Читать книгу Gehalten - Elisabeth Bührer-Astfalk - Страница 10

Оглавление

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

3. Wohin mit der Wut?

Ich empfinde häufig Wut. Wut auf meinen Mann, der mich allein zurückgelassen hat, Wut auf Gott, der seinen Tod zuließ, Wut auf mein Umfeld, das wieder zur Tagesordnung übergeht. Am schwierigsten auszuhalten ist für mich die Wut, wenn ich mich ohnmächtig fühle. Zum Beispiel gegenüber unflexiblen bürokratischen Abläufen. Nach dem Tod meines Mannes will ich schnellstmöglich Rente beantragen. Dazu brauche ich seinen Ausweis der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV). Doch da fällt mir ein, dass sich dieser in unserem Bankschließfach befindet. Also fahre ich zur Bank. Ich bin mir sicher, dass ich den Ausweis bekomme, denn schließlich haben wir dieses Schließfach gemeinsam eröffnet. Dort angekommen erklärt mir jedoch eine junge Angestellte, dass ich nun auf sämtliche Dokumente des Schließfaches keinen Zugriff mehr habe, erst wieder nach dem Vorweisen des Erbscheins. Doch bis ich diesen habe, wird es mindestens noch zwei Monate dauern. Alle Erklärungen und Bitten meinerseits werden schroff zurückgewiesen. Einige Tage später darf ich dann doch, unter Aufsicht der örtlichen Vormundschaftsbehörde und jener Bankangestellten, den AHV-Ausweis meines Mannes aus dem Schließfach entnehmen. Die restlichen Dokumente werden wieder unter Verschluss genommen. Langsam dämmert es mir: Es geht um den Schutz der Erben, meine minderjährigen Kinder. Ich könnte ihnen etwas wegnehmen. So ist das also. Allerdings wären etwas weniger kontrollierende Blicke seitens der Bankangestellten beim Durchsehen des Schließfachinhaltes trotzdem nett gewesen. Das verletzt mich.

Am Nachmittag gehe ich einkaufen. Den Wagen randvoll gefüllt mit Lebensmitteln für die große Familie, den quengelnden Jüngsten neben mir, eine Schlange wartender Kunden hinter mir, stecke ich die Bankkarte ins EC-Gerät. Oh, diese geht nicht mehr, ist gesperrt. Ich überlege fieberhaft – vielleicht funktioniert die Kreditkarte noch? Ich habe Glück. Sie geht noch und ich kann bezahlen. Zu Hause angekommen telefoniere ich mit meiner Hausbank. Ja, alle Konten und Karten sind gesperrt worden. Das sind ganz normale Abläufe, wird mir erklärt, auch bei Gemeinschaftskonten. »Ich werde Ihnen jedoch umgehend eine neue Karte für Ihr Konto zukommen lassen«, versichert mir der Bankberater. Sehr witzig, denke ich nur. Mit meinem Lohnkonto kommen wir nicht weit. Ich lege den Telefonhörer auf. Am Abend bringe ich die Kinder zu Bett, setze mich schließlich auf unser Sofa im Wohnzimmer und denke nach. Und dann, auf einmal, erinnere ich mich an einen Vers aus der Bibel, der ungefähr so lautet: »Sei beruhigt! Der Herr selbst wird für dich kämpfen.« Das ist es, denke ich. Dann sage ich mir: »Gott wird für mich kämpfen, er muss es nun tun, ich habe hier allein keine Chance.« Einen Tag später bekomme ich einen Anruf vom früheren Arbeitgeber meines Mannes und erfahre etwas vom »Lohnnachgenuss«. Drei volle Monatslöhne soll ich noch einmal bekommen. Davon hatte ich nichts gewusst. »Ja – und in diesem Fall«, so der Arbeitgeber weiter, »wird veranlasst werden, dass das Geld direkt auf Ihr Konto kommt. Umgehend«, versichert er mir. Ich kann aufatmen. Diese Summe ist nun groß genug, sodass wir für die nächsten Wochen genug zum Leben haben.


Der Vers, der mir hier urplötzlich eingefallen ist, entstammt einer Geschichte aus 2. Mose 14. Das Volk Israel steckt nach der Befreiung aus der ägyptischen Gefangenschaft in einer menschlich gesehen aussichtslosen Lage. Hinter ihnen ein riesiges feindliches Heer ägyptischer Soldaten und vor ihnen das Meer, das eine Flucht unmöglich macht. Wie reagieren sie? Sie bekommen Angst, was verständlich ist. Dann beten sie zu Gott. Doch ohne seine Antwort abzuwarten, werden sie richtig wütend auf Mose, ihren Anführer. Dieser bleibt indes ganz gelassen und sagt einfach: »Wartet ab und seht, wie der Herr euch heute retten wird. (…) Der Herr selbst wird für euch kämpfen. Bleibt ganz ruhig!« (2. Mose 14,13-14). Danach geschieht eines der bekanntesten Wunder der Bibel. Gott bahnt einen trockenen Weg mitten durch das Meer. Ohne jegliches Zutun des Volkes. Kein Gegenschlag oder Kampf sind nötig. Es geschieht einfach durch das mächtige Eingreifen Gottes.

Auch in unserem Leben gibt es immer wieder Situationen, die uns regelrecht in die Enge treiben können. So sehr, dass es scheint, dass wir verloren haben oder einer Sache völlig ausgeliefert sind. Vielleicht sind es bürokratische Abläufe, die keinen Spielraum mehr erlauben. Oder es gibt Menschen, die uns ungerecht behandeln, die uns nicht das geben, was uns zusteht. Die zum Beispiel den »Geldhahn« abdrehen. Dann können wir aus dieser Geschichte lernen. Denn Gott ist auch heute noch derselbe. Er möchte, dass wir zu ihm rufen und mit seinem mächtigen Eingreifen rechnen. Vielleicht dauert es manchmal ein bisschen, bis das Wunder geschieht, weil Gott seinen eigenen Zeitplan hat oder weil er außerhalb von Zeit und Raum ist. Doch er will, dass wir nicht pausenlos selbst kämpfen, er möchte für uns kämpfen. Das ist sein Angebot. Er weiß auch, wie sehr uns das Kämpfen zermürben kann und wie oft wir verletzt daraus hervorgehen.

David schreibt im Psalm 37,5-7a: »Überlass dem Herrn die Führung deines Lebens, und vertraue auf ihn, er wird es richtig machen. Deine Unschuld wird er sichtbar machen, so hell wie das Licht des Tages, und die Rechtmäßigkeit deiner Sache wird leuchten wie die Mittagssonne. Sei ruhig in der Gegenwart des Herrn, und warte, bis er eingreift.« Diese Verheißungen sind tröstlich und machen Mut. Gott verhilft – zu seiner Zeit – seinen Kindern zu ihrem Recht.


Mir persönlich geht in den folgenden Wochen diese junge Bankangestellte nicht aus dem Kopf. Jedes Mal, wenn ich an sie denke, steigt Ärger in mir hoch. Bis ich eines Tages eine kreative Idee habe. Im hintersten Keller unseres Hauses werfe ich mit voller Wucht eine alte Kaffeetasse gegen die Betonwand und schicke gleich noch ein paar Schimpfwörter hinterher. Das tut gut. Mein Ärger ist fürs Erste raus. Und schließlich kann ich dieser Frau sogar vergeben.

Mutmach-Tipp:

Wut zu empfinden, ist normal. Finde kreative Möglichkeiten heraus, um deine Wut zu mildern.

Zum Nachlesen:

2. Mose 14,14; Psalm 37

Gehalten

Подняться наверх