner recht athletisch wirkenden Statur passte. Außerdem schraubte er seine Stimme bei Liss in eine Höhe, die Raum für Fragezeichen ließ. Viele Fragezeichen. Der gute Mann hatte offensichtlich keine Ahnung, wohin er fahren sollte.

„Fitzmaurice Place“, wiederholte Sue langsam, als ob dies dem armen Mann helfen würde.

Er sah sie erwartungsvoll an.

„Hyde Park?“, testete sie ihn. Wenn er den nicht kannte, hatte er seine Taxilizenz wohl auf dem Mars erworben. Oder auf einem Flohmarkt billig gekauft.

Er nickte eifrig.

„Wunderbar. Sie nehmen die Piccadilly, rein in die Half Moon, über die Curzon in die Queen, dann in die Charles und wir sind da.“

Er nickte immer noch eifrig, und nachdem Sues Angaben von seinem Gehirn aufgenommen, bewertet und entsprechend eingeordnet worden waren, fingen seine Augen an zu leuchten. Er hatte verstanden! Das feierte er mit einem Kavalierstart, der Sue wieder in die Polster zurückdrückte. Schön, von dort würde sie sich so schnell auch nicht wieder lösen. Die Fahrt würde bei dem Verkehr mindestens eine halbe Stunde dauern.

Ihr Blick versank in seinem sorgfältig ausrasierten Stiernacken und schließlich in Dunkelheit, aus der sie erst wieder aufwachte, als der Fahrer vor der Praxis eine Vollbremsung durchführte. Dank der Trägheit ihrer Masse und ihrer Sorglosigkeit, was das Anschnallen betraf, knallte Sue gegen die vordere Kopfstütze, die mit einem Stickbild, auf dem Welcome to Azerbaidschan stand, verziert war.

„Verdammt!“, rief sie und tastete ihre Stirn ab. Wenigstens kein Blut.

Der Fahrer schien völlig unbeeindruckt; wahrscheinlich gehörte es in Aserbaidschan zum guten Ton, die Fahrgäste mit einer Beule am Zielpunkt abzuliefern. Oder waren die Westeuropäer schon zu kompletten Weicheiern mutiert? Egal, sie als Vertreterin der Weicheier regelte das, wie unter Westeuropäern üblich, pekuniär und gab ihm kein Trinkgeld. Immerhin hatte sie ihm Nachhilfe in Londoner Straßenkunde gegeben.

Einen Vorteil hatte der Zusammenstoß ihrer Stirn mit der Kopfstütze im Taxi: Sie war wieder hundertprozentig wach. Sue ging durch den kleinen Vorgarten auf die gepflegte Fassade der Hausnummer 5 zu. Schönheit, Ruhe und Ordnung hatten immer etwas Tröstliches. Zum Glück konnte der Stadtteil Mayfair mit jeder Menge davon aufwarten. Irgendwann hatte sie Tante Hilde das alles zeigen wollen. Es aber nicht konsequent durchgesetzt. Jetzt war es zu spät. Leider nicht für das schlechte Gewissen.

Sie tippte den Code ein und ging langsam die Treppe hoch in den ersten Stock, wo sich Terences Praxis befand. Auf dem Messingschild, das nur seinen Namen und Titel (Terence Urquhart, M.D.) trug – mehr wäre in dieser Bastion des Understatements schon zu viel gewesen –, waren Fingerspuren, die Sue mit einem Taschentuch und mehrmaligem Anhauchen wegwischte. Sie schloss auf und wunderte sich nur kurz, dass nicht zweimal abgeschlossen war. Sie hatte die hohen, hellen Räume gleich gemocht, als sie sie vor achtzehn Jahren besichtigt hatten. Sie war damals überzeugt gewesen, gute Schwingungen zu empfangen, und das war sie auch heute noch. Die unmittelbaren Vormieter waren langweilige Bankmenschen gewesen, und bei ihrer negativen Einstellung zur Finanzwelt (Halsabschneider war eines der netteren Prädikate, mit welchen sie Banker bedachte) konnte Sue sich nicht vorstellen, dass sie für deren Energie empfänglich wäre. Nein, die Erstbewohnerin war eine Lady gewesen, Lavinia de Lisle. 1760 war es noch nicht die Regel, dass eine Frau auf die Ehe pfiff. Lavinia tat es, und man munkelte, dass sie zeitweise die Geliebte des Thronfolgers gewesen war, ihn aber wegen Langeweile abservierte. Genug mit deinen Ausflügen in die Historie, schalt Sue sich, denn sie hatte nicht mehr viel Zeit.

