Читать книгу Gehalten - Elisabeth Bührer-Astfalk - Страница 12

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5. Zu viel Chaos

Es ist Advent. Mein zweitjüngster Sohn kommt von der Schule nach Hause. »Mama, wir haben heute in der Schule ein lustiges Lied gesungen: In der Weihnachtsbäckerei gibt es manche Kleckerei …, Mama, wann backen wir Plätzchen?« Eigentlich vermeide ich das vorweihnachtliche Plätzchenbacken bezeihungsweise delegiere es an andere, seitdem ich alleinerziehend bin. Doch nun denke ich: »Hm, ja, wieso eigentlich nicht einmal wieder mit den beiden jüngeren Jungs backen, während die Großen in der Schule sind? Ich könnte ja auch Freundinnen mit gleichaltrigen Kindern fragen, ob wir zusammen eine Weihnachtsbäckerei veranstalten.« Also versammeln sich schon bald eines Nachmittags vier Jungs, ein Kleinkind und zwei weitere Mamis in meiner Küche. Doch mit einer derart geringen Ausdauer meines Jüngsten und der anderen beiden Jungs hätte ich nicht gerechnet. Schon bald verlangen diese nach den großen bunten Schaumstoffwürfeln, um damit im Treppenhaus zu spielen. Ich erlaube es ihnen und erhoffe mir davon ein friedliches Weiterbacken mit meinem älteren Sohn und den beiden Mamis.

Im Treppenhaus höre ich es dann auch sogleich rumpeln und kreischen. Die Kinder holen außerdem ständig weitere Sachen herbei: diverse Decken, ein tragbares Kassettengerät, eine Koffermatratze, Spielfiguren. Ich will es gar nicht so genau wissen, was sich da alles im Treppenhaus ansammelt, Hauptsache, wir können backen. Das Kleinkind will natürlich auch zu den Jungs auf die Treppe. Und so ist die andere Mutter im Minutentakt damit beschäftigt, es zu »retten«. Denn dort wird mittlerweile »Matratzensurfen« gespielt und wie wild die Treppe heruntergerutscht. Mein älterer Sohn, die andere Mutter und ich kämpfen uns durch den Teig. Nur noch fertig werden. Doch so schnell geht das nicht. Schließlich hat jede Mutter einen Teig beigesteuert. Da höre ich ein lautes Weinen. Das Kleinkind ist erst seit Kurzem ohne Windel und hat nun versehentlich genau über der im Wohnzimmer aufgebauten Holzeisenbahn gepinkelt. Ich muss also schnell putzen. Die anderen Jungs haben sich mittlerweile vom Treppenhaus ins Jungenzimmer verzogen, wo bald darauf ein mächtiger Schlag zu hören ist. Sofort steige ich über alle Hindernisse hinweg die Treppe hoch, mein Sohn hinterher, werfe einen Blick ins Zimmer und sehe auch schon die Bescherung: Einer der Jungs hat mit der Spielzeugpistole punktgenau den Turm getroffen, den mein zweitältester Sohn vor ein paar Tagen aufgebaut hatte. Nun ist nur noch eine traurige Bauklötzchen-Ruine zu sehen. Mein Sohn verliert die Nerven. Er brüllt und weint und jagt alle Jungs aus dem Zimmer hinaus. Schnell beenden wir dann die Weihnachtsbäckerei. Es ist nur noch ein Blech im Ofen, aufräumen kann ich dann allein, versichere ich.

Die Gastjungen stolpern die Treppe herunter und kommen in die Küche, die Plätzchen werden schnell noch eingepackt. Schließlich fällt die Tür hinter den Besuchern ins Schloss. Endlich Ruhe. Aufatmen. Der Jüngste verzieht sich schuldbewusst in die hinterste Ecke des Wohnzimmers, und mein älterer Sohn kommt mehl- und tränenverschmiert die Treppe herunter. Vom Turm konnte er nichts mehr retten. Doch dann schaut er in die Küche: »Wo sind die Plätzchen?« »Oh!«, stelle ich entsetzt fest. »Die sind wohl alle mitgenommen worden, doch wir haben ja noch die vom Backofen.« Jetzt fließen noch mehr Tränen und mein Sohn tut mir furchtbar leid. Schnell räume ich ein, dass meine Idee mit dieser Art von Weihnachtsbäckerei wohl nicht so gut gewesen ist, und verspreche dann, schon bald noch einmal zu backen – mit ihm allein.


