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Vorwort der Autorin

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Vor 1700 Jahren kehrte Konstantin der Große von Britannien, wo er ein Jahr zuvor von den Truppen zum Imperator ausgerufen worden war, nach Gallien zurück. In Trier, der Residenzstadt seines gerade verstorbenen Vaters, vermählte er sich mit Fausta, der jungen Tochter des Altkaisers Maximianus Herculius, der dem Schwiegersohn die Augustuswürde verlieh. Dieser Ereignisse, die sich in den Jahren 306 und 307 abspielten, wurde und wird in mehreren Ausstellungen in Rimini und York 2006 und in Trier 2007 gedacht.

Als der Herausgeber der Reihe „Gestalten der Antike“, Manfred Clauss, mich ansprach, eine Konstantinbiographie zu schreiben, habe ich aus mehreren Gründen zunächst mit einer Zusage gezögert. Abgesehen von der Enge der Terminvorgabe, die durch Vakanzen und Universitätsreformen noch verschärft wurde, war es vor allem die Person des spätantiken Kaisers selber, die mich bedenklich stimmte. Ist doch Konstantin eine der umstrittensten Gestalten der Antike, die Zeitgenossen und Nachwelt gleichermaßen polarisiert – bis auf den heutigen Tag. Dabei geht es um nichts Geringeres, als eine Entscheidung zu fällen, ob Konstantin der erste christliche oder der letzte römische Kaiser war, ob er als gläubiger Christ die Privilegierung des Christentums als Religion und der Kirche als Institution betrieben oder ob er diese Maßnahmen aus rein politischen Gründen ergriffen hat. Die Antworten sind kontrovers, die Positionen mitunter unversöhnlich. So scheidet Konstantin die Geister heute wie damals.

Das hängt ganz grundlegend und ursächlich mit der Ausgangssituation jeder Beschäftigung mit dem Kaiser zusammen: den antiken Zeugnissen. Vor allem die literarischen Quellen, von Historikern, Lobrednern und Bischöfen verfasst, aber auch Münzen und sonstige archäologische Hinterlassenschaften sind bereits so widersprüchlich, dass im Weiteren die Bewertung des Kaisers nur kontrovers ausfallen kann.

Eusebius, Bischof von Caesarea, zeitgenössischer Biograph, der nach dem Tode des Kaisers seine Vita veröffentlichte, hat das Gegenstück dessen geschaffen, was wir heute unter einer Biographie verstehen. Sie ist eher eine Lobrede als eine Lebensschilderung, die bewusst alle negativen Seiten und Ereignisse ausklammert. Schon aus diesem Grunde ist sie nicht nachahmenswert. Im Laufe der Zeit änderte der Bischof, der zugleich der erste Kirchenhistoriker und zeitweise „Chefideologe“ des Kaisers war, seine Meinung, sodass seine Schriften als überaus parteiisch einzustufen sind. Er ist von der Nachwelt denn auch oft gründlich missverstanden und kritisiert worden, sodass die Forderung laut geworden ist, die Geschichte Konstantins ohne Eusebius zu schreiben. Das ist schlechterdings unmöglich, da sich in seinen Werken die meisten Zeugnisse: Briefe, Erlasse, Predigten und Reden befinden, die von dem gelehrten Mann aus dem lateinischen Urtext in seine Muttersprache, das Griechische, übersetzt wurden. Dabei ist zu bedenken, dass jede Übersetzung bereits eine Interpretation ist, was natürlich nicht nur für die antiken Übersetzer gilt, sondern auch für ihre modernen Kollegen.

Ein anderer zeitgenössischer Autor ist der christliche Rhetoriklehrer Laktanz, der ein nicht weniger tendenziöses Werk über die römischen Kaiser verfasst hat, die er nach ihrer Einstellung zum Christentum bewertet. Dass das Ergebnis eine völlig einseitige Kaisergeschichte geworden ist, liegt auf der Hand. Andere Schriften des Lateinisch schreibenden, gebürtigen Nordafrikaners scheinen aber das Denken des Kaisers sehr maßgeblich beeinflusst zu haben. Er war nicht nur der Lehrer der Söhne Konstantins, sondern vielleicht sogar dessen eigener Lehrer.

Neben diesen lobenden Zeitzeugnissen tauchen schon früh kritische Stimmen an der Religions- und Reichspolitik des Kaisers auf. Allen voran ist Julian, der spätere Kaiser und Neffe zu nennen, der seinem Onkel die Vernachlässigung der alten Religionen vorwirft: Damit habe er den Zorn der Götter und das Missgeschick des Reiches heraufbeschworen. Die satirisch verpackte Kritik wurde von Vertretern der heidnischen Religionen, vorab dem Historiker Zosimus, der ein Jahrhundert später schreibt, aber auch von verschiedenen neutraleren Geschichtsschreibern, wie den Epitomatoren, fortgeschrieben. Ganz zu schweigen von Quellen der folgenden Jahrzehnte und Jahrhunderte, in denen die Legendenbildungen die seltsamsten Blüten trieben, aber zugleich sehr nachhaltig und blickverstellend das Konstantinbild der späteren Zeit dominierten. Es sei nur die Legende von der Konstantinischen Schenkung erwähnt, die vor ihrer Entlarvung als Fälschung in der Frührenaissance die gesamte Politik zwischen Papsttum und Kaisertum im Mittelalter bestimmte. Auch der Legendenkranz, der sich um die Kaisermutter Helena rankte, ist an manchen Orten bis heute weiterhin wirksam.