Sie streifte ihre Schuhe ab und machte sich leichten Schrittes auf in ihr Büro. Erleichtert warf sie ihre Tasche auf den Schreibtisch und ließ sich auf den wunderbar weichen, uralten und völlig uncoolen Sessel fallen, den sie vor Jahren auf dem Trödelmarkt in Greenwich gekauft hatte. Sie hob die Beine an und ließ sie kreisen. Mann, die Laufmasche war wirklich heftig. Sie sah auf die Uhr, zog die unterste rechte Schreibtischschublade auf und griff mechanisch in die hintere linke Ecke, wo ihr Vorrat an Strumpfhosen lagerte. Doch anstatt der glatten Plastikverpackung ertastete sie nur ein braunes Fläschchen, das sich als Feng Shui Raumspray namens Purification entpuppte. Auch ganz schön, aber nicht das, was sie gerade brauchte. Sie sprühte dreimal und legte das Spray zurück. Komisch. Wo verdammt war die Wolford? Sie hatte doch immer eine in Reserve, denn, so albern das auch erschien, diese Strümpfe waren wie eine Ritterrüstung, die sie vor den Unbillen des Lebens schützte. Stell dich nicht so an, hörte sie die tadelnde Stimme Hildes mit ihrem leichten Sing Sang. Das ist doch nur ein Stückerl Stoff.

Du hast ja recht, Tante, murmelte Sue und ging in das Miniaturbadezimmer nebenan, um sich frisch zu machen. Das hatte sie auch bitter nötig, denn im Spiegel sah sie eine Frau, die keinen Tag jünger als 40 Jahre und gute 7 Monate aussah. Augenringe und eine speckig glänzende Haut, garniert mit hektischen Flecken. Sie nahm ihr Thermalwasserspray und konnte nicht aufhören, das kühle Wasser auf ihr Gesicht zu sprühen. Es tat einfach zu gut. Auch, dass die Tröpfchen über ihr Dekolleté auf dem Busen landeten. Sie hätte ewig unter der nebelfeinen Wasserdusche bleiben können, aber sie wollte sich im Verlag nicht als Wassernixe präsentieren. Widerwillig tupfte sie ihr Gesicht mit einem Papiertuch trocken, puderte sich kurz ab und gönnte sich eine Extraportion Rouge und eine neue Lage Lippenstift. Wenn sie jetzt nur noch die Strümpfe fände … Egal, sie würde unterwegs welche besorgen.

Als sie in ihr Büro zurückging, horchte sie auf. Geräusche. Aus Terences Sprechzimmer. Sie runzelte die Stirn. Wieso war er hier? Hatte niemand Lust gehabt, zu chatten? Und wenn er schon früher fertig war, warum hatte er sich nicht auf dem Schulfest blicken lassen? Ärger stieg in ihr auf, der sich zu richtiger Wut steigerte, als sie ein Kichern hörte. In einer Tonlage, die ihr bekannt vorkam. Leise öffnete sie die Tür und musste an sich halten, um nicht loszuschreien.

Gefangen in einer Schockstarre blieb Sue an der Türschwelle stehen. Terence saß wie gewohnt auf seinem Therapeutensessel, lediglich die Patientin hatte sich im Platz geirrt. Sie saß auf dem Schoß des Arztes. Ihres Gatten. Die Patientin war Sondra und beide hielten ein Glas Champagner in der Hand.

„Was ist das denn?“, fragte Sue, deren Stimme sich überraschend schnell wieder eingefunden hatte. „Eine neue Form von Körperarbeit?“

Es war erstaunlich, wie schnell menschliche Körper sich bewegen konnten, wenn genügend Stress auf sie einwirkte. Terence schoss nach oben, stellte sein Glas auf den Tisch und zog seine Hose glatt. Das hätte er lieber nicht tun sollen, denn das, was Sue nun sah, hätte der weite Leinenstoff sonst gnädig verdeckt. Terence hatte einen Ständer, der sich als sehr stressresistent erwies.

Sondra schien keinen Stress zu haben, ein deutliches Zeichen dafür, welche Wichtigkeit sie der Ehefrau von Terence zudachte.

„Entschuldigt vielmals“, brachte Sue irgendwie heraus, „ich wollte nicht stören.“

„Komm, trink mit uns“, sagte Sondra, die sich aufreizend umdrehte.

Terence hatte sich mittlerweile abgedreht und versuchte wohl verzweifelt, seinen Penis wieder in Schlafstellung zu bringen.

„Worauf sollen wir denn trinken?“, fragte Sue.

„Auf eine tolle Sendung“, plapperte Sondra weiter. „Top-Quote, Top-Lob. Kein Wunder, bei diesem Top-Mann.“

Sue hatte gute Lust, diese geliftete Schlampe aufzuklären, wie Top dieser Mann im ehelichen Schlafzimmer war, doch Terence war schneller. „Komm Sue, trink mit uns.“

Du liebe Güte, dachte Sue. Dieses Stiff-Upper-Lip-Dingsbums der oberen Klassen scheint immer noch zu funktionieren. Ob Weltkrieg, Ehebruch oder ein zusammengefallenes Soufflé: Diese Menschen konnte nichts erschüttern, mit Hilfe von Alkohol erst recht nicht. Dann fiel ihr Blick auf seinen Hals. Dort schlängelte sich etwas Hautfarbenes. Ihre Lieblingsstrümpfe.