Vom größten Chaos der Weltgeschichte lesen wir in der Bibel in 1. Mose 1,1. Dort steht: »Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde. Die Erde aber war wüst und öde, finster war es über den Wassern. Und der Geist Gottes schwebte über der Wasserfläche.« Die Worte, die hier im Hebräischen für »wüst« und »öde« stehen, können mit dem Wort »Chaos« übersetzt werden.1 Durch den Schöpfungsakt wird dieses Chaos überwunden, sodass Leben und eine einzigartige Ordnung entstehen. Ein Teil dieser einzigartigen Ordnung wird dann auch der Mensch: der Mann und seine Frau. Doch es dauert nicht lange, da sündigen die beiden, und Gott vertreibt sie aus dem Paradies. Mit dem Sündenfall kommt dann auch wieder das Chaos zurück auf die Erde, in das Leben der Menschen und in die Familien hinein. Vom ersten schweren Familienstreit lesen wir schon bei den Söhnen von Adam und Eva (1. Mose 4,1-8). Spätestens jetzt ist es vorbei mit der »heilen Welt«.

Doch wie gerne hätten wir sie trotzdem, diese heile Welt. Wie schön könnte alles sein: das Plätzchenbacken mit den Kindern in der Adventszeit, der harmonische Familienurlaub, der Gottesdienstbesuch am Sonntagmorgen mit einer glücklich strahlenden Kinderschar, die in Reih und Glied auf der Stuhlreihe sitzen. Vielleicht haben wir das Gefühl, es gäbe diese heile Welt irgendwo, zwar nicht bei uns, aber bei den anderen. Doch wir alle wissen, dass die Realität oft eine andere ist. Nicht nur bei den Alleinerziehenden, sondern in allen Familien. In jeder Familie gibt es Konflikte und Überforderung. In jeder Familie gibt es immer wieder Chaos.

Ich bin froh, dass Jesus auf diese Welt kam. Mitten hinein in unser irdisches Chaos. Er spricht von sich als dem Licht, das in dieser dunklen Welt leuchtet (vgl. Johannes 12,46). Nun müssen wir nicht mehr in der Dunkelheit und in den Konflikten stecken bleiben, sondern mit ihm gibt es einen Weg heraus. Der Schlüssel dafür heißt: aufeinander zugehen und sich gegenseitig vergeben. Mit Jesus ist das möglich. Diese gegenseitige Vergebung ist ein kostbares Geschenk, das jedem Chaos ein Ende bereitet und ein kleines Stück heile Welt schafft (vgl. Epheser 4,32).

Doch brauchen Kinder nicht auch ein gewisses Maß an Chaos? Zum Beispiel im Kinderzimmer? Ich denke schon. Bekanntlich wird dadurch sogar kreatives Spielen gefördert. Dieses Chaos darf sein. Solange es nicht die Grenzen von Geschwistern oder der Eltern überschreitet und damit wieder zu Konflikten führt. Zum richtigen Chaos also.


Am Abend nach dem Backtag bringe ich die Jungen zu Bett. Rechts kuschelt sich der Ältere, links der Jüngere an mich. Wir reden über diesen schrecklichen, chaotischen Nachmittag. Wir sind uns einig, dass wir einen solchen »Plätzchen-Back-Besuch« nie mehr wollen. Der Ältere hat sich wieder beruhigt, der Jüngere hat sich entschuldigt. Die beiden haben sich versöhnt. Dann bete ich und segne die beiden Kinder mit Schutz und Frieden. Langsam gehe ich die Treppe hinunter, schiebe die Schaumstoffwürfel ein wenig zur Seite, damit in der Nacht niemand darüberstolpert. Morgen wird mein Jüngster aufräumen müssen.

Mutmach-Tipp:

Gegenseitige Vergebung führt aus jedem Chaos. Probiere es heute einmal aus.

Zum Nachlesen:

1. Mose 1,1; Johannes 12,46; Epheser 4,32; Matthäus 17,1-22

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