Neutralität der Bewertung erhofft man sich durch Münzen und andere archäologische Zeugnisse, die aber als Propagandamittel nicht weniger parteiisch sind und neben eindeutig christlichen und eindeutig heidnischen auch mehrdeutige Symbole aufweisen. Die Mehrdeutigkeit der Politik des Kaisers ist damit bereits angelegt und lässt sich nicht wegdiskutieren. Die Frage, wieweit eine solche Mehrdeutigkeit vom Kaiser bewusst angestrebt wurde, ist nicht weniger kontrovers beantwortet worden. Trotz der relativen Fülle antiker Quellen ist ihr Aussagewert stets kritisch zu hinterfragen.

Wegen der Pattsituation in der Bewertung der konstantinischen Politik werden in diesem Buch andere Wege eingeschlagen. Die Gesellschaft, in der der Kaiser lebte, wird genauso beleuchtet wie der institutionelle Rahmen, in dem sich das spätantike Kaisertum befand. Auch die bereits bestehende Organisation der Kirche wird in ihrer Bedeutung für die kaiserliche Politik in Augenschein genommen. In die weit verzweigte intensive Gesetzgebung und in die Praktizierung der Gesetze wird ein Einblick gewährt, wie in das Beziehungsgeflecht der politisch maßgeblichen Persönlichkeiten untereinander. So hofft diese Darstellung, den Kaiser vor dem Hintergrund von Staat, Gesellschaft, Kult und Gesetz nahebringen zu können, ohne den Anspruch zu erheben, die Widersprüchlichkeiten aufheben und Vollständigkeit aller Aspekte gewähren zu können.

Die Feststellung, dass jeder seinen eigenen Konstantin hat, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Da der Kaiser ein hervorragender Selbstdarsteller war, ist der Blick hinter die Kulissen sehr oft verstellt. Etwas mehr Licht in die Grauzonen zu bringen – darum ist dieses Buch bemüht. Darüber hinaus wird ein Einblick in die Konstantinforschung von Jacob Burckhardt bis heute zeigen können, wie sehr der jeweilige Zeitgeist die Diskussionen um den Wegbereiter des Christentums in Europa mit geprägt hat. Das ist übrigens zurzeit nicht anders.

Seit dem Beginn meiner wissenschaftlichen Tätigkeit ist das Themenfeld um Konstantin, die Spätantike und das frühe Christentum einer meiner Forschungsschwerpunkte. Durch die Vorbereitungen auf die Konstantinausstellung in Trier, an denen ich in verschiedener Weise beteiligt bin, hat meine Beschäftigung mit dem Thema vielfältige Impulse erhalten. So danke ich den Kollegen Alexander Demandt, Josef Engemann, Michael Fiedrowicz, Klaus Martin Girardet, Heinz Heinen, Erich Kettenhofen, Detlef Liebs, Klaus Rosen, Winfried Weber und Hans Wieling für Hinweise in Gesprächen und Briefen. Einer dreisemestrigen Projektstudie zur Erstellung einer antiken Tageszeitung zusammen mit Frau Dr. Andrea Binsfeld sind viele Anregungen von Seiten der Studenten entsprungen, die indirekt in das Buch eingegangen sind.

Ein paar technische Hinweise seien dem Leser mit auf den Weg gegeben. Bewusst wurden antike Zitate aus Briefen, Gesetzen, Inschriften und anderen schriftlichen Zeugnissen aufgenommen. Sie vermögen wie keine moderne Darstellung den Geist der damaligen Zeit und das Denken der Menschen bis hin zur Selbststilisierung und gar zur propagandistischen Verzerrung zu vermitteln. Bei der Fülle der Fachliteratur zu Konstantin, die vor allem im letzten Jahrzehnt explosionsartig angewachsen ist, musste eine Auswahl getroffen werden, die auch den interessierten Nicht-Fachmann im Auge hat. Nur einmal benutzte Titel finden sich daher in den Endnoten an der entsprechenden Stelle bibliographisch genau aufgeführt. Öfter benutzte Titel sind außerdem in der „Literatur in Auswahl“ aufgenommen.

Abschließend habe ich die angenehme Aufgabe, den vielen Helfern zu danken, die zum Zustandekommen des Buches beigetragen haben. Zuallererst gilt mein Dank Manfred Clauss, der nicht nur als Herausgeber in vorbildlicher Weise den Band betreut hat, sondern stets ein offener und kritischer Gesprächspartner war. Meinem Doktoranden Marcel Simonis danke ich für die Erstellung der Grafiken im Text und der Dynastietafel, Astrid Weilandt, meiner Forschungsstudentin am Graduiertenkolleg, für die Ausarbeitung der Zeittafel und Besorgung der einschlägigen Forschungsliteratur. Beide haben außerdem intensiv Korrektur gelesen, wofür ich ihnen meinen aufrichtigen Dank ausspreche. Herrn Mathias Dewald, Universität Hamburg, danke ich für die umsichtige Erstellung der Karte, Christoph Schäfer für die freundliche Vermittlung. Ohne die stete helfende Unterstützung und Geduld meines Mannes und meiner Tochter läge das Buch nicht in der jetzigen Form vor. Beiden sei herzlich gedankt.

Trier, Ostern 2007

Konstantin der Große

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