Sie wusste, dass es albern war, quasi unterstes Kindergartenniveau, aber sie empfand das als Verrat. Fast mehr als die respektable Erektion gerade eben. Die war wohl eher den Nachwirkungen von Sildenafil geschuldet als den tatsächlichen Reizen, die Sondra auf Terence ausübte (zumindest hatte er hartnäckig und, wie Sue bisher gedacht hatte, auf sehr überzeugende Weise behauptet, dass er Sondra als Frau nicht anziehend fand). Terence sah momentan wirklich gequält aus und hätte sein bestes Stück wahrscheinlich auch in ein Abflussrohr gesteckt, um Erleichterung zu bekommen, aber warum Sondra? Wahrscheinlich hatte dieses Miststück seine Not gespürt und ihn mit Entschlossenheit in die Falle gelockt. Aber Spielchen mit ihren teuren Strümpfen für 20 Pfund das Paar? Im Farbton „Naked Sun“, der so schwer zu bekommen war? Wo Terence genau wusste, dass Sue ohne diese Strümpfe nur ein halber Mensch war? Jedem Menschen stand ein Aberglaube zu, und den hatte Terence gefälligst zu respektieren und nicht mit solch einer Aktion zu besudeln. Sue bebte und zog mit spitzen Fingern den Nylonschlauch vom seinem Hals.

„Sorry Terence, Eigenbedarf.“ Hocherhobenen Hauptes verließ sie das Zimmer.

Das „Sue!“, das Terence ihr nachrief, klang etwas jämmerlich.

Ihr Herzschlag stellte einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf, als sie in der kleinen Küche mit angewiderter Miene die Strumpfhose in den Mülleimer warf. Eigenbedarf? Nicht mehr. Sie würde sich einen anderen Strumpflieferanten suchen.

Sue heulte vor Wut, als sie auf die Straße lief. Wie fein das hier alles war, wie seriös Mayfair sich gab. Und hinter den geschleckten Fassaden nur die gleichen Lügen und Betrügereien wie überall. Es widerte sie an.

Wie konnte er ihr das nur antun? Hatte er keinen Respekt? Vor sich und vor ihr, seiner Frau? Selbst wenn sie ihm einige Punkte wegen der Nachwirkungen von Viagra gutschrieb, war er sich nicht zu schade gewesen, Sondra an sich ran zu lassen. Man kann immer Nein sagen. Wie oft sagte er das zu seinen Patienten? Oft, sehr oft. Bei ihm selbst war dieses Mantra offensichtlich wirkungslos. Er war einfach ein Schwein wie alle anderen Männer auch. Wie auf Kommando fing es in ihrer Scheidengegend wieder zu brennen an. Sue schimpfte leise vor sich hin. Einer Lady, die gerade zwei Möpse spazieren führte und sie missbilligend ansah, hätte sie am liebsten zugerufen: „Wissen Sie, was Ihr Mann gerade treibt?“.

Was soll ich denn nur tun, dachte sie. Ihn rauswerfen? Dazu verspürte sie im Augenblick die größte Lust, aber andererseits – sie hatten es ja noch nicht getan. Lüg dir nicht in die eigene Tasche, sprach sofort die Stimme der Vernunft, die sich vom gegenwärtigen Gefühlschaos nicht beeindrucken ließ. Wärst du nicht gekommen, hätten sie es getan. Sue schüttelte den Kopf. Ich muss zur Ruhe kommen, dachte sie. Tränenblind lief sie durch die Straßen, verzweifelt wie eine Figur von Charles Dickens. Was der wohl zur Viagra-Problematik geschrieben hätte, fragte sie sich bitter.

Wen kann ich anrufen, überlegte sie und ging im Kopf ihre Blackberry-Kontaktliste durch. Lulu? Die erholte sich wahrscheinlich noch von der letzten anstrengenden Nacht bei irgendeinem Konzert irgendeiner vielversprechenden Newcomer-Band. Tamara? Die lag gerade im Scheidungskrieg mit ihrem Mann und würde ihr sicher raten, gleich zum Anwalt zu gehen, was Sue im Moment für etwas verfrüht hielt. Helen? Mit der sprach sie immer nur über Banalitäten. Brian, der sich sicher alles anhören würde, ihr aber noch in zwei Jahren brühwarm jede Szene in Erinnerung rufen würde? Ellinor? Sue atmete pfeifend aus. Ellinor und Problem, einfach nicht kompatibel. Sophie? Da wäre sie an der richtigen Adresse. Sue musste automatisch grinsen. Sophie, die ihr seit Jahren in den Ohren lag, mehr Spaß zu haben. Spaß hieß für Sophie, Lover à la carte. Aber Sue war nicht Sophie, sie hatte noch nie etwas von Promiskuität gehalten. Es war vernichtend. Niemand kam in Frage. Wieder traten Tränen in ihre Augen. Was zum Teufel hatte sie die letzten Jahre getan, um keine Freundin zu haben, die sie zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen konnte? Jede noch so naive Romanfigur hatte doch eine, warum nicht sie?

Mittlerweile taten ihre Füße weh – kein Wunder bei den hohen Absätzen –, und Sue sah sich um, wo sie gelandet war. In der Farm Street, vor einer Kirche, der Church of the Immaculate Conception, wie sie der Tafel am Eingang entnahm. Wenn das kein Zeichen war. Es war ein eher unscheinbarer Bau, eingebettet in einer unauffälligen Wohngegend, was Sue nur recht war. Mit Luxus, Ruhm und Glamour hatte sie für heute abgeschlossen. Sie ging zum Haupteingang und öffnete vorsichtig die honigfarbene Holztür. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte – einen vom Ruß der Kerzen geschwärzten Innenraum, eine klaustrophobische Enge, eine Düsternis, bei der man kaum die Hand vor den Augen erkennen konnte? Du hast zu viel Dan Brown gelesen, schalt sie sich selbst. Staunend blieb sie stehen und ließ den hellen, luftigen Raum auf sich wirken. Nichts wirkte hier streng oder furchteinflößend, angefangen von der weißen, mit einem filigranen Gittermuster durchbrochenen Decke bis hin zu den zierlichen Spitzbögen, die zum Altarraum führten, der in hellem Gold strahlte. Sie ließ sich in einer der hinteren Bänke nieder. Waren Kirchen magische Orte? Diese hier war es ganz eindeutig, denn seit sie den ersten Fuß hierher gesetzt hatte, spürte sie, wie sich eine angenehm schwere Ruhe in ihr ausbreitete. Bunte Flecken tanzten auf ihren Händen. Sie drehte sich um und entdeckte eine Glasrosette, deren intensives Blau im gleißenden Licht der Julisonne fast übersinnlich wirkte. Sie hätte sich in diesen Anblick verlieren können, wenn nicht zwei alte Frauen, in eine lautstarke Unterhaltung vertieft, die Kirche betreten hätten. Ein Hund war auch noch dabei. Vielleicht hatte er was ausgefressen und musste zur Beichte? Sue hatte gehofft, die beiden würden zu reden aufhören, sobald sie in einer Bank Platz genommen hatten, aber nichts da. Sie plauderten munter flüsternd weiter, wobei die eine immer ein quatschendes Geräusch von sich gab, wenn sich ihr Gebiss im Mund gelockert hatte. Und das geschah ungefähr alle fünfzehn Sekunden. Sue war es schon immer schwergefallen, solche Geräusche auszublenden, und auch jetzt steigerte sie sich richtiggehend hinein. Das Schmatzen wurde immer lauter und quälender und die Frau immer unsympathischer und gemeiner. Einen kurzen Moment lang überlegte Sue, ob sie zum Gegenschlag ausholen und ein Gespräch mit dem Handy führen sollte. Am besten mit Lulu, die waren immer besonders lebhaft. Aber das war natürlich Kinderkram. Außerdem befand sie sich in einer Kirche und sollte den Nächsten lieben wie sich selbst – das ging aber sowieso nicht, weil sie sich momentan selbst nicht ausstehen konnte. Sie hatte eine Nacht voll unbefriedigendem Sex hinter sich, und das ohne Kinderwunsch – was zum Teufel tat sie dann in einer Kirche, sie scheinheiliges Luder? Sie hasste sich mit ihrem Komplex, weniger wert zu sein als die hochwohlgeborenen Menschen, mit denen sie Umgang pflegte. Sie liebte sich nicht. Wie sollte Terence sie dann lieben?

Das Flüstern schwoll an zu einem gleichmäßigen Klangteppich aus Zischlauten. Sue hatte genug, scheute sich aber, nach draußen in den hektischen Londoner Alltag zu gehen. Sie hatte noch eine halbe Stunde bis zum Meeting mit Peter im Verlag. Natürlich konnte sie dort eher eintreffen und sich in aller Ruhe auf der schönen Marmortoilette frisch machen. Aber dann kam sicher wieder eine magersüchtige, karrieregeile Blondine herein und gab mit ihrer bloßen Existenz Sues Minderwertigkeitskomplex neue Nahrung. Nein, hier in der Kirche der unbefleckten Empfängnis war es besser. Aber nicht in Gegenwart zweier Seniorinnen, die an Logorrhöe litten und mit ihren dritten Zähnen klapperten. Sie stand auf. Du lässt mir keine andere Wahl, entschuldigte sie sich bei Gott, als sie sich auf zum Beichtstuhl machte. Ich bin verwirrt und brauche Ruhe, dafür hast Du sicher Verständnis.

Sie war leise, und doch drehten sich die Köpfe der alten Damen, als sie die Tür zum Beichtstuhl öffnete. Ihr Gehör funktionierte offenbar noch einwandfrei.

Die Enge der Kabine tat ihr gut. Nun war wirklich alles ausgeblendet, was störte. Gut, der muffige Geruch irritierte etwas, aber man konnte nicht alles haben. Aus purer Gewohnheit – eine katholische Kindheit legte man nicht einfach ab – faltete sie ihre Hände und stützte den Kopf auf die Hände auf. Und plötzlich war sie da, die Trauer. Um Hilde natürlich, aber auch um ihre Ehe. Was war nur mit ihnen passiert? Sie waren doch so glücklich gewesen! War sie zu naiv gewesen in ihrem Glauben, es könnte ewig so weitergehen, dass die Popularität ihre Beziehung nicht verändern würde? Sie und Terence hatten stets an einem Strang gezogen, doch es war immer nur wie selbstverständlich um seine Karriere gegangen, und dieser Strang entpuppte sich jetzt als das Mittel, das die Person Sue Urquhart ins Jenseits befördert hatte. Sie war nichts, ein Anhängsel, das außer einer abgebrochenen Fotografenlehre und Hotelfachschule nichts vorzuweisen hatte. War sie überhaupt noch attraktiv für ihren Mann? Was hatte sie schon zu bieten außer dem, was er sowieso schon bestens kannte? Er hielt sie für so selbstverständlich wie sein täglich frisch gebügeltes Hemd. Schluchzend saß sie im Beichtstuhl und ließ ihren ganzen Schmerz in ihre Tränen fließen.

„Kann ich Ihnen helfen, mein Kind?“

Sue, die nicht gehört hatte, dass der Pfarrer den Beichtstuhl betreten hatte, japste vor Schreck auf und schnappte nach Luft. Schnell packte sie ihre Tasche und stand auf. Dabei schlug sie sich zum zweiten Mal an diesem Tag den Kopf an. „Nein, alles bestens“, stammelte sie und stürzte hinaus.

Alles bestens. Hatte sie jetzt gesündigt, weil sie gelogen hatte? Hier, im Beichtstuhl?

Sue hatte sich schließlich doch noch einige Minuten in die Erfrischungsräume des Verlags zurückgezogen. Sie fühlte sich müde und ausgelaugt, aber nach ihrem Weinkrampf in der Kirche erleichtert. Nun brauchte sie aber etwas, das sie auf Touren brachte. Diese rosaroten Dinger in ihrer Handtasche. Zwei davon und sie würde sich fühlen wie nach einem zehnstündigen Schlaf. Heute Morgen im Studio hatten sie bereits wunderbar geholfen. Es war ihr durchaus bewusst, dass sie sich mit vier Tabletten täglich bereits im grenzwertigen Bereich befand, aber heute war auch ein außergewöhnlich beschissener Tag. Sie zog sich die neue Strumpfhose, die sie im Kaufhaus um die Ecke noch schnell gekauft hatte, an und strich sie glatt. Hatte sie sich wirklich mit einer Laufmasche den ganzen Weg hierher getraut? Ein wenig Zwiesprache mit Gott ließ einen anscheinend wirklich locker werden. Mittlerweile war in ihrem serotoningeschwängerten Hirn Sondra zu einer notgeilen Lachnummer mutiert und Terence ein Mann, der eine kleine Rache verdient hatte. Kleine Rache? Wieso eigentlich klein? Aug’ um Aug’. Zahn um Zahn. Die Bibel war wirklich inspirierend. Außerdem verabscheute Terence Kleinkrämerei. Mit diesem Vorsatz machte Sue sich auf den Weg zu Peter Beardsley. Es galt ein paar schöne Orte für die nächste Lesereise ihres Gatten auszusuchen.

„Portknockie. Aber das ist nördlich von Aberdeen!“ Peter Beardsley, im Verlagshaus Bromley & Petersen unter anderem verantwortlich für Lesereisen, riss seine Augen auf.

„Dort ist es sicher ganz wunderbar“, antwortete Sue beschwingt. So richtig am Arsch der Welt. „Außerdem möchten die Menschen, die in dieser rauen Natur leben, sicher auch wissen, wie sie ihr Sexleben beleben können. Darf ich mal?“ Sie deutete fröhlich auf Peters Computer. Peter nickte verständnislos, während Sue summend ins Internet ging und die Homepage dieser Perle des Nordens aufrief. Nach einigen Klicks rieb sie sich zufrieden die Hände.

„Und warum?“ Peter musste sich räuspern, bevor er diesen Satz flüstern konnte.

„Sie können ruhig lauter sprechen“, ermunterte ihn Sue. „Mein Mann ist nicht da.“ Der redete wohl gerade seinem besten Stück gut zu, sich wieder zu beruhigen. „Ich sage Ihnen warum. Dort gibt es kein anständiges Hotel zum Übernachten.“

„Aber darauf legt Ihr Mann doch so großen Wert.“ Peter sah unglücklich aus.

Sue konnte es ihm nicht verdenken. Terence legte größten Wert auf Komfort, große Hörerzahlen und eine angemessene Presse. Die konnte Peter ihm nicht immer bieten, doch Terence pflegte dann zu schmollen wie eine Primadonna und machte aus dem jungen Oxford-Absolventen eine Art persönlichen Sklaven, den er mit Aufträgen aller Art durch die Pampa schickte. Einmal sollte er ihm zum Beispiel in einem Dorf im tiefsten Norfolk das neueste Exemplar des „Zero Tolerance“-Magazins besorgen, eine Heavy Metal-Postille, die man nicht einmal in London an jedem Kiosk kaufen konnte. So gesehen war Terence ein richtiger Scheißkerl, dem es mal gezeigt werden musste.

„Wir sollten unsere Strategie ändern“, meinte Sue. „Man darf die kleinen Orte nicht vergessen. Deren Bewohner haben weniger Abwechslung und sind deshalb eher angewiesen auf ...?“ Sie machte eine dramatische Pause. „Na, was meinen Sie, lieber Peter?“

Der junge Mann wurde tatsächlich ein bisschen rot. „Sex?“

„Genau!“

„Haben Sie denn das mit Ihrem Mann besprochen?“, sagte er.

„Keine Sorge, das mache ich schon noch.“

„Aber ich weiß nicht, ob die dortigen Buchhandlungen das Honorar zahlen können“, wandte er ein. „Wenn es dort überhaupt noch welche gibt. In den letzten Jahren haben so viele Buchhändler aufgegeben.“ Leichte Verzweiflung mischte sich in seine Stimme.

„Sie schaffen das, Peter“. Sue tätschelte seine Hand, die eiskalt war. „Auch ein Erfolgsautor kann nicht nur vor großem Publikum lesen.“

Peter seufzte, und Sue konnte ihn verstehen. Er war ein Melancholiker vor dem Herrn und schrieb tieftraurige Gedichte, die er in dem Kleinstverlag eines Studienfreundes veröffentlichte. Sie handelten vorzugsweise von tief hängenden Nebelfeldern und unglücklicher Liebe. Seine Bücher waren weit davon entfernt, ein Verkaufshit zu sein, und Sue hatte den Verdacht, dass Peter seine Leser in einem Zugabteil unterbringen könnte. Fatalerweise arbeitete er in einem Verlag, der sich auf so prosaische Dinge wie Kochbücher und Lebenshilfe spezialisiert hatte. So litt er ständig vor sich hin, was seiner Melancholie und seinem Schreibschub verlässlich neue Nahrung gab.

„Lieber kleine Orte mit treuen Lesern als die verwöhnten Großstädter, die sich fünf Minuten vor Veranstaltungsbeginn noch überlegen, ob sie nicht doch zur Ausstellungseröffnung in der Galerie des Schwagers des Herzogs von Kent gehen.“

Peter verzichtete auf eine Antwort und hackte inzwischen leidlich motiviert auf seinem PC herum. Um seinen Mund zuckte es, Sue interpretierte das als etwas, das in Richtung Schadenfreude ging. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Terence konnte eine richtige Zicke sein. Ein verzogener Bengel eben, ihrer Schwiegermutter Tessa sei Dank.

„Ich habe seit langem eine Anfrage aus Flamborough“, sagte er schließlich und klopfte freudig auf seine Maus. „Der örtliche Frauenkulturverein hat fünfzigjähriges Jubiläum und würde gerne etwas ganz Besonderes machen. Die hätten sogar das Budget.“

„Wunderbar!“ Sue strahlte ihn an. Terence war schon gestraft genug, wenn er in der Pampa mit übereifrigen Kulturfrauen Sekt mit Cranberrysaft trinken musste. Ein niedriges Honorar wäre dann doch etwas zu viel Demütigung.

„Wo ist das genau?“

„Ziemlich weit hinten in Wales.“

„Da war er noch nie“, meinte Sue. Wahrscheinlich zu Recht, dachte sie. Wenn der Ort genauso trostlos war, wie sein Name klang, dann viel Spaß, Terence Urquhart.

Im Verlauf der nächsten Stunde schnürten die beiden ein hübsches Paket, das Terences landeskundliche Kenntnisse auf profunde Art erweitern würde. Wales war aber auch wirklich ein Landesteil, den es zu ergründen galt. Und der Norden Nordenglands erst.

„Peter, es ist eine große Freude, mit Ihnen zu arbeiten.“ Sue war bester Stimmung, als sie ihre Unterlagen in ihre Tasche räumte.

Der junge Mann, Sue schätzte ihn auf Anfang Dreißig, strahlte und schaffte es dennoch, seine melancholische Grundbefindlichkeit nicht vollends aufzugeben. Selbstverständlich trug er Schwarz, von Kopf bis Fuß bis hin zum Brillengestell. Der einzige Lichtblick waren seine babyblonden Haare. Er hatte bestimmt Horden von Verehrerinnen, denn Frauen, die mit einem Mutterkomplex gesegnet waren, starben nicht aus. Auch sie musste an sich halten, ihm nicht den Kopf zu tätscheln. „Was halten Sie davon, wenn wir diese harmonische Kooperation bei einem Drink fortsetzen?“

„Yep“, war Peters knappe Antwort. Er fuhr seinen PC herunter, dann durch seine Haare, reichte ihr den Arm und meinte lächelnd: „Wurde auch mal Zeit.“

Sue sah ihn verwundert an. Sie glaubte ja durchaus daran, dass sich für jede geschlossene Tür eine neue Tür öffnete, aber dass Peter Beardsley dahinter stehen würde, überraschte sie doch.

Sie entschieden sich, in eine Weinbar um die Ecke zu gehen, und bereits nach seinem zweiten Glas Chardonnay legte Peter los. „Ich finde Ihren deutschen Akzent unglaublich anziehend.“

„Dieser Meinung sind nicht alle“, meinte Sue und dachte an ihren ersten Arbeitsplatz in einem Londoner Hotel. Sie hatte einen schottischen Bowlingclub betreut, dessen Mitglieder ein Durchschnittsalter von 70 plus aufwiesen. Sobald auch nur ein Wort ihren Mund verlassen hatte, zückte einer dieser Idioten die Hand zum Hitlergruß. Sie hatten sich köstlich über die unsichere Zwanzigjährige amüsiert, die sich den Tränen nah nach dem ersten Tag einer anderen Gruppe hatte zuweisen lassen.

„Das verstehe ich nicht.“ Er rückte etwas näher. „Sagen Sie was.“

„Ich sage doch die ganze Zeit was.“

„Wunderbar.“ Er seufzte begeistert. „Ihr Englisch ist fantastisch, verstehen Sie mich nicht falsch. Aber diese leichte Färbung der Vokale und diese minimal härteren Konsonanten. Das klingt so“ – er sah in den Raum, während er mit entrücktem Blick nach Worten rang – „erdverbunden. Und autoritär.“

Erdverbunden? Autoritär? Welches Kindermädchen hatte ihn denn auf dem Gewissen? Womöglich stand er auch auf Dominas und erniedrigende Sexspiele. Es war höchste Zeit, seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken.

„Meine Tante ist heute gestorben.“

„Oh.“ Der schwärmerische Schleier vor seinen Augen verschwand innerhalb von Sekunden.

Das nannte man einen gelungenen Themenwechsel.

„Das tut mir leid.“ Er starrte auf die Tischplatte und hatte offensichtlich keine Ahnung, was in dieser Situation an Worten angebracht wäre. Plötzlich schien er eine Eingebung zu haben und er sah Sue tief in die Augen. „Vielleicht sollten wir noch etwas trinken?“

„Gerne“, meinte Sue und winkte der Bedienung zu. Es war gut, mit der Trauerarbeit schnellstmöglich zu beginnen. Plötzlich fing Peter an, etwas zu murmeln, und Sue musste sich näher zu ihm beugen, um ihn verstehen zu können.

Die Nacht dehnte ihre teerschwarze Lache

aus. Unheil verkündend

schlitzt der Uhu den Pfad

mit der Schreckensseide seines Flügels.

Nie wieder werde ich dich rufen,

denn schon verrichtest du dein Tagwerk nicht mehr.

Meine nackte Sohle eilt weiter,

die deine hat Ruh.

Nacht – ein endloses Band

aus wisperndem Schwarz.

Schwer lastet auf meiner Seele

zu wissen: nie mehr, nie mehr.

Um mich herum Stimmen, doch ich bin allein.

Wo bist du, mein Stern,

der meine nackten Sohlen führt

auf den Weg in die Unendlichkeit.“

Sue starrte ihn an. Das Bild der nackten Sohlen tauchte als metergroßes Bild in ihrer Vorstellung auf. Sie waren schwimmen gewesen, obwohl der See eiskalt war. Mama hatte Schnitzel gemacht und Hilde einen ihrer wunderbaren Kuchen gebacken. Ein Picknick im Sommer. Grellblauer Himmel, Sonnenbrand, das Klicken von Papas Kamera. Er hatte Mamas nackte Füße fotografiert, die sie lachend vor seine Linse gehalten hatten. Sie hatte so lustige Füße gehabt, denn der zweite Zeh war deutlich länger als der große. Sue sah die Zehen vor sich, wie sie lustig hin und her wackelten und brach in Tränen aus. Das fiel ihr mittlerweile wirklich leicht.

Peter starrte sie erschrocken an, während die Tränen wie ein Sturzbach aus ihr heraus flossen. Natürlich weinte sie um Hilde, aber sie weinte auch um ihre Kindheit, die nun wieder ein Stück mehr geendet hatte (endgültig natürlich erst mit dem Tod des Vaters, aber daran wollte sie auch nicht einmal ansatzweise denken). Sie weinte um ihre Mutter, sie weinte, weil sie wütend auf Sondra war, und sie weinte, weil dieser wurmartige Fortsatz am männlichen Körper so eine Schlampe war, die sich mit dem billigsten Reiz, nur weil er neu war, zu verloren geglaubten Größen aufschwang. Irgendwann war der Sturzbach versiegt und alle verfügbaren Papiertaschentücher verbraucht.

„Entschuldigen Sie.“ Sue tupfte sich die Augen mit einer Serviette ab. „Ihr Gedicht war“ – jetzt rang sie nach Worten – „sehr ergreifend.“

Worauf Peter ihre Hand ergriff. „Das macht mich sehr glücklich.“

Weinende Zuhörer, die einen glücklich machten. Sue war froh, dass Terence Sachbücher schrieb. Sonst würde sie früher oder später in der Klapsmühle landen. Peter schien jedoch Feuer gefangen zu haben und fing erneut zu deklamieren an. Seine Worte erreichten kaum ihr Ohr, ein leises Brummen hatte sich darin breit gemacht, erfüllte ihren Gehörgang und setzte sich im Kopf weiter fort.

„... wohlige Wärme,

die aus der dunklen Nacht ...“

Du liebe Güte, würde er jetzt den ganzen Abend aus seinen deprimierenden Werken zitieren? Glücklicherweise meldete sich ihr Handy. Sue dankte den Segnungen der modernen Informationstechnologie und nahm das Gespräch an. Es war Amy, und am Ende des Gesprächs dankte sie niemandem mehr für irgendetwas.

„Mama?“ Amy klang verzweifelt.

„Was ist denn?“

Es folgte ein herzzerreißendes Schluchzen, das im mütterlichen Stoffwechselsystem umgehend dafür sorgte, dass der Alkohol- und Amphetamingehalt im Blut vollständig neutralisiert wurde. Sue war innerhalb einer Millisekunde hellwach. „Wo bist du denn?“, rief sie ihrer Tochter zu.

„Im Krankenhaus.“

„Warum?“

Auf diese völlig berechtigte Frage brach Amy wieder in Tränen aus.

„Was ist mit dir los?“, fragte Sue so sanft wie möglich.

„Ich kann nichts dafür, Mama, ehrlich.“

Das war wohl der am meisten missbrauchte Satz in jeder Art von Beziehung.

„Bitte hol mich ab.“

Gott sei Dank, sie schien nichts Schlimmeres zu haben, wenn sie gleich entlassen werden konnte.

„Wo bist du denn?“

„Im Mile End Hospital.“

„Okay Schätzchen, ich bin gleich da.“ Das Krankenhaus lag ja nur am anderen Ende der Stadt. Sue klappte das Handy zu und winkte der Bedienung.

„Probleme?“ Peters Aussprache klang leicht verwaschen.

Sue nickte. „Meine Tochter. Eine Geburtstagsparty scheint völlig aus dem Ruder gelaufen zu sein.“

„Hoffentlich nichts Schlimmes.“

Sue zuckte mit den Achseln. „Ich glaube nicht, aber ich muss trotzdem los.“

Am Taxistand hob Peter zu einer letzten Vorstellung an.

„Sommergewitter –

Ich ducke mich unter den Baum

Ohne dich.“

„Das gefällt mir!“, meinte Sue.

Peter lächelte unglücklich (das klang absurd, war aber tatsächlich so), während er ihr die Taxitür aufhielt. „Das ist das erste Mal, dass Sie das heute Abend sagen und auch meinen.“

Sue errötete. Unterschätze nie einen Oxford-Absolventen, schwor sie sich, selbst wenn er betrunken ist.

„Soll ich Ihnen was verraten? Das Gedicht ist nicht von mir.“ In diesem Moment sah er aus wie der personifizierte Kummer. „Meine Putzfrau hat es geschrieben, sie besucht einen Haiku-Kurs in der Volkshochschule.“

Sue hatte nicht die leiseste Ahnung, mit welchen Worten sie ihn trösten konnte und drückte ihm stattdessen kurz die Hand.

„Ich glaube, ich sollte mit dem Schreiben aufhören.“ Mit diesen Worten ließ er die Wagentür zufallen und warf ihr einen letzten traurigen Blick zu.

Einen Verlängerten bitte